Weltgeschehen – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Tue, 04 Dec 2018 16:02:04 +0000 de-DE hourly 1 Deine Organe, deine Entscheidung! https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/deine-organe-deine-entscheidung/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/deine-organe-deine-entscheidung/#respond Mon, 10 Dec 2018 09:00:59 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=399603 Das Treffen der Lokalgruppenleiter der AGs aus ganz Deutschland fand vom 19. bis zum 21. Oktober in Köln statt. Das Programm beinhaltete Seminare, Vorträge und Workshops. Zunächst wurden wir von den Bundeskoordinatoren begrüßt und über neue Projekte und Ideen informiert. Besonders hervorzuheben ist eine Zusammenarbeit mit Dr. Eckart von Hirschhausen, der uns im Rahmen seiner Tour durch Deutschland als studentische Initiative einbauen möchte.

Im Anschluss sprach Prof. Stippel über Organvergabeskandale in Deutschland und über den Ablauf beziehungsweise das generelle System der Organvergabe. Es ging auch darum, wie das Vergabesystem funktioniert und wie es kontrolliert wird.

Als nächstes stand eine mögliche Kooperation mit einer Organisation mit dem Namen „Über Leben“, die ebenfalls Aufklärung über Organspende leistet, auf dem Programm. Diese Organisation möchte jeder Lokalgruppe einen, von ihr entwickelten, Ausweisspender kostenlos zur Verfügung stellen. Es handelt sich hierbei um eine Halterung – ähnlich dem Stiftspender von Ikea -, die Organspendeausweise enthält und jedem somit einen Ausweis spontan zur Verfügung stellt. Wir persönlich sind sehr begeistert von dieser Idee und haben direkt einen Spender bestellt. Fraglich ist dennoch, ob eine Kooperation mit der Organistaion zustande kommen wird, da von „Über Leben“ Werbeaktionen geplant sind, die die Neutralität unseres Projekts gefährden könnten. Beispielsweise ist momentan eine Kampagne namens „unverkäuflich“ in Arbeit. Im Rahmen dieser Kampagne sollen demnächst in Web Market Places Organe neben den regulären Produkten erscheinen, die anstatt mit einem Preis mit dem Wort „unverkäuflich“ gekennzeichnet sind. Diese Aktion soll das Interesse der Kunden wecken und es wird des Weiteren erwartet, dass jene dann über das Anklicken der Organe auf eine Aufklärungsseite zur Organspende weitergeleitet werden. Auf dieser Seite können sie sich dann kostenlos einen Ausweis nach Hause liefern lassen.

Fokus Universität und Schule

Die im Anschluss folgenden Workshops befassten sich mit „Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen“ und „Finanzierung und Social Media“. Die Workshops waren für unsere Gruppe, die sich ja momentan noch im Aufbauprozess befindet, enorm hilfreich. Zum einen wurde uns das nötige Know-How an die Hand gegeben, zum anderen gab es einen großen Ideenaustausch. Im Gespräch ist zum Beispiel eine deutschlandweite Umfrage (erstmal nur) unter Medizinern, inwieweit sie sich gegen Ende des Studiums mit dem Thema Organspende auskennen beziehungsweise ob sie sich hinreichend informiert fühlen. Ziel ist es, bei entsprechendem Ergebnis dieser Umfrage, an die Universitäten heranzutreten, um das Thema in das Curriculum aufzunehmen. Andere Ideen waren Wahlfächer an den Unis, der Einbau von Organspende in eine OSCE-Prüfung und auch die Erstellung von Kurzfilmen über Organspende. Außerdem entwickelten wir zahlreiche Ideen für künftige Schulbesuche und Workshops. Ein gutes Beispiel ist zum Beispiel das Organ-Memory. Hier werden Bilder eines Organs in gesundem und krankem Zustand ausgedruckt und laminiert, außerdem gibt es zu jedem Organ eine Funktionskarte. Jeder Schüler erhält eine dieser laminierten Karten und muss sich mit den passenden Partnern zusammenfinden. Ganz grundlegend wurde zudem auch darüber geredet, wie man überhaupt den Kontakt zu Schulen herstellt und dass eventuell auch Fortbildungen für Lehrer angedacht sind. Hierzu wird versucht mit Lehramtsstudenten in Kontakt zu kommen, um didaktisch sinnvolle Konzepte zu erarbeiten, wie man Schülern das Thema Organspende am besten näherbringt. Außerdem wurden Listen mit Heimatschulen der AG-Mitglieder erstellt, um den Ortsgruppen über bestehende Kontakte einen Einstieg in die Schulwelt zu ermöglichen.

Im Workshop „Finanzen und Social Media“ wurden zuerst einmal Möglichkeiten gesammelt, wie sich eine Lokalgruppe finanzielle Unterstützung für Werbemittel und Projekte beschaffen kann. Außerdem hatten wir das Glück, dass ein Finanzassistent des bvmd vor Ort war, der Fragen zu Themen wie Konten, Spendenquittungen und Ablauf eines Antrags zur Kostenerstattung beim bvmd persönlich beantworten konnte. Danach folgte das wichtige Thema Social Media. Durch die sozialen Medien hat man die Möglichkeit mit wenig Aufwand und geringen Kosten sehr viele Personen zu erreichen und aufzuklären. Das möchte sich unsere Initiative zunutze machen, um eine noch größere Reichweite zu erzielen, sowohl regional in den Lokalgruppen, als auch überregional durch die Bundesinitiative. Es wurden Techniken der Informationsverbreitung und die gemeinsame Betreuung eines Instagram-Profils besprochen.

Bitte Ausfüllen!Magnus Bender | StudentenPACK.

Bitte Ausfüllen!

Nieren- und Hornhauttransplantationen

Im Anschluss folgten die Seminare zu Pädiatrischen Nephropathien und Hornhauttransplantation. Professor Dr. Weber aus der pädiatrischen Nephrologie des Universitätsklinikums Köln berichtete über diverse Erkrankungen, die zur Zieltherapie Nierentransplantation führen. Außerdem zeigte er die Grenzen des bestehenden Vergabeverfahrens auf: Die Wartezeit der Kinder, die sich vor Vollendung des 18. Lebensjahres auf der Warteliste für ein Organ befinden, wird mit Eintritt ins Erwachsenenalter auf Null gesetzt. Das heißt, dass die Wartezeit jener Kinder nicht berücksichtigt wird und sie ihre bisher gesammelte Wartezeit verlieren. Dies kommt für einige einem Todesurteil gleich. Hinzu kamen auch wichtige Fakten wie zum Beispiel die Lebenserwartung eines Erwachsenen über 65 Jahren an der Dialyse ohne Organspende – erschreckende vier Jahre! Zusammenfassend kann man sagen, dass die Relevanz des Themas unterstrichen wurde und die Motivation, diesen betroffenen Menschen zu helfen, durch die Darstellung von Prof. Weber deutlich zugenommen hat.

Isabella Modhiri aus der universitären Augenklinik gab uns einen Einblick in die Thematik der Hornhauttransplantation. Bei dieser Transplantation handelt es sich um die älteste Form der Transplantation und auch um die in Deutschland am häufigsten durchgeführte. Die Hornhautspende ist eine Gewebespende, die auch 36 Stunden nach dem Tod noch möglich ist, jedoch nur mit Zustimmung der Angehörigen. Durch diese Spende ist es möglich, Personen, die beispielsweise durch Infektionen, Traumata oder angeborene Fehlbildungen ihre Sehkraft verloren haben, ihr Augenlicht wieder zu schenken.

Im Mai 2019 findet dann das Bundestreffen der Initiativen in Mainz statt, an welchem wir sehr gerne teilnehmen würden!

Das Leitertreffen war eine enorme Bereicherung für unsere Ortsgruppe Lübeck, die uns in unserem Vorhaben bestärkt, noch mehr motiviert und grundlegend informiert hat!

Welche Projekte stehen in Zukunft an?

Als nächstes steht ein Schulbesuch im Johanneum in Lübeck an, bei dem unsere AG die Transplantationsbeauftragten des UKSH zu ihrem Vortrag über Organspende begleiten darf. Im Feburar des nächsten Jahres findet die Tour von Dr. Eckart von Hirschhausen statt, auf der wir als AG anwesend sein werden. Eine gute Gelegenheit, außerhalb von Schulen und der Uni Menschen zu erreichen und über Organspende aufzuklären! Des Weiteren ist für die Erstsemester des Studienganges Medizin der Einbau des Themas Organspende in eine der wöchentlich stattfindenden Klinikervorlesungen geplant, diesbezüglich befinden wir uns schon im Gespräch mit Prof. Westermann.

Wir freuen uns immer über neue Mitglieder, deshalb meldet euch bei Interesse gerne unter ag-aufklaerung-organspende@asta.uni-luebeck.de!

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Im Glashaus der unbegrenzten Möglichkeiten https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/im-glashaus-der-unbegrenzten-moeglichkeiten/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/im-glashaus-der-unbegrenzten-moeglichkeiten/#respond Mon, 10 Dec 2018 09:00:39 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=399456 Zukunftsbasteln – so nannten wir den Nachmittag unter Freunden im WG-Zimmer einer Altbauwohnung. Eine Runde von Psychologiestudierenden trifft sich gegen Ende des fünften Semesters, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie es nach der Bachelorarbeit weitergehen soll.

Mit einem Psychologiestudium kommt man überall hin, dachte ich mir zu Beginn des Studiums. Die Psychologie findet Einhalt in immer mehr Gebieten des Lebens. Sei es in der Unternehmensberatung, Mensch-Technik-Interaktion oder Patientenversorgung und trotzdem muss ich nun feststellen, dass dem Horizont der unendlichen Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Die Jobperspektiven mit einem Bachelor in Psychologie sind sehr gering und wenn man dann auch noch mit psychisch Erkrankten arbeiten möchte praktisch nicht existent. Also muss ein Masterabschluss her. Nur welcher? Wo? Und wie einen Masterplatz bekommen? Die angeblich beliebten Studierenden-Sprüche: Durchkommen ist alles; Hauptsache bestehen; Vier gewinnt; haben bei Psychologiestudierenden schon im Abitur nicht gezogen und leider ändert sich das während des Bachelorstudiums auch nicht.

Man lernt, kämpft, schwitzt und bangt gemeinsam, muntert sich gegenseitig auf, in jeder Klausurenphase dasselbe Spiel. Aber wenn am Ende die Noten vergeben werden, steht jeder für sich mit seinem Notendurchschnitt, mit dem er gegen die Kommilitonen/innen und vormals Mitstreiter/innen auf der Suche nach einem geeigneten Masterplatz antritt, alleine da.

Bewertet durch eine Zahl, die einen Studierenden hauptsächlich daran misst, an welcher Stelle auf dem Multiple-Choice Klausurbogen er seine Kreuzchen gesetzt hat, wird nun entschieden, wer eine Zugangsberechtigung für das Weiterstudieren eines Studiengangs erhält, der noch bis vor wenigen Jahren ohne sinnlose Untergliederung oder Selektion auskam und mit dem Erhalt des Diploms abschloss.

Wer heute nicht mit einem Bachelorschnitt jenseits der 2,0 nach Hause geht, bekommt schnell das Gefühl: Ein Bachelor in Psychologie ist nichts wert.

Ein Glashaus.Svenja Meyn | StudentenPACK.

Ein Glashaus.

Knapp ein halbes Jahr war es damals vom Zukunftsbasteln bis zum Ende der Bewerbungsfrist für Masterstudiengänge hin und das vorherrschende Gefühl war Unsicherheit. Fragen, die sich bisher jeder im Einzelnen gestellt hatte, wurden gesammelt und vielleicht zum ersten Mal laut ausgesprochen. Worauf spezialisiere ich mich? An welcher Uni sind meine Chancen am größten?

Wo ziehe ich hin, oder darf ich bleiben? Studiere ich lieber nochmal etwas ganz anderes? Was mache ich, wenn mein Plan A scheitert? Muss ich mich dann demnächst arbeitslos melden?

Mit bunten Farben zeichneten wir: Zukunftsvisionen von abenteuerlichen Weltreisen, verunglückte Deutschlandkarten mit möglichen Studienorten, Hochzeitspläne, Berufsperspektiven.

Die Trennung des Psychologiestudiums in einen Bachelor- und einen Masterstudiengang bietet den Studierenden die Möglichkeit der individuellen Spezialisierung und die Chance, über den Tellerrand der eigenen Universität hinaus schauen zu können.

Den Universitäten hingegen gibt es die Berechtigung zur Selektion. Jede Hochschule sucht nach den klügsten Köpfen, den besten Studenten/innen und erfolgreichsten Forschern/innen. Als ein hochökonomisches Mittel zur Trennung von Spreu und Weizen gilt, nach wie vor, der Numerus Clausus. Dafür nicht enthalten in der Beurteilung der Bewerbungen: Schufa-Auskunft der Eltern, Geschlecht und Ethnie, Anzahl der Twitter-Follower, Empathie- und Kommunikationsfähigkeit, Ambitionen, soziales Engagement.

Aber wozu die Selektion, wozu die Ablehnung von Bewerbungen solcher, die ihr Bachelorstudium abgeschlossen haben, vielleicht nicht mit summa cum laude, aber immerhin mit einem Bestanden oder besser?

Wenn es doch in Deutschland an psychologischen Psychotherapeuten/innen mangelt? Wenn doch auf der anderen Seite der Psychologie eine psychisch erkrankte Person steht, die nach Monaten oder sogar Jahren des Leidens endlich den mutigen Entschluss fasst, sich professionelle Hilfe zu holen und dann zunächst warten muss. Fast fünf Monate (19,9 Wochen) dauert es nach einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer von 2018 im Bundesschnitt von der ersten Anfrage des/der Patienten/in bis zum Therapiebeginn. Im April letzten Jahres ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, nach dem Psychotherapeuten/innen mit Krankenkassenanerkennung wöchentlich feste Sprechzeiten für Interessierte anbieten müssen. Maximal vier Wochen darf die Wartezeit des/der Patienten/in für so einen 25 minütigen Termin dauern, ein Therapieplatz ist damit jedoch nicht gewährleistet.

Dass wir in Deutschland an einer psychotherapeutischen Unterversorgung leiden, ist ein offenes Geheimnis und dass die lange Wartezeit auf die Patienten/innen sowohl abschreckend als auch krankheitsfördernd wirkt, ist kein Wunder.

Wie können wir es uns als Gesellschaft leisten, an der psychischen oder sonst einer Gesundheit der Bevölkerung zu sparen, wo doch die nötigen Ressourcen (bereits drei Jahre ausgebildete Studierende) vorhanden sind?

Und die Bastelgruppe, die muss sich jetzt entscheiden. Am 15.07. enden in der Regel die Bewerbungsfristen für zugangsbeschränkte Masterstudiengänge.

Wer sich bereits beworben hat, der darf nun warten. Auf eine Zu- oder Absage von Plan A, dem Wunschmasterplatz, oder darauf, dass einige Absagen den Raum der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, auf ein „es bleibt ja immer noch die Warteliste“ reduzieren.

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Quote statt Note? https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/quote-statt-note/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/quote-statt-note/#respond Mon, 10 Dec 2018 09:00:04 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=399472
Medizinstudienplätze sind begehrt – nicht jeder bekommt einen.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Medizinstudienplätze sind begehrt – nicht jeder bekommt einen.

Wie in jedem Jahr haben auch in diesem wieder Unmengen junger Menschen ein Studium begonnen. Diesmal über Tausend davon in Lübeck und von diesen circa zweihundert im Medizinstudiengang. Im Hinblick auf die kommenden Änderungen möchten manche von Ihnen vielleicht sagen: „Gerade nochmal Glück gehabt.“

Denn übernächstes Jahr soll sich das Vergabeverfahren für Humanmedizinstudienplätze (und vielleicht auch für Zahn- und Tiermedizin sowie Pharmazie) ändern. Das hat die Kultusministerkonferenz (KMK) im Juni dieses Jahres beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Dezember das bisherige Verfahren als „teilweise verfassungswidrig“ bezeichnet hatte. Zu dem Gerichtsverfahren war es gekommen, weil zwei Studienplatzbewerber auch nach acht Jahren Wartezeit noch immer keinen Studienplatz erhalten hatten und daraufhin Klage eingereicht hatten. Wohlgemerkt nicht gegen eine Universität, wie es bei Studienplatzklagen üblich ist, sondern gegen das Vergabeverfahren an sich.

Ein bisschen kompliziert war es ja schon immer. Um einen Studienplatz in Medizin bewirbt man sich in der Regel nicht bei der Universität, sondern bei einer zentralen Organisation, die früher ZVS hieß und sich heute „hochschulstart“ nennt. Die vergibt dann die freien Studienplätze nach Quoten: 20 Prozent für die besten Abiturienten eines Bundeslandes, 20 Prozent für die, die schon am längsten warten und die restlichen 60 Prozent dürfen sich die Universitäten selbst aussuchen. Hierbei muss auch die Abi-Note berücksichtigt werden, zusätzlich dürfen aber Testverfahren, Berufsausbildungen oder Interviews die Auswahl beeinflussen. Nicht berücksichtigt sind hierbei Studienplätze, die zum Beispiel an die Bundeswehr oder an privaten Hochschulen vergeben werden.

Das darf so nicht bleiben, sagt das Bundesverfassungsgericht, und diese Entscheidung wurde landauf, landab von Politikern, Ärzten und Studierendenvertretern gelobt. Jahr für Jahr war es schwieriger geworden, einen Studienplatz zu erhalten. Die benötigte Wartezeit war auf 15 Semester gestiegen. Hier wird auch die wohl bedeutendste Änderung ansetzen: Die Wartezeitquote wird abgeschafft. Der KMK blieb wohl kaum eine andere Wahl, denn im Gerichtsurteil wurde festgestellt, dass einerseits die Wartezeit entbehrlich sei oder aber nach oben deutlich begrenzt werden solle, andererseits aber keinesfalls mehr Studienplätze über diese Quote vergeben werden dürften. Warten zu können, sei nunmal keine Eignung, hieß es da von Ulrich Steinbach, Amtschef im Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg. Was mit all denen passiert, die bereits seit Jahren warten, bleibt erstmal unklar. Im Gespräch sind Bonus-Systeme für bereits gewartete Semester, ob Mit-den-Schultern-zucken-und-„Pech gehabt“-Murmeln auch eine Option ist, lässt die KMK noch juristisch prüfen. Unklar ist nämlich noch, ob das Vertrauen, das die Wartenden in das bisherige Verfahren hatte, schützenswert ist. Klar ist, dass eine Entscheidung zu Ungunsten zehntausender Studienplatzanwärter zahlreiche Folgeklagen nach sich ziehen dürfte. Zumindest wird es nicht mehr so sein, dass jeder mit Abitur in Deutschland prinzipiell Medizin studieren kann. Oberhalb einer bestimmten Notengrenze bleibt dann nur noch der teure Weg ins Ausland. Medizin könnte so für viele zu einem Studium werden, dass man sich leisten können muss.

Die Quote für die Abiturbesten bleibt bestehen und könnte sogar noch Studienplätze dazugewinnen. Hier wurde nur bemängelt, dass Abiturnoten in Deutschland kaum vergleichbar wären. Bis das Problem behoben ist, sollen die Plätze nicht mehr über die Note, sondern über den Prozentrang im eigenen Bundesland vergeben werden.

Für die hochschuleigenen Auswahlverfahren darf in der Neuregelung nicht mehr allein die Abiturnote herangezogen werden, sondern es müssen mindestens drei Kriterien in die Entscheidung einfließen. Welche das seien sollen, bleibt noch zu entscheiden. Vorstellbar sind Assessment-Parkours, schriftliche Tests oder Auswahlgespräche, wie sie bereits in Lübeck und an anderen Unis gängige Praxis sind. Schwierig ist hierbei jedoch, zu gewährleisten, dass keine Bewerbergruppe übervorteilt wird. So werden es sich manche nicht leisten können, an teuren Trainingscamps für die Auswahltests teilzunehmen. Was passiert, wenn im Auswahlgespräch eine Oberärztin dem Sohn eines Kollegen gegenübersitzt?

Nebulös ist noch ein neues Vergabeverfahren. Die sogenannte „Talentquote“ ist wohl als Ersatz der Wartezeit gedacht und soll das Abitur nicht allzu sehr berücksichtigen. Zu bedenken ist hierbei, dass es schwierig werden dürfte, der Vielfalt des Arztberufes gerecht zu werden. Werden nicht an eine Chirurgin andere Anforderungen gestellt als an einen Pathologen? Zugleich könnten umfangreiche Auswahlverfahren ein logistisches Problem werden. Bisher konnte man sich über Wartezeit an allen 35 Medizin-Fakultäten bewerben. Dass in Zukunft jeder Bewerber innerhalb von ungefähr zwei Monaten über das ganze Bundesgebiet an 35 Assessments teilnehmen kann, ist äußerst unwahrscheinlich. Eher werden sich die Bewerbungsmöglichkeiten weiter reduzieren. Dies scheint jedoch widersprüchlich zu einer Kernaussage des Verfassungsgerichtsurteils: Der Wahl der Wunschuni sollte eigentlich weniger Bedeutung zufallen – stehen statt den zurzeit vorhandenen sechs Auswahlmöglichkeiten aber nach der Regelung zum Beispiel nur noch drei zur Verfügung, führt dies wahrscheinlich zu gleichbleibenden Bewerberzahlen an den beliebten Standorten, während die Konkurrenz um Studienplätze in Standorten zweiter und dritter Wahl eher abnehmen dürfte. In der Folge könnten in zum Beispiel in Berlin, Münster oder Lübeck Studienanwärter abgelehnt werden, die, hätten sie sich stattdessen für eine andere Stadt entschieden, wahrscheinlich einen Studienplatz bekommen hätten.

Daneben sind weitere Auswahlkriterien Gegenstand hitziger Debatten. Als sicher gilt die Einführung sogenannter „Landarztquoten“. Nordrhein-Westfalen wird als erstes Bundesland ab Herbst 2019 7,6% seiner Studienplätze an Bewerber vergeben, die sich vertraglich verpflichten, nach Abschluss ihrer Ausbildung für zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Bis dahin nachziehen werden wohl Bayern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg und das Saarland sind auch dafür, klären aber noch, ob dieses Unterfangen überhaupt möglich ist. Bei Studierendenvertretungen kommt dieser Wandel längst nicht so gut an wie vielleicht bei vielen Patienten in der Provinz. Fest steht, selbst mit einer Einführung ab dem nächsten Wintersemester sind die ersten Effekte frühestens nach sechseinhalb Jahren Studium und fünf Jahren Facharztausbildung zu bemerken, tendenziell könnte es noch länger dauern. Und welches Bild wird durch solch eine Entscheidung transportiert? Statt ZDF-Romantik wird der Landarzt wohl eher zum Pflichtziel eines „Medizinstudenten zweiter Wahl“, der nach dem Selbstverständnis des Systems eigentlich gar nicht für dieses Beruf geeignet sein dürfte. Kriegen die „Landarztstudenten“ dann andere Kurse als ihre Kommilitoninnen? Ballast wie Interventionelle Radiologie oder operative Augenheilkunde könnte man dann ja weglassen, der Zug ist dann mit der Studienplatzannahme sowieso abgefahren. Warum also dafür Motivation aufbringen? Aber weil Zwangsbehandlungen rechtlich auch nicht ganz einfach sind, hält sich die Politik ein Schlupfloch offen. Ähnlich wie bei Bundeswehr-Studierenden soll man sich auch aus der Landarztverpflichtung mit einer Strafzahlung freikaufen können. Aber ist die Landarztquote dann nicht eher eine Reiche-Leute-Quote?

Apropos Quote: Die Lübecker Herzchirurgin und nunmehr auch CDU-Bundestagsabgeordnete Prof. Claudia Schmidtke forderte Anfang Oktober im Magazin „Der Spiegel“ eine „Männerquote“ im Medizinstudium. Zwar gebe es in ihrem Fachgebiet bundesweit keine einzige Chefärztin, dennoch drohe mit dem wachsenden Anteil an Ärztinnen ein „existenzielles Versorgungsproblem“, da diese ja alle in Teilzeit arbeiten und bereits in der Facharztweiterbildung eine Familie gründen würden. Frau Schmidtke nimmt übrigens in Lübeck auch Auswahlgespräche ab. Nur mal so.

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Ein Tortenwurf und zwei Wochen Gefängnis https://www.studentenpack.de/index.php/2018/05/ein-tortenwurf-und-zwei-wochen-gefaengnis/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/05/ein-tortenwurf-und-zwei-wochen-gefaengnis/#respond Mon, 28 May 2018 09:30:30 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=375512
Heute wird die Torte gegessen statt geworfen: „Julia Pie“.Annika Munko | StudentenPACK.

Heute wird die Torte gegessen statt geworfen: „Julia Pie“.

Sie nennt sich „Julia Pie“ und bewarf im Herbst 2016 AfD-Politikerin Beatrix von Storch bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Tortenboden mit Rasierschaum – 2017 wurde sie dafür wegen Beleidigung verurteilt und ging Anfang 2018 für zwei Wochen ins Gefängnis. Wie es zum Tortenwurf kam und wie sie die Zeit im Lübecker Frauengefängnis erlebt hat, erzählt die „nebenbei“ in Kiel Informatik studierende politische Aktivistin im Interview.

StudentenPACK: Würdest du kurz erzählen, wie es zu deinem Tortenwurf kam?

Julia Pie: Das war eine recht spontane Aktion: Die Antifa hatte Proteste gegen die AfD-Wahlkampfveranstaltung in Kiel organisiert. Ich hatte vorher mitbekommen, was Frau von Storch über den Gebrauch von Schusswaffen an deutschen Grenzen gesagt hatte, und fand, dass man so jemanden nicht einfach so sprechen lassen kann. Dazu wollte ich gerne etwas beitragen und habe am Abend vor der Veranstaltung zuhause geguckt, was ich noch so dahabe – das waren dann eben ein Tortenboden und Rasierschaum.

Lustigerweise wurde ich beim Abtasten am Eingang sogar noch gefragt, ob ich Torte dabeihabe. Ich sagte „Oh, ja, ich hab eine dabei.“ Die Security hielt das wohl für einen Scherz und meinte, ich könne meinen Korb am Rand abstellen. Das hat gut gepasst, denn das war direkt neben der Bühne – die perfekte Wurfposition.

PACK: Warum gerade ein Tortenwurf? Was macht einen Tortenwurf für dich zu einer guten Protestaktion?

Julia: Zum einen wollte ich damit zeigen, wie lächerlich die Argumente von Frau von Storch sind: Jemanden, der fordert, dass man auf Menschen an den Grenzen schießen soll, kann ich nicht als Gegenüber in einer politischen Debatte ernstnehmen. Um auf diese Lächerlichkeit hinzuweisen, erschien mir ein Tortenwurf ganz passend. Zum anderen war es ein „Hier seid ihr auch nicht sicher!“ an die AfD. Es ist nämlich so, dass in Kiel niemand mehr Räume an die AfD vermietet, sodass auch diese Veranstaltung in ihrem eigenen Parteibüro stattfinden musste – und selbst dort mussten sie feststellen, dass es Leute gibt, die nicht mit dem einverstanden sind, was sie fordern. Dazu kam, dass vor ungefähr einem Jahr eine Freundin von mir in Norwegen wegen eines Tortenwurfs auf eine rechte Politikerin im Knast saß, sodass sicher auch ein „Das könnte man hier doch auch mal machen“ mit dabei war.

Bei der Kundgebung zu Julias Haftantritt gab es nicht nur Kritik an Gefängnissen generell, sondern auch die Gelegenheit zum Törtchenwerfen.Hanna Poddig

Bei der Kundgebung zu Julias Haftantritt gab es nicht nur Kritik an Gefängnissen generell, sondern auch die Gelegenheit zum Törtchenwerfen.

PACK: Nur so aus Neugier: Wie bereitet man einen Tortenwurf am besten vor?

Julia: Am meisten Gedanken habe ich mir darüber gemacht, wie ich in den Raum reinkomme, welche Rolle ich spielen muss, um sicher reingelassen zu werden. Ich habe mir dann extra schicke Kleidung rausgesucht, einen Faltenrock und eine weiße Bluse, um die interessierte Jungwählerin, die noch nicht genau weiß, wie sie zur AfD steht, spielen zu können – mit Dreads wird man bei so einer Veranstaltung wohl eher nicht reingelassen. Das hat super funktioniert.

Werfen geübt habe ich vorher nicht – ich hätte in meinem Zimmer auch keine geeignete Testfläche gehabt.

PACK: Hast du absichtlich etwas geworfen, das nicht als “Körperverletzung” gewertet werden kann?

Julia: Es steckte schon die strategische Überlegung dahinter, dass Verletzen in dieser Situation nicht gut gewesen wäre. Das hätte der AfD nur geholfen, die Opferrolle einzunehmen und das wollte ich nicht. Um auf die Lächerlichkeit der Argumente aufmerksam zu machen, war ein Tortenwurf angemessener.

PACK: Wie ging es dann weiter?

Julia: Die Security hat mich direkt an die Polizei übergeben, die mich erstmal zur Wache verbracht hat. Ich wurde aber relativ schnell wieder freigelassen – als die Veranstaltung zu Ende war, war ich schon wieder draußen. Ein halbes Jahr später habe ich dann den Strafbefehl vom Amtsgericht bekommen, dass sie mich nach Beurteilung der Aktenlage wegen Beleidigung zu 800 Euro verurteilen wollen. Dagegen habe ich Einspruch eingelegt, um den Prozess dann bewusst als politische Bühne zu nutzen und Kritik an der AfD üben zu können. Letzten Endes wurden durch den Prozess aus den 800 Euro nur noch 150 Euro.

PACK: Warum hast du dich dazu entschlossen, nicht das Geld zu zahlen, sondern stattdessen ins Gefängnis zu gehen?

Julia: Ich bin in den Knast gegangen, um nochmal klar zu zeigen, dass ich zu dem, was ich tue, stehe und diese Geldstrafe nicht akzeptiere. Im Zuge dessen wollte ich auch darauf aufmerksam machen, dass Strafen und Gesetze nicht dabei helfen, Konflikte zu lösen: Auch nach meiner Zeit im Knast bin ich noch genauso wütend auf die AfD. In Deutschland werden Menschen wegen geringster Vergehen wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren eingesperrt, weil sie das Strafgeld nicht zahlen können. Da braucht es eher einen öffentlichen Personennahverkehr, der allen kostenlos zur Verfügung steht und keine Regelungen, die dafür sorgen, dass Schwarzfahrer, die das Geld für ein Ticket nicht haben, ins Gefängnis gehen und danach immer noch kein Geld für den Fahrschein haben.

PACK: Was waren deine größten Bedenken, bevor du ins Gefängnis gegangen bist?

Julia: Ich wusste nicht, wie psychisch belastend das Gefühl, tatsächlich eingesperrt zu sein, wird. Damit bin ich dann relativ gut klargekommen. Viel schlimmer war es für mich, tagtäglich mit Wärterinnen zu tun zu haben, die durchaus freundlich waren. Dadurch hat es viel Kraft gekostet, den politischen Widerstand aufrechtzuerhalten und bei der Einstellung „Knast und Leute einsperren ist scheiße, egal wie nett sie hier zu einem sind“ zu bleiben.

PACK: Du hattest dir vorgenommen, dich im Gefängnis auf die Prüfungen vorzubereiten – kann man im Knast gut lernen?

Julia: So halb. Im Knast rückt alles außerhalb der Mauern viel weiter weg, sodass man schnell meint, man könne ja, wenn man wieder draußen ist, noch lernen und hätte dann auch viel bessere Voraussetzungen, weil zum Beispiel fürs Programmieren ein Laptop nützlich wäre.

PACK: Welche Dinge durftest du außer deinem Laptop nicht mitnehmen?

Julia: Dazu gab es eine lange Liste. Es fing bei ganz banalen Sachen wie Zahnpasta an und reichte bis zur Yogamatte und Wärmflasche. Was Kleidung anging, war es so, dass eigene zwar mitgebracht werden durfte, in diese dann aber ein Patch eingebrannt wurde, der sich nicht wieder entfernen ließ. Deswegen habe ich dann doch darauf verzichtet, meine eigene Kleidung zu tragen und die Anstaltskleidung genommen.

PACK: Wussten deine Mithäftlinge als du kamst schon, dass du „die Tortenwerferin“ bist? Wie waren die Reaktionen darauf?

Julia: Der Frauenknast ist mit 60 Häftlingen sehr klein, da hat sich das schnell rumgesprochen. Ich wurde dann auch schon mal in der Bibliothek „Bist du die aus der Zeitung?“ gefragt. Die meisten fanden das mit dem Tortenwurf ganz amüsant und auch konsequent, dass ich ins Gefängnis gegangen bin anstatt das Geld zu bezahlen.

PACK: Wie sah dein Alltag im Gefängnis aus?

Julia: Am Anfang war ich im geschlossenen Vollzug und konnte später in den offenen Vollzug wechseln, da unterscheiden sich die Tagesabläufe. Im geschlossenen Vollzug wird man morgens um halb sieben vom Schlüsselrattern zur „Lebendkontrolle“ geweckt. Danach heißt es anziehen, frühstücken und Anträge abgeben. Die Zeit vor- und nachmittags, in der die lange einsitzenden Häftlinge gearbeitet haben, habe ich mit Lesen, Lernen, Briefe schreiben oder ähnlichem verbracht. Nachmittags gab es immer eine Stunde, in der man die Möglichkeit hatte, Sport zu machen. Abendbrot gab es gegen halb sechs und dann war noch eine Zeitlang „Aufschluss“, da konnte man den Gemeinschaftsraum nutzen oder einander besuchen. Um 20 Uhr war Einschluss in die Zellen, ab 22 Uhr Nachtruhe.

Im offenen Vollzug gab es nur die Mahlzeiten als feste Struktur. Dort waren die Zellentüren permanent offen, man konnte jederzeit in den Garten gehen und einige Frauen sind auch nach draußen zur Arbeit gefahren. Psychisch fand ich den offenen Vollzug deutlich fieser, weil man nicht von einer hohen Mauer mit Stacheldraht davon abgehalten wurde, das Gefängnis zu verlassen, sondern nur von einer Art Gartenzaun. Ich wusste die ganze Zeit, dass ich über diesen Zaun hätte klettern können, sodass ich mich zwingen musste, es nicht zu tun. Dieses Gefühl, gewissermaßen freiwillig im Gefängnis zu bleiben war ganz eklig.

PACK: Was hast du am meisten vermisst?

Julia: Am meisten habe ich es vermisst, von radikalen politischen Menschen umgeben zu sein, einen gemeinsamen Alltag zu haben und miteinander diskutieren zu können.

PACK: Wie beurteilst du das Gefängnisessen im Vergleich zur Mensa?

Julia: In der Mensa esse ich tatsächlich gerne, im Knast fand ich das Essen relativ schlecht. Morgens und abends gab es Brot – damit wurde man überhäuft, und mittags etwas Warmes, meistens irgendwas verkochtes. Das einzige, was mich positiv überrascht hat, war, dass es immer eine Schale mit Äpfeln im Aufenthaltsraum gab.

PACK: Wie darf man sich das Miteinander im Gefängnis vorstellen?

Julia: Das Miteinander kann man schon als gestört bezeichnen – für mich wurde es von grundsätzlichem Misstrauen bestimmt. Ich habe selbst gemerkt, dass ich mich gefragt habe, was eine Gefangene im Gegenzug von mir erwartet, wenn sie mir angeboten hat, ihr Duschgel mitzubenutzen. Das widerspricht eigentlich allem, wie ich sonst mit meinen Mitmenschen umgehe. Eine Frau sagte mir, der Knast habe sie misstrauischer, härter und aggressiver gemacht – das ist natürlich nicht, was mit einer Haftstrafe erreicht werden soll, und für mich auch ein Grund, warum ich es nicht sinnvoll finde, Menschen einzusperren. Dass jemand im Gefängnis über seine Fehler nachdenkt, alles bereut und wenn er wieder draußen ist, nicht rückfällig wird, weil er einen erneuten Haftaufenthalt vermeiden will , das ist ein Mythos. Im Gegenteil: Je länger jemand eingesperrt war, desto größer wird die Rückfall-Wahrscheinlichkeit.

Ansonsten spielen Lästereien oder wer mit wem ein Techtelmechtel hat eine relativ große Rolle, einfach deswegen, weil es sonst an Themen fehlt, weil kaum etwas passiert.

PACK: Was sind die seltsamsten im Gefängnis geltenden Regeln?

Julia: Eigentlich sind Männer und Frauen im Knast strikt voneinander getrennt, nur so etwas wie Schulunterricht, durch den man einen Abschluss nachholen kann, findet gemeinsam statt. Dabei gilt die klare Regel, dass man sofort aus der Schule rausfliegt, wenn man etwas mit dem anderen Geschlecht anfängt – da reicht schon rumknutschen. Dass die Frauen untereinander was am laufen hatten, wurde hingegen toleriert.

Ihre Zeit im Gefängnis verbrachte Julia in der Justizvollzugsanstalt Lübeck, der einzigen JVA Schleswig-Holsteins mit Frauengefängnis.Hanna Poddig

Ihre Zeit im Gefängnis verbrachte Julia in der Justizvollzugsanstalt Lübeck, der einzigen JVA Schleswig-Holsteins mit Frauengefängnis.

PACK: Hat sich für dich durch den Gefängnisaufenthalt etwas verändert?

Julia: Für mich hat sich durch den Knast nicht so viel verändert. Ich fand Knäste vorher schon scheiße und das ist so geblieben. Nachdem ich selber im Knast war möchte ich diesen in Zukunft stärker in den Fokus meiner politischen Arbeit rücken.

PACK: Seit Jahren heißt es in den Medien, dass in vielen Justizvollzugsanstalten Personal fehlt. Hast du davon etwas mitbekommen und wenn ja, was bedeutet das für die Insassen?

Julia: Ja, tatsächlich, das hat man auch in Lübeck gemerkt. An manchen Tagen erfolgte der Einschluss in die Zellen aus Personalmangel schon um 17 Uhr statt wie sonst um 20 Uhr. Was das betrifft bin ich sehr zwiegespalten, denn einerseits möchte ich überhaupt nicht, dass irgendwer in der JVA arbeitet und dieses System aufrechterhält, andererseits ist es eine Verbesserung der Haftbedingungen, wenn die Häftlinge abends länger in den Gemeinschaftsraum gehen können und nicht stupide in ihrer Zelle sitzen müssen.

PACK: Welche Tipps kannst du Anderen für eventuelle Gefängnisaufenthalte geben?

Julia: Ein Tipp ist auf jeden Fall, dass angezahlte Tage nicht vollstreckt werden dürfen. Ich war zu 15 Tagessätzen verurteilt worden, sodass auch meine Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage lang gewesen wäre, doch dadurch, dass ich einen Cent bezahlt habe, durfte der letzte Tag nicht vollstreckt werden und ich bin nach 14 Tagen wieder rausgekommen.

Ansonsten sollte man sich unbedingt etwas mitnehmen, womit man sich den Tag über beschäftigen kann – stricken, Radio hören, lesen… Stellt euch einfach vor, ihr macht eine lange Zugreise und habt kein Internet, was würdet ihr mitnehmen? Zusätzlich sollte man auch als Nichtraucher Tabak mit in den Knast nehmen, zum Tauschen.

Und, das hört sich vielleicht etwas paradox an, aber: Macht es nicht alleine. Damit meine ich nicht, dass man zum Händchenhalten zu zweit in den Knast gehen sollte, aber für mich waren meine Unterstützer, die mich zum Knast gebracht und abgeholt, draußen meine Alltags-Organisation übernommen und mir Briefe geschrieben haben, unglaublich wichtig.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch!

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Pöbeln für den Flughafen https://www.studentenpack.de/index.php/2018/04/poebeln-fuer-den-flughafen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/04/poebeln-fuer-den-flughafen/#comments Sat, 28 Apr 2018 10:15:25 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=373431
Der frischgebackene Honorarprofessor Prof. Dr. Stöcker (Mitte) mit dem damaligen Uni-Präsidenten Prof. Dr. Dominiak (links) und Prof. Dr. Zillikens (rechts) bei der Verleihung 2011.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Der frischgebackene Honorarprofessor Prof. Dr. Stöcker (Mitte) mit dem damaligen Uni-Präsidenten Prof. Dr. Dominiak (links) und Prof. Dr. Zillikens (rechts) bei der Verleihung 2011.

Post, die „An alle Haushalte“ adressiert ist, ist ja meistens Werbung für Strom- oder Internetanbieter. Diesmal kommt sie von Winfried Stöcker, einem Lübecker Honorarprofessor. Und es geht darin nicht um günstigen Strom, sondern darum, was ihr am nächsten Sonntag bei der Bürgerschaftswahl wählen oder besser nicht wählen solltet. Wer ist dieser Mann? Was hat das mit der Uni zu tun? Und warum hat er offenbar ein großes Interesse daran, wer die zukünftige Bürgerschaft bildet?

Seinen Brief begründet Stöcker damit, dass er Orientierung in seinem Wirkungsbereich – also seinen Firmenmitarbeitern – geben möchte. Mit seiner Postwurfsendung erweitert er diesen „Wirkungsbereich“ nun erheblich. Im vollen Wortlaut kann der Brief auf seinem Blog nachgelesen werden.

Nachdem er sein Unternehmen als familien- und arbeitnehmerfreundlich beschreibt, beginnt Stöcker mit einem Rundumschlag zur Bundespolitik der letzten Jahre: Thematisch von der „irrsinnigen Willkommenszusage der Bundeskanzlerin“ über Dieselmotoren und Atomausstieg zum Veggie-Tag springend wirft er den Parteien nahezu über das komplette politische Spektrum hinweg fehlende Kompromissbereitschaft, Unfähigkeit, mangelnde Weitsicht, und „am laufenden Band die größten Dummheiten“ vor. Schlussendlich gelangt er auf der zweiten Seite im letzten Absatz zum einzigen Thema, das für die Lübecker Bürgerschaftswahl relevant ist: Dem Lübecker Flughafen. „Stoppen Sie Rot-Grün!“, schreibt er in diesem Zusammenhang und wirbt für die Wahl eines Parlaments, das den Flughafen unterstützt. Deshalb sollten die Lübecker „anständige Leute mit besseren Manieren“ wählen. Warum interessiert sich Stöcker so sehr für den Lübecker Flughafen? Diese Information unterschlägt Stöcker, die Antwort darauf ist jedoch sehr einfach: Es ist sein Flughafen.

Wer ist dieser Mann, der offenbar viel Geld hat und es in den Lübecker Flughafen investiert? Der Name Winfried Stöcker ist in Lübeck bei weitem kein unbekannter. Der mittlerweile 71jährige Labormediziner stammt ursprünglich aus der Oberlausitz, floh nach eigener Aussage in Jugendjahren aus der DDR nach Westdeutschland, weil seine Familie Benachteiligungen ausgesetzt gewesen sei, studierte in Würzburg Medizin und kam nach seiner Promotion im Jahr 1979 an die damalige Medizinische Universität Lübeck, wo er Labormediziner wurde. 1987 machte er sich selbstständig und gründete EUROIMMUN, eine Firma, die Labordiagnostika herstellt. Diese ist außerordentlich erfolgreich: Im letzten Jahr verkaufte er die Firma an den US-Konzern Perkin-Elmer – für umgerechnet 1,2 Milliarden Euro. Seit vielen Jahren trägt Stöcker den Titel „Professor“, einerseits von der Medizinischen Tongij-Hochschule im chinesischen Wuhan, andererseits von der Universität zu Lübeck. Seit 2011 ist er ihr Honorarprofessor.

Überregionale Bekanntheit verschaffte ihm aber seine Tätigkeit als Investor. Neben einem Kaufhaus in Görlitz gehört ihm unter anderem seit 2016 der Lübecker Flughafen. Für Schlagzeilen sorgte Stöcker aber mit seinem Mund. Immer wieder predigte er bei öffentlichen Auftritten, in Interviews und im Internet vom „Sturz der Kanzlerin Merkel“, der „Islamisierung Deutschlands“ und von „reisefreudigen Afrikanern“. Migranten hätten „kein Recht, sich in Deutschland festzusetzen und darauf hinzuarbeiten, uns zu verdrängen“. Auch Menschen, die viele Jahre bei ihm arbeiteten, wolle er „am liebsten wieder nach Hause schicken“. Begriffe wie „Neger“ und „Überfremdung“ lasse er sich nicht verbieten. 2016 empört er sich bei einer Modenschau über Muslima, 2017 erteilt ihm die Lübecker Kirche St. Jakobi Hausverbot, weil er in dieser in einer Weihnachtsansprache bei der Euroimmun-Firmenweihnachtsfeier die #MeToo-Debatte heftig kritisierte – unter anderem riet er, Frauen sollten sich weniger aufreizend anziehen, Männer hingegen sollten an diese „ran gehen“ und viele Kinder zeugen, „dass wir dem mutwillig herbeigeführten, sinnlosen Ansturm unberechtigter Asylanten etwas entgegensetzen können“. Mehrere Gerichtsverfahren gegen ihn laufen. Hinter dem Gegenwind, der ihm nach solchen Aussagen entgegenwehte, vermute er die „SPD-verbundene Presse in Görlitz und Lübeck“, die einen „Feldzug“ gegen ihn führe.

Mehrmals wurde die Causa „Stöcker“ auch an der Uni diskutiert. Der damalige Präsident Prof. Lehnert distanzierte sich in einer Pressemitteilung „von dem Gedankengut, das Prof. Dr. Winfried Stöcker […] geäußert hat, […] auf das Nachdrücklichste“. Im Januar 2018 erschien ein offener Brief ehemaliger Uniprofessoren, der die aktuelle Universitätspräsidentin, Prof. Gillessen-Kaesbach, dazu auffordert, Worten Taten folgen zu lassen und Stöcker die Honorarprofessur abzuerkennen, damit der Name der Universität nicht weiter beschädigt werde. Stöcker sei „ein kühl berechnender Geschäftsmann, der sich durch seine Position in einer unreflektierten Allmacht fühlt“. In ihrer zweiten Amtswoche positionierte sich Prof. Gillessen-Kaesbach klar gegen die „inakzeptablen Äußerungen eines Unternehmers“ und kündigte an, sie wolle sich „mit dem Thema im Präsidium intensiv beschäftigen“. Nur: Passiert ist nichts. Eine Prüfung habe ergeben, dass es rechtlich nicht möglich sei, Stöcker den Titel zu entziehen. Eine Zusammenarbeit mit diesem gebe es aber über die auslaufenden Kooperationen hinaus auch nicht mehr. Auch die Stadt Lübeck nimmt keine Gelder von ihm mehr an.

Und dann ist da die Sache mit dem Flughafen: Letztes Jahr hat Stöcker, bis dahin Mehrheitsaktionär bei EUROIMMUN, seine Aktien an Perkin Elmer verkauft, die übrigen Vorstandsmitglieder wollten nachziehen. Seitdem ist Stöcker „nur noch“ CEO in der Firma, die er gegründet und aufgebaut hat, die er durch Krisen geführt und zu einem weltweit agierenden Unternehmen gemacht hat. Seit mehr als 30 Jahren ist EUROIMMUN ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens und nun, da die Aktien verkauft sind, ist da plötzlich viel Leere. Jüngst entdeckte Stöcker ein weiteres Betätigungsfeld: Die Lokalpolitik. Seit zwei Jahren ist er Mitglied der FDP Groß Grönau, die sich über den direkten Kontakt zum Flughafen sehr freue.

Dieser scheint ihm eine Herzensangelegenheit zu sein, liegt er doch nur einen Steinwurf entfernt vom EUROIMMUN-Gelände. Vom Erhalt und Ausbau des Flughafens profitiert auch er und so ist es nicht verwunderlich, dass Stöcker sich seit Jahren dafür einsetzt. Schon 2010 forderte er die Bürger in den Lübecker Nachrichten dazu auf, sich für den Erhalt des Flughafens einzusetzen. Damals waren Finanzierung und Zukunft des Flughafens ungewiss, ein Bürgerbegehren sollte den Erhalt für eine absehbare Zeit sichern, nachdem sich kurz zuvor der damalige Mehrheitsgesellschafter Infratil zurückgezogen hatte. Dessen Pläne zum Ausbau des Flughafens waren zuvor mehrfach an Naturschutzbelangen gescheitert. Das Bürgerbegehren war erfolgreich und der Flughafen wurde – auf Sparflamme und ohne Ausbau – von der Stadt Lübeck weiter betrieben, bis 2012 sollte ein Investor gefunden werden.

An der Frage, ob der Lübecker Flughafen an Mohamad Rady Amar, einen ägyptischen Geschäftsmann, verkauft werden sollte, zerbrach 2012 die rot-rot-grüne Koalition. Stöcker veröffentlichte weitere Inserate in den Lübecker Nachrichten, in denen er für den Erhalt des „Traditionsflughafens“ warb und dafür, die künftigen Perspektiven statt der negativen Bilanzen der Vergangenheit zu betrachten. Darüber hinaus drohte er an, große Erweiterungen seines Unternehmens nicht in Lübeck, sondern an anderen Standorten zu realisieren, sollte der Lübecker Flughafen geschlossen werden. Letztlich wurde der Flughafen doch an den ägyptischen Investor verkauft und blieb erhalten. Nach dem Abtauchen des Investors im Jahr 2014 musste der Flughafen Insolvenz anmelden.

Auch der folgende chinesische Investor, der eine Flugschule eröffnen wollte, meldete nach gut einem Jahr Insolvenz an. Daraufhin kaufte 2016 Stöcker den Flughafen. Als ortsansässiger Unternehmer mit einem eigenen geschäftlichen Interesse am Erhalt und Ausbau des Flughafens wurde er hierfür nicht nur von der IHK gelobt. Seitdem hat sich – zumindest vom Vorbeifahren aus dem Zug aus betrachtet – nicht viel getan, doch zum Zeitpunkt seines Kaufs kündigte Stöcker an, einen Plan zu haben. Dass das Oberverwaltungsgericht in Schleswig im Februar die Klage der Gemeinde Groß Grönau gegen den für den Ausbau des Flughafens notwendigen Planfeststellungsbeschluss abwies, dürfte in diesen Plan passen. Und auch wenn noch andere Klagen anhängig sind, bedeutet das zunächst Rückenwind für Stöcker und den Flughafenausbau. Politischer Gegenwind aus der Bürgerschaft dürfte ihm da denkbar ungelegen kommen.

Aber darf ein Honorarprofessor dieser Universität öffentlich Wahlempfehlungen herausgeben?

Folgt man der Satzung der Universität, sollte der Titel entzogen werden, wenn Gründe vorliegen „die bei einer Beamtin/einem Beamten auf Lebenszeit zur Entfernung aus dem Dienst führen“. Und obgleich für Beamte natürlich auch die Meinungsfreiheit gilt, legt ihnen der Staat ein sogenanntes “politisches Mäßigungsgebot” auf. Soll heißen: Wenn man für den Staat arbeitet, muss die politische Meinungsäußerung “zurückhaltend erfolgen, dass das öffentliche Vertrauen in seine unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Amtsführung keinen Schaden nimmt”. So formuliert es eine Analyse des Vereins “Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht” von 2016.

Auch das universitäre Leitbild, besonders im Zuge der 2014 von Stöcker in einem Interview getätigten Aussagen, passt eigentlich so gar nicht zu einer weiteren Verbindung mit dem Unternehmer. „Toleranz, Weltoffenheit und ein klares Bekenntnis zu multikulturellem Denken und Handeln sind unveräußerliche Werte unserer Campus-Kultur“, schrieb der damalige Universitätspräsident Lehnert in einer Pressemitteilung und unterzeichnete 2016 eine “Charta der Vielfalt”. Die aktuelle Uni-Präsidentin Gillessen-Kaesbach bezeichnete die in Stöckers letzter Weihnachtsansprache getätigten Aussagen als “inakzeptabel“. Und doch werden sie immer wieder akzeptiert.

Auch dieses Mal wird wieder nichts geschehen, wenn ein Professor der Universität Briefe unter anderem an die Studierenden verschickt, in denen er Wahlempfehlungen ausspricht und verborgen unter Pöbelei und Selbsterhöhung eigentlich nur die politische Landschaft zugunsten seines Investitionsprojektes verändern möchte. Es scheint, als gäbe es für die Universität Lübeck keine Grenze, die Prof. Dr. Stöcker nicht überschreiten darf.

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Aus dem Leben einer Wahlhelferin https://www.studentenpack.de/index.php/2018/04/aus-dem-leben-einer-wahlhelferin/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/04/aus-dem-leben-einer-wahlhelferin/#respond Wed, 18 Apr 2018 17:23:25 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=372519
Beim Auszählen werden Stapel gebildet, je nach dem ob Erst- und Zweitstimme gleich oder verschieden sind, der Stimmzettel leer oder nicht eindeutig ausgefüllt ist.Annika Munko | StudentenPACK.

Beim Auszählen werden Stapel gebildet, je nach dem ob Erst- und Zweitstimme gleich oder verschieden sind, der Stimmzettel leer oder nicht eindeutig ausgefüllt ist.

Schon wieder Wahl! Am 6. Mai sind die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt im Rahmen der Kommunalwahl aufgerufen die Bürgerschaft, also die Gemeindevertretung, zu wählen. So eine Wahl benötigt natürlich viele helfende Hände. Allein am Wahltag werden bis zu 1000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gebraucht um die Wahl durchführen zu können. Doch wer sind die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer? Wie wird man Wahlhelferin oder Wahlhelfer? Welche Aufgaben erwarten mich? Wie ist der Ablauf im Wahllokal und was habe ich davon? Diese Fragen wurden mir als Wahlhelferin schon oft gestellt und ich möchte euch im Folgenden einige Antworten geben.

Wer sind die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer und wie wird man eine(r)?

Jede wahlberechtigte Person kann sich freiwillig als Wahlhelferin oder Wahlhelfer auf der Internetseite der Hansestadt Lübeck melden. Gibt es nicht genügend freiwillige Wahlhelferinnen oder Wahlhelfer, werden auch wahlberechtigte Personen angeschrieben, die sich nicht freiwillig gemeldet haben. Dabei ist zu beachten, dass jede Person das Ehrenamt wahrnehmen muss, soweit es keinen gesetzlichen Hinderungs- oder Ablehnungsgrund gibt. Dies ist im schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetz geregelt (§§ 55, 56 GKWG). Wenn beispielsweise bereits ein Urlaub zum Zeitpunkt der Wahl gebucht wurde, man krank ist oder anderweitig nicht in der Stadt sein kann, ist es möglich, das Ehrenamt abzulehnen. Doch es gibt auch Personengruppen, die prinzipiell von der Wahrnehmung dieses Ehrenamtes ausgeschlossen sind wie Mitglieder sämtlicher Parlamente und Regierungen oder Angestellte im öffentlichen Dienst, die amtlich mit der Wahl betraut sind.

Welche Aufgaben erwarten mich?

Die Aufgaben sind überschaubar, es muss jedoch zwischen drei verschiedenen Positionen in den Wahllokalen unterschieden werden, die für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind. Die gesamte Gruppe der Wahlhelfer in einem Wahllokal bildet den Wahlvorstand. Die Wahlvorsteherin oder der Wahlvorsteher sowie die Stellvertretenden stehen bei Fragen zur Verfügung und leiten den übrigen Wahlvorstand an. Die Schriftführerin oder der Schriftführer und deren Stellvertreter achten auf die korrekte Führung des Wählerverzeichnisses. Die Stimmzettel werden von den Beisitzerinnen und Beisitzern ausgehändigt, die so für einen reibungslosen Wahlablauf sorgen. Im Wahllokal muss immer eine Person mit den Sonderrollen Vorsteherin oder Vorsteher sowie Schriftführung anwesend sein.

Nach dem Auszählen werden die Stimmzettel verpackt und versiegelt - dann ist Feierabend!Bjarne Witten | StudentenPACK.

Nach dem Auszählen werden die Stimmzettel verpackt und versiegelt – dann ist Feierabend!

Wie ist der Ablauf im Wahllokal?

Alle Mitglieder des Wahlvorstandes treffen sich am Wahltag spätestens um 7:30 Uhr im Wahllokal um dieses vorzubereiten. Das beinhaltet das Aufstellen der Sichtschirme und der Wahlurne, die Ausschilderung des Wahllokals, das gemeinsame Verschließen der Wahlurne und die Vereidigung des Wahlvorstandes zur Unparteilichkeit und Verschwiegenheit durch die Wahlvorsteherin oder den Wahlvorsteher. Sollten sich Mitglieder krankmelden oder nicht erscheinen, kann noch für Ersatz gesorgt werden. Dazu warten im Rathaus einige Wahlhelferinnen und Wahlhelfer als Reserve, die dann einspringen können. Die Wahllokale sind offiziell von acht Uhr bis 18 Uhr geöffnet, anschließend beginnt die Auszählung der Stimmzettel. Die Auszählung einer Wahl ist immer öffentlich, sodass jede Person, egal ob wahlberechtigt oder nicht, dabei zuschauen darf. In der Regel wird die Arbeit des Wahlvorstandes in zwei Schichten eingeteilt. Dadurch muss man nicht den ganzen Tag anwesend sein, sondern nur zu Beginn, für die eigene Schicht von acht bis 13 Uhr beziehungsweise 13 bis 18 Uhr und am Schluss für die Auszählung. Hierzu kommen wieder alle Mitglieder des Wahlvorstandes ins Wahllokal. Damit die Ergebnisse korrekt dokumentiert werden, gibt es einiges an Papierarbeit zu erledigen, wofür der Schriftführer oder die Schriftführerin zuständig ist. Am Ende wird das Ergebnis telefonisch an das Rathaus durchgegeben. Um zwischendurch einen Überblick über die Wahlbeteiligung zu erhalten, wird zu unterschiedlichen Uhrzeiten während des Wahltages die Anzahl der abgegebenen Stimmen ebenfalls telefonisch weitergegeben.

Was habe ich davon?

So viel zu den Regularien, doch warum sollte man Wahlhelferin oder Wahlhelfer sein wollen? Gerade als Studi ist die Vergütung, das sogenannte Erfrischungsgeld, ein guter Köder. Denn derzeit gibt es pro Einsatz 50 Euro in Lübeck. Die Höhe der Vergütung variiert jedoch zwischen Städten. Wenn man eine andere Position als Beisitzerin oder Beisitzer innehat, sollte man an einer 90-minütigen Schulung vor der Wahl teilnehmen, in der über die aktuellen Bestimmungen und gesetzlichen Vorgaben informiert wird. Für die Teilnahme an dieser Schulung erhält man eine zusätzliche Aufwandsentschädigung von 15 Euro. Außerdem lernt man viele verschiedene Menschen kennen und die Arbeit mit den anderen Mitgliedern des Wahlvorstandes macht Spaß. Die meisten erzählen auch gerne und bereitwillig aus ihrem Leben, sodass man interessante Geschichten zu hören bekommt. Je nach Wahlvorstand erlebt man, wie man effektiv größere Mengen Stimmzettel auszählen kann, was in der einen oder anderen Situation wirklich hilfreich ist. Zudem erkennen die Wählerinnen und Wähler das Ehrenamt an und bedanken sich für den Einsatz. In seltenen Fällen bringen Personen sogar Kuchen für den Wahlvorstand mit.

Doch der für mich wichtigste Faktor ist, dass ich aktiv und direkt unsere Demokratie unterstützen kann. Denn dass wir demokratisch, also frei, geheim, gleich, unmittelbar und allgemein wählen können, ist nicht selbstverständlich, sondern ein Privileg! Mit eurer Wahl könnt ihr auch verhindern, dass Parteien wie die AfD oder NPD einen hohen Stimmenanteil erreichen. Auch wenn es sich „nur“ um eine Kommunalwahl handelt: Geht wählen, weil ihr es könnt! Nutzt die Gelegenheit und mischt euch ein, wählt eure Interessenvertreter um unser Lübeck gemeinsam zu gestalten.

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Ein Wolf im Schafspelz? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/ein-wolf-im-schafspelz/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/ein-wolf-im-schafspelz/#respond Mon, 04 Dec 2017 08:00:04 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=306419

In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist Homosexulität strafbar.

Es war ein gemütlicher Sommertag, endlich hatten die Semesterferien begonnen. Draußen schien die Sonne, mein frisch aufgebrühter Kaffee duftete köstlich und ich scrollte entspannt durch Facebook.

„Die Universität zu Lübeck kooperiert mit der Universität Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate)“. Fast verschluckte ich mich an meinem Kaffee, als ich diesen Post bei Facebook gelesen hatte. Ich klickte schnell den Bericht an und las mir die Pressemitteilung der Universität durch: Es war die Rede von „Kooperation und kontinuierlichem Austausch von Studierenden“. Ich hatte bis jetzt noch nichts davon mitbekommen, dass die Universität auch mit solchen Ländern Kooperationen eingeht. Vor allem sprach der Präsident von einem wichtigen Schritt zur Internationalisierung der Universität zu Lübeck – bisher war dabei immer nur die Rede von Dänemark. Dass die Universität kaum englische Kurse anbietet ist für ihre Internationalisierungsoffensive ziemlich sicher nicht förderlich, aber das nur am Rande. Ich vergrößerte das Bild, das zur Pressemitteilung geschossen wurde, und sieben mehr oder wenig ernste Gesichter schauten mich an. Sofort fiel mir auf, dass mal wieder nur Männer abgebildet wurden. Die Frauen der Universität Sharjah mussten wohl zuhause bleiben oder haben sich hinter der Kamera versteckt? Darüber kann man natürlich nur mutmaßen.

Der Gedanke von solch einer Kooperation ließ mich nicht los und mir schossen mehrere Gedanken gleichzeitig in den Kopf. Ist Homosexualität dort nicht illegal und wie sah das nochmal mit Frauenrechten aus?

Kurz in eine Suchmaschine die Wörter Homosexualität und Vereinigte Arabische Emirate eingetippt und sie spuckte mir etwa 400.000 Ergebnisse aus. Ein paar Stichworte: Illegal, Scharia, Todesstrafe, Verurteilung, und und und… Die Liste wurde immer länger.

Die ILGA, der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, ein weltweiter Dachverband von LGBTIQ* Organisationen, veröffentlicht jedes Jahr eine Weltkarte, auch „rainbow map“ genannt, die auf einen Blick die aktuelle Lage von LGBTIQ* Rechten auf der Welt abbildet. Die Vereinigten Arabischen Emirate blitzen dort noch immer hellrot auf. Im Index bedeutet das bis zu 14 Jahre Haftstrafe – beim Nachbarn Saudi-Arabien wird Homosexualität noch immer mit dem Tode bestraft. Na, da haben wir ja nochmal Glück gehabt.

Die Kooperationsvereinbarung mit der Universität Sharjah.Elena Vogt

Die Kooperationsvereinbarung mit der Universität Sharjah.

Auch bei den Frauenrechten gibt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten immer noch massive Diskriminierung in der Bevölkerung. Amnesty International, Human Rights Watch und das US State Dept. rügen sie deswegen. Es ist davon die Rede, dass die Vereinigten Arabischen Emiraten teilweise stark in die Privatsphäre der Bürger*innen eingreifen und „Frauen unter rechtlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung leiden“. Vor allem bei den Themen Ehe oder Scheidung, Erbschaften und Sorgerecht bestehen Ungerechtigkeiten, die rechtlich verankert sind.

Das Ganze mag so gar nicht dazu passen, dass die Universität erst letztes Jahr das „Diversity Audit“ gestartet hat und sich gerade mitten in diesem Prozess befindet. Dabei soll das Thema „Vielfalt gestalten“ im Vordergrund stehen und Strategien entwickelt werden, wie eine Universität das Thema Diversität bewältigen kann. Eine Kooperation mit solch einer Universität fällt meiner Meinung nach nicht darunter, aber ein Studierender an der Universität hat hier recht wenig Einflussnahme. In diesem Sinne „the money makes the world go round“!

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Friedenspolitik made in Lübeck https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/friedenspolitik-made-in-luebeck/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/friedenspolitik-made-in-luebeck/#respond Mon, 04 Dec 2017 05:00:36 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=306498
Die Teilnehmer beim IPPNW-Studitreffen in Lübeck.Aleida Ringwald

Die Teilnehmer beim IPPNW-Studitreffen in Lübeck.

Wohin geht die Reise? Unter diesem Motto trafen sich an einem Wochenende im November über 90 Studierende in Lübeck zum diesjährigen Studitreffen der IPPNW, das wir als lokale Studierendengruppe organisiert haben. Unser ziemlich ambitioniertes Ziel war es, eine Bestandsaufnahme der Welt zu wagen – wie geht es ihr und den Menschen, die in ihr leben? Was sind bestehende Machtverhältnisse und wie äußern sie sich gerade aus einer sozialen, ökonomischen, ökologischen und gesundheitlichen Perspektive? In zwei Hauptvorträgen, acht Workshops und mit einem Film haben wir versucht, zumindest ein paar Antworten zu bekommen, das eigene Denken zu hinterfragen und Ideen und Motivation für neue Projekte zu sammeln. Und natürlich haben wir auch den Friedensnobelpreis für die Kampagne ICAN, die internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, angemessen gefeiert!

Freitag ging es für die TeilnehmerInnen, die aus 16 verschiedenen Städten zu uns kamen, mit einer Stadtführung los. Der einzige große Programmpunkt am Abend war dann die Vorführung der Dokumentation „Das Salz der Erde“, die den renommierten Sozialfotografen Sebastião Salgado und seine langjährige Arbeit portraitiert. Dabei streift er verschiedene Themen, die am Wochenende immer wieder aufgegriffen wurden: Klimaveränderung, soziale Ungleichheit, Flucht und medizinische Nothilfe.

Mit diesen Bildern (und vielleicht noch dem ein oder anderen Bierchen aus dem Engel) im Kopf starteten die TeilnehmerInnen dann am Samstag mit dem ersten Hauptvortrag von Lorenz Narku Laing, der sich mit postkolonialer Theorie beschäftigt und auf eindrückliche Art und Weise rassistische Denkweisen aufgezeigt hat, die leider noch immer tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Danach ging es in die erste Workshoprunde: Hier ging es um die weltweite Arzneimittelversorgung, Klimawandel und Fluchtursachen mit Fokus auf Afghanistan – und außerdem um die Frage, wo die eigene, persönliche Reise hinführt: Was für berufliche Möglichkeiten bieten sich für ÄrztInnen abseits der Klinik?

Nach dem Mittagessen (nochmal ein großer Dank an das Nudelhaus!) ging es dann in die zweite Workshoprunde: Christian Ernst Weißgerber, der manchen LübeckerInnen ein Begriff sein dürfte, stellte in seinem Workshop neue rechte Bewegungen vor und gab Tipps für Diskussionen. Außerdem ging es um „Rohstoffpolitik, Menschenrechte und mein Handy“, praktische Möglichkeiten eines nachhaltigen Konsums und um die Erfahrungen einer Ärztin, die mehrfach medizinische Nothilfe im Ausland geleistet hat.

Am späten Nachmittag waren dann nochmal die einzelnen Projekte und Kampagnen der IPPNW Thema, bevor im Keller des Internationalen Studentenwohnheims gefeiert wurde – nicht zuletzt auch die Tatsache, dass ICAN dieses Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Als Initiator von ICAN ist die IPPNW noch immer einer der wichtigsten Träger der Kampagne.

Am Sonntag wurde Lilian Tashiro aus Tübingen zu unserer neuen Studierendensprecherin gewählt, die damit Claudia aus Lübeck nach zwei Jahren als Vertreterin der Studierenden ablöst. Mit dem Vortrag von Jonathan Barth zum Thema „Postwachstumsökonomie“ und einer langen anschließenden Diskussionsrunde hat das Wochenende dann ein gutes Ende gefunden.

Die IPPNW

Was ist die IPPNW denn nun genau? Die „internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“ sind ein friedenspolitischer Verein, der im kalten Krieg von einem US-amerikanischen und einen sowjetischen Arzt mit dem Ziel gegründet wurde, aus einer professionellen Perspektive heraus vor der extremen Gefahr von Atomwaffen zu warnen – Primärprävention mal anders!

Seit der Gründung sind zu den beiden Kernthemen, Atomwaffen und Atomenergie, noch viele andere hinzugekommen. Mit Flucht und Asyl, ziviler Konfliktlösung und globaler, sozialer Ungleichheit seien nur ein paar genannt. Das heißt allerdings nicht, dass die Studierendengruppen, von denen es zurzeit um die 20 in Deutschland gibt, an diese Themen gebunden wären. Wir sind offen für alle Interessierten und Themen – vollkommen unabhängig vom Studiengang. Eine Mitgliedschaft im Verein ist dabei natürlich nicht verpflichtend.

Wir haben uns gefreut, das diesjährige Studitreffen organisieren zu können, und möchten uns nochmal bei allen freiwilligen Helferinnen und Helfern bedanken, ohne deren Hilfe wir untergegangen wären. Jetzt sind wir natürlich auf der Suche nach Verstärkung. Falls es dir gefallen hat und wir dein Interesse geweckt haben, findest du weitere Infos unter ippnw.de und auf unserer Facebookseite der „IPPNW Studigruppe Lübeck“, wo es auch die Bilder vom Wochenende gibt. Außerdem freuen wir uns natürlich über jeden, der einfach mal vorbeischauen möchte!

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Sechs Jahre voller Aufgaben https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/sechs-jahre-voller-aufgaben/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/sechs-jahre-voller-aufgaben/#respond Fri, 01 Dec 2017 07:06:42 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=306116 2017 war ein Jahr voller Wahlen. Nach der Landtagswahl im Sommer und der Bundestagswahl im Herbst wurde im November ein Nachfolger für den scheidenden Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe gesucht. Der Gewinner: Jan Lindenau (SPD). Das StudentenPACK sprach mit dem frischgebackenen Wahlgewinner.

Jan Lindenau wurde zum neuen Lübecker Bürgermeister gewähltJohann Mattutat | StudentenPACK.

Jan Lindenau wurde zum neuen Lübecker Bürgermeister gewählt

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Jan Lindenau: Gerne. Mein Name ist Jan Lindenau, ich bin 38 Jahre alt und hauptberuflich aktuell noch Bankkaufmann. Ich war in den letzten 20 Jahren ehrenamtlich in der Kommunalpolitik in verschiedensten Funktionen aktiv, lange Zeit als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, war Vorsitzender des Finanzausschusses und aktuell bin ich Vorsitzender des Hauptausschusses der Bürgerschaft und Fraktionsvorsitzender der SPD. Ich habe also schon viel in dieser Stadt gemacht und denke, dass ich deswegen schon viele Einblicke in das habe, was mich in den nächsten Jahren erwartet.

PACK: Das Hamburger Abendblatt schreibt, Sie seien der jüngste Bürgermeister der Stadtgeschichte. Ist das eine besondere Herausforderung für Sie?

Lindenau: Ja, so ist es. Das bringt nun mal mein Alter mit sich und in der Tat, einen jüngeren Bürgermeister gab es bisher nicht. Ich finde schon, das Bürgermeisteramt ist eine besondere Aufgabe, denn letztendlich geht es darum, wichtige Entscheidungen in der Stadt vorzubereiten, anzuschieben und am Ende auch zu verantworten. Das ist eine wichtige und herausfordernde Aufgabe. Ich glaube schon, dass ein jüngerer Bürgermeister die Dinge anders angeht. Das ist zum Teil auch eine Generationenfrage. Wir Jüngeren gehen beispielsweise mit digitalen Medien völlig anders um als die ältere Generation. Sicherlich wurden auch in meiner Ausbildung andere Herangehensweisen gelehrt als noch vor 20 oder 30 Jahren. Letztendlich ist es aber auch eine Herausforderung.

PACK: Vielleicht ist es etwas unangenehm, aber 83 % der Wähler haben Sie nicht gewählt. Fühlt sich das an wie ein Wahlsieg?

Lindenau: Nach den Demokratieregeln in unserer Gesellschaft ist es ein Sieg. Nach der Frage der Beteiligung der Bürger an der Demokratie ist es sicherlich eine große Herausforderung für die Zukunft, die Menschen davon zu überzeugen, dass Kommunalpolitik sehr wichtig ist. Sie ist allerdings nicht so publik für die Menschen wie die große Politik abends in der Tagesschau. Das erleben wir ja bundesweit. Ich sehe auch meine Aufgabe als Bürgermeister, das zu verändern. Ich habe bereits in anderen Funktionen, beispielsweise als Fraktionsvorsitzender, Projekte angeschoben, die in genau diese Richtung gehen, den Menschen nahe zu bringen, wie wichtig Kommunalpolitik ist und wie viel Ehrenamt dahintersteckt. Zum Beispiel habe ich das Bürgerpraktikum initiiert, bei dem interessierte Menschen hinter die Kulissen im Rathaus blicken konnten. Ich habe mich vor einiger Zeit beim Erstellen eines Kinderbuches beteiligt, um schon Kindern deutlich zu machen, ‘wie funktioniert eigentlich Politik im Rathaus?’. Solche Projekte will ich auch in Zukunft machen. Ich glaube, wenn die Leute erst einmal erkennen, wie wichtig Kommunalpolitik ist und wie stark die Kommunalpolitik ins eigene Leben eingreift, können wir die Wahlbeteiligung auch deutlich erhöhen.

PACK: Sehen Sie einzelne Probleme, die dazu führen, dass sich die Menschen nicht für die Kommunalpolitik interessieren?

Lindenau: Ich denke, das ist einmal ein Thema, wie die Politik transportiert wird. Das fängt schon damit an, wie in der Bürgerschaft gearbeitet wird. Das geht aber auch um die Frage, wie wird Kommunalpolitik über die Medien kommuniziert. Wer heute keine Tageszeitung mehr hat oder eine Internet-Zeitung liest, bekommt von Kommunalpolitik eigentlich nichts mit. Das ist in der Bundespolitik durch die Fernseh-Präsenz schon eine andere Dimension. Darüber hinaus ist es auch schwer zu durchblicken. Das war auch eine Rückmeldung aus dem Bürgerpraktikum, sogar von politisch interessierten Bürgern. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, mehr Transparenz zu schaffen und die Themen, die in der Kommunalpolitik wichtig sind, auch viel mehr den Menschen näher zu bringen. Ich plane, zusammen mit dem Senat, einmal im Monat eine öffentliche Bürgerversammlung in einem Stadtteil, wo die Menschen auch das vorbringen können, was ihnen wichtig ist. Im Wahlkampf habe ich mitbekommen, dass den Menschen gerade viele Kleinigkeiten wichtig sind. Und ich kümmere mich auch gerne um solche Kleinigkeiten, weil ich immer der Auffassung war und bin, wenn wir das Kleine schon nicht hinbekommen, wie sollen wir erst das große Ganze schaffen? Deswegen glaube ich, ist es der Weg, den Menschen über kleine Dinge, die ihnen wichtig sind, zu zeigen, dass die Kommunalpolitik im Rathaus für die Menschen da ist und gleichzeitig die großen Linien nach vorne bringen, sodass die Stadt insgesamt auch eine Zukunft hat. Weiter denke ich, es geht darum, nahe an den Menschen zu sein, den Menschen deutlich zu machen, was kann man eigentlich bewirken. Und wenn die Menschen das Gefühl haben, der Verwaltungs-Chef, die Verwaltung oder die Bürgerschaft ist nicht mehr bürgernah und erkennt Interessen nicht an, in dem Moment wendet sich der Bürger von der Politik ab.

PACK: Wenn wir auf unser Interview im Jahr 2013 zurückblicken, haben Sie bereits damals gesagt, es brauche eine transparentere Kommunalpolitik und Einwohnerversammlungen. Sind diese Ideen bereits umgesetzt worden?

Lindenau: Diese Punkte will ich jetzt angehen. Und wenn ich das 2013 gesagt habe, stellt man daran fest, dass sich meine Inhalte nicht deutlich verändert haben. Das Einzige, was sich verändert, ist die Funktion. Auch das war ein Grund für meine Kandidatur. Ich musste feststellen, ich kann in der Politik ganz viele Anträge formulieren und dafür Mehrheiten organisieren. Am Ende geht es aber darum, wie wird das praktisch umgesetzt. Und das praktische Umsetzen ist Aufgabe der Verwaltung. Das, was wir aus Sicht 2013 beeinflussen konnten, beispielsweise durch ein Projekt wie das Bürgerpraktikum, dafür habe ich meinen Teil politisch beigetragen. Aber ich möchte, dass wir das auch als Verwaltung nach außen tragen.

PACK: Sie haben die Kommunalpolitik in den letzten vier Jahren als Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion begleitet. Was hat sich seitdem in Lübeck verändert?

Lindenau: Als wichtigen Punkt würde ich sehen, dass wir es in dieser Zeit geschafft haben, für wichtige Themenfelder in der Stadt die wichtigen Grundlagen zu schaffen, sodass wir jetzt anfangen können, daran zu arbeiten. Ich nenne das unter der Überschrift eines Antrages, den ich geschrieben habe, die “Zukunftsorientierte Stadt”, wo wir es geschafft haben, sämtliche Teilkonzepte der Stadt – und das waren über 46 in alle möglichen Richtungen – in drei wichtigen Themenfeldern zusammenzubringen. Einmal das Wohnungsmarktentwicklungskonzept, das Gewerbeflächenentwicklungskonzept und das zusammen abgestimmt mit der Umweltplanung. Das war ein wichtiger Schritt, weil auf dieser Grundlage jetzt aktiv gehandelt werden kann. Der zweite Punkt, den ich wichtig finde, ist, dass wir es im sozialen Bereich geschafft haben, die Strukturen deutlich zu verschlanken. Das heißt, dass wir beispielsweise für hilfebedürftige Menschen eine zentrale Ermäßigungskarte geschaffen haben, wo es vorher drei verschiedene Systeme gab. Ich glaube auch das ist wichtig, den Verwaltungs-Dschungel zu entschlacken und auf der anderen Seite diskriminierungsärmer Unterstützung anzubieten. Das ist in dem Zeitraum gelungen. Mit der Entwicklung des Lübecker Bildungsfonds haben wir zum Beispiel auch niedrigschwellige Unterstützung im Bereich der Kitas und Schulen organisiert. Das sind für mich auch wichtige Projekte, die ich gerne weiterführen möchte und ich glaube, in meiner neuen Funktion stehen da auch noch mehr Möglichkeiten offen.

PACK: In diesem Jahr haben sich mehr als 2000 neue Studierende in Lübeck eingeschrieben, die meisten davon sind nach Lübeck umgezogen und durften bei der Wahl zum Bürgermeister nicht mitbestimmen, weil der Stichtag weit vor Semesterbeginn lag. Jedoch wird der größte Teil ihres Studiums oder sogar die gesamte Studienzeit in ihre Amtszeit fallen. 2011 war es genauso. Kann man dies zukünftig verhindern?

Lindenau: Das Thema Bürgerservice hat den Wahlkampf stark bestimmt. Und natürlich wird es da Lösungsvorschläge geben. Es wird wieder Stadtteilbüros geben und zu Beginn des Semesters kann ich mir direkte Dienstleistungen vor Ort – an der Universität – vorstellen. In Kooperation mit der Uni soll die Ummeldung direkt in den ersten Wochen des Studiums möglich werden. Hier könnte man eine festinstallierte Möglichkeit an der Uni oder eine mobile Lösung für diesen Zeitraum finden. Auch hier gilt: Gerade in solchen Stoßzeiten in denen eine Dienstleistung abgefragt wird müssen wir aufstocken – auch in Kooperation mit der Uni. Jeder, der nach Lübeck kommt, soll direkt einen guten Eindruck von der Stadt bekommen, um sich schnell zu orientieren und die Stadt kennenzulernen. Dafür ist eine solche Einrichtung notwendig. Das soll Teil meiner Neuerungen im Bürgerservice sein. Mit Studierenden könnten auch neue Onlinedienste ausprobiert werden. Das sind in der Regel Generationen, die mit solchen Diensten viel einfacher und schneller umgehen können. Da könnte man den ersten Testbetrieb schaffen. Das könnte ein gutes Projekt sein.

Bei der Podiumsdiskussion im Audimax sprach Jan Lindenau an, dass ein Servicepunkt der Verwaltung zum Semesterbeginn auf dem Campus möglich wäre.Johann Mattutat | StudentenPACK.

Bei der Podiumsdiskussion im Audimax sprach Jan Lindenau an, dass ein Servicepunkt der Verwaltung zum Semesterbeginn auf dem Campus möglich wäre.

PACK: Kathrin Weiher sagte während der Podiumsdiskussion an der Universität, dass jemand der ‘richtig feiert’ auch den ersten Bus um fünf Uhr nehmen kann. Ist das die richtige Lösung?

Lindenau: Ich habe in meiner nicht parteipolitischen Zeit einmal einen Nachtbus durchgesetzt. Das waren sechs Linien durch die gesamte Stadt, die am Wochenende auch Diskotheken und Ähnliches angeschlossen haben. Das Projekt ist nach drei oder vier Jahren wieder eingestellt worden, da die Nutzungsfrequenz relativ gering war. Natürlich muss ich als Bürgermeister auch Kosten und Nutzen abwägen. Vor dem Hintergrund, dass der Testbetrieb nicht die erforderlichen Nutzerzahlen aufgewiesen hat bin ich in der Hinsicht erst einmal zurückhaltender. Ich bin natürlich auch offen, Alternativen zu finden, um die nächtliche Mobilität zu steigern – vor allem auch am Wochenende. Da gibt es auch einige Möglichkeiten, wie Taxibetriebe, die die Linien abfahren. Auch dafür benötigt man die Akzeptanz. Vor allem im Sommer wird lieber das Fahrrad genommen, da es meistens auch schneller geht und angenehmer ist. Dabei ist für mich die Priorität die Anbindung von Uni und Stadt durch den Fahrradverkehr zu fördern. Ich möchte mich für die Schnellfahrradverbindung zwischen Stadt und Uni und ein Fahrradparkhaus am Bahnhof einsetzen. Einen Busbetrieb rund um die Uhr halte ich aktuell wirtschaftlich nicht für umsetzbar. Sollten alle 10.000 Studenten nachts durch die Gegend fahren, dann ist das eine ganz andere Situation.

PACK: Das passiert vielleicht, wenn die Universität weiter wächst und möglicherweise nicht nur von acht bis 18 Uhr gelehrt wird.

Lindenau: Dazu noch einmal ganz deutlich: Die Entwicklung des Hochschulstandorts Lübeck und auch die Möglichkeiten der Ausgründungen oder Wohnbereiche im Umfeld der Uni zu schaffen, sind große Entwicklungsziele. Wenn damit auch die Infrastruktur wachsen muss, ist auch der nötige wirtschaftliche Aspekt vorhanden. Das hängt von der weiteren Entwicklung in und um die Uni ab. Aktuell ist hier der Fahrradverkehr die erste Priorität.

PACK: Gibt es weitere Ideen, wie man Mobilität in Lübeck fördern kann?

Lindenau: Natürlich. Fahrradverkehr ist das eine. Ich persönlich setze mich auch dafür ein, dass wir auch die tarifliche Anbindung an den HVV bekommen. Ich halte es nach wie vor für ein wichtiges Thema. Auch Elektromobilität muss sowohl im Bus- als auch im Individualverkehr gesteigert werden. Das heißt, wir müssen uns im Bereich des gesamten Stadtgebiets mit Ladesäulen ausstatten. Aktuell sind diese hauptsächlich im Innenstadtgebiet vorzufinden. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Aufgabe die Innenstadt in Zukunft noch haben soll und daraus müssen wir ein Verkehrskonzept entwickeln. Vielleicht werden bei sinkenden Kosten auch alternative Verkehrsmittel stärker genutzt. Weniger Autoverkehr bekommen wir jedoch nicht von oben herab. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen.

PACK: Würden die Menschen, die auf ein Auto zurückgreifen können, dann nicht vielleicht auf Einkaufszentren außerhalb der Stadt zurückgreifen?

Lindenau: Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Wir reden sehr häufig darüber. Ich habe auch mehrere Wochen in einem großen Einkaufszentrum Wahlkampf gemacht und ich habe verstärkt mitbekommen, dass viele Menschen dort gar nicht aus Lübeck kommen, sondern aus Kiel oder Hamburg. Ich glaube, die Lübecker sind eine sehr treue Kundschaft. Es ist eine Frage, wie wir sie ansprechen. Wenn wir immer wieder nach außen tragen, dass die Innenstadt schlecht erreichbar ist, ist es kein Wunder, dass die Menschen überregional uns irgendwann glauben. Wenn wir dagegen verdeutlichen, dass wir im Innenstadtbereich über 4000 Parkplätze haben, die nur zur Weihnachtszeit komplett ausgelastet sind, kann das positiv wirken. Da spielt natürlich auch die Preisfrage eine Rolle. Ich habe im Bereich des Bürgerservices gesagt – weil ich mich für ein zentrales Bürgerzentrum in der Nähe des Rathauses einsetzen will – dass jemand, der einen Termin im Bürgerservice hat, dann natürlich auch einen kostenlosen Parkplatz zur Verfügung gestellt bekommen muss. Damit sind Sie in der Stadt. Entscheidend ist, dass diese Stadt ein Einkaufserlebnis bietet, das man so auf keiner grünen Wiese erhält. Einzukaufen im UNESCO-Weltkulturerbe mit allen positiven Randerscheinungen ist ein Erlebnis, das die Menschen schätzen. Das merken wir jedes Jahr zur Weihnachtszeit, wenn die Innenstadt überläuft.

PACK: Beispielsweise: Läden wie in der Hüxstraße findet man in keinem Einkaufszentrum außerhalb der Stadt?

Lindenau: Genau! Dieses Alleinstellungsmerkmal müssen wir nach Außen tragen. Darüber müssen wir reden. Wir brauchen einen vernünftigen Einkaufsmix, der alles abdeckt, damit man hier alles erledigen kann. Vielleicht sollte man über neue Dinge nachdenken. Diese Idee ist jetzt völlig aus der Luft gegriffen, aber ich persönlich sehe es ja auch: Wenn ich online einkaufe gibt es Dinge, die ich mir vorher einmal ansehen möchte. Und vielleicht wird in früherer oder späterer Zukunft aus der klassischen Innenstadt ein großes Online-Kaufhaus. Dort können die Leute zwar ins Geschäft gehen und die Sachen ansehen. Dort gibt es beispielsweise einen Code aus dem Geschäft, der dann für den Online-Einkauf genutzt werden kann und es läuft am Ende doch über den Einzelhändler. Dort sehe ich viele Möglichkeiten, den Innenstadthandel ganz neu zu definieren und damit den Flair der Innenstadt weiterhin zu nutzen.

Lindenau beim Interview im RathausJohann Mattutat | StudentenPACK.

Lindenau beim Interview im Rathaus

PACK: Viele Studierende bleiben nach ihrem Abschluss nicht in Lübeck. Kann man die Stadtbindung verbessern?

Lindenau: Definitiv. Das wird eines meiner Projekte sein. Gerade in den vielen Ausbildungsaspekten der Stadt. So soll die Stadt stärker mit der Universität zusammenarbeiten. Wir brauchen in Zukunft ein erhebliches Potenzial an Arbeitsplätzen. Auch in der Stadtverwaltung selbst. Innerhalb der Stadtverwaltung werden circa 1500 Menschen in Rente gehen. Ein Großteil dieser Arbeitsplätze müssen neu besetzt werden und dort muss ein Wissenstransfer stattfinden. Auch Menschen, die an der Universität und an der Fachhochschule ihren Abschluss machen, sollen an den Standort gebunden werden, sowohl für die Verwaltung als auch für die Firmen. Auch Neuansiedlungen und Ausgründungen aus der Uni müssen gefördert werden. Dafür muss Raum geschaffen werden. Da müssen wir eine Wertschöpfung und das KnowHow in Lübeck halten. Daher ist auch eines meiner obersten Ziele zu sagen: Die Menschen hier zu halten ist sehr wichtig und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen – darin sehe ich auch meine Aufgabe.

PACK: Auf der Altstadtinsel ist ein neues Studentenwohnheim geplant. Wann können die ersten Studenten dort einziehen?

Lindenau: Das ist ein Ergebnis des Wohnungsmarktkonzeptes, in dem verschiedene Flächen für den Wohnungsmarkt erschlossen wurden. Das Studentenwohnheim in der Dankwartsgrube befindet sich aktuell in der Planung. Ich gehe davon aus, dass es mit Bauzeit circa zwei Jahre dauern wird bis zur Fertigstellung. Das Gleiche gilt für studentisches Wohnen am Bornkamp oder auch ein studentisches Wohnheim in der Ratzeburger Allee. Es sind klare Projekte in der Pipeline und die wollen wir in den nächsten Jahren konkret umsetzen.

PACK: Noch wirken Bornkamp und Hochschulstadtteil isoliert und schlecht angebunden. Sind Studenten dort gut aufgehoben?

Lindenau: Die Verbindungen sind verbesserungsfähig. Wenn aber am Ende mehr potenzielle Kunden in den Bereichen wohnen, können auch die Kapazitäten dort erhöht werden. Das ist wohl der bessere Schritt. Wir stärken den Hochschulstadtteil und daraus resultiert der höhere Bedarf und die Angebote können angepasst werden.

Lindenau als Kandidat im AudimaxJohann Mattutat | StudentenPACK.

Lindenau als Kandidat im Audimax

PACK: In der Innenstadt wurde bereits die Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt. Wie oft werden Sie den Weihnachtsmarkt besuchen und gibt es einen Stand, den Sie besonders gerne besuchen?

Lindenau: Jedes Jahr aufs Neue mache ich etwas, das mache ich seitdem ich vier Jahre alt bin. Ich gehe mindestens einmal im Jahr über den Märchenwald oder in das Heiligen-Geist-Hospital – dieses Jahr leider nicht – dafür haben wir eine Neuerung in und um das Hansemuseum. Von daher kann man dieses Manko durch einen neuen Standort ausgleichen. Im nächsten Jahr werde ich wieder ins Hospital gehen. Gerade in den Zeiten, in denen hier viel Trubel ist, kann man das weihnachtliche Lübeck auch ganz anders erleben, indem man durch die Gassen und Gänge geht, wo touristisch nicht alles erschlossen ist. Einfach eine halbe Stunde in Ruhe die geschmückten Fenster und Häuser zu betrachten, ist sehr entspannend. Im Trubel bin ich gerne im Märchenwald, weil es eine gewisse Erinnerung an meine Kindheit ist. Heute gehe ich mit meinem Sohn durch den Wald. Dort ist man zuhause.

PACK: Jetzt, gegen Ende des Jahres, kann man schon einmal über das neue Jahr nachdenken. Welche Wünsche möchten Sie den jungen Menschen in Lübeck für das neue Jahr mit auf den Weg geben?

Lindenau: Ich wünsche mir, dass die Kreativität der jungen Menschen auch auf die Stadt überspringt und dass sie sich mit in das kommunale Leben einbringen. Bei der Frage der Akzeptanz der Kommunalpolitik würde ich mir wünschen, dass sich Menschen für und mit der Stadt einsetzen. So sollen ab nächstem Mai die Ideen der Bürgerinnen und Bürger besser an die Stadt herangetragen werden können. Eine große Beteiligung aller an unserer Stadt würde mich sehr freuen!

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Ist die deutsche Bildung vergleichbar? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/ist-die-deutsche-bildung-vergleichbar/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/ist-die-deutsche-bildung-vergleichbar/#respond Mon, 06 Nov 2017 09:00:16 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=301702
Abimotto: Ein Abi ohne Abimotto? Unvorstellbar!Frederike Heiden | StudentenPACK.

Abimotto: Ein Abi ohne Abimotto? Unvorstellbar!

1,4 oder 1,9 im Abi? Die Antwort ist klar: 1,4. Doch was, wenn die unterschiedlichen Ergebnisse nicht auf Grund von unterschiedlichen Noten entstehen? Was ist, wenn man mit exakt den gleichen Noten unterschiedliche Durchschnittsnoten erreichen kann? Dann befinden wir uns im deutschen Bildungssystem!

Wir befinden uns in einem System mit 16 verschiedenen Abiturprüfungsordnungen – also mit 16 verschiedenen Bildungssystemen. Doch trotz dieser Unterschiede soll angeblich niemand einen Nachteil haben – egal aus welchem Bundesland er kommt.

Ich wollte dem auf den Grund gehen. Wie gleich – beziehungsweise wie unterschiedlich – ist das Abitur in den verschiedenen Bundesländern? Ist es wirklich vergleichbar? Im Rahmen meiner Recherche las ich alle 16 Abiturprüfungsverordnungen, die alle unterschiedlich leicht oder schwer aufzufinden sind. Gott sei Dank gibt es Wikipedia.

Während ich fleißig Seite um Seite las, stieß ich auf weitaus mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten.

Gemeinsamkeiten der Abiturprüfungsverordnungen

Zu den Gemeinsamkeiten zählt der gemeinsame Punktemaßstab. Jedes Bundesland bewertet von 0-15 Punkten. Man muss in jedem Land in Block I mindestens 200 Punkte und in Block II mindestens 100 Punkte erreichen, um das Abitur zu bestehen. Der erste Block beinhaltet alle Noten aus den vier Halbjahren, während in den zweiten Block die Prüfungsnoten mit einfließen. Die Aufteilung in Block I und Block II ist in jedem Bundesland vorhanden und die groben Inhalte sind äquivalent. Daraus folgt natürlich, dass die Punktetabelle, nach der die Abiturnote festgelegt wird, ebenso in ganz Deutschland einheitlich ist. Doch hier hören so langsam die Gemeinsamkeiten auf. Die Art und Weise, wie man die Mindestpunktzahl in den Blöcken erreicht, unterscheidet sich stark. Während in zehn Bundesländern fünf Prüfungen Pflicht sind, gibt es drei Bundesländer, in denen das Abitur in nur vier Prüfungen abgenommen wird. In den restlichen drei Bundesländern können sich die Schüler aussuchen, ob sie sich in vier oder fünf Fächern prüfen lassen wollen. In Schleswig-Holstein können die Abiturienten wählen, ob sie zusätzlich zu ihren drei schriftlichen Prüfungen nur eine oder zwei mündliche Prüfungen absolvieren möchten. In fast allen Abiturprüfungsordnungen steht geschrieben, dass die mündliche Prüfung gegen eine besondere Lernleistung (BLL) ersetzt werden kann. Eine BLL kann aus einem vom Land oder Bund geförderten Wettbewerb, einer Jahres- oder Semesterarbeit, den Ergebnissen eines umfassenden und eventuell fachübergreifenden Projekts oder Praktikums oder einem Thema, für das sich der Schüler sehr stark interessiert, bestehen.

Wer jetzt vermutet, dass die fünf Prüfungen in jedem Bundesland gleich ablaufen, liegt falsch. Denn auch bei den Ländern, die die gleiche Anzahl an Prüfungen haben, gibt es Unterschiede. Viele verlangen vier schriftliche und eine mündliche Prüfung. Einige Bundesländer jedoch haben nur drei schriftliche Prüfungen, dafür dann jedoch zwei mündliche. Während in einigen Bundesländern zwischen normaler mündlicher Prüfung und Präsentationsprüfung gewählt werden kann, gibt es in anderen Ländern lediglich die „stinknormale“ mündliche Prüfung.

Eine weitere Gemeinsamkeit findet sich darin, dass die Prüfungen in Kunst, Musik oder Sport aus einem theoretischen und praktischen Teil bestehen. Jedoch muss man in Bayern schon recht früh wissen, ob man diese Prüfungen ablegen möchte, denn dann muss man während der Oberstufe das sogenannte Additum, einen doppelstündigen Zusatzkurs, belegen.

Die verschiedenen Abiturprüfungen in den Bundesländern.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die verschiedenen Abiturprüfungen in den Bundesländern.

G8 oder G9?

Ein Thema, welches regelmäßig öffentlich von den Ländern diskutiert wird, ist „G8 oder G9“? In den letzten 15 Jahren haben alle Bundesländer versucht, sich dem internationalen Standard des Abitur in zwölf Jahren (G8) anzupassen, doch vor allem die westlichen Bundesländer sind sehr unzufrieden damit und wollen ihren Schülern lieber 13 Jahre (G9) Zeit lassen. Momentan ist Niedersachsen wieder vollständig zu G9 zurückgekehrt, Rheinland-Pfalz hatte nie flächendeckend G8 eingeführt und Bayern möchte ab dem nächsten Schuljahr zu G9 zurückkehren. Auch Schleswig-Holstein ist unzufrieden mit G8 und möchte zu G9, eventuell nicht ganz einheitlich, zurück. In den anderen alten Bundesländern herrscht entweder Wahlfreiheit an den Schulen, ob sie G8 oder G9 anbieten, oder es wird meist an Gymnasien G8 angeboten, an Stadtteilschulen oder Privatschulen hingegen können Schüler ihr Abitur nach der 13. Klasse abschließen. Doch was ist mit den neuen Bundesländern? Die sind voll und ganz zufrieden mit G8.

Die Vielfalt der Kurssysteme

Verzeiht es euren Kommilitonen, dass sie euch verdutzt anschauen, wenn ihr sie fragt, welches Profil sie hatten, denn außer den Schülern aus Schleswig-Holstein haben nur die Niedersachsen und die Hamburger sogenannte „Profile“ in der Oberstufe. Die Profile bestimmen den Schwerpunkt, zum Beispiel sprachlich, naturwissenschaftlich, sportlich oder ästhetisch, den der Schüler in der Oberstufe belegen wird. Im naturwissenschaftlichen Profil kann beispielsweise das profilgebende Fach Biologie sein und die profilbegleitenden Fächer Informatik und Geographie. In dem profilgebenden Fach muss eine Abiturprüfung abgelegt werden.

Im Großteil der Bundesländer herrscht das Prinzip von Leistungs- und Grundkursen. Es ist nicht immer gleich, wie viele davon belegt werden müssen. Doch was in Berlin, Bremen oder Sachsen Grund- und Leistungskurse heißt, heißt im Saarland E- und G-Kurse. Dahingegen nennt man sie in Brandenburg Fächer auf erhöhtem und grundlegendem Anforderungsniveau. In Mecklenburg-Vorpommern meint man auch das gleiche, nennt es dort aber Hauptfächer und Fächer. Etwas ausgefallener mögen es die süddeutschen Bundesländer. In Baden-Württemberg scheint es nichts Äquivalentes zu geben. Die Schüler dort müssen unter bestimmten Voraussetzungen fünf Kernfächer wählen. Das ist leicht verwirrend, denn in den meisten Abiturordnungen sind die Kernfächer definiert als: Deutsch, Mathe und eine fortgeführte Fremdsprache. Die Bayern haben auch ein ganz eigenes System aus Wahl-, Pflicht- und Profilbereichen. Der Begriff Profilbereich ist irreführend, denn hinter diesem Bereich verbirgt sich die Wahl des Wissenschaftspropädeutischen Seminars und des Projekt-Seminars. Im Wissenschaftspropädeutischen Seminar müssen die bayrischen Schüler eine Seminararbeit schreiben, welche Einfluss auf die Abiturnote hat. Das Projekt-Seminar dient der Studien- und Berufsorientierung. Ebenso zählt zu dem Profilbereich das vorher erwähnte Additum.

Gleiche Noten für alle?

Beim Durcharbeiten der Abiturverordnungen fiel mir auf, dass in einigen Bundesländern viel mehr Wert auf Sprachen als auf Naturwissenschaften gelegt wird. Da ich nicht ohne Grund an einer sehr naturwissenschaftlichen Universität studiere, stellte ich mir die Frage, ob naturwissenschaftlich begabte Schüler, die man mit Sprachen nur so jagen kann, in einigen Bundesländern benachteiligt werden.

Um das zu überprüfen, dachte ich mir zwei Schüler aus. Angelo, der sehr begabt in Sprachen ist, dafür jedoch nicht so gut in den Naturwissenschaften, und Martina, die wiederum sehr viel Talent in den Naturwissenschaften zeigt, jedoch mit den Sprachen auf Kriegsfuß steht. Mithilfe eines Abirechners (https://www.schuelerpilot.de/abirechner) errechnete ich jeweils für beide ihre Abiturnoten in den 16 Bundesländern. Damit eine möglichst hohe Vergleichbarkeit herrscht, gab ich beiden in der Gesamtheit die gleichen Noten. In allen Fächern des gesellschaftswissenschaftlichen Bereichs, in Kunst, Musik oder Darstellendem Spiel und in Sport haben die beiden in jedem Halbjahr 11 Punkte erreicht, wenn sie in einem der Fächer eine Prüfung ablegen sollten, dann haben sie dort ebenfalls 11 Punkte erworben. Übrig bleiben nun nur noch alle Fächer des mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen Bereichs, Deutsch sowie alle Fremdsprachen. Angelo hat durchgängig in Deutsch und den Fremdsprachen in allen Halbjahren inklusive der Prüfungen 14 Punkte bekommen, während er nur 7 Punkte in den Naturwissenschaften bekam. Martinas Noten waren genau umgekehrt.

Die Varianz der Abiturnoten überrascht. Angelo erreichte seinen besten Abiturdurchschnitt in Hamburg mit 1,4. Sein schlechtestes Ergebnis mit einem Durchschnitt von 1,9 erhielt er in Rheinland-Pfalz. 1,9 war auch sein Ergebnis in Baden-Württemberg, jedoch erwarb er hier 2 Gesamtpunkte mehr. Ganz anders sieht das Verhältnis bei Martina aus. Ihren besten Durchschnitt von 1,6 hätte sie in Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Dagegen sollte sie besser nicht in Bayern oder Thüringen ihr Abitur machen, denn da würde sie nur einen Schnitt von 2,0 erreichen, wobei in Thüringen die 4 Punkte mehr den Schnitt auch nicht ändern. Im direkten Ländervergleich erreichten Martina und Angelo in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf die Punktzahl genau die gleiche Note. In den Fällen, in denen sich die Durchschnitte unterscheiden, ist Angelo immer besser als Martina und das trotz gleicher Noten. Das liegt daran, dass in diesen Bundesländern in den Abiturprüfungen zwei der Kernfächer (Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache) gewählt werden müssen oder alle drei Pflicht sind. Alleine durch diese Regelung ist Martina benachteiligt, denn ihr liegt nur ein Fach, Angelo jedoch zwei dieser Fächer. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Warum werden heutzutage naturwissenschaftlich begabte Schüler benachteiligt, wo doch sprachliche Berufe genauso wichtig sind wie MINT-Berufe?

Doch wie groß waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Abiturdurchschnitten zwischen Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern wirklich? Martina hatte dort immer einen um 0,2 schlechteren Abidurchschnitt. Sei es nun in Bayern oder Thüringen, wo Angelo mit 1,8 abschnitt, Martina sich aber mit einer 2,0 zufriedengeben musste, oder in Hamburg, wo Angelo mit einer sehr guten 1,4 abschloss, Martina jedoch im Gegensatz dazu nur eine 1,6 erhielt. Hier im “Echten Norden” hätte Angelo mit einem Schnitt von 1,6 besser abgeschnitten als Martina in ihrem naturwissenschaftlichen Profil mit 1,8.

Die Abiturdurchschnitte von Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die Abiturdurchschnitte von Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern.

Namensdiversität

Eine Kleinigkeit, die mir die Recherche und das Berechnen der Abinoten erschwerte, war die Tatsache, dass vor allem die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer in den Ländern sehr unterschiedlich heißen und zudem auch unterschiedliche Inhalte haben. Gibt es einerseits in einigen Bundesländern nur die Wahl zwischen Religion und Philosophie, so kann man sich in den anderen Ländern zwischen Religion und Ethik entscheiden. In Niedersachsen wird die Alternative zum Religionskundeunterricht „Werte und Normen“ genannt. Was in vielen Bundesländern Geographie heißt, heißt in anderen Erdkunde.

Und hinter die Unterschiede zwischen Wirtschaft, Wirtschaft und Politik, Sozialkunde, Politik/Gesellschaft/Wirtschaft, Politik, Gemeinschaftskunde und Wirtschaft und Recht zu steigen ist ebenfalls nicht leicht. Auch hier stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit. Welches Fach vermittelt welche Inhalte? Und woher soll jede Universität, jede Fachhochschule und jeder Arbeitgeber in jedem Bundesland die Unterschiede kennen?

Einheitliche Bildung?!

Im Rahmen meiner Recherche stellte ich mir die Frage, warum es keine einheitliche Bildungspolitik in Deutschland gibt. Um diesen Aspekt besser analysieren zu können, schrieb ich die Mitglieder der Kultusministerkonferenz (KMK) jedes Bundeslandes an und befragte sie zu ihrer Meinung. In der KMK sitzen alle für Bildung und Kultur zuständigen Minister und Senatoren.

Eine Aufgabe der Kultusministerkonferenz ist, die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit von Zeugnissen und Abschlüssen als Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung zu vereinbaren.

Die Kultusminister der Länder Sachsen, Baden-Württemberg, Saarland, Brandenburg, Bremen und Hessen sind sich einig, dass der Beschluss vom Oktober 2012 über die bundesweit einheitlichen Bildungsstandards in den Fächern Mathematik, Deutsch und einer Fremdsprache bei der allgemeinen Hochschulreife und der gemeinsam eingeführte Aufgabenpool für mehr Vergleichbarkeit und Anerkennung von Abschlüssen sorgen. „Es ist damit aber sichergestellt, dass jede Schülerin und jeder Schüler bundesweit am Ende einer gewissen Jahrgangsstufe die gleichen Kenntnisse und das gleiche Wissen vorweisen kann“, sagt die brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst.

Einig sind sich die Kultusminister darüber, dass der Bildungsföderalismus bleiben soll und seine Vorteile hat. Ein Vorzug des Bildungsföderalismus liegt für den hessischen Kultusminister R. Alexander Lorz in der „Beachtung regionaler Besonderheiten und [in der] größeren Nähe zu den tatsächlichen Problemen“. Diese Meinung vertritt auch Herr Commerçon, der saarländische Kultus- und Bildungsminister. „Lösungen, die in Wolgast passen, passen nicht in Rüsselsheim“ bringt es Herr Lorz auf den Punkt. Seiner Meinung nach würden die Entscheidungswege zu kompliziert, wenn die Entscheidungen in Bildungsfragen in Berlin getroffen werden würden und es eine Einheitsschule, an der Einheitslehrer nach Einheitsvorgaben unterrichten würden, gäbe. Dies möchte sich der hessische Kultusminister nicht vorstellen.

Frau Ernst plädiert für den Bildungsföderalismus: „Im Sinne der gewollten Vielfalt im Bildungswesen wird auf Detailregelungen verzichtet, um Raum für Innovationen zu lassen.“

Meinungen zur Aufhebung des Kooperationsverbots

Uneinigkeit herrscht bei dem Thema Aufhebung des Kooperationsverbots. Dieses beschreibt die Regelung, dass der Bund keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder ausüben darf, insbesondere nicht durch die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen. Die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen stellten in der 960. Sitzung des Bundesrates den Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbots. Herr Ministerpräsident Weil aus Niedersachsen erwähnte im Rahmen dieser Sitzung, dass es bei der Einführung des Kooperationsverbotes darum ging, Mischkompetenzen zu vermeiden. Frau Senatorin Scheeres aus Berlin forderte auf: „Anstelle einzelner kleiner Reformschritte […] sollten wir mutig sein, Gemeinschaftsaufgaben zu formulieren und festzuschreiben. […] Es geht darum, bestimmte große Aufgaben gemeinsam anzupacken. Es geht darum, bestimmte Standards gemeinsam zu formulieren und in Deutschland sicherzustellen. […] Wenn wir das Kooperationsverbot überwinden, würde es gelingen, ein Programm für inklusive Schulen auf den Weg zu bringen, so dass alle Kinder und Jugendliche in Deutschland die Möglichkeit haben, in unseren Schulen ein inklusives Angebot zu erhalten.“

Frau Senatorin Dr. Bogedan aus Bremen bemängelt, dass der Bund heute etwa fünf Prozent des Gesamthaushaltes für Bildung aufwendet, während die Länder kontinuierlich immer größere Anteile ihrer Haushalte für Bildung aufwenden. „Eltern und Kindern ist es nicht mehr vermittelbar, dass es angeblich der Generationengerechtigkeit dient, wie der Bund trotz steigender Einnahmen zusieht, wie in den finanzschwachen Kommunen Schulgebäude verfallen und es beispielsweise an digitaler Infrastruktur fehlt.“ fügt Frau Dr. Bogedan hinzu. Frau Staatsministerin Dr. Hubig aus Rheinland-Pfalz sieht dies ähnlich: „Wir müssen eine tragfähige Grundlage schaffen, auf der Bund und Länder verlässlich Verabredungen treffen können, die dann für alle Beteiligten gelten. […] Dabei muss klar sein, dass die Verantwortung für die Bildung natürlich bei den Ländern liegt. An dieser großen Errungenschaft unseres Grundgesetzes wollen und dürfen wir nicht rütteln.“

Kultusminister Lorz aus Hessen sieht den Antrag einer Erklärung gleichkommen, dass die Länder ihre Kernaufgabe nicht erfüllen können und diese nur noch unter „dem Dach des Bundes erledigen könnten“ und „deshalb ihre Kompetenzen abgeben“ müssten.

Herr Bildungsminister Holter aus Thüringen ist der Meinung, dass „mit einer Aufhebung des Kooperationsverbotes […] sich der Bund an der Finanzierung gemeinsamer Bildungsaufgaben beteiligen [kann], ohne dass die föderale Verantwortung der Länder in Frage gestellt wird.“ Ergänzend schreibt Herr Holter: „Wir brauchen eine deutlich bessere Anerkennung der Bildungsleistungen über die Ländergrenzen hinweg. In einer Zeit, in der immer wieder Mobilität gefordert wird, dürfen Ländergrenzen keine Bildungsschranken sein!“ „Wenn wir wirklich eine ‚Bildungsrepublik Deutschland‘ werden wollen, brauchen wir eine neue Kooperationskultur zwischen Bund und Ländern. Dazu gehört auch eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Bildungsausgaben.“, stimmt Herr Commerçon aus dem Saarland zu.

Frau Staatsministerin Kurth aus Sachsen betont in ihrer Stellungnahme, dass „für Sachsen […] der Bildungsföderalismus ein Glücksfall“ ist. Die Verlässlichkeit und Kontinuität des sächsischen Schulsystems seien eine große Stärke. Frau Kurth unterstreicht: „Auf den Lehrer kommt es an! Unsere Lehrer konnten sich auf den Unterricht und auf ihre Schüler konzentrieren, statt sich dauernd in neuen Schulstrukturen oder Rahmenvorgaben orientieren zu müssen.“

Schüler: Zu Lernen bleibt beim Abitur nicht aus.Kevin Seelig

Schüler: Zu Lernen bleibt beim Abitur nicht aus.

Ein Fazit?

Zu Beginn meiner Recherche sprach für mich nichts gegen eine bundeseinheitliche Bildungspolitik. Doch je mehr ich mich mit der Thematik beschäftigte, desto mehr stimme ich mit den Politikern überein, dass es gut so ist, dass Bildung Ländersache ist. Trotzdem ist für mich die Bildung in Deutschland weder vergleichbar noch gerecht.

Wenn man in jedem Bundesland auf Grund anderer Regeln, Einbringungs- und Belegungsverpflichtungen, nicht den gleichen Abiturdurchschnitt erreichen kann und das mit exakt den gleichen Noten, dann ist dies für mich nicht vergleichbar. Wenn Schüler nur auf Grund ihrer Affinität zu den Naturwissenschaften in einigen Bundesländern schlechtere Durchschnitte erreichen, ist das nicht gerecht. Ich wäre für eine einheitliche Grundregelung, so dass in jedem Bundesland die gleiche Anzahl von Prüfungen abgenommen wird. Mathe und Deutsch sollten die einzigen fest vorgeschriebenen Abiturprüfungen sein, denn durch alle anderen Regelungen wird regelmäßig jemand benachteiligt. Deutsch und Mathe sind schon immer Grundlagenfächer gewesen, da wird auch niemand widersprechen, wenn diese Fächer verpflichtend sind. Ebenfalls sollte einheitlich sein, wie viele Kurse insgesamt eingebracht werden müssen, denn vor allem auf Grund der Unterschiede in der Einbringungspflicht entstehen die rein rechnerisch bedingten Differenzen in den Abiturdurchschnitten.

Doch manchmal können Schüler mit gleichem Wissen in unterschiedlichen Ländern nicht die gleiche Note erreichen, da vom Niveau her unterschiedliche Arbeiten geschrieben werden. Um dies gerechter zu machen, wurde das sogenannte Zentralabitur eingeführt. Jedes Bundesland gibt Aufgaben, die Lehrer ausgesucht haben, in einen Aufgabenpool. Die Aufgaben werden gegebenenfalls noch ein wenig angepasst. Zur Abiturprüfung dürfen sich die Länder aus diesem Pool Aufgaben wählen. Jedoch müssen nicht sehr viele Aufgaben aus diesem Pool abgeprüft werden, weswegen dann doch wieder die Uneinheitlichkeit von vorher herrscht.

Ich denke ebenfalls, dass eine Einigkeit bei der Frage „G8 oder G9?“ mehr Gerechtigkeit bringen würde. In drei Jahren Oberstufe kann mehr Unterrichtsstoff durchgenommen werden als in zwei Jahren. Dadurch gehen die Schüler schon mit unterschiedlichen Vorausetzungen an die Universitäten, sodass diese im ersten Semester erst versuchen müssen, alle auf ein Niveau zu bringen.

Letztendlich ist die Bildungspolitik nicht einfach zu gestalten, da bin ich mir sicher. Trotzdem gibt es an vielen Ecken Verbesserungsbedarf, sei es nur erstmal die Sanierung vieler Schulen.

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Da habe ich also die AfD besucht… https://www.studentenpack.de/index.php/2017/06/da-habe-ich-also-die-afd-besucht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/06/da-habe-ich-also-die-afd-besucht/#comments Fri, 23 Jun 2017 04:00:10 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=286387
„Wir diskutieren im großen Kreis darüber, ob man mit oder nur über die AfD sprechen sollte.“Lukas Ruge | StudentenPACK.

„Wir diskutieren im großen Kreis darüber, ob man mit oder nur über die AfD sprechen sollte.“

Beim Essen in der Mensa höre ich davon, dass Frauke Petry nach Lübeck kommt. Die AfD will ihren Wahlkampfabschluss zur Landtagswahl mit Vorträgen auf einer großen Veranstaltung feiern. Wir diskutieren im großen Kreis darüber, ob man mit oder nur über die AfD sprechen sollte. Einige sagen, man müsse der AfD jegliche Bühne nehmen und sie nicht zu Wort kommen lassen dürfen, so überlasse man nämlich Faschisten das Feld. Ich stehe dem gegenüber und sage, wir müssen mit ihnen reden und unser Unverständnis spüren lassen. Wichtig ist, dass man nicht zu dem wird, was man der AfD vorwirft: Ein Faschist. Denn Faschismus ist beim besten Willen nichts, was die Rechten gepachtet haben. Faschismus findet man ebenso im linken Lager. Faschismus wird in der Regel im politisch nationalistischen Spektrum definiert. Faschismus kann aber auch heißen: Ich exkludiere eine Person aufgrund eines beliebigen Charakteristikums aus der bestehenden Gemeinschaft und bin bestrebt ähnliche Personen ausgeschlossen zu lassen. Sprachlich leitet sich ‚Faschismus‘ vom italienischen ‚fascio‘ ab, was ‚Verein‘ oder ‚Bund‘ bedeutet. Diesen ‚Bund‘ werde ich zwei Tage später von links wie von rechts demonstriert bekommen.

Mein Bruder und zwei Freunde melden sich mit mir zur Veranstaltung an. Erwähnenswert ist in diesem Kontext, dass die beiden Freunde traditionell deutsche Namen haben. Sie melden sich als Gast an und fügen meinen Bruder und mich als „+1“ hinzu. Man weiß ja nie. Die AfD möchte Namen, volle Anschrift, E-Mail und Telefonnummer.

Jetzt lesen wir auch von der Gegendemonstration. Ich erinnere mich an die Gegendemo, als Frauke Petry zum Wahlkampfauftakt in Lübeck war, und mir wird sofort ein wenig flau im Bauch. Immerhin müssen wir an denen vorbei, um aufs Gelände zu kommen.

Wir stehen nun zu viert an der Ecke Engelsgrube/Untertrave. Es regnet stark und wir hören von weitem die Pfiffe und das Gebrüll der Gegendemo. Wir sehen ein paar rote Fahnen und einiges an Polizeiaufgebot. An der Ampel spricht uns ein Mann Mitte 50 an, wir wollten doch bestimmt ‚zu der Veranstaltung da‘ und deutet auf die Mediadocks. Etwas geistesabwesend greife ich nach meiner ausgedruckten AfD-Einladung und bestätige. Plötzlich zieht er einen Stapel DIN A4-Zettel aus seiner Jacke und drückt einem von uns aggressiv ein Blatt an die Brust. „Könnte Euch nicht schaden, sich mal zu belesen, wie das mit den Grundrechten aussieht.“ sagt er und grinst gehässig. Ich erkenne Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes. Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Etwas ironisch denke ich. Trotzdem falle ich dem Mann etwas sauer ins Wort und sage „Genau das ist es doch, was hier nicht funktioniert – warum sind Sie so aggressiv? Ja, wir gehen auf diese Veranstaltung – nicht auf diese. Ich zeige jeweils auf das Veranstaltungsgebäude und die Gegendemo. Das Gesicht des Mannes hellt auf, er schämt sich etwas, ist aber dann wieder sehr euphorisch und ruft „Na dann, entschuldigt, ich dachte ihr gehört zu diesen Deppen! Dann braucht ihr das hier ja auch nicht mehr.“. Er will uns die Grundgesetzartikel wieder abnehmen, ich verneine, wir wollen es behalten.

Wir gehen über die Straße und kommen der lauten Gegendemo näher, die direkt an der Auffahrt zu den Docks stattfindet. Es führt kein Weg daran vorbei. Ich bin insgeheim froh, dass es so stark regnet, ich habe eine Entschuldigung, warum ich meine Kapuze so tief ins Gesicht ziehe. Die Polizisten lotsen uns zu einem kleinen Mann mit Liste, offensichtlich der AfD-Wachmann. Während wir dort stehen und unsere Einladungen geprüft werden, sehe ich in die Gesichter der Gegendemonstranten. Ich erkenne eine Kommilitonin, sie erkennt mich, ihre Gesichtszüge entgleiten, sie ruft laut und erschrocken meinen Namen. „WAS? ALI?“. Ich hoffe in diesem Moment nur, dass alle anderen laut genug waren, als dass weder Polizei, noch der AfD-Wachmann etwas davon mitbekommen. Ich sehe mich weiter um. Menschen schauen mir auf wenige Meter Entfernung tief in die Augen und schreien mir zu „Ganz Lübeck hasst dich!“. Ein junger Mann schreit „Du Nazi!“. Ein anderer zeigt auf uns und ruft „Faschisten!“. Das Eis ist gebrochen, ich muss anfangen zu grinsen, so absurd kommt mir diese Situation vor. Wer mich kennen gelernt hat, weiß, ich bin sehr politisch. Müsste man mich einordnen, würde man mich irgendwo zwischen Sozialdemokraten und Sozialisten finden. Als ehemaliger SPDler stehe ich also dort und werde als Nazi beschimpft – von den Leuten, die vor zwei Tagen im Schrangen noch neben mir Gregor Gysi Beifall spendeten. Mein Bruder, fühlt sich ähnlich. Ich muss breit grinsen, was die Masse offenbar nur wütender macht und so fliegen uns mehr Beleidigungen entgegen. Jetzt werden wir von der Polizei durch die Schleuse begleitet. Kurz bevor wir auf dem Gelände ankommen, stehen zwei unscheinbare Personen in schwarz mit einer Spiegelreflexkamera dort. Ich bemerke viel zu spät, dass gerade aus 40 cm Entfernung eine Großaufnahme meines Gesichts gemacht wurde. Wir sind alle vier verunsichert: Sollen wir zurückgehen und uns den beiden zu erkennen geben und riskieren, dass jemand es mitbekommt? Was passiert mit den Fotos? Wer sind die und was haben die von diesen Fotos? Wir entschließen uns weiterzugehen.

Die AfD ist seit der vergangenen Landtagswahl auch im Kieler Landeshaus vertreten.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die AfD ist seit der vergangenen Landtagswahl auch im Kieler Landeshaus vertreten.

Das, was dort auf Gegendemonstrationen stattfindet, ist unsäglich und undemokratisch. Ja, man kann und sollte die AfD nicht gut finden. Ja, die AfD vertritt rassistische Standpunkte und ist plump, flach und täuscht und lügt bewusst. Das alles ändert aber nichts daran, dass sie eine Partei ist, die auf dem Boden unserer Verfassung das Recht hat, Wahlkampf zu machen und demokratisch gewählte Parlamentarier zu entsenden. Das mag uns nicht gefallen, aber das ist Demokratie. Niemand darf sich zum neuen Hüter der Demokratie ernennen, ihre Werte schützen und dabei genau diese mit Füßen treten. Demokratie heißt nicht nur, seine eigene (für richtig gehaltene) Meinung sagen zu dürfen, sondern auch die unbequeme Meinung anderer auszuhalten. Genau das ist es nämlich, was ich mir wünsche. Dass wir die AfD aushalten, bis sie in sich zusammenfällt. Die AfD macht nichts anderes als sich ständig als Anti-Establishment aufzustellen. Echte Inhalte gibt es schlicht nicht. Nur wenn ständig mit dem Finger auf sie gezeigt wird, bietet man ihnen weiterhin eine Front, der sie sich gegenüberstellen kann. Nehmen wir den Finger herunter und hören zu. Fragen wir. Zwingen wir die AfD, sich mit sich selbst und ihren non-existenten Inhalten auseinanderzusetzen.

Menschen, die der AfD nahestehen oder sie wählen, so offen und aggressiv zu diffamieren, bringt uns nicht weiter. Man wirft der AfD vor, sie würde einfache Feindbilder schaffen. Nun müssen wir den Intellekt aufbringen, uns selbst zu reflektieren. Was haben diese Gegendemonstranten denn anderes getan? Der AfD-Wähler wird doch simpel und pauschal als Nazi, Faschist und Unmensch abgestempelt und damit aus der öffentlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Ist das denn auch nur einen Deut weniger faschistisch als die AfD? An dieser Stelle kommt oft das Argument, Meinungen müsse man aushalten, aber die AfD überschreite eben Grenzen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Wenn eine von Storch den Schießbefehl fordert, müssen wir aufspringen, protestieren und ihr und ihren Anhängern zeigen, was wir über gefährliche Phrasen zum Stimmenfang denken, und entschieden als demokratische Gemeinschaft gegen exekutiv-mörderische Meinungen gegenhalten. Wenn der Berliner AfD-Abgeordnete Nerstheimer Lesben und Schwule als „degenerierte Spezies“ bezeichnet, müssen wir laut aufschreien und diesem Mann zeigen, was wir von seiner Menschenverachtung halten, und ihm das Grundgesetz sehr penetrant unter die Nase halten. Unser Deutschland hat Zukunft und prosperiert. Sein Deutschland ist untergegangen und wird nicht wiederkehren. Daran müssen wir ihn erinnern.

Nun bleibt trotzdem die Frage im Raum, die ich gerne an die Studierenden stelle: Was wollen wir mit vier Millionen AfD-Wählern machen? Wollen wir die alle als Nazis diffamieren, in eine Ecke drängen und hoffen, dass sie implodieren? Ist das die adäquate Reaktion einer aufgeklärten Gesellschaft im 21. Jahrhundert, wenn Menschen den falschen Anführern folgen? Sie einfach exkludieren und hoffen, sie verschwänden? Ich sage, wir müssen diesen Menschen eine Tür öffnen, jederzeit zurückzukommen. Egal, was sie gesagt oder getan haben – wir müssen als Gesellschaft stark genug sein, Menschen wieder in unser politisches und gesellschaftliches Leben zu lassen, wenn sie eingestanden haben, dass sie Fehler gemacht haben und falsch lagen. Das heißt nicht, dass ich Björn Höcke zum Freund möchte. Dieser Mann wird sich nie groß ändern. Aber meine Nachbarin, die auf die AfD hereinfiel und bei solchen Aussagen merkt, dass sie nicht haltbar sind, sollte die Gelegenheit haben, durch die Stadt zu gehen, ohne das Gefühl zu haben, „ganz Lübeck hasse sie“. Wo erdreisten wir uns eigentlich, zu bestimmen, wer ein guter und wer ein schlechter Mensch sei?

Im Übrigen sollte man sich daher anschauen, wer die AfD wählt. Schaut man sich den Wahlkreis Essen an, wird man sehen, dass hier viele Arbeiter und ehemalige SPD-Wähler zur AfD übergelaufen sind. Waren diese Menschen also vor drei Jahren noch gute, rechtsschaffende, hart arbeitende Bürger, sind es heute rassistische, ausländerfeindliche Unmenschen? Diese Bewertung sollten die „Nazi“-Rufenden noch einmal genau reflektieren.

Ich habe mir vorgenommen diesen Artikel sehr ehrlich zu schreiben. Dazu gehört für mich auch, Emotionen zuzugeben, die vielleicht fehl am Platz sind. In dem Moment, an dem wir die Demo hinter uns gelassen hatten und uns in Sicherheit wiegen, fällt eine riesige Last von mir ab, die ich weder erwartet noch aktiv gespürt hatte. Ich fühle mich sicher und dazu beflügelt, mich endlich fallen lassen zu können. Also auch mich endlich so zu geben, wie ich bin und was ich denke.

Nach einer erneuten Personenkontrolle sind wir endlich im Gebäude und setzen uns in die letzte Reihe des Saals. Die Stimmung ist ausgelassen, freundschaftlich wenn nicht sogar familiär. Es wird Bier, Sekt und Orangensaft getrunken. Man hat die Wahl zwischen Brezeln, Wurst und Kartoffelsalat oder Pommes. An der Kasse wird gescherzt und gelacht. Die Menschen fühlen sich sichtlich wohl und halten Klönschnack. Ich stelle mich draußen zu den Rauchern und komme schnell ins Gespräch. Ob ich zu der ‚Jungen Alternative‘ gehöre. Ich verkneife mir ein Grinsen und verneine. „Es wird so viel über euch geredet, da dachte ich, ich höre mir das mal aus erster Hand an. Ich möchte mich nicht auf das verlassen, was man so hört. Ich will selbst hören.“ Er, Anfang 40, arbeitet in einem Logistikunternehmen am Schreibtisch, Frau, Kinder, kurzum: Mitte der Gesellschaft. An seinem erfreuten Gesichtsausdruck merke ich, dass mein harmlos gemeinter Satz als Einladung zu einem Lügenpresse-Gespräch gedeutet wurde. So kommt es dann auch – ehe ich mich versehe, reden wir über Wahlstatistiken, welchen Instituten man vertrauen könne, welchen nicht. Der Chef von diesem und jenem Prognose-Institut sei ja SPD-Mitglied, entsprechend könne man diese Schätzungen ja gleich verwerfen. Der AfD würden Prozente abgezogen, der SPD oben draufgeschlagen. Ich stelle mich etwas schwer von Begriff und möchte es klar und nicht durch die Blume: „Sie vermuten also Manipulation und Betrug?“ „Selbstverständlich.“ Von innen wird gerufen, die Vorträge beginnen. Er verabschiedet sich freundschaftlich und geht rein. Ich bin jetzt ein Gleicher unter Gleichen.

Der Abend beginnt thematisch mit einem Bericht zum bisherigen Wahlkampf. Es wird davon berichtet, wie stark die AfD in ihrem Wahlkampf gestört und behindert wurde. Angeblich seien 90% der Plakate angehängt oder zerstört worden. Ich möchte klar sagen: Jedes zerstörte AfD-Plakat ist eines zu viel. Wir stehen nicht über unserem eigenen Grundgesetz. Das meine ich nicht juristisch, sondern ideell. Wir können nicht proklamieren, Deutschland vor einer faschistischen Gefahr, die die Demokratie zerstören will, zu beschützen, und gleichzeitig unsere Demokratie im Herzen angreifen: Meinungen, die uns nicht passen, ausschließen und unterdrücken. Die demokratischen Grundsätze unterscheiden nicht zwischen den Gesichtern auf den Plakaten. Jeder hat das Recht, zu werben. Ich kann also die ersten Minuten dem Redner lauschen und muss den Kopf schütteln: Einige AfDler werden beim Wahlkampf angegriffen, einer muss stationär behandelt werden. Das ist zu viel und darf nicht passieren.

Nachdem sich die Redner und ihre Zuhörer also im Selbstmitleid gesuhlt haben, beginnt die große Wiederauferstehung: Neue Taktiken für ungestörten Wahlkampf. Die AfD mietet Flugzeuge mit Banner. Der Redner ruft aus: „Wir haben die politische Lufthoheit!“ Synchron müssen wir vier in der letzten Reihe erstaunt schlucken. Ein Geschmäckle. Er erzählt, der AfD-Flieger hätte über einer Veranstaltung gekreist, bei der die Kanzlerin teilnahm. Dazu: „Die CDU bleibt weiterhin im Fadenkreuz unserer Luftwaffe!“. Jubel. Das war nun kein Geschmäckle mehr, das war einfach nur geschmacklos. Jubelnd in der ersten Reihe sitzt übrigens Frau von Sayn-Wittgenstein, Kandidatin für den Landtag. Die Fürstin wurde erst kürzlich von ihrem Verwandten Fürst Schaumburg als „parasitär“ und rechts bezeichnet. Schließlich wird noch vom AfD-LKW berichtet, der mit bedruckten Stahl-Tafeln durch die Stadt fahre. Dieser Bus sei „unzerstörbar“. Wieder Jubel. Diese Kriegsbilder, die die AfD ihren Fans vorzeichnet, sind Ausdruck tiefster Perversion und der Beweis, dass die Redner so etwas wie Taktgefühl nicht besitzen. Der fehlende Respekt vor der deutschen Geschichte und ihren Opfern macht die AfD moralisch nicht haltbar und verabscheuungswert.

Die Vorträge sind ziel- und zügellos. Themenschwerpunkte gibt es eigentlich nicht. Frau von Sayn-Wittgenstein beginnt zu erzählen, wie sie sich ihre Rente vorgestellt hatte – mit Reisen nach Russland. Das ginge nun nicht mehr, die Rente würde zu wenig. Dass das an einer schlechten Arbeits- und Rentenpolitik liegt, ist ihr egal. Völlig ohne Zusammenhang beginnt sie aus tiefster Wut zu brüllen „Waren Sie in letzter Zeit mal am Hamburger Hauptbahnhof? Da kommen die ganzen Banden und Großfamilien mittlerweile bis an den Bahnsteig!“ Die würden betteln, betrügen, bestehlen, belagern. Tolle Alliteration Sie außerordentlich abgedroschener Ausländerfeind. Die Erklärung, warum bettelnde Ausländer jetzt Schuld daran seien, dass sie mit ihrer Rente nicht mehr nach Russland könne, bleibt uns verwehrt. Aber es wird wieder gejubelt.

Allmählich fällt es schwer, nicht aufzufallen, da wir bisher kein einziges Mal geklatscht haben. Und es den gesamten Abend nicht ein einziges Mal tun werden. Wir werden mittlerweile auch beäugt, wie mir zufällig auffällt. In der anderen Raumhälfte sitzt eine Gruppe junger Männer, die uns mit scharfem Blick mustert und immer dann zu uns schaut, wenn heftiger Applaus zu erwarten wäre. Sorry – kein Applaus unsererseits. Seitdem steht dann auch ein gelangweilter Riese, privater Sicherheitsdienst wie wir vermuten, direkt hinter uns. Das kann ich ihnen aber auch nicht verübeln. Wahrscheinlich muss man erfahrungsgemäß damit rechnen, dass „Fremde“ eher Störenfriede sind als friedliche Zuhörer. Auch das ist übrigens ein Armutszeugnis für uns Demokraten. Die Gäste und die Riesen, die die Veranstaltung absichern, kennen sich übrigens – scheinen selbst Parteimitglieder zu sein. Nach der Veranstaltung erfahre ich, dass jeder von uns Vieren unabhängig voneinander (zugegeben unangemessen) historisch assoziiert hatte.

Dass die AfD auch politisch nichts zu bieten hat, bewiesen uns die Redner im Folgenden. Der rhetorisch geniale Bundestagskandidat der AfD für Lübeck spricht zur Finanzpolitik von EZB und Banken. Ich bin überzeugt, nicht einmal er kann seinen Ausführungen folgen. Ist aber auch unwichtig, denn die Quintessenz ist: Zu viele Ausländer in Deutschland. Es wird eine Statistik nach der anderen genannt (übrigens jedes Mal ohne Quellenverweis), die beweisen soll, wie schlecht es Schleswig-Holstein und Deutschland gehe, wie sehr wir – das deutsche Volk – litten und wer der Übeltäter sei. Jede der genannten Zahlen ist völlig undifferenziert, wird gedeutet, wo nicht gedeutet werden darf. Es wird statistisch schlampig gearbeitet und Zahlen ohne jegliche Aussagekraft als Argument benutzt. Eine meiner Lieblingsstatistiken an diesem Abend: Eine EU-weite Studie hätte untersucht, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, die ein „Eigenheim“ besäßen. Deutschland würde miserabel abschneiden und „selbst“ Rumänien liege bei über 80% vor Deutschland. Den Gesichtern entnehme ich, es scheint bereits eine Beleidigung, dass die Rumänen in irgendetwas vor den Deutschen liegen. Dass ein Eigenheim in Deutschland ein Reihenhaus, eine Eigentumswohnung und Ähnliches ist, in Rumänien hingegen einfache Hütten auf dem Land oder selbstgebaute Generationshäuser ebenso als Eigenheim real existieren und damit zählen, bleibt völlig undifferenziert.

Die AfD beklagt sich ja immer, man würde sie auf ihre Flüchtlingspolitik reduzieren. Dabei suhlen sie sich selbst in ihrem falschen und populistischen Themengebiet und schieben große Masken wie “innere Sicherheit” vor ihr wahres Gesicht. Kein einziges Mal wird ernsthaft über etwas anderes geredet als über Flüchtlinge. Das Leid des gesamten deutschen Volkes gehe eigentlich von ihnen aus. Vor allem von minderjährigen Flüchtlingen, die an diesem Abend erstaunlich oft dran glauben müssen. Ich hingegen verliere meinen Glauben an den gesunden Menschenverstand, als Frau von Sayn-Wittgenstein fordert, man solle die jährlichen vier Milliarden Euro, die wir für diese Kinder aufbrächten, endlich „den Menschen zur Verfügung stellen, die es bitter nötig“ hätten. Statt eines Seitenhiebes meinerseits bitte ich den Leser an dieser Stelle lieber darum, den letzten Satz noch einmal zu lesen und dessen Perversion zu begreifen.

Noch einmal interessant wird der Abend, als ein Mann Anfang 30 sich erdreistet ,die Frage zu stellen, wie man denn die Lübecker Wirtschaft ankurbeln wolle. Kurz entgleiten den Spitzenkandidaten die Gesichtszüge, das Wort wird zwischen den Vertretern hin und hergeschoben – der Bundestagskandidat dreht und wendet sich, gibt dann doch zu, keine Ahnung von der Thematik zu haben. Schließlich ergreift Herr Schaffer das Mikrofon und beginnt langsam und unsicher, irgendetwas von Ausgaben und Einnahmen zu stammeln. Nach kurzem, ziellosen Gerede fängt er sich und antwortet: Grenzen zu. Dann ginge das mit der Wirtschaft auch wieder. Der Gipfel der Dreistigkeit ist erreicht (denke ich, nicht wissend, was mich noch erwartet). An diesem Abend werden immer wieder pseudomäßig Themen wie Bildung, Gesundheit oder Wohnen angesprochen und tatsächlich schaffen es die Redner immer irgendwie, den Bogen zu den Flüchtlingen zu bekommen, ohne sich einer Thematik ernsthaft inhaltlich gestellt zu haben. Die AfD bietet keine einzige adäquate Antwort. Claus Schaffer ist übrigens Kriminalhauptkommissar bei der Landespolizei Schleswig-Holstein und drückt sich stets bedacht und vorsichtig aus. Nichtsdestotrotz versteht er sich selbst als den neuen Rainer Wendt, der glaubt, die Tatsache, Polizist zu sein, legitimiere es immer im Namen der gesamten deutschen Polizei zu sprechen, wenn er seine Ressentiments über kriminelle Ausländer von sich gibt. Ein kurzes Gespräch mit den Polizisten an der Schleuse nach der Veranstaltung lässt vermuten: Schaffer genießt nicht den Rückhalt bei der Polizei, den er propagiert.

Der Abend neigt sich dem Ende zu. Ein älterer Herr aus dem Publikum bittet um das Mikrofon. Er erzählt von seiner Kindheit in der Hitler-Jugend. Er denke mit Schmerz an das zurück, was die Nazis ihm und seinen Freunden „angetan“ haben, wie er es formuliert. Es sei unsere Pflicht, zu verhindern, dass Kinder jemals wieder politisch instrumentalisiert würden oder Ideologien aufgezwängt bekämen. Vier Gesichter in der letzten Reihe hellen auf und wir glauben, einen mutigen Mann sprechen zu hören, der als Zeitzeuge der AfD in ihr Gewissen reden will. Er erzählt weiter von vielen türkischen Gastarbeitern, die er beschäftigt habe. Das seien alles gute und fleißige Menschen gewesen. Was folgt wurde für meinen Bruder und mich zur unerträglichen emotionalen Achterbahn. Mit einem kräftigen „aber“ erhebt er wütend seine Stimme und ruft ins Mikrofon, „diese Menschen“ seien weder gewillt, noch fähig zur Integration. Sie würden nicht zurückkehren wollen und seien nicht fähig, innerhalb der deutschen Gesellschaft zu leben. Etwas verunsichert, welche Personengruppe der Herr jetzt genau meint, ob Türken, Araber, Muslime oder schlicht Gastarbeiter aller Couleur, lauschen wir weiter seiner sich überschlagenden Stimme. Er löst auf: „Die Muslime“ gehören nicht hier her, genau wie der Islam auch nicht zu Deutschland gehöre. Er malt das Bild eines barbarischen Hinterwäldlers, der nicht in der Lage sei, sich an Regeln zu halten. Sie seien anders, man wolle sie hier nicht, sie sollten weg, denn hier sei nicht ihre Heimat und willkommen seien sie auch nicht. Der Saal verfällt in tosenden Beifall, die Zuhörer jubeln dem Mann zu. Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Mein Bruder und ich schauen uns an und wissen, wir entscheiden gerade beide, ob wir eingreifen oder schweigen. Wir erkennen gegenseitig die Tränen, die sich in unseren Augen stauen. Tränen der Wut beim Hitzkopf, meinem Bruder – Tränen der Scham und der tiefen Erschütterung bei mir, der sich von seinen Landsmännern verraten und an den Pranger gestellt fühlt.

Wir, die wir der deutschen Sprache mächtig sind, hier geboren sind, hier zur Schule gingen und hier studieren. Im Saal wird hemmungslos applaudiert, man scheint dem Zeitzeugen gebührenden Respekt zollen zu wollen. Er konnte aussprechen, was viele denken, aber es nicht wagten auszusprechen, aus Angst vor der Nazi-Keule. Nun stellt sich ein Mann hin, der sich selbst als Opfer des Nationalsozialismus versteht, es sich also verböte ihn zu maßregeln und spricht Klartext.

Wissend, dass die historische Assoziation hinter uns steht, entschließen wir uns zu schweigen. Wir verlassen geschlossen den Saal. Den Plan, nach der Veranstaltung mit den Rednern und Zuhörern ins Gespräch zu kommen, verwerfen wir. Nicht, weil es sich nicht lohnen würde, sondern weil wir schlicht zu verletzt sind und wahrscheinlich zu keinem sinnigen Gespräch mehr in der Lage wären.

Wir bedanken uns gegenseitig bei einander, uns animiert zu haben, dieses Experiment zu wagen, und lassen den Abend ausklingen. Was bleibt ist die Überzeugung, jeder sollte sich so eine Veranstaltung einmal angetan haben und das Gespräch suchen. Auch für mich gilt: Sollten Sie, einer der AfD-Redner, das Gespräch suchen – Sie sind eingeladen.

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Wie geht eigentlich Landtag? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wie-geht-eigentlich-landtag/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wie-geht-eigentlich-landtag/#respond Mon, 24 Apr 2017 08:00:24 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278542
Der Landtag von Schleswig-Holstein in Kiel. Ungefähr 70 Sitze gilt es neu zu verteilen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Der Landtag von Schleswig-Holstein in Kiel. Ungefähr 70 Sitze gilt es neu zu verteilen.

Landtag ist ein semi-kooperatives rundenbasiertes Spiel. Alle Spieler haben das selbe Ziel: eine bessere Zukunft für ihr Land und die Menschen darin. Es steht ihnen frei zu kooperieren um dies zu erreichen, doch die Vorstellungen, was ein Land besser macht sind unterschiedlich.

Vorbereitung

Vermutlich hast du dich auch schon mal gefragt, was dieses „Wählen“ eigentlich ist. Wählen ist ein Spiel ab 16 Jahren, das man zwar immer spielen kann, wirklich Spaß macht es aber nur, wenn viele mitmachen. Deshalb organisieren einzelne Kommunen und alle fünf Jahre sogar die Bundesländer Wahlen. Die Gewinner freuen sich über die Möglichkeit, mit ihrer Partei bis zur nächsten Wahl entscheiden zu können, was im Land passieren soll.

Zu Beginn wählt jeder Spieler eine Partei. Dies bestimmt zu einem großen Teil sein “politisches Profil”, also die Definition dessen, was der Spieler für ein gutes Land hält, die genaue Ausprägung bestimmt jedoch der Charakter, den man spielt, also der jeweilige Spitzenpolitiker. Im Basisspiel stehen sieben Parteien zur Wahl: SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), Grüne (Bündnis 90/Die Grünen), SSW (Südschleswigscher Wählerverband), CDU (Christlich Demokratische Union Deutschlands), FDP (Freie Demokratische Partei), Die LINKE und die AfD (Alternative für Deutschland). Jede dieser Parteien hat ein eigenes Profil, welches sich durch besonders deutliche Forderungen in den Wahlprogrammen auszeichnet, aber wichtig sind auch die Personen an der Spitze dieser Parteien. Deswegen ist es wichtig, nicht ausschließlich auf die Parteien oder auf die Politiker zu schauen. Denn Überzeugungen und Prioritäten von Politikern prägen die Programme ihrer Parteien und andersrum stellen Politiker manchmal ihre Wünsche hinter die ihrer Partei.

Bei manchen Themen herrscht von Konservativ bis Links Einigkeit.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Bei manchen Themen herrscht von konservativ bis links Einigkeit.

Die Wahl ist eigentlich zwei Wahlen, denn jeder Bürger hat zwei Stimmen. Während bei der Erststimme ein bestimmter Politiker direkt gewählt wird, wird mit der Zweitstimme für eine Partei entschieden. Bei der Erststimme gibt es immer nur einen Gewinner – den Spieler mit den meisten Stimmen, der dann Abgeordneter seines Wahlkreises wird. In den meisten Wahlkreisen entscheidet sich dies zwischen den Spielern der SPD und der CDU, da diese beiden Parteien in der Regel die meisten Erststimmen bekommen.

Bei der Zweitstimme kann es hingegen durchaus mehrere Gewinner und Verlierer geben, denn hier werden überregional Parteien gewählt. Es gewinnen vor allem die Parteien, die in einem gemeinsamen Bündnis (Koalition) zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten. Um es etwas schwieriger zu machen, gilt hierbei auch die sogenannte Sperrklausel, das heißt, dass eine Partei mindestens fünf Prozent aller Stimmen erhalten muss, um im Landtag mitspielen zu können. Für einige Parteien wie SPD und CDU ist das überhaupt kein Problem, die LINKE wird dieses Mal bis zuletzt zittern müssen, ob es für fünf Prozent reicht, und der SSW ist als Vertreter der dänischen Minderheit im Rahmen einer Sonderregel von der Sperrklausel befreit.

Zu guter Letzt noch die wichtigste aller Regeln: Auf dem Wahlzettel dürfen nur genau zwei Kreuze, eines in jeder Spalte, gesetzt und nichts hinzugefügt werden.

Die Parteien

Die Kombination unterscheidet sich etwas nach Bundesland und Auflage des Spiels. Für das Spiel “Landtag” in der Schleswig-Holstein-Edition stehen ohne Erweiterungen sieben Parteien zur Auswahl: SPD, CDU, FDP, LINKE, Grüne, SSW und AfD.

Jede dieser Parteien hat ein eigenes Profil, was aber nicht heißt, dass die Parteien sich in allen Punkten unterscheiden: Legt man großen Wert auf bildungspolitische Themen, wie es eine Mehrzahl der Studierenden in Lübeck tut, so wird man in den Forderungen zur Schulpolitik große Einigkeit zwischen den Parteien finden. Nahezu alle Parteien erkennen den Investitionsbedarf bei Schulgebäuden an, nahezu alle Parteien fordern einen Ausbau von Ganztagsschulen zur “Vereinbarkeit von Familie und Beruf” (SPD) und durch einen großen Teil des Parteienspektrums wird ein “qualitativ hochwertiges, kindgerechtes Mittagessen” (CDU) gefordert. Die AfD sticht mit erheblicher Kritik an Ganztagsschulen heraus, sie kritisiert eine vermeintliche Bedrohung der Individualität durch staatliches “Gender Mainstreaming”. Ganztagsschulen könnten, so die Rechtspopulisten, “Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit” untergraben.

Traute Einigkeit herrscht auch bei Studiengebühren: Keine Partei gedenkt sie einzuführen. Ebenso meint auch jede Partei, welche sich mit dem Thema Hochschulfinanzierung beschäftigt, dass hier mehr Geld nötig wäre. Insbesondere die Regierungsparteien verweisen darauf, dass diese ein Bundesthema ist, so kann die SPD lediglich ihren Willen ausdrücken “eine bessere Finanzierung für unsere Hochschulen auch mithilfe des Bundes [zu] erreichen.” Die FDP betont die “Autonomie und die Selbstständigkeit der Hochschulen”, denen sie “mehr Freiräume zur besseren Entwicklung geben” möchte. Auch die AfD will in ihrem Parteiprogramm “Forschung vor Ideologie schützen”, fordert gleichzeitig aber die Abschaffung von “Gender-Forschung” und die Einstellung von Klimaforschung mit Computermodellen. Die Grünen fordern unter anderem “weniger Tierversuche an den Hochschulen und Universitäten”.

Im Bereich Infrastruktur, seien es Straßen, Schienen oder Radwege, erkennen nahezu alle Parteien die Notwendigkeit zu investieren. Doch gerade was die großen Investitionen angeht gehen die Meinungen erheblich auseinander. Exemplarisch sieht man diese Unterschiede bei der Fehmarnbelt-Querung. AfD, CDU, FDP, SPD und SSW sind für das Projekt, die an der Regierung beteiligten Grünen und die LINKE, die es in der letzten Runde des Spiels nicht geschafft hat, ihre Spieler ins Parlament zu bringen, lehnen das Projekt ab. Die CDU hofft auf das “Zusammenwachsen zweier Wirtschaftsräume zu einer einzigen Wachstumsregion von Hamburg bis nach Kopenhagen”, die Grünen finden “die Belastung für die Menschen […] und die sensible Natur im Fehmarnbelt […] unakzeptabel”. Ähnlich sieht es bei vielen anderen Großprojekten in der Infrastruktur aus, zum Beispiel dem Ausbau der A20.

Ein Großbauprojekt, welches im Grundsatz nicht angezweifelt wird, ist die Sanierung des UKSH. Doch wie soll dies geschehen? Insbesondere die LINKE lehnt die gewählte Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) ab. Diese seien “bisher immer teurer für den Staat als eine Eigenfinanzierung und haben nur langfristige Profite von Baukonzernen gesichert.” Historisch haben auch die Grünen diese Art der Finanzierung oft kritisiert, nun, da sie die Regierung stellen, findet sich diese Kritik in ihrem Wahlprogramm nicht. Die CDU möchte verstärkt auf ÖPP setzen, damit “die begrenzten Mittel durch einen ganzheitlichen Ansatz von Planung, Bau und Betrieb so effizient wie möglich eingesetzt werden”. Auch die FDP steht dem ÖPP-Modell offen gegenüber.

Nicht jede Partei wirbt in Lübeck, trotzdem wird niemand vergessen.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Nicht jede Partei hat Lübeck mit Plakaten zugepflastert, trotzdem wird niemand vergessen.

Alle Parteien von der AfD bis zur LINKEN wollen Wohnraum schaffen. Nicht nur muss es mehr davon geben, er muss auch bezahlbar sein, wie sowohl Grüne, LINKE, FDP, SPD und CDU in nahezu identischen Formulierungen fordern: “Wir wollen bezahlbare Wohnungen für alle Menschen in Schleswig-Holstein.” (SPD, exemplarisch) Die FDP fordert Wohnraum “insbesondere an den Hochschulstandorten”, was auf ein weiteres Thema hinweist, bei dem weitestgehend Einigkeit besteht: Die Kapazität in Studentenwohnheimen sollte erhöht werden. Es sei festgehalten: Egal, wer die nächste Koalition bildet: Mehr bezahlbarer Wohnraum sollte garantiert sein.

Gibt es irgendwas, bei dem die Parteien wirklich uneinig sind? Zumindest ein wenig. Da wäre zum Beispiel die Cannabis-Legalisierung. SSW, SPD, LINKE und Grüne sind sich weitestgehend einig: “Anbau, Besitz und Konsum von geringen Mengen” sollte straffrei sein. Dies ist auch eine Position, die in Teilen der FDP herrscht, ins Wahlprogramm hat es aber nur eine Legalisierung von Glücksspiel geschafft. Die CDU befürwortet die “Vereinfachung des Zugangs zu Cannabis als Arzneimittel aus medizinischen Gründen”.

Die Forderung von gleichem Lohn für gleich(wertig)e Arbeit ist inzwischen so weit verbreitet, dass sie, es mag überraschen, sogar Einzug ins FDP-Programm gefunden hat, in welchem es heißt: “Wir werden uns für das Prinzip des Equal Pay (Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit) einsetzen und dafür werben, dass deutlich mehr Frauen in Führungspositionen gelangen”. Für mehr Frauen zu werben ist für manche Parteien nicht genug, die LINKE möchte dem geringen Frauenanteil auch durch Quoten entgegentreten. Ebenso gehört für LINKE und Grüne eine bessere Bezahlung sozialer Berufe zu diesem Schritt, so wollen die Grünen, dass “mehr junge Frauen sich in den MINT-Bereich trauen und mehr junge Männer soziale Berufe wagen.” Eine Forderung, die auch deshalb populär sein könnte, weil Erzieher an den Programmen mitgewirkt haben: drei der sechs für diese Ausgabe interviewten Politiker haben diesen Beruf gelernt. Grundsätzlich finden sich in dieser Position auch die meisten anderen Parteien, nur die AfD gibt ihr Bestes aus dem Muster zu fallen: Sie vermerkt zwar in ihrem Wahlprogramm die im “Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau”, möchte aber gleichzeitig sicherstellen, dass “naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern” nicht geleugnet werden und lehnt jegliche Quotenregelung ab.

Wo weitere Unterschiede zwischen den Programmen bestehen und welche anderen Positionen die Parteien vertreten, kann man, wie immer, auch zur Landtagswahl mit dem Wahlomat überprüfen.

Die Spitzenpolitiker

Für die SPD spielt in dieser Runde unter anderem der 60-jährige Wolfgang Baasch mit, der im Wahlkreis Lübeck Süd zur Wahl steht. In diesem Wahlkreis liegen neben der Uni auch die Fach- und die Musikhochschule. Der ausgebildete Erzieher ist seit 38 Jahren SPD-Mitglied und seit 21 Jahren Abgeordneter im schleswig-holsteinischen Landtag, derzeit als sozialpolitischer Sprecher.

Könnte er über die Verwendung einer imaginären Finanzspritze in Höhe von fünf Milliarden entscheiden, so würde er Anreize für junge Menschen schaffen, eine Ausbildung in sozialen Berufen anzustreben und den Kita-Besuch gebührenfrei machen. Für die Zukunft des Landes wünscht er sich eine Fortführung der Küstenkoalition mit Grünen und SSW.

Für die Grünen tritt die 58-jährige Monika Heinold an. Sie ist ebenfalls Erzieherin und seit 16 Jahren Abgeordnete, aktuell hat sie den Posten der Finanzministerin inne. Als Schwerpunkte ihrer Arbeit nennt sie Bildung und Gerechtigkeit.

Heinold möchte in die energetische Sanierung von Kultureinrichtungen, Krankenhäusern, Hochschulen und Co. investieren, um dadurch langfristig freiwerdende Mittel für die Bildung nutzen zu können.

Lars Harms ist der Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzende des SSW. Der 52-jährige Betriebswirt aus Husum sitzt seit 2000 im Landtag und war davor Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter. Momentan sitzt er in den Ausschüssen für Finanzen und Innen und Recht.

Wichtig für ihn sind die kostenlose Bildung, der Wohnungsbau für ältere Menschen,Studierende und Auszubildende aber auch der Ausbau der Infrastruktur. Mit seiner Regierung wird es 2022 100 Prozent Unterrichtsversorgung geben. Zudem wird durch eine erhöhte Polizeiausbildung die innere Sicherheit verbessert, viele der Flüchtlinge haben Arbeit gefunden und Schleswig-Holstein wird mehrsprachig sowie skandinavischer sein.

Für die CDU steht in diesem Jahr Daniel Günther an der Spitzenposition. Der 43-jährige Politikwissenschaftler stammt aus Eckernförde und ist seit über zwanzig Jahren politisch aktiv. Wichtig sind ihm die Infrastruktur Schleswig-Holstein auszubauen, die innere Sicherheit zu stärken und die Ausbildung junger Menschen im Land zu verbessern.

Mit ihm an der Spitze der zukünftigen Landesregierung würde bis 2022 die gymnasiale Ausbildung auf neun Jahre verlängert, die A20 fertiggestellt und die Landesstraßen saniert werden. Das Breitbandinternet würde den ländlichen Raum erreichen und die Hochschulen würden finanziell stabilisiert.

Neben den Parteien gibt es auch noch Kandidaten. Wir haben mit einigen gesprochen.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Neben den Parteien gibt es auch noch Kandidaten. Wir haben mit einigen gesprochen.

Wolfgang Kubicki ist der Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl. Der 65-jährige ist Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag sowie stellvertretender Bundesvorsitzender. Er ist seit 35 Jahren in einer eigenen Anwaltskanzlei tätig und seit 27 Jahren im Landtag von Schleswig-Holstein.

Mit der FDP tritt Kubicki zur Landtagswahl an, um den Anschluss an den digitalen Fortschritt nicht zu verlieren und die Ausbildung auf das Leben in einer digitalen Welt umzugestalten. Das Ziel der FDP ist es die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung im Land zu halten und zum Gründen zu motivieren – ihnen in Schleswig-Holstein eine Zukunft zu geben.

Für die Lübecker LINKE geht Katjana Zunft ins Rennen. Die 48-jährige Erzieherin und Familientherapeutin arbeitet neben ihrer Parteiarbeit in einem Lübecker Frauenhaus. Ihr Steckenpferd sind dabei politischer Aktivismus und Frauenpolitik. Hätte sie Macht und viel Geld, würde sie sofort eine kostenfreie Schülerbeförderung im ganzen Land einführen, die Schulen sanieren und die Digitalisierung in Schleswig-Holstein vorantreiben.

Ihr Schleswig-Holstein 2022 ist ein zufriedeneres und sozialeres. Die Gesellschaft soll zusammenwachsen, Existenzängste ausgeräumt und das Vertrauen in die Politik gestärkt werden.

Und los!

Am 7. Mai beginnt die nächste Runde des Spiels. Die Spieler werben nun für die Erst- und Zweitstimmen, um weitere fünf Jahre im Parlament die Schleswig-Holsteiner vertreten zu können. Wenn die Wahl vorbei und die Stimmen ausgezählt sind, beginnt ein neues Spiel, das Regieren.

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Wenn am Sonntag Wahl wär https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wenn-am-sonntag-wahl-waer2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wenn-am-sonntag-wahl-waer2/#comments Mon, 24 Apr 2017 08:00:02 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278475 In manchen Studiengängen kann die AfD zweistellige Prozentzahlen erreichen, während sie in anderen Studiengängen von niemandem gewählt wird. Würden nur Psychologiestudierende wählen, wäre die CDU nicht im Landtag und würden nur Informatiker wählen, würde die LINKE ab Mai die Ministerpräsidentin einer Rot-rot-grünen Koalition stellen.

Wie bereits vor fünf Jahren haben wir in einer aufwändigen Umfrage versucht herauszufinden, was Studierende wählen. Die Ergebnisse sind nur auf den ersten Blick erwartungskonform, auf den Zweiten halten sie einige Überraschungen parat. Das überraschendste Ergebnis ist vielleicht, dass das Wahlverhalten der Studierenden sich erheblich nach Studiengängen unterscheidet. In dieser Auswertung wollen wir das Verhalten nach Studiengang, aber auch nach Geschlecht, nach Alter, die Wählerwanderung und das Wahlverhalten von Erstwählern und vieles mehr betrachten und versuchen, es auch zu verstehen.

Die Analyse basiert auf einer Umfrage, die vom 27. März bis zum 3. April durchgeführt wurde. 4296 Studierende der Universität zu Lübeck hatten die Möglichkeit digital an der Umfrage teilzunehmen. Dies haben 674 getan (15,7% Beteiligung). Mehrfach-Teilnahmen wurden durch eindeutige Links mit Hilfe des Umfrage-Systems des AStA ausgeschlossen.

Durch die hohe Rücklaufquote wurde erreicht, dass die Verteilung der Umfrageteilnehmer auf die Studiengänge nahezu den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.


Die Auswertung zeigt, dass die Verteilung der wahlwilligen Umfrageteilnehmer der Verteilung der Studiengänge an der Uni sehr ähnlich ist.

29 Teilnehmer (4,3%) haben angegeben, nicht an der Landtagswahl teilnehmen zu wollen. Wir rechnen sie daher aus den Wahlprognosen und allen weiteren Statistiken heraus. Die Wahlbeteiligung bei studentischen Gremienwahlen (zuletzt 35%) lässt uns vermuten, dass das Nichtwählerpotential unter Studierenden tatsächlich deutlich höher ist, aber viele Nichtwähler Wahlumfragen nicht beantworten.

Sonntagsfrage

Die Studierenden der Uni Lübeck antworteten auf die Frage “Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre, welche Partei würdest du wählen?” folgendermaßen: Stärkste Partei wären Bündnis 90/Die Grünen mit 29% der Stimmen, gefolgt von der SPD mit 26%. Weiterhin würden die CDU (16%), die LINKE (15%) und die FDP (5%) in den Landtag einziehen. Nicht ins Parlament einziehen würden die AfD (1,5%) und die Piraten (3%). Der SSW käme auf 0,5% der Stimmen.


Stärkste Kraft unter den Studierenden sind die Grünen. AfD und Piraten scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Der SSW erhält unter Lübecker Studierenden 0,47 Prozent.

Im Verhältnis zum Ergebnis der Umfrage unter Studierenden der Uni Lübeck von 2012 sind dies insbesondere für die Piraten herbe Verluste, sie verlieren fast alle Stimmen. Die LINKE gewinnt ungefähr 10%. Vor fünf Jahren war die LINKE auch bei einer Wahl auf dem Campus an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Die Grünen sind im Verhältnis zu 2012 stabil, sie bleiben stärkste Kraft auf dem Campus. Die SPD muss leichte Verluste hinnehmen. Die CDU und die FDP, die ehemaligen Regierungsparteien zur Zeit von “Lübeck kämpft”, gewinnen dazu, was unter anderem auf die größere zeitliche Distanz zum Kampf um die Universität im Jahre 2010 erklärt werden kann. Die FDP würde unter Studierenden nun wieder in den Landtag gewählt werden. Neu in der Umfrage ist die AfD, welche nicht in den Landtag einziehen würde, wenn nur die Studierenden der Uni Lübeck wählten.


LINKE und FDP gewinnen für sie wichtige Stimmen auf dem Campus und gelangen über die Fünf-Prozent-Hürde. Die CDU gewinnt leicht, die Piraten verlieren erheblich.

Im Vergleich zur landesweiten Umfrage vom 6. April (Infratest dimap hatte vom 30. März bis zum 4. April 1002 Menschen befragt) sind die Grünen (landesweit 12%) und die LINKE (landesweit 4%) überdurchschnittlich stark. SPD, CDU, FDP, SSW und AfD bleiben in der Umfrage auf dem Campus unter dem Ergebnis, welches sie landesweit erwarten dürfen. Über die Piratenpartei trifft die Infratest-Umfrage keine Aussage.

Unterschiede nach Studiengang

Es ist altbekannt, dass Menschen nach Geschlechtsidentität unterschiedlich wählen, dies besagen Umfragen für die gesamte deutsche Bevölkerung und das spiegelt auch diese Umfrage wider. Wie auch in der Population der Universität ist unter den Umfrageteilnehmern ein leicht größerer Anteil weiblich. Bei Frauen können insbesondere die Grünen punkten und erhalten 37% der Stimmen (19% unter Männern). Die Männer geben überdurchschnittlich häufig ihre Stimme für SPD und LINKE ab. Würden nur männliche Studierende wählen läge die Piratenpartei immerhin bei 4,2%, verpasst aber weiterhin die Fünf-Prozent-Hürde. Ausschließlich männliche Studenten geben in der Umfrage der AfD ihre Stimme.

Bemerkenswert ist, dass auch die Unterschiede zwischen den Studiengängen nicht zu übersehen sind: Nur unter den Medizinstudierenden kommen CDU und SPD zusammen auf über 50% und könnten eine große Koalition bilden. Dies ist in keinem anderen Studiengang der Fall. Am kleinsten ist dieser Wert unter Informatikstudierenden, die lediglich 24% ihrer Stimmen an die beiden “großen” Parteien vergeben. Bei ihnen entsteht ein Landtag, in dem alle Parteien vertreten sind, auch die AfD und sogar die Piraten.

Die Studiengänge wählen stark unterschiedlich. SPD und CDU könnten nur unter Medizinstudierenden überhaupt eine “große” Koalition bilden. Für die AfD entschieden sich in der Umfrage nur Studierende aus zwei Studiengängen. Kleine Studiengänge wurden nicht berücksichtigt, da die Teilnehmerzahl zu gering war.

Die CDU erreicht je nach Studiengang sehr unterschiedliche Ergebnisse. Unter MIW-Studenten ist sie mit 25% überdurchschnittlich stark, unter Psychologie- und Medieninformatikstudierenden würde sie den Einzug in den Landtag verpassen.

Die Grünen sind unter Studierenden immer unter den stärksten Parteien, unabhängig vom Studiengang. Allerdings können auch hier große Unterschiede festgestellt werden. So können sie unter MML-Studierenden fast die 50% knacken und auch bei Psychologen sind sie sehr stark. Dabei unterscheidet sich, auf Kosten welcher Parteien die Grünen diese Stärke erhalten. Unter Psychologie-Studierenden schwächelt wie erwähnt die CDU besonders, unter MML-Studenten hingegen scheint das Wählerpotential der Grünen auch aus dem Topf der Linken und der SPD zu kommen.

Unter Medieninformatikern ist das Potential für die anderen Parteien und die Nichtwähler besonders hoch, ein Viertel der teilnehmenden Medieninformatiker gab an, eine andere Partei, ungültig oder gar nicht wählen zu wollen. Weitere 11% wollen ihre Stimme der AfD geben. Lediglich die Hälfte aller Medieninformatiker gedenkt für eine Partei zu stimmen, die aktuell im Landtag vertreten ist. Im Kontrast hierzu gedenken 88% der MML-Studenten eine Partei zu wählen, die aktuell im Landtag sitzt, unter 2% wollen ungültig stimmen oder nicht zur Wahl gehen.

Dieser Kontrast mag auch im Licht der Debatte um die Podiumsdiskussion vor der Landtagswahl im Audimax relevant sein, zu welcher lediglich die Landtagsparteien eingeladen wurden. Die Umfrage zeigt, dass für viele Studierende Parteien, für die sie ihre Stimme abgeben wollen, nicht Teil der Debatte sind. Es darf also in Frage gestellt werden, ob diese Beschränkung auf bereits im Landtag vertretene Parteien im Sinne der Studierendenschaft ist.

Vergleich mit der Wahl 2012

Wir haben Teilnehmer auch nach ihrem bisherigen Wahlverhalten befragt, da aber viele Wähler an der Uni Erstwähler sind, sind die Aussagen hier nicht besonders aussagekräftig.

Der Vergleich zur Umfrage aus dem Jahr 2012 ist hier nur eingeschränkt möglich, da die Beteiligung damals nur bei 5% der Studierenden lag, war die Anzahl der Teilnehmer bei manchen Studiengängen sehr klein. Es lässt sich jedoch feststellen, dass auch damals 42% der Medizinstudierenden ihre Stimmen auf SPD und CDU verteilt hätten, der Unterschied zu 2017 kann mit dem Konflikt um die Unischließung zwei Jahre zuvor erklärt werden, denn auch die FDP war in jener Umfrage unter Medizinstudierenden mit nur 2,5% extrem Schwach. Die Stimmen kamen damals allerdings nicht der SPD zugute sondern den Grünen, die 2012 unter Medizinern 37% erreichten.

Eine weitere deutliche Veränderung im Wahlverhalten zu vor fünf Jahren zeigen die Informatiker. 2012 hätten sie den Piraten mit 56% eine Alleinregierung beschert, diese erhalten jetzt nur noch 20% der Stimmen, die sie vor fünf Jahren unter ihrem Kernklientel erhalten hätten.

Unter MLS-Studierenden bleiben SPD und Grüne wie vor fünf Jahren ähnlich starke Kräfte, auch CDU und FDP sind vergleichbar, klar erkennbar ist, dass der nahezu vollständige Verlust der Piraten der LINKEN zugute kommt.

Eine starke Veränderung im Wahlverhalten zeigen lediglich die Studierenden im Fach MIW. 2012 bescherten die MIW-Studierenden der CDU eines ihrer schwächsten Ergebnisse unter den Studiengängen und die LINKE war überdurchschnittlich stark, 2017 ist die CDU unter MIW-Studierenden die zweitstärkste Kraft hinter den Grünen, in keinem Studiengang schneidet sie stärker ab. Gewinner der Wahl unter den MIWlern bleiben allerdings die Grünen mit nach wie vor über 35% der Stimmen.

Mit einer einmaligen Umfrage dieser Größe lässt sich nicht feststellen, wie es zu diesem gänzlich unterschiedlichen Wahlverhalten von Gruppen kommt, die auf dem selben Campus studieren und in der selben Stadt viele gemeinsame Lebenserfahrungen machen.

Was beeinflusst Wahlentscheidungen?

Einen Einblick in die möglichen Gründe für unterschiedliches Wahlverhalten der Studiengänge kann unsere Frage nach den wahlentscheidenden Themen geben. Teilnehmer konnten aus 19 Themen beliebig viele als für sie wahlentscheidend auswählen um anzuzeigen, welche Themen ausschlaggebend sind, wenn sie sich für (oder gegen) eine Partei entschieden. 18 der 19 Themen wurden auch 2012 bereits abgefragt, mit Asylpolitik ist ein neues Thema dazugekommen.


Fünf zentrale Themen bestimmen für viele Studierende die Entscheidung. Am wichtigsten sind bildungspolitische Positionen. (Diese Auswertung beinhaltet lediglich Teilnehmer, die mehr als ein Thema, aber nicht mehr als zehn Themen als wahlentscheidend angegeben haben.)

Für Studierende sind die wichtigsten Themen der Wahl Bildungspolitik, Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie Universitäten, Umwelt- und Gesundheitspolitik. 3,4% der Teilnehmer geben an, dass für sie keines der 19 genannten Themen die Entscheidung für eine Partei ausmacht, über 20% dieser Studierenden wollen nicht wählen gehen oder einen ungültigen Stimmzettel abgeben. Für 1,6% der Studierenden (11 Teilnehmer) ist ein einziges Thema wahlentscheidend. So wählen Studierende, die Umweltpolitik als einziges entscheidendes Thema betrachten, zu 100% die Grünen (zwei Teilnehmer) und weitere zwei Teilnehmer trafen ihre Entscheidung einzig und allein aufgrund der Flüchtlingspolitik für die CDU. In dieser Gruppe will kein Studierender keine oder eine ungültige Wahl treffen. Für 0,4% der Studierenden ist angeblich jedes der 19 Themen entscheidend. Die meisten Studierenden treffen ihre Entscheidung aufgrund von sechs oder weniger Themen, für 90% der Studierenden sind es 10 oder weniger Themen. Wir betrachten im Folgenden lediglich diese 90% der Teilnehmer, die mindestens ein Thema aber nicht mehr als zehn Themen angegeben haben (583 Personen).

2012 hatten die Teilnehmer “Universitäten” als wichtigstes Thema gewählt (83,6%), dies sicherlich auch noch unter dem Eindruck des Kampfes um den Erhalt der eigenen Universität. Das Thema wird nun nur noch von 54,7% der Studierenden als eines empfunden, welches über ihre Parteiwahl entscheidet. Bildungspolitik ist, wie vor fünf Jahren, mit über 70% extrem relevant geblieben. Beim Thema “Asyl- und Flüchtlingspolitik” ist ein Vergleich zu 2012 nicht möglich, da das Thema neu aufgenommen wurde. Umweltpolitik ist für Studierende wichtiger geworden, 2012 gaben 49% der Befragten an, dieses Thema sei für sie entscheidend dafür, welche Partei sie wählen, nun sind es 58,7%.

An Bedeutung verloren hat der Themenkomplex “Digitale Gesellschaft”. 2012 hatte die Piratenpartei mit Inhalten um dieses Thema großen Erfolg, 43% der Studierenden empfanden diese Themen als entscheidend für ihre Wahl, nun sind es nur noch 19,9%. Gleichstellung hat seine Relevanz für die studentische Wahlentscheidung in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt.

Das Interesse ist je nach Themengebiet und nach Studiengang unterschiedlich. Wenig überraschend ist, dass das Thema Gesundheitspolitik unter Medizinern eines der wichtigsten ist (70%), unter Studierenden der Fächer Psychologie und Medizinische Informatik noch als relevant angesehen wird (je 55%) und unter Informatikstudierenden kein besonders großes Interesse findet (32%). Umgekehrt kann das Thema “Digitale Gesellschaft” unter den Informatikstudiengängen mehr als die Hälfte zur Entscheidung für eine Partei bewegen, unter Medizinern und Psychologen hingegen nicht einmal 15%.

Das Thema Gleichstellung wird von Psychologie- und MML-Studenten als wichtig empfunden (fast 60%), unter den großen Studiengängen Informatik, MIW und Medizin hingegen finden nur knapp 40% das Thema relevant.

Sind also diese unterschiedlichen Interessen der Grund für das unterschiedliche Wahlverhalten? Zumindest in Teilen lässt es sich so erklären. Wer Sicherheitspolitik für besonders wichtig hält, findet sich eher bei der CDU wieder. Kein Studiengang misst der Sicherheitspolitik eine geringere Bedeutung bei als Psychologie-Studierende, die wiederum auch in sehr geringen Zahlen eine CDU-Wahl in Betracht ziehen. MML- und Psychologie-Studierende sind es, die die Umweltpolitik für besonders wichtig halten, sie wählen auch am ehesten die Grünen. Doch nicht alles korreliert so fein säuberlich. Die Studierenden identifizieren Verbraucherschutz klar als ein Thema der Grünen: 40% aller Studierenden, die Verbraucherschutz als einen Faktor in ihrer Wahlentscheidung betrachten, wollen diese Partei wählen. Gleichzeitig wird Verbraucherschutz von Informatik-, MLS- und MI-Studierenden als besonders wichtig genannt, drei Studiengängen, in denen die Grünen lediglich auf Platz zwei oder drei kommen.


Für welche Partei entscheiden sich die Studierenden, abhängig von den Themen die für sie wahlentscheidend sind.

Eine Wahlentscheidung ist letztendlich mehr als eine einfache Abwägung einiger weniger Interessen und so lässt sich mit den wenigen abgefragten Daten auch keine zufriedenstellende Erklärung finden.

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Wer hat’s gesagt? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wer-hats-gesagt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wer-hats-gesagt/#respond Mon, 24 Apr 2017 06:30:44 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278493 [nextpage title=”Semesterticket” img=”279663″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden ein landesweites Semesterticket für alle Studentinnen und Studenten einführen, das auch Berufsschülerinnen und Berufsschülern offen steht.“ (CDU)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das würde ich bei der SPD einordnen. Das zeigt aber auch, dass SPD und CDU große Volksparteien sind.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist die SPD! CDU? Die scheinen sich alle so ähnlich zu sein in den Programmen! *lacht* Dies würde ich in der Tendenz aber eher unterstützen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Dann werden das die Grünen sein. Vermute ich jedenfalls, weil wir ja gerade ein landesweites Semesterticket einführen. Vor dem Hintergrund, dass wir das jetzt für die Studenten tun, aber es wäre natürlich meiner Meinung nach sinnvoll dieses auch auf die Schüler auszuweiten. Die Schüler in den Oberstufen und auch die Schüler der Berufsschulen müssen ihre Busfahrtkosten selbst tragen. Wenn man in diesem Fall einen 18-jährigen Studenten mit einem 18-jährigen Abiturienten oder Auszubildenden gleichstellen würde, fände ich das sehr gut. CDU? Dann habe ich jetzt einmal die erste Forderung der CDU gefunden, die ich auch voll und ganz unterstützen kann.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte von uns sein.“ – Daniel Günther, CDU

„Darüber haben wir im Interview gesprochen: Wir sind dafür. Könnte auch von den Piraten sein. Sehen Sie mal, selbst bei der CDU haben sie die Piraten schon eingeholt. Ich weiß, dass der Kollege Dudda oder Breyer (beide Piraten) das im Landtag mal so formuliert hat.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Bei uns müssten auch die Schüler dabei sein, aber nur Azubis und Studenten? Ich sage SSW. Ach, CDU? Naja, stimmt, Elitenförderung. Wir haben ja die Idee eines umlagefinanzierten ÖPNV, das haben wir für Lübeck auch mal ausgerechnet auf Grundlage des Harz VI-Satz für Mobilität von 18 Euro pro Person festgesetzt. Damit könnte man dann überall im Land kostenlos den ÖPNV nutzen. Dann würden alle Bürger zahlen, auch wenn sie den ÖPNV nicht nutzen, aber dafür ist er für alle kostenlos, und vielleicht nutzen ihn dann auch welche, die vorher Auto gefahren sind.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Energiezeitalter” img=”279666″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen das atomar-fossile Energiezeitalter schnell beenden. Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz verlangen von uns auch einen Ausstieg aus der Kohleenergienutzung.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.StudentenPACK

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das würde ich bei den Grünen verordnen, aber da kann man mal sehen, wie gut wir als Ökologiepartei sind. Unsere Umweltleute sind klasse. Das diskutiere ich leider auch nie. Danach werde ich sehr selten gefragt. Da wird ja deutlich, wie grün die SPD sein kann.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist Grün! SPD und Kohle? Das steht aber nicht im NRW-Programm der SPD. Auf jeden Fall! Zwingend! Dem stimme ich zu.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das hört sich doch sehr nach grün an. Ich finde das ausgezeichnet. Wir haben derzeit die Arbeitsplätze im Bereich der Kohlegewinnung, die wir mit 100.000 Euro jährlich subventionieren. Das ist eine riesige Subvention, die man den Leuten lieber so in die Hand drücken sollte. Das ist rausgeschmissenes Geld. Atomenergie ist eine der größten Gefahren der Menschheit. Wir sollten mehr auf die Erneuerbaren Energien und die Energiewende setzen. Ah, es ist die SPD? Das geht ja auch. Die SPD ist manchmal auch grün.“ – Lars Harms, SSW

„Ich würde sagen, das ist von den Grünen. SPD? Okay. Damit passen sie sich in ihrem Sprachstil offensichtlich den Grünen an. Teile ich so nicht.“ – Daniel Günther, CDU

„Grüne. Wo ist da der große Unterschied? Finde ich deshalb lustig, weil in Nordrhein Westfalen im Programm der SPD gerade die weitere Kohlenutzung im Programm steht. Unabhängig davon funktioniert nicht alles gleichzeitig, wenn wir zur e-Mobiliät übergehen wollen. Bei den momentanen Möglichkeiten, die wir haben, also kaum Speichermöglichkeiten, das dauert bestimmt noch 20 Jahre, müssten wir ganz Deutschland mit Spargeln zustellen, um alleine den Stromverbrauch für den Verkehr zu decken. Langfristig ist das Ziel in Ordnung, kurzfristig nicht zu erreichen und Energie- und Klimapolitik müssen abgestimmt vollzogen werden. Weil sonst das Industrieland Deutschland gar nicht die finanziellen Ressourcen hat, die Überlegung umzusetzen.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das müssten die Grünen sein, wir verlangen eine sofortige Abschaltung und Rückbau von Brockdorf. Kohle haben wir ja in Schleswig-Holstein gar nicht. Die SPD? Das wäre für die LINKE in Brandenburg eine Fangfrage, da ist das sehr schwierig aber auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das müsste man mal der Hannelore Kraft vorlesen.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Gründerkultur” img=”279665″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen eine „Garagen-Wirtschaftsgründerkultur“ in Schleswig-Holstein im Sinne eines „Silicon-Förde“ und einer „IT-Region Wattenmeer“ etablieren.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„’IT-Region Wattenmeer’ klingt nach SSW. Ansonsten würde ich es der FDP zuordnen. Was fordern wir denn alles? Das steht da wirklich drin? Und das im Wattenmeer? Das haben wir formuliert? Ganz im Ernst: Das Wattenmeer ist eher eine Urlaubsregion und Natur. Wenn wir so etwas machen wollten, müssten wir das am Hamburger Rand machen oder in Kiel oder Lübeck. Soll ich die Wissenschaftler hinterm Deich verstecken? Die wollen doch Kooperationen und Strukturen aufbauen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das kann durchaus Grün sein. ‘Garagen-Wirtschaftsgründerkultur’, an das Wort kann ich mich nicht erinnern, aber ich tippe mal auf Grün. Die Garage nehme ich auch mit.“ – Monika Heinold, Grüne

„Bill Gates und Zuckerberg gründen in Garagen, aber wir wollen ja gerne alle fördern. Das hört sich aber sehr liberal an. Ich würde mal an die FDP denken. Von der SPD? Na gut. Das klingt ja alles gut, aber ich denke nicht, dass wir in der Lage sind, das Modell der USA zu kopieren, da dort die Forschung sehr liberal aufgestellt ist. Da muss man entscheiden, ob man das überhaupt will. Ich kenne das auch aus Dänemark. Auch dort ist es sehr liberal und es gibt sehr innovative Firmen, die sich auf dem platten Land breit machen. Ich hätte da eine große Sympathie für.“ – Lars Harms, SSW

„SPD, das kenne ich auch aus deren Forderungen.“ – Daniel Günther, CDU

„Das könnte auch von uns sein, hört sich sehr gut an. Sie wollen eine ‘Garagen-Wirtschaftsgründerkultur’. Das finde ich deshalb ganz witzig, weil Sie nach all den gewerberechtlichen Vorschriften, die Sie hier haben, in der Garage nichts machen dürften. Dass es von der SPD kommt, finde ich wirklich lustig, da wäre ich nie drauf gekommen. Das werden wir jetzt gegen die SPD verwenden, mal sehen ob einer der Spitzenkandidaten bei einer der nächsten Veranstaltungen weiß, woher das kommt.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„(lacht) Irgendwo zwischen FDP und AfD. Die SPD? Ach Quatsch! Da hat aber jemand Spaß gehabt beim Wahlprogramm schreiben. (lacht) Das Gründerthema ist natürlich eher FDP. Aber Gründen ist natürlich wichtig, da geht es dann zum Beispiel um die Krankenversicherung für Jungselbstständige, denn es gibt immer mehr Selbstständige, die nicht krankenversichert sind und da muss es natürlich eine soziale Absicherung geben. Daran wird auch gearbeitet, dass es gerade für Gründer eine Grundkrankenversorgung gibt, denn wenn man am Anfang nur 1000 Euro verdient, aber 600 in die Krankenversicherung stecken soll, funktioniert das Gründen nicht.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Religionsunterricht” img=”279662″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden den konfessionsgebundenen Religionsunterricht unbedingt erhalten [und] uns für einen konfessionsgebundenen muslimischen Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht in deutscher Sprache einsetzen.“ (CDU)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist SPD oder CDU. Würden wir ähnlich formulieren. Natürlich wollen wir den konfessionsgebundenen Unterricht weiterhin zulassen, weil es nicht richtig ist Kinder und Jugendliche in Sonntagsschulen zu stecken. Unser Ziel ist aber ein konfessions- und religionsübergreifender Unterricht. Hierüber wollen wir mit allen einen Dialog führen. Wir wollen aber auch keine muslimischen Lehrer, die aus ihren Heimatländern wie z.B. der Türkei bezahlt werden müssen, in den Schulen haben. Dafür müssen natürlich erst einmal die Lehrvorraussetzungen geschaffen werden. Einrichtung eines Islam-Lehrstuhls zur Ausbildung von Lehrkräften für Schulen und Hochschulen wollen wir prüfen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das sind wir schon mal nicht. Das ist auf jeden Fall CDU. Da bin ich nicht dafür. Solange die christlichen Kirchen, denen der konfessionelle Religionsunterricht zugesichert ist, keinen konfessionsübergreifenden Unterricht wie in Hamburg anstreben, müssen wir gleichberechtigt auch andere Angebote schaffen. Dazu gehört mehr staatlicher Islamunterricht durch Lehrer*innen, die an deutschen Hochschulen für den Unterricht von Kindern muslimischen Glaubens ausgebildet sind.“ – Monika Heinold, Grüne

„Könnte ich mir bei der CDU vorstellen. Habe ich doch noch einmal einen Richtigen getroffen. Da hat mich die CDU ja noch einmal gerettet. Also ich bin kein gläubiger Mensch und ich denke, dass das eher eine Glaubensfrage als eine Parteifrage ist, aber ich persönlich weiß, dass das Grundgesetz das vorschreibt, aber wenn die Menschen in der Schule Philosophieunterricht hätten und dort über die einzelnen Weltreligionen und Naturreligionen aufgeklärt werden würden, wäre ich damit sehr zufrieden. Da sollte die Frage ‘Was gibt es denn da alles’ geklärt werden und dann soll sich jeder eine Meinung bilden. Solange das aber so ist, wie es ist, sollten wir aber auch den Muslimen einen Religionsunterricht anbieten.“ – Lars Harms, SSW

„Das ist CDU.“ – Daniel Günther, CDU

„CDU. Der zweite Teil wäre auch bei uns. Wir wollen, dass wenn islamischer Religionsunterricht angeboten wird, das nicht durch türkische Imame passiert, sondern durch Menschen, die in Deutschland ausgebildet worden sind und dass das auch unter staatlicher Aufsicht geschieht. Der erste Teil existiert wahrscheinlich nur bei der CDU.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„AfD oder CDU. Naja, die AfD würde gar keinen muslimischen Religionsuntericht machen. Ich glaube zu dem Thema haben wir auch garnichts. Wir sind ja eher atheistisch, insofern sind wir eher für einen Ethikunterricht, in dem natürlich auch Religionen vorkommen und gleichwertig vorgestellt werden. Ich finde es gut, sich mit der Kultur des Landes auseinanderzusetzten. Wir sind hier oben protestantisch geprägt, aber es ist eben auch gut zu wissen, wie eine Moschee funktioniert. Aber die Kultur muss auch gelebt werden und ich finde Weihnachtsfeier im Kindergarten total klasse.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Studienplatz” img=”279660″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir fordern, dass alle Studierenden mit einem Bachelorabschluss einen Rechtsanspruch auf einen Masterstudienplatz haben.“ (DIE LINKE)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das könnte ich mir auch bei der SPD vorstellen. Die LINKE kann alles sehr leicht fordern. Ich halte das aber für richtig. Das bedeutet ja nicht, dass man es machen muss.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das klingt mir schon wieder sehr Grün. Hier bin ich nicht mit dabei, obwohl ich dachte, wir hätten es selbst mit in unserem Programm. Ich weiß nicht, ob der Rechtsanspruch wirklich hilft und welche Vorteile er bringen soll. Dann stellt sich die die Frage: Muss der Studienplatz dann auch in Schleswig-Holstein sein? Muss es genau so viele Bachelorstudienplätze wie Masterstudienplätze geben? Es zieht die eine Forderung die andere nach. Deshalb würde ich spontan jetzt das nicht zwingend unterstützen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Einen Rechtsanspruch? Also das sollte schwierig herzustellen sein. Also so verrechtlich hört sich das nach den Piraten an, oder die Linke. Also ich weiß nicht, wie man das machen soll. Es ist ja schon schwierig für jeden Studiengang einen Masterstudiengang vorzuhalten. Ich denke Studierende sind flexibel genug, wenn sie z.B. ihren Bachelor in Flensburg gemacht haben auch ihren Master in Oberammergau zu machen. Am liebsten sogar im Ausland. Ich glaube das muss man nicht rechtlich festschreiben. Im Regelfall bekommt man das hin. Ein wenig mehr Freiheit ist dort für die Universitäten wahrscheinlich nicht schlecht.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte aber auch von den Grünen sein. Passt aber auch zu den Linken. Rechtsanspruch finde ich hart. Aber ich finde es schon richtig, dass wir die Anzahl der Masterstudienplätze an Unis und auch an Fachhochschulen aufstocken. Das ist zum Teil schon ein Problem.“ – Daniel Günther, CDU

„Könnte von uns sein. Das Problem solcher Befragungen ist, dass in bestimmten Satzaussagen nahezu Identität eintritt. Dann ist das eigentliche Problem aber, wie kommen wir da hin und was sind für Mittel einzusetzen? Ich finde das vernünftig, jedenfalls wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Es macht ja keinen Sinn zu sagen, wenn Leute den Bachelor gerade so geschafft haben, wir machen jetzt den Master. Viel spannender wäre dann, den Bachelorabschluss etwas aufzuwerten, sodass er im Bereich des beruflichen Einstiegs akzeptiert wird. Die Idee war ja mal, dass man mit dem Bachelor sofort in den Beruf gehen kann und dann höre ich von den Unternehmen, dass sie daran kein großes Interesse haben.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das weiß ich nicht.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Gleichstellung” img=”279658″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Gleichstellungsbeauftragte sind überflüssig.“ (AfD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist nun eindeutig nicht von uns. Der Arbeitskreis Soziales umfasst auch den Arbeitskreis Gleichstellung. Das würde ich bei der CDU oder sogar der AfD ansiedeln.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist mit Sicherheit die AfD, möglicherweise auch CDU oder FDP. Das ist Quatsch. Wir Grüne wollen dagegen die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten besonders in den Kommunen weiter stärken.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das kann nur FDP oder CDU sein oder beide zusammen. Da kann ich mich überhaupt nicht mit anfreunden. Ich finde, dass Gleichstellungsbeauftragte eine hervorragende Arbeit machen. Ich kenne das aus meiner Kommune. In Flensburg haben wir dafür einen ganzen Ausschuss und nicht nur einen Beauftragten, der sich nur mit diesen Fragen auseinandersetzt. Solange Menschen nicht gleich behandelt werden werden Gleichstellungsbeauftragte benötigt. Da muss noch viel Geschehen und da wird auch noch viel geschehen. Es ist die AfD? Die sind auch nicht besser. Aber da hätte ich nicht gedacht, dass ihr das gelesen habt. Ihr seid ja schmerzfrei.“ – Lars Harms, SSW

„Das ist die AfD.“ – Daniel Günther, CDU

„Das könnte auch von uns sein, aber ist wahrscheinlich auch im Programm der CDU. Die AfD kommt ja hoffentlich nicht rein, in diesen Landtag. Wir arbeiten dran.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das muss die AfD sein. Wir haben Gleichstellungsbeauftragte noch sehr nötig. Einen Menschen, der damit beauftragt ist, zu gucken, ob alles gerecht ist, so einen Job sollte man sich immer leisten.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Cannabis” img=”279664″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen, dass Schleswig-Holstein sich dafür einsetzt, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis zum eigenen Konsum langfristig nicht mehr strafbar ist.“ (SSW)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Wenn ich an unsere Koalitionsverhandlungen denke, denke ich sofort an die Grünen. Wir würden es wohl ein wenig weicher formulieren. Das ist auch die Haltung des SSW. Dieser steht bei den Koalitionsverhandlungen immer als ein vermittelnder Faktor zwischen SPD und Grünen. Ich bin gegen eine Legalisierung von Cannabis. Eine Entkriminalisierung sollte eindeutig erfolgen, aber ich bin gegen die Legalisierung. Ich mache nicht jahrelang Politik, um den Menschen das Rauchen abzugewöhnen und Nichtraucherschutz einzufordern und legalisiere dann eine ähnliche Form der Gesundheitsschädigung. Es ist genauso gesundheitsschädlich, wie das Rauchen von Zigaretten. Ich kann mir nicht vorstellen, auch nur eines davon zu befürworten. Erstaunlicherweise gibt es Menschen, die Cannabis legalisieren und Raucher aus Gaststätten treiben wollen. Warum bestraft man Raucher und lässt gleichzeitig ein anderes Rauschmittel zu? Ich sehe hauptsächlich die Gesundheitsschädigung und weniger den kriminellen Aspekt.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Wir haben auch das Thema Cannabis im Programm. In der Tendenz stimme ich zu. Vielleicht ist das die SPD oder die FDP? Wir Grüne wollen den Anbau, Besitz und Konsum von geringen Mengen Cannabis straffrei stellen. Analog zu den in Schleswig-Holstein durch den Generalstaatsanwalt festgelegten Grenzwerten soll der Besitz von Kleinstmengen straffrei bleiben.“ – Monika Heinold, Grüne

„Langfristig? Also: Erstens weiß ich, dass die FDP einen Beschluss gefasst haben aufgrund ihrer Jugend. Die haben eine Sitzungspause genutzt und da haben sie den Antrag eingebracht. Bei “langfristig” denke ich jedoch an die FDP. Ach wir haben langfristig da drin? Nein. Am Liebsten sofort. Das haben die Jugendlichen eingebracht. Darüber waren wir sehr dankbar und wir hoffen das in der nächsten Wahlperiode eine Menge festzulegen, um eine Kriminalisierung zu verhindern. Eigentlich darf das gar nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Das ist Käse. Natürlich gibt es dort Abhängigkeiten, aber das ist bei Alkohol genauso. Das ist für die Menschen auch nicht gesünder. Man muss dort einfach bewusst mit umgehen.“ – Lars Harms, SSW

„FDP? SSW? Gut, aber die FDP hat das auch vor kurzem beschlossen. Wir sprechen uns dagegen aus.“ – Daniel Günther, CDU

„Könnte bei fast allen sein, außer bei der CDU, bei uns jedenfalls auch. Gegen meinen erbitterten Widerstand hat ja meine Partei beschlossen, Cannabis zu legalisieren. Na gut.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das ist eine Linke Position? Der SSW, ah, ok.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Equal Pay” img=”279658″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden uns für das Prinzip des Equal Pay (Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit) einsetzen und dafür werben, dass deutlich mehr Frauen in Führungspositionen gelangen.“ (FDP)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Jetzt habe ich schon dreimal SPD gesagt. Jetzt sollte das aber wirklich mal von uns kommen. Das glaub ich nicht. Dann lügen die. Das sind doch die ersten, die gegen Quoten für Frauen in Führungspositionen sind. Ich würde nie davon ausgehen, dass die das geschrieben haben. Das ist ja eine ständige Auseinandersetzung im Landtag. Wir wollen regulative Maßnahmen – das wird uns ja auch immer vorgeworfen, dass wir sehr viel regulieren wollen – weil wir wissen, dass es von alleine nicht klappt. Wenn man eine solche Aussage trifft, muss man ja auch wissen, wie man es erreichen will. Das geht nur indem man entweder Quoten festlegt oder Anreize schafft. Anreize sind bei Gehältern in der Größenordnung irrelevant, also kann man es nur mit Quoten schaffen. Bei uns im Wahlprogramm heißt es, dass wir uns für „Gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit“ weiter stark machen. Unser Ziel ist es, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen weiter zu erhöhen. Und zur Quote kann ich nur sagen, dass hier die SPD schon aktiv war. eine geschlechterparitätische Gremienbesetzung in Landesbeteiligungen wurde schon 2017 beschlossen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist auf jeden Fall Grün. Vielleicht steht es auch bei SPD oder beim SSW. FDP? Auch nicht schlecht. Ich freue mich, dass es auch bei der FDP im Wahlprogramm steht. Dem stimme ich auf jeden Fall zu. Der Unterschied ist allerdings, dass wir Grüne für verbindliche Frauenquoten eintreten und die FDP nur dafür werben will, dass mehr Frauen in Führungspositionen gelangen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Dann müssen das ja jetzt die Grünen sein. Irgendwann müssen die ja auch mal kommen. Die FDP?! (mit Erstaunen) Für Equal Pay? Das glaubt ja kein Mensch. Das ist ja in den letzten 17 Jahren völlig an mir vorbeigegangen. Zumindest das die FDP sich aktiv dafür eingesetzt hat. Sie sind ja noch nicht einmal bereit kommunale Gleichstellungsbeauftragte gutzuheißen. Aber gerne: Wenn wir da mal ein Gesetz zu machen wollen und die FDP mitstimmt hätte ich da eine Riesenfreude dran den Unternehmen vorzuschreiben ihre Frauen genauso zu behandeln wie die Männer. Wenn ich das bei der FDP noch erleben darf.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte fast auch von uns sein. Aber wahrscheinlich ist es von den Grünen. Ach, FDP? Das ist meiner Position nicht unähnlich.“ – Daniel Günther, CDU

„SPD. Das ist von uns? Deutlich mehr Frauen in Führungspositionen wollen wir tatsächlich auch, wobei gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit deshalb lustig ist, weil ich behaupte, dass es keine gleiche Arbeit gibt. Als Beispiel: Wenn Sie zwei Maler acht Stunden ein Bild malen lassen, wird vielleicht eines von den Menschen gewollt, das andere nicht. Jetzt können Sie fragen, ist das gleichwertige Arbeit oder nicht? Oder wenn beim Fußballspiel 20 Spieler über das Feld laufen und zwei stehen im Tor. Dann machen die 90 Minuten Fußballspiel, aber trotzdem ist das nicht gleichwertig.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Also das ist 1 zu 1 eine Forderung der Linken, aber ich weiß nicht ob wir es genau so im Wahlprogramm stehen haben. Wir fordern das ganz klar, es könnte auch die FDP sein. Wir müssen das so lange fordern, bis die Quote überflüssig ist und wir so viele schlechte weibliche Führungskräfte haben wie schlechte männliche (lacht). Das ist überall eine Diskussion, wenn es nicht genügend weibliche Bewerber gibt, müsse man doch wieder die Stellen mit Männern besetzen. Nein. Dann muss man die Strategien überdenken, wie wir Frauen kriegen. Wir müssen Bedingungen schaffen, unter denen es Frauen genauso gelingt, damit die Quoten erfüllt werden, anstelle über Quoten zu schimpfen.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Personalrat” img=”279661″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Die Arbeitsbedingungen der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte sind uns wichtig. Daher werden wir uns dafür einsetzen, dass die Studierenden im Personalrat eine Vertretung erhalten.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu LübeckFabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Ich bin immer davon ausgegangen, dass Studierende den AStA haben, der ihre Interessen vertritt. Das ist ja auch erstmal eine starke Institution – je nachdem wie sorgfältig diese Aufgabe übernommen wird. In unserem Wahlprogramm steht, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Studierenden im Personalrat eine Vertretung erhalten, welche explizit für die Forderungen der Studierenden einsetzt.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das klingt auch nach Grün, kann auch die Linke sein. Aber ich würde dem eher zustimmen. Wir setzen uns für eine paritätische Mitbestimmung für alle Statusgruppen – Professor*innen, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, technisch-administrative Mitarbeiter*innen – ein.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das hört sich nach Rasmus Andresen und den Grünen an. Achso, die SDP? Da sind sich die Grünen und die SPD ja sehr einig. Ganz klar. Vertretung von Studierenden in den Gremien der Universität muss sein.“ – Lars Harms, SSW

„Grüne. SPD? OK, die haben voneinander wohl extrem abgeschrieben. Aber haben die nicht eine Vertretung im Personalrat? Naja, das hat mit Autonomie nichts zu tun. Ich finde, dass rot-grün den Hochschulen durch das neue Hochschulgesetz ganz schön viel zugemutet hat. Die Gremien sind extrem aufgebläht. Deshalb bin ich sehr zurückhaltend, was zusätzliche Beteiligung angeht. Allein die Aufblähung des Senats ist so ein Quatsch und führt dazu, dass sich die Hochschulen alles Mögliche einfallen lassen, um überhaupt noch arbeitsfähige Gremien zu haben.“ – Daniel Günther, CDU

„Kann nicht von uns sein, sonst hätten Sie das nicht gefragt. Der Sache gehe ich auf jeden Fall nach.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Da würde ich auf SPD tippen. Wir sind auf jeden Fall dafür, dass die studentischen Hilfskräfte besser bezahlt werden.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Berufe” img=”279659″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Unser Ziel ist es, dass mehr junge Frauen sich in den MINT-Bereich trauen und mehr junge Männer soziale Berufe wagen.“ (Grüne)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist nun wieder von der SPD. Das könnte genauso gut bei uns stehen. Das würde ich fast genauso formulieren.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist Grün. Irgendwann muss es jetzt mal grün sein *lacht* Bei Grün bin ich mit dabei.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das habe ich ja vorhin schon gesagt. Nun würde das natürlich zum SSW passen, aber es könnte auch von der SPD, Grünen, FDP, CDU kommen. Das könnte jeder gewesen sein. Passt zu allen. Das sehen alle ein. Ob die Frauen dann tatsächlich in die MINT-Bereiche gehen und Männer in die teilweise zu schlecht bezahlten Jobs in den Kindergärten gehen ist dann die Frage.“ – Lars Harms, SSW

„FDP? Ah, OK, Grüne. Ist aber nicht falsch. Wer will was dagegen haben?“ – Daniel Günther, CDU

„Letzteres ist nicht von uns, das erste könnte von uns sein. Bündnis 90/ Die Grünen. Wir wollen definitiv, dass sich mehr Frauen in den MINT-Bereich trauen, aber auch junge Männer. Wir haben in dem Bereich viel zu wenige Schülerinnen und Schüler und vor allem Studierende. Ein großes Problem auch bei der Lehrerausbildung.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Über den MINT-Bereich habe ich neulich von der FDP was gehört. Ah, Grüne. Also das finde ich super. Es würden sicher mehr Männer in sozialen Berufen arbeiten, wenn die Bezahlung besser wäre, aber natürlich können Männer das genauso gut wie Frauen. Frauen haben es in anderen Bereichen schwerer, weil sie besser sein müssen, um gleiche Anerkennung zu kriegen. Es ist überhaupt keine Frage, dass Frauen genauso gut logisch und technisch denken können. Aber im Bilderbuch ist es eben immer noch Bob der Baumeister und Mama kocht am Herd. Das fängt ganz früh mit der Erziehung an.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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„Besser ist das Wetter geworden, glaube ich“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/besser-ist-das-wetter-geworden-glaube-ich2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/besser-ist-das-wetter-geworden-glaube-ich2/#respond Sun, 23 Apr 2017 04:00:52 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278451
Wolfgang Kubicki ist der Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wolfgang Kubicki ist der Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte kurz vorstellen, damit unsere Leser Sie besser kennenlernen?

Wolfgang Kubicki: Mein Name ist Wolfgang Kubicki, ich bin Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein, stellvertretender Bundesvorsitzender der freien Demokraten und Spitzenkandidat zur Landtagswahl. Mittlerweile bin ich 65 Jahre alt, Vater von Zwillingstöchtern, dreifacher Opa, studierter Volkswirt und studierter Jurist. Ich bin seit 35 Jahren in einer eigenen Anwaltskanzlei tätig und seit 27 Jahren in Parlamenten, davon 25 im Landtag von Schleswig-Holstein.

PACK: Können Sie bitte eine Sache nennen, die in Schleswig-Holstein besser und eine, die schlechter ist als vor fünf Jahren?

Kubicki: Besser ist das Wetter geworden, glaube ich.

Schlechter ist im Vergleich zu vor fünf Jahren fast alles geworden, jedenfalls wenn man sich die Größenordnungen im Lande anschaut. Wir sind ja das Bundesland mit den glücklichsten Menschen, aber auch das Bundesland mit den schlechtesten Kennziffern im Vergleich zu anderen Bundesländern. Fangen wir an bei der Investitionsquote im Landeshaushalt: Es gibt kein Land mit einer geringeren Investitionsquote als Schleswig-Holstein. Und Volkswirte und Betriebswirte wissen, wenn man nicht investiert, kann man künftig keinen Gewinn generieren, das heißt, unser Wohlstandsniveau ist geringer als es sein könnte.

Man kann das an Schulen und Hochschulen – Lübeck ja nun gerade nicht – sehen, wie die Baulichkeiten aussehen. Da ist in der Vergangenheit sehr viel vernachlässigt worden, diese Regierung hat in den letzten fünf Jahren nichts dazu getan, die Situation zu verbessern. Wir geben in Schleswig-Holstein zum Beispiel am wenigsten Geld pro Kopf der Schüler aus in Deutschland, wir sind zurückgefallen in den letzten fünf Jahren, wir waren mal im hinteren Drittel, jetzt sind wir ganz weit hinten.

Wir sind ja nun dazu angetreten bei der Landtagswahl, den Menschen nicht nur zu erklären, was schlechter ist, sondern was besser werden soll. Damit wir weiter in Schleswig-Holstein glücklich sein können und die Basis schaffen, damit die Menschen, die hier ausgebildet werden, auch zukünftig ein einträgliches Auskommen haben.

PACK: Wir haben jetzt viel über Geld gesprochen, aber Schleswig-Holstein hat ja gleichzeitig viele Schulden. Sind die von Ihnen angesprochenen Investitionen umsetzbar?

Kubicki: Alles, was wir vorschlagen, kann man finanziell darstellen, das haben wir auch gemacht. Beispielsweise bei den Haushaltsanträgen zum Jahr 2017 und jetzt auch zum Nachtragshaushalt. Das Geld ist ja vorhanden, es gibt 2,5 Milliarden mehr Geld als Einnahmen gegenüber dem Jahr 2012, fast 3,5 Milliarden mehr gegenüber dem Jahr 2010. Das Geld hätte man vernünftig ausgeben können, wir haben entgegen der Behauptung der Landesregierung auch keine Schulden getilgt, sondern Schulden aufgebaut.

PACK: Sie sprechen im Wahlprogramm davon „die chronische Unterfinanzierung der schleswig-holsteinischen Hochschulen […] schrittweise zu beenden.“ Welche konkreten Schritte stellen Sie sich dort vor?

Kubicki: Zunächst einmal ein Hochschulfreiheitsgesetz, wie es mal in Nordrhein-Westfalen der Fall war. Hochschulen sollen selbst entscheiden können, wo sie ihre Forschungsschwerpunkte setzen und wie sie im Zweifel auch Drittmittel generieren.

PACK: Sie haben gerade gesagt, dass die Hochschulen sich ihre Forschungsfelder selbst aussuchen können. Jetzt ist ein hauptsächlich von Studenten kritisierter Bereich die Rüstungsforschung, die aktuell durch Zivilklauseln eingeschränkt ist. Wie stehen Sie zur Rüstungsforschung?

Kubicki: Ja positiv, wenn wir erleben, dass die Forderung auftaucht, dass Deutschland sich im Rahmen internationaler Missionen engagieren soll, dann bin ich der Auffassung, dass wir auch entsprechend Rüstungsgüter brauchen, die wir nicht von Dritten aufkaufen, sondern hier entwickeln müssen. Denn wenn wir Soldaten und Soldatinnen in den Einsatz schicken, haben die einen Anspruch darauf, auch mit dem besten Material ausgestattet zu sein. Abgesehen davon, dass Rüstungsforschung immer zweierlei Dinge beinhaltet. Es ist ja auch gleichzeitig Technologieforschung und bietet auch immer Anreize für Zulieferunternehmen, ihre eigenen Forschungsaktivitäten zu beschleunigen, die auch zivil genutzt werden können.

Ich frage mich auch immer wieder, wie blöd wir eigentlich sind, dadurch, dass wir Rüstungsgüter kaum exportieren, die ganzen Forschungskosten alleine den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufzubürden.

PACK: Am 9. März in Neumünster antworteten Sie auf eine Frage zur finanziellen Lage an Schulen, dass mehr Geld nicht alles sei und die Qualität der Lehre gesteigert werden müsse. Wie kann die Qualität der Lehre ohne Steigerung finanzieller Mittel verbessert werden?

Kubicki: Wir brauchen definitiv mehr Geld im Bildungsbereich, aber das alleine hilft ja nicht weiter. Wenn ich mehr Lehrer einstelle, aber es sind die falschen, dann hilft es nicht weiter. Wenn ich Lehrer nicht weiterbilde, dann hilft es auch nicht weiter.

Beispielsweise fordern wir wirklich, weil wir sehen, was im Rahmen der Digitalisierung die nächsten vier bis sechs Jahre passiert, dass wir im Unterricht eine eigene Unterrichtseinheit „Medienkompetenz, Programmiersprachen lernen und Umgang mit den Technologien“ brauchen. In den nächsten vier bis sechs Jahren wird es einen dramatischen Strukturbruch geben. Wenn 90 Prozent der Schüler im Bereich der Nutzung der modernen Medien besser sind als ihre Lehrer, dann können wir sehen, dass dort ein dramatischer Aufholbedarf besteht. Doch es geht nicht nur darum. Wir werden in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, softwaregestützte Unterrichtssysteme einführen müssen. Darauf sind wir momentan nicht vorbereitet. Es gibt noch datenschutzrechtliche Probleme, die schnell gelöst werden müssen, damit wir am Fortschritt teilnehmen und bestimmten Entwicklungen folgen können, die auch ohne uns stattfinden werden.

Deshalb sage ich, Geld ist nicht alles. Ausbildung, Weiterqualifizierung und Herangehen an die Herausforderungen der nächsten Jahre ist erst einmal entscheidender, als mehr Geld im System.

PACK: Sie wollen das UKSH – welches regelmäßig aufgrund seiner roten Zahlen in den Schlagzeilen ist – “unter gewissen Voraussetzungen von seinen Schulden entlasten”. Was meinen Sie genau mit “unter gewissen Voraussetzungen”? Könnten Sie bitte einige Beispiele für Verbindlichkeiten nennen, die das Land vom UKSH übernehmen kann?

Kubicki: Wir, das Land, müssen das UKSH irgendwann entlasten, weil sonst die Insolvenzgefahr droht. Wir wissen ja, dass die aufgetürmten Schulden mit der Kostenstruktur des UKSH und den Vergütungssystemen nicht aufgeholt werden können. Wir wären schon froh, wenn die mal eine schwarze Null schreiben. „Gewisse Voraussetzungen“ bedeutet, wir müssen uns angucken, welche Kostenstrukturen am UKSH vorhanden sind. Ich habe gerade gelesen, dass der Vorstand kostenneutral – finde ich auch lustig – um zwei weitere Positionen erweitert werden soll. Nun ist das UKSH ein großer Arbeitgeber. Ein Vorschlag wäre mehr Machtkompetenz im Vorstand, ob die Leitung des UKSH so handeln wird, wage ich zu bezweifeln.

Weiterhin ist dafür Sorge zu tragen, dass bestimmte Leistungen der Universitätskrankenhäuser besser entgolten werden als bisher. Das Ziel muss wirklich sein, das UKSH aus den roten Zahlen rauszubringen. Da das Land es ohnehin tragen muss, wäre es gut, jetzt mal einen Schuldenschnitt zu machen.

PACK: Können Sie ausschließen, dass es Schließungen von Hochschulstandorten in Schleswig-Holstein geben wird?

Kubicki: Ich wüsste nicht, welchen Sinn Schließungen hätten. Was das UKSH jedenfalls betrifft, sind die Standorte Lübeck und Kiel nicht in Gefahr. Man muss sich nach wie vor fragen, ob der gemeinsame Überbau eine vernünftige Lösung war. Das ist etwas, das müssen wir noch genauer analysieren, aber eines ist sicher, weder der Standort Lübeck noch Kiel ist in Gefahr.

Wobei der Standort Lübeck einen großen Vorteil hat, da er sehr viele neue Baulichkeiten hat. Das Problem in Kiel ist eigentlich die Location, an der das UKSH betrieben wird, man müsste – das ist jetzt aber keine Forderung – das UKSH komplett als neue Klinik bauen, weil sie dann kürzere Wege haben und betriebswirtschaftlich anders arbeiten können. Weiterhin müsste man die Liegenschaften in der Innenstadt von Kiel veräußern, aber an dieses Projekt geht die nächsten fünf Jahre keiner ran.

PACK: Im Personalrat der Uni Lübeck gibt es keine Vertretung für studentische Mitarbeiter. Werden Sie sich dort für eine Änderung einsetzen?

Kubicki: Da bin ich jetzt wirklich überfragt, warum dies so ist. Sobald sie angestellt sind, hielte ich es für sinnvoll, dass sie auch in die Personalvertretung aufgenommen werden. Würde mir momentan gar nicht einfallen, warum nicht. Also rechtlich dürfte es da keinen Hinderungsgrund geben. Vielleicht ist es die Überlegung, dass die Studierenden relativ schnell rein und raus kommen, im Vergleich zu anderen Angestellten. Der Frage werde ich mal nachgehen.

PACK: Weiterhin fordert die FDP, dass ein Semesterticket für alle Studenten und Auszubildenden eingeführt wird. Wird das Semesterticket dann verpflichtend sein?

Kubicki: Pflicht ist es ja nicht, es ist nur ein Angebot.

PACK: Soll das Ticket für beide Gruppen gemeinsam eingeführt werden?

Kubicki: Wir können ja nicht Studierende und Auszubildende ungleich behandeln, insofern gibt es da eine Kopplung.

PACK: In welchem Kostenrahmen werden wir uns bewegen?

Kubicki: Semester- und Auszubildendentickets sind im ÖPNV Schleswig-Holsteins darstellbar. Da bewegen wir uns im zweistelligen Millionenbereich.

Wollen reicht nicht. Man muss es auch entsorgen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wollen reicht nicht. Man muss es auch entsorgen.

PACK: Sie haben die aktuelle Regierung – unter anderem auch im Landtag – für ihren Abschiebestopp nach Afghanistan kritisiert und ihn als nicht sachlich fundiert bezeichnet. Können Sie uns das kurz erklären?

Kubicki: Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass diejenigen, die von Rechts wegen abgeschoben werden müssen, alle rechtsstaatlichen Verfahren durchlaufen haben, die Deutschland auf einem sehr hohen Niveau bietet. Das heißt, wenn nach der letzten gerichtlichen Feststellung kein Bleiberecht besteht, muss die konsequente Folge sein, dass Menschen das Land verlassen müssen. Es sei denn, es gibt einzelne Gründe in der Person des jeweils Abzuschiebenden oder es gibt die Feststellung, dass in den Ländern, in die sie abgeschoben werden, der Tod unmittelbar droht, dann verhindern es Gerichte aber übrigens auch.

Momentan reden wir von Afghanistan. Wir wissen, dass die Hälfte von denjenigen, die das Land verlassen müssen, freiwillig zurückgehen. Das heißt, dass die Behauptung, man schicke Menschen in den Tod, wenn sie abgeschoben werden, komisch ist, denn ich glaube nicht, dass jemand freiwillig in den Tod geht. Abgesehen handelt es sich bei der Frage, ob es sich um sichere Herkunftsländer handelt oder ob es in diesen Ländern sichere Gebiete gibt, in die abgeschoben werden kann, um eine Entscheidung, die auf Bundesebene getroffen werden muss.

Außerdem würden wir ein Mehrklassenwahlrecht schaffen für diejenigen, die sich den rechtsstaatlichen Ergebnissen unterwerfen, und diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht abgeschoben werden sollen. Das ist auch kein Akt der Humanität, sondern eine PR-Aktion, denn das Land Schleswig-Holstein kann die Abschiebungen nur drei Monate hinauszögern. So bedauerlich es im Einzelfall auch ist: Das sind die Konsequenzen im Rechtsstaat.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm lehnen Sie Quotenregelungen ab und sprechen von sinnvolleren Rahmenbedingungen und einer modernen Kultur der Gleichberechtigung, was stellen Sie sich darunter genau vor?

Kubicki: Quotenregelungen sind wenig hilfreich, weil sie nicht an der Qualifikation anknüpfen, sondern am Geschlecht. Und ich finde es auch nicht sonderlich bereichernd, wenn man mir erklärt, Frauen sind 300 Jahre lang unterdrückt worden und die konsequente Folge ist, dass die jungen Menschen, die heute auf den Arbeitsmarkt kommen, darunter leiden müssen.

Wir sehen ja, dass Quotenregelungen unglaublich viele Probleme bergen, vor allem dann, wenn man das entsprechende Personal gar nicht bekommt. Die Grünen beispielsweise haben mit ihrer Regelung “eine Frau, ein Mann” mitunter Schwierigkeiten, in manchen Kommunen Listen aufzustellen, was sie dann dazu befähigt, zu sagen, “Das ist Mist, jetzt weichen wir davon ab”.

Was wir machen müssen und was in vielen Bereichen auch schon Standard ist – wenn ich mit meinen Töchtern darüber rede, gucken die mich an und sagen: „Das sind doch Debatten der Vergangenheit!“ –, dass wir es Frauen erleichtern, die Qualifizierung auch im Beruf fortzusetzen, selbst dann, wenn sie schwanger oder Mütter werden.

Der Satz heißt ja „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Hört sich gut an, wird aber selten umgesetzt. Warum? Wir bieten zwar Kita-Plätze an, aber nicht zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Mütter und ihrer Arbeitswelt, sondern zugeschnitten auf die Interessen der Kommune oder der Angestellten der Kita. Wir plädieren dafür, mehr betriebsnahe Kindergärten zu schaffen, weil dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser hergestellt werden kann.

Und wir müssen den Mut bei Mädchen oder jungen Frauen steigern, in Berufe zu gehen, für die sie sich bisher wenig interessiert haben, die aber auch höher dotiert werden und bei denen die Aufstiegschancen schneller und besser verwirklicht werden können.

Wir wissen mittlerweile, dass die Abschlüsse von Mädchen oder jungen Frauen etwas besser sind als die Abschlüsse von Jungs oder jungen Männern. Das ist statistisch belegt.

Im öffentlichen Dienst ist die Gleichberechtigung vollständig hergestellt, oder andersherum gesagt, da gibt es so ein bisschen eine Diskriminierung von Männern. Dies liegt daran, dass wir in Schleswig-Holstein momentan gesetzliche Regelungen haben, dass bei gleicher Qualifikation die Frau auf jeden Fall den Vorzug verdient. Und selbstverständlich ist es so, dass die Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für Männer in der Familie weniger entwickelt sind, als für Frauen.

Es heißt also: Möglichkeiten verbessern für Frauen und ihnen vor allem Mut machen, in Berufe zu gehen, an die sie bisher nicht gedacht haben.

PACK: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Wie sieht ihr Schleswig-Holstein 2022 aus, unterschieden zwischen Sie waren an der Regierung beteiligt und Sie waren in der Opposition?

Kubicki: Wenn wir nicht beteiligt sind, freuen wir uns alle, dass wir in einem so wunderschönen Land leben, aber gleichzeitig stellen wir fest, dass, wenn diese Küstenkoalition weiter regiert, der Abstand der Wirtschaftsleistung von Schleswig-Holstein zu den anderen Ländern weiter wachsen wird. Wirtschaftsleistung hat etwas mit Wohlstand und Perspektive zu tun und wird die Möglichkeiten reduzieren, junge Menschen, die hier ausgebildet worden sind, zu halten und zu ermutigen, hier Unternehmen zu gründen. Es wird die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein gerade auch für junge Menschen aus anderen Ländern weiter ramponieren. Man kann damit werben, dass wir ein tolles Land sind, dass man hier Urlaub machen kann, aber das alleine sichert noch keine Existenz und kein Einkommen.

Mit uns an der Regierung wird definitiv die Investitionsquote erhöht werden, wir werden die Infrastruktur auf Vordermann bringen und dazu beitragen, dass die A20 wirklich mal weitergebaut wird. Vor allen Dingen werden wir nicht so lange warten, bis der Breitbandausbau glasfasertechnisch hier umgesetzt worden ist. Wir sind zwar, was die Flächenländer angeht, relativ weit vorne momentan, aber das reicht uns noch nicht. Ich versuche es Ihnen der Anschaulichkeit halber mal zu erklären: Das, was hier auf dem Tisch liegt – das iPhone – gab es vor zehn Jahren noch nicht. Wenn Sie überlegen, dass wir noch 13 Jahre brauchen, um Schleswig-Holstein verkabelt zu haben, dann wissen wir genau, welche technische Revolution in dieser Zeit geschehen ist. Also ist Geschwindigkeit hier wirklich vonnöten und nicht, es auf die lange Bank zu schieben.

Wir werden definitiv den Unterricht an den Schulen umgestalten, weil wir junge Menschen sowohl in der Schule als auch in der Hochschule darauf vorbereiten müssen, dass sich ein wesentlicher Teil ihrer künftigen Welt digital abbilden wird. Und darauf sind, bis auf das, was man privat macht, bisher weder die Schule noch die Hochschule vorbereitet.

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„Sicherlich können das viele andere Parteien auch sagen, aber das tun sie nicht“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/sicherlich-koennen-das-viele-andere-parteien-auch-sagen-aber-das-tun-sie-nicht2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/sicherlich-koennen-das-viele-andere-parteien-auch-sagen-aber-das-tun-sie-nicht2/#respond Sat, 22 Apr 2017 04:00:33 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278194
Wolfgang Baasch kandidiert für die SPD im Wahlkreis Lübeck Süd.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wolfgang Baasch kandidiert für die SPD im Wahlkreis Lübeck Süd.

StudentenPACK: Damit unsere Leser wissen, mit wem wir reden, könnten Sie sich bitte zum Beginn kurz vorstellen?

Wolfgang Baasch: Mein Name ist Wolfgang Baasch. Ich bin Lübecker Landtagsabgeordneter der SPD für den Wahlkreis Lübeck Süd. Der Wahlkreis ist zu dieser Wahl neu aufgestellt worden. Dazu gehören die Altstadt, St. Jürgen und Moisling und damit auch alle drei Lübecker Hochschulen. Diese prägen natürlich auch den gesamten Wahlkreis und damit meine politische Arbeit hier in Lübeck. Ich setze mich immer wieder für Aktivitäten an den Hochschulen ein, bin aber in der SPD-Landtagsfraktion als sozialpolitischer Sprecher zuständig für die Sozialpolitik. Dazu gehört die Gesundheitspolitik und damit das UKSH. Des Weiteren bin ich Sprecher für die Belange von Menschen mit Behinderung und die Arbeitsmarktpolitik. Ich bin ausgebildeter Erzieher und habe lange in einer Schule für Menschen mit geistiger Behinderung gearbeitet – heute ist das ein Förderzentrum G. Ich habe mich immer für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung eingesetzt, sodass diese auch den Zugang zum politischen Leben finden.

PACK: Wenn Sie auf die letzten 5 Jahre zurückblicken: Was würden Sie als den größten Erfolg bezeichnen und gab es Rückschläge für Schleswig-Holstein?

Baasch: Der größte Erfolg ist immer schwierig, aber was ich als besonders erfolgreich empfinde, ist der Masterplan zur Strukturänderung des UKSH vor allem am Standort Lübeck. Zweitens haben wir eine stärkere Förderung in der Familienpolitik organisiert. Das Krippengeld wird es jungen Familien ermöglichen, ihre Kinder in einer Krippe bzw. in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Das ist ein altes Ziel: Bildung sollte kostenfrei sein. Das gilt nicht nur für Universitäten, Kindertagesstätten und Krippen, sondern für alle Bildungseinrichtungen. Finanzielle Hürden abzubauen, ist dabei der richtige Weg, und dass uns das gelungen ist, ist ein wichtiger Punkt. Das sind die zwei Schlaglichter, die ich da nennen würde. Was vielleicht nicht so gut gelaufen ist, das ist die Entwicklung der HSH-Nordbank. Über der finanziellen Situation des Landes hängt immer noch das Damoklesschwert der Landesbank, was eine riesige Belastung für das Land Schleswig-Holstein und seine Bürger sein kann. Dies muss von allen Parlamentariern und der Landesregierung getragen werden.

PACK: Sie haben die Finanzen erwähnt – nicht nur in der Familienpolitik und der Bildung, sondern auch der HSH-Nordbank. Stellen Sie sich vor das Land Schleswig-Holstein hätte 5 Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Was würden Sie mit diesem Geld fördern?

Baasch: Ich persönlich?

PACK: Sie als Abgeordneter.

Baasch: Da fängt es schon an. Also ich würde das gesamte Geld in die soziale Infrastruktur stecken. Kindertagesstätten gebührenfrei machen, in der Ausbildung von sozialen Berufen – Pflegekräften, Erziehern und so weiter – Anreize schaffen, sodass mehr junge Menschen in diese viel Engagement fordernden Berufe gehen wollen. Dass wir Menschen mit Behinderungen in ihren Lebenssituationen fördern können. Die Wahrscheinlichkeit, 5 Milliarden alleine verteilen zu können, ist natürlich sehr gering. Da werden sicherlich auch einige sagen, dass wir Geld brauchen, um Schulden zurückzuzahlen, Brücken und Autobahnen zu bauen, die Landwirtschaft zu fördern, um den Milchpreis stabil zu halten. Da wird es viele Begehrlichkeiten geben, aber die Haushaltsentwicklung in Schleswig-Holstein ist im Moment so, dass wir keine Sparpolitik fahren müssen. Wir können die Schulden ganz planmäßig zurückzahlen, sodass wir 2020 die Schuldenbremse einhalten werden. Dazu sind wir in der Lage, soziale und Infrastrukturprojekte zu fördern. Das Kabinett hat vor kurzem beschlossen, über 150 Millionen Euro in den Ausbau der Krankenhäuser zu investieren. Das sind natürlich Zeichen dafür, dass die Haushalte im Moment so aufgestellt sind, dass wir vieles leisten können, was in der Vergangenheit vernachlässigt wurde.

PACK: Wenn wir uns die Aufstellung der SPD anschauen, sehen wir überall den Spruch “Mehr Gerechtigkeit für Alle!”. Was soll das bedeuten? Das könnte sich doch jede Partei auf die Plakate schreiben?

Baasch: Die SPD steht für die soziale Gerechtigkeit. Das ist unsere Überschrift und mehr “Gerechtigkeit für Alle!” impliziert genau diese soziale Komponente. Sicherlich können das viele andere Parteien auch sagen, aber das tun sie nicht. Teilweise wollen sie es einfach auch nicht. Deshalb stehen wir ja auch im Wettbewerb. Es ist nicht alles das Gleiche. Ich glaube, dass die SPD mit dem Kernmerkmal soziale Gerechtigkeit richtig steht.

PACK: Fassen Sie Ihr Wahlprogramm in drei Stichpunkten zusammen!

Baasch: Auch dort ist es wieder gesteuert von den Sozialpolitikern. Da haben wir die Verbesserungen in den Kindertagesstätten. Qualitativer und quantitativer Ausbau der Kinderbetreuung und der Schritt zur Gebührenfreiheit. Im Pflegebereich müssen wir die Pflegenden stärken und unterstützen und eine Pflegeberufekammer einrichten. Wir müssen Anreize schaffen, indem wir den Beruf aufwerten, dass Menschen in der Lage sind, diesen Beruf lange und in hoher Qualität auszuführen. Der dritte Bereich ist für mich die Strukturstärkung – auch in Lübeck. Dazu gehören bei uns die Ausweitung der kulturellen Komponenten der Kulturstadt Lübeck – von der Musikhochschule zur MuK. Das sollte im Mittelpunkt stehen. Zumindest aus der Sicht des Lübecker Abgeordneten und Sozialpolitikers.

Die Schleswig-Holsteiner haben die Wahl: Wer wird der nächste Ministerpräsident?Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Schleswig-Holsteiner haben die Wahl: Wer wird der nächste Ministerpräsident?

PACK: In der laufenden Wahlperiode wollten die Piraten initiieren, den Tag des Grundgesetzes zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären. Dies wurde ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Im Parteiprogramm der SPD wird jetzt ein weiterer Feiertag gefordert. Warum nicht der Tag des Grundgesetzes?

Baasch: Die Vorschläge von Oppositionsparteien haben immer ihre Vor- und Nachteile. Eine Oppositionspartei schlägt ja nicht unbedingt etwas vor, weil sie dieses Anliegen durchbringen wollen, sondern weil sie Diskussionen anregen und auf Widersprüche aufmerksam machen wollen. Wir selbst haben lange diskutiert und finden es richtig, einen weiteren Feiertag einzurichten. Das liegt auch daran, dass wir einen Feiertag verloren haben. In der Diskussion um die Pflegeversicherung wurden bei der Teilhabe auf Drängen der Wirtschaftsverbände der Buß- und Bettag abgeschafft. Diesen Kompromiss fand ich nicht gut. Ein zusätzlicher Feiertag wäre in diesem Fall mehr als eine Kompensation. In 2017 haben wir mit dem Reformationstag einen zusätzlichen bundesweiten Feiertag. Mir wäre es lieber, wenn es mehr bundeseinheitliche Feiertage geben würde. Ich persönlich finde den Reformationstag genauso gut, wie andere Feiertage. Das kann auch der Tag des Grundgesetzes sein. Darüber muss aber ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess stattfinden. Persönlich habe ich mich aufgrund unserer jüdischen und muslimischen Minderheiten immer für einen jüdischen oder muslimischen Festtag ausgesprochen. Diese Diskussion muss man zumindest einmal führen. Der SSW hat den Tag der Landesverfassung vorgeschlagen – auch ein interessanter Vorschlag. In der nächsten Legislaturperiode sollte dieser Diskurs auf jeden Fall zügig vorangetrieben werden.

PACK: Ein weiterer Punkt im Wahlprogramm ist das Thema Abschiebungen beziehungsweise Abschiebestopp: Ihre Regierung hat Abschiebungen nach Afghanistan aus humanitären Gründen gestoppt, allerdings sind verurteilte Straftäter und Gefährder ausgenommen. Verstößt das nicht gegen Artikel 1 des Grundgesetzes?

Baasch: Eine schwierige Frage. Erst einmal: Bei allen Abschiebungen gilt vor allem das individuelle Recht. Das steht auch einem vermeintlichen Gefährder und einem verurteilten Straftäter zu. Gleichwohl glaube ich, dass Menschen, die hier straftätig geworden sind oder wie auch immer als mögliche Gefährder erkannt werden, abgeschoben werden können. Aber dass gerade Schleswig-Holstein die Abschiebungen gestoppt hat, halte ich für einen wichtigen Schritt. Mir kann keiner erklären, warum um diese geringe Personenzahl ein derartiger Medienhype gemacht wird. In den letzten Monaten sind 100 Menschen in 4 Maschinen nach Afghanistan abgeschoben worden. Schleswig-Holstein ist da im Schnitt mit drei bis fünf Prozent dabei. Das bedeutet, drei bis fünf Personen aus Schleswig-Holstein sind dabei. Das belastet weder Schleswig-Holstein noch Deutschland. Warum müssen gerade diese 100 Menschen abgeschoben werden? Wieso sagen wir nicht: Wir haben begriffen, dass Afghanistan kein sicheres Land ist. In Kabul kann man vielleicht an der ein oder anderen Stelle recht sicher leben, aber auch nur dann, wenn ich zu speziellen Volksgruppen in Afghanistan gehöre. Ich kann nicht erkennen, warum man das Geld, das für die 100 Abschiebungen genutzt wird, nicht für die Integration dieser selben 100 nutzen könnte? Eine Diskussion über Sammel- und Massenabschiebungen sind doch irre, wenn es um 100 Menschen in den letzten Monaten geht. Ich halte diese Diskussion für sehr populistisch und aufgebauscht und nicht mit dem Ziel der Integration vereinbar. Das ärgert mich. Die Politik müsste da eindeutiger sein und ich bin froh, dass unsere Landesregierung und auch die Mehrheit des Parlaments zu der Politik der Überlegtheit steht und nicht in eine Lautsprechermentalität verfällt.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht: „Wir bekennen uns nach wie vor dazu, dass Integration am besten in dezentraler Unterbringung gelingt. Deshalb sollen bei der Integration hinderliche Einrichtungen mit vielen Geflüchteten an einem Ort vermieden werden. Damit wollen wir besonders das ehrenamtliche Engagement fördern.“. Wie hängt das beides zusammen?

Baasch: Die dezentrale Unterbringung bedeutet natürlich, dass Menschen aus komplett anderen Kulturkreisen in eine sozial-räumliche Umgebung eintreten können. Wer kann besser die Menschen aufnehmen, sich um sie kümmern, ihnen Angebote machen und sehen, welche Hilfe vor Ort nötig ist? Die Menschen aus der Nachbarschaft. Deshalb glaube ich, dass die dezentrale Unterbringung sehr zielführend ist. Darüber haben wir ja auch in Lübeck – teilweise sehr heftig – diskutiert. Vor allem über die Größenordnungen, in denen Menschen untergebracht werden sollen. Da muss man jedoch sagen, dass es 2016, als so viele Menschen bei uns ankamen, nötig war, schnell Unterbringungen zu schaffen und den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben und natürlich auch schnell Hilfe zu leisten. In Lübeck zumindest wurden nun auch größere Unterkünfte ermöglicht und eine Betreuung über Vereine und Ehrenämtler konnte realisiert werden. Von daher glaube ich, dass das der richtige Weg ist. Wir müssen dafür aber auch Grundlagen für die Ehrenämtler schaffen, damit diese diesen Prozess auch durchhalten können. Viele kommen bei all dem Engagement an ihre Grenzen. Viele müssen ohne oder nur mit mangelnder professioneller Unterstützung auskommen. Da muss man neben der dezentralen Unterbringung auch darauf achten, dass man die Ehrenämtler stärkt und besonders wertschätzt.

Das StudentenPACK hat Wolfgang Baasch im Dr.-Julius-Leber-Haus in Lübeck getroffen.Carlotta Derad | StudentenPACK.

Das StudentenPACK hat Wolfgang Baasch im Dr.-Julius-Leber-Haus in Lübeck getroffen.

PACK: Nicht nur für Geflüchtete ist ausreichender und bezahlbarer Wohnraum ein Problem, sondern auch für Studierende, Auszubildende und Ältere. Wie und in welchem Zeitraum möchten Sie in Schleswig-Holstein bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen?

Baasch: Wir wollen versuchen, 5000 sozial geförderte Wohnungen pro Jahr zu schaffen. In Lübeck sind die Voraussetzungen dafür gut, weil Lübeck seine städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht verkauft hat. In Lübeck gibt es die “Trave” und einige Wohnungsbaugenossenschaften, die einen sehr verantwortlichen sozialen Wohnungsbau betreiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass der soziale Wohnungsbau in Lübeck gut gefördert werden kann. Das Problem ist dabei möglicherweise, die Flächen für solche Projekte zu finden und zur Verfügung zu stellen. Da müssen Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften Hand in Hand arbeiten. An den Fördermitteln darf es dabei nicht scheitern. Wir wollen die soziale Wohnraumförderung ausbauen. Zum anderen werden natürlich für Studierende auch ganz andere Anforderungen gestellt. Man braucht eine Wohnung ja nur für die Zeit des Studierens in Lübeck. Diese Problematik muss in Kiel und Lübeck wahrscheinlich am nötigsten gefördert werden. Dafür will die SPD auch die notwendigen Fördermittel zur Verfügung stellen. Ich glaube aber auch, dass sich dieser Aufgabe die die Stadt Lübeck annehmen muss.

PACK: Von studentischen Wohnung zur Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Baasch: (lacht) Wenn ich die Hochschulen frage, sagen die alle “Nein”. Ich weiß, dass wir in Schleswig-Holstein viel getan haben, damit sich die Hochschulen entwickeln können. Wenn ich eine Rückmeldung von den Universitäten bekomme, ist auf jeden Fall die Forderung nach mehr da, aber wenn ich an das neue Zentrum (CBBM), was ich im Entstehungsprozess gesehen habe, oder an das Fraunhofer Institut denke, macht mir das deutlich, dass an unserem Hochschulstandort etwas passiert. Dann kann es bei uns nicht so unattraktiv sein.

PACK: Schauen wir auf das UKSH, welches nicht nur Arbeitgeber für Studierende ist, sondern von dem wir auch Jahr für Jahr hören dürfen, dass es rote Zahlen schreibt und dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass Gesundheitsversorgung ein Verlustgeschäft ist und man das akzeptieren sollte?

Baasch: Diese Denkweise könnte man als Ansatz für eine Diskussion auf jeden Fall gebrauchen. Das Problem ist: So funktioniert es leider nicht. Wenn ich mir das Gesundheitssystem Schleswig-Holsteins ansehe, dann habe ich das Universitätsklinikum, welches als Maximalversorger die Gesundheitsversorgung in einer hohen Qualität anbietet und andere private Krankenhäuser, die es schaffen 16 Prozent Rendite zu erwirtschaften. Auch das sind regionale Versorger, die wirklich viel Geld mit dem Gesundheitssystem verdienen. Das ist nicht immer ein Zuschussgeschäft. Aber das Universitätsklinikum kann sich nicht nur die profitablen Zweige der Medizin heraussuchen, sondern muss den Anspruch haben, in allen medizinischen Bereichen hochwertige und exzellente Leistungen zu vollbringen. Deswegen ist die Frage, ob ein Universitätsklinikum schwarze Zahlen schreiben muss, berechtigt. Doch auch dort sollte der Anspruch genau darin liegen. Dabei muss die Versorgung und die Wirtschaft in Balance gebracht werden. Das ist gerade im Gesundheitswesen sehr schwierig. Man sollte sich die Strukturen der Kliniken ansehen. Wir wissen alle, dass es Privatpatienten gibt, die anders behandelt werden als Kassenpatienten und Professoren bestimmte Strukturen haben, um Betten vorhalten zu dürfen. Wenn wir das alles auf dem Prüfstand stellen, könnte auch ein Universitätsklinikum anders aufgestellt sein. Das sollte man sich auf Dauer vornehmen. An einem über Jahrzehnte gewachsenen Klinikum wie in Lübeck sollte man die räumliche Strukturen und neuen Angebote im Laufe der Umbaumaßnahmen für neue finanzielle und wirtschaftliche Wege nutzen.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Baasch: Rot. Mit einem bisschen grün und einem bisschen blau.

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Lars Harms ist der Spitzenkandidat des SSW zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Lars Harms ist der Spitzenkandidat des SSW zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich zum Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Lars Harms: Ich bin Lars Harms, 52 Jahre alt, habe sechs Kinder, komme aus Husum. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Mein Studium und einen Teil meines Berufslebens habe ich dann weiter weg verbracht und bin jetzt wieder zurück in Husum. Ich bin von meiner Ausbildung her Betriebswirt, habe jahrelang im Tourismus gearbeitet. Mich verschlug es im Jahr 2000 in den Landtag. Seitdem bin ich Landtagsabgeordneter. Früher war ich Gemeindevertreter und auch Kreistagsabgeordneter. War für den SSW schon in allen Bereichen mal zuständig. Zurzeit ist es Finanzen und Innen und Recht. Weil in den beiden Ausschüssen alles, was mit Geld und Gesetzen zu tun hat, zusammenläuft. Das ist für einen Fraktionsvorsitzenden eine ideale Geschichte. So kriegt man jede Information und kann entsprechend auch seine Duftmarken setzen.

PACK: Was würden Sie als den größten Erfolg in den letzten fünf Jahren bezeichnen?

Harms: Es gibt so viele Erfolge. Einer der größten war, dass wir die Lehrerausbildung neu organisiert haben. Das ist ein Thema, das die Kieler und Flensburger betrifft. Wir konnten den Stellenabbau der ehemaligen Koalition aus CDU und FDP stoppen und haben jetzt zumindest wieder so viele Lehrer wie vor der Wahlperiode. Ich glaube, das war so ein richtiges Highlight. Wir haben dann noch die Flüchtlingskrise – oder auch eine Flüchtlingsherausforderung, wie ich lieber sagen will – bewältigen müssen. Das heißt wir haben 34.000 Menschen im Jahr 2015 neu zu uns bekommen. Das hört sich erstmal wenig an. Wenn man aber keine Infrastruktur hat und es gewohnt ist mit 5000 Menschen auszukommen, dann ist das schon eine Herausforderung, die wir hatten. Und das hat uns in Spitzenzeiten bis zu 900 Millionen Euro gekostet und das schüttelt man sich nicht so leicht aus den Ärmeln. Auch das war ein riesen Erfolg dieser Koalition.

PACK: Und was hat sich verschlechtert? Was würden Sie in der nächsten Legislaturperiode verändern wollen?

Harms: Also einen Politiker, der regiert, zu fragen, was sich verschlechtert hat, ist schwierig. Da muss ich ja sagen, dass sich nichts verschlechtert hat. Sagen wir es mal anders rum. Wir haben natürlich immer noch Herausforderungen. Wir haben es noch nicht geschafft, dass Bildung vom ersten bis zum letzten Jahr sozusagen kostenlos ist. Es fängt also in der Kita an und soll aber auch in der Hochschule aufhören. Wir sind der Auffassung, dass da noch viel getan werden muss. Wir haben mit dem Kitageld begonnen, sehen aber, dass da noch unendlich viel gemacht werden muss, bis wir es geschafft haben, die Kindertagesstätten kostenlos zu haben. In den Schulen gilt immer noch offiziell die Lehrmittelfreiheit, trotzdem gibt es noch viele Kosten zum Beispiel für Ausflüge, die von den Eltern getragen werden müssen. Das geht dann schon ans Geld. Bei den Hochschulen haben wir das Problem, dass Menschen, die studieren, auf BAföG angewiesen sind und die Hälfe des BAföGs muss dann wieder zurückgezahlt werden. Wenn man überhaupt welches erhält. Mit skandinavischen Augen gesehen ist das eine reine Katastrophe. In Skandinavien ist die staatliche Unterstützung kostenlos und sie muss auch nicht zurückgezahlt werden. Von daher haben wir, finde ich, riesige Aufgaben zu bewältigen.

PACK: Man ist sich in einer Koalition nicht immer einig. Sehen Sie denn Ideen und Handlungen der anderen Parteien als kritisch an?

Harms: Es ist immer so, deswegen sind wir ja auch andere Parteien. Auch wenn wir uns miteinander wohlfühlen. Bei SPD, Grünen und SSW ist es schon so, dass wir in Nuancen unterschiedliche Auffassungen haben. Beispiel Kindergärten: SPD will schnelle Kostenfreiheit, die Grünen setzen auf Qualität und wir beim SSW hängen zwischen Baum und Borke. Wir wollen sowohl die Eltern entlasten, weil es Eltern in Einkommensgruppen gibt, die es wirklich schwer haben, das Geld aufzutreiben. Das sind dann teilweise 500 Euro im Monat. Die haut sich auch ein Facharbeiter nicht so einfach mal raus. Da können wir uns in der Mitte treffen, indem wir beispielsweise schrittweise die Qualität erhöhen und diejenigen entlasten, die es am allernötigsten haben. Das ist erst ein Punkt. Es geht weiter in den Schulen und Hochschulen, wo wir Behinderte und Geflüchtete integrieren, aber gleichzeitig die Unterrichtsversorgung sicherstellen müssen. Das sind alles Herausforderungen, die man bewältigen muss und die Geld kosten. Aber da sind wir uns zu einem großen Teil einig.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land 5 Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche drei Projekte würden Sie mit dem Geld fördern?

Harms: Ich muss erstmal drüber nachdenken. Mit Sicherheit bei 5 Milliarden Euro sofort sämtliche Bildungsgänge, die wir zu beeinflussen haben, vornehmlich Kindergärten und Schulen sofort kostenlos zu machen. Ich würde sehr viel von dem Geld in den Wohnungsbau stecken wollen, weil da haben wir sehr große Probleme, insbesondere was ältere Menschen, Studierende und Auszubildende angeht. Aber auch sozial Schwache haben es besonders schwer am Wohnungsmarkt bestehen zu können. Da müssen wir was tun. Ich würde mit Sicherheit auch die Verkehrs- und Breitbandinfrastuktur fördern. Beim Breitband haben wir schon viel gemacht und sind in Deutschland führend. 25 Prozent sind zwar nicht viel, aber wesentlich mehr als alle anderen Bundesländer bisher geschafft haben. Der Straßenbau ist eine Herausforderung. Da hat man in den letzten Jahren sehr wenig für den Erhalt und Ausbau des Wegenetzes getan.

Lars Harms ist Spitzenkandidat einer Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht fürchten muss.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Lars Harms ist Spitzenkandidat einer Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht fürchten muss.

PACK: Fassen Sie Ihr Wahlprogramm in drei Stichpunkten zusammen!

Harms: Sachlich, sozial, wirklichkeitsnah! Auch das ist wie man SSW auch abkürzen könnte. Ich glaube, wir haben eine sehr starke soziale Ader und orientieren uns dabei an Skandinavien. Also, dass der Staat verantwortlich ist, Grundlagen zu schaffen, damit die Gesellschaft funktioniert. Das kann der Markt nicht richten. Das unterscheidet uns von den anderen Parteien. Und wir sind eine Minderheitenpartei und vertreten die dänische und friesische Minderheit. Und das ist der Markenkern des SSW und das wird er auch auf ewige Zeiten bleiben. Trotzdem, wer unsere Politik gut findet, wer skandinavisch orientierte Politik gut findet, der hat auch eine Heimat im SSW.

PACK: Die Piraten wollten initiieren, den Tag des Grundgesetzes zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären. Dies wurde ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Wieso sollte nicht der Tag des Grundgesetzes zum Feiertag werden?

Harms: Erstmal muss man sagen die Piraten sind auf andere Vorschläge aufgesprungen. Es gibt den Vorschlag der Kirchen und Gewerkschaften, den Reformationstag dauerhaft als Feiertag einzurichten. Es gab dann von unserer Seite aus den Vorschlag, nicht mit dem Reformationstag wieder einen kirchlichen, sondern einen weltlichen, gesellschaftlichen Feiertag einzurichten. Wir haben gesagt, dass wir einen Tag der Landesverfassung einrichten wollen. Dort sind sowohl die Rechte des Grundgesetzes als auch landesspezifische Rechte niedergelegt. Das haben wir angestoßen. Da wollen wir drüber diskutieren und es in der nächsten Wahlperiode schaffen. Im Gegensatz zu Bayern haben wir nämlich sehr wenige Feiertage. Ich fände es gut, wenn wir einen weltlichen Feiertag nehmen würden. Wenn man dann unseren Tag der Landesverfassung oder den Geburtstag des Landes Schleswig-Holsteins im Dezember. Oder ob man wie in den Skandinavischen Ländern den Tag der Befreiung nutzt. Also sprich den 5. Mai, als man in Norddeutschland kapituliert hat, oder den 8. Mai, als in Gesamtdeutschland wieder Frieden herrschte. Das sind alles Tage, mit denen ich sehr gut leben könnte. Das sind alles Tage, die eine besondere Bedeutung für das Land haben. Ich glaube ein Tag des Grundgesetzes wäre es wert als gesamtdeutscher Feiertag begangen zu werden.

PACK: Jede Partei möchte das Ehrenamt stärken. Wie möchten Sie konkret und besser als die anderen das soziale Engagement stärken?

Harms: Wir haben erstmal am Anfang der Wahlperiode die Ehrenamtskarte ausgeweitet und leichter zugänglich gemacht. Es gibt ein paar Freibeträge für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und da einen kleinen Groschen kriegen. Das ist Steuerrecht und wird vorgeblich auf Bundesebene gemacht. Allerdings mindert das auch unsere Steuereinnahmen und wir mussten dementsprechend zustimmen, was wir auch gerne getan haben. Ich glaube aber auch, dass man mehr darauf achten und mehr darauf werben sollte, überhaupt Ehrenamt zu erhalten. Weil ich glaub auch vielen Arbeitgebern ist es auch noch schwer mittelbar, dass Leute beispielsweise bei der freiwilligen Feuerwehr sind. Man findet das natürlich gut, aber wenn derjenige dann ausrückt zu einem Einsatz, dann behindert das schon betriebliche Abläufe und dann ist der Arbeitgeber doch nicht mehr so ganz begeistert. Dafür immer wieder zu werben, ist das wichtigste. Das ist wichtiger als die rechtliche Regelung. Da gibt es ohne Frage immer noch was zu tun, aber wir müssen das Ehrenamt in den Herzen verankern. Das ist das viel Wichtigere.

PACK: Als Studentenzeitung interessiert uns die Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Harms: Für ausreichend finanziert mit Sicherheit, weil wir mit den Hochschulen gerade Ziel-und Leistungsvereinbarungen abgeschlossen haben, um deren Haushalte entsprechend abzusichern. Da haben wir auch von den Hochschulen logischerweise, wenn man einen Vertrag abschließt, auch die Rückmeldung, dass das funktioniert. Wir haben dann auch die Exzellenzförderung einwerben können. Die Frage ist immer, ob und was man noch obendrauf packen kann. Da muss man mit Sicherheit drüber diskutieren, ob man bestimmte Bereiche fördern kann. Beispielsweise in Lübeck wie in Kiel die medizinische Forschung und die Arztausbildung, was der größte Kostenpunkt ist. Ein Mediziner ist etwa viermal so teuer wie ein BWLer. Trotzdem muss man das aufrechterhalten können, denn da sind wir gut drin und führen. Entsprechend muss man auch schauen, wie man die Infrastruktur führt. Da sind wir gerade in Lübeck dabei bauliche Maßnahmen durchzuführen – zusammen mit dem UKSH. Da lässt sich im Einzelfall auch sehr viel noch machen. Die Vereinbarungen werden regelmäßig überarbeitet. Das gilt aber nicht nur für Lübeck und Kiel, sondern auch für andere Hochschulen.

PACK: Welche hochschulpolitischen Akzente wollen Sie in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Harms: Wir haben natürlich in dieser Wahlperiode begonnen, die sprachlichen Studiengänge noch besser zu unterstützen. Wir haben jetzt nach 30 Jahren wieder eine Professur für Friesisch und in Kiel und Flensburg Dänischlehrstühle. Da legen wir schon sehr viel Wert drauf, dass regionale und Minderheitensprachen unterstützt werden und dass man ein eigenes Profil hat. Dass wir die schleswig-holsteinischen Spezifika herausstellen. Wir sind stark in der Klimaforschung, in den erneuerbaren Energien und der medizinischen Forschung. Wir haben da schon ein paar Schmankerl. Das müssen wir weiter stärken. Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.

„Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.“Magnus Bender | StudentenPACK.

„Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.“

PACK: Wie und in welchem Zeitraum möchten Sie in Schleswig-Holstein bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen?

Harms: In dem Bereich haben wir richtig große Herausforderungen. In den Universitäts- und Fachhochschulstädten ist es tatsächlich so, dass Wohnungen für Studierende schwierig zu finden sind. Auch die Älteren zieht es in die Städte, weil da die Versorgung besser zu bewerkstelligen ist. Wir wissen, dass wir in den nächsten drei Jahren wesentlich mehr Wohnungen brauchen als eigentlich bisher geplant sind. Das kann man ungefähr abschätzen. Es werden jährlich 10.000 Wohnungen geschaffen. Wir brauchen eigentlich noch 2000 Wohnungen mehr in diesen zwei Jahren. Das wird, staatlich gefördert, schwierig werden. Wir fordern, dass noch mindestens 5000 staatlich gefördert werden müssen und mit einer Sozialbindung versehen auch gebaut werden. Dafür wollen wir mindestens 10 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen, um ein großes Förderprogramm auf die Beine zu stellen. Das heißt, es muss kurzfristig 2018/19 laufen. Wir stellen uns vor, dass es klüger ist, sogenannte verlorene Zuschüsse zu geben. Bisher hat man günstige Kredite vergeben, aber auf dem Kreditmarkt ist es mittlerweile so günstig, dass es nicht mehr ins Gewicht fällt. Wir haben jetzt zum ersten Mal 34 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um pro Quadratmeter eine Förderung von 250 Euro zu stellen. Das wird auch sehr gut angenommen. Wenn man sich eine 100 Quadratmeter große Wohnung vorstellt, sind das 25.000 Euro. Da kann man also günstig Wohnraum schaffen. Und wenn man das an spezifischen Orten macht, wo die Wohnungsnot am größten ist, dann kann man sehr kurzfristig sehr schnell viel generieren und wir erhoffen uns insbesondere, dass die Baugenossenschaften uns dabei stark unterstützen. Bei Studierenden, die nur auf sich selbst gestellt sind, oder für Studierende aus dem Ausland, die kurzfristig versuchen, eine Wohnung zu bekommen, ist das eine Chance unterzukommen. Wir haben natürlich auch losgelöst von den Studierenden Leute, die im Arbeitsleben stehen, die Schwierigkeiten haben, insbesondere Leute, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Da müssen wir was tun. Regelmäßig sind das auch kleine Wohnungen – nicht nur die Dreizimmerwohnungen. Die Alleinerziehende mit Kind, die nur halbtags arbeiten kann, solche Menschen fallen alle in diesen Bereich. Da muss einfach mehr getan werden! Für Leute wie mich muss man keine Wohnung bauen. Ich komme alleine zurecht. Es gibt aber genügend Menschen, die diese Unterstützung brauchen. Deswegen müssen wir da unser Augenmerk draufsetzen.

PACK: Wie wollen Sie die geschlechtliche Gleichberechtigung am Arbeitsplatz umsetzten?

Harms: Vorausgeschickt für mich spielt die sexuelle Orientierung keine Rolle im Zugang zu was auch immer. Menschen sind gleichberechtigt. Auch das Geschlecht spielt für mich keine Rolle. Jeder soll Zugang zu allem haben. Wir sind auch für die Ehe für alle und keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Das macht das Leben auch einfacher. Gleichberechtigung hat für uns einen hohen Stellenwert. Das ist auch die skandinavische Inspiration, die da herausragt. Vor dem Hintergrund: Wir haben natürlich das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das ist relativ neu, und da sind auch sehr viele gesetzliche Regelungen und wir sind da sehr detailliert. Wir setzen da voraus, dass der Mensch erstens feststellt, dass er ungerecht behandelt wird, und dann auch dagegen rechtlich vorgeht, was auch nicht jeder will. Die Voraussetzungen dahingehend sind gut, aber wir müssen dafür werben, dass sowohl gleichgeschlechtliche Partnerschaften, als auch die unterschiedlichen Geschlechter gleichberechtigt sind. Das machen wir, indem wir Gleichstellungsbeauftragte auf kommunaler Ebene und in den Unternehmen haben. Auf kommunaler Eben ist das auch vorgeschrieben. Wir haben da auch das einwohnerzahlmäßige Quorum etwas heruntergesetzt. Wir wollen auch, dass sie das haupt- und nicht nebenamtlich machen und wir glauben auch, dass man in der Schule, am liebsten sogar im Kindergarten, anfangen muss, darüber zu informieren, dass es mehr als nur Mama und Papa in verschiedenen Geschlechtern gibt, sondern, dass das Leben ein bisschen bunter ist. Nicht im Sinne davon, dass man dafür wirbt, sondern im Sinne von, dass man darüber sachlich aufklärt, dass das nichts merkwürdiges, schlimmes oder unnormales ist, wenn es gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt, oder Frauen in Männerberufen und Männer in Frauenberufen sind. Eine Frau kann genauso Kranführerin sein wie ein Mann Kindergärtner. Ich würde mich sogar freuen, wenn es mehr männliches Kindergartenpersonal geben würde. Das wäre auch für die Kinder eine tolle Sache.

Das StudentenPACK hat Lars Harms für das Interview in Kiel besucht.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Das StudentenPACK hat Lars Harms für das Interview in Kiel besucht.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass der Aspekt der “guten Arbeit” berücksichtigt werden soll. Was sollen wir darunter verstehen und wie genau soll sie berücksichtigt werden?

Harms: Kurz gesprochen: Gute Arbeit ist Arbeit, von der man auch leben kann. Da gibt es zwei große Ansätze. Das eine ist, dass man durch Werkverträge oder Leiharbeit immer die Sorge haben muss, dass nach kurzer Zeit der Werkvertrag endet oder der Leiharbeitsvertrag beendet wird. Das führt dazu, dass ein Mitarbeiter nicht in der Lage ist, längerfristig zu planen, weil er immer wieder damit rechnen muss, nach der Leiharbeit in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Da wollen wir versuchen, Leiharbeit nur noch in den Spitzenzeiten zuzulassen. Also wenn ein Unternehmen wirklich Menschen braucht, weil es zum Beispiel einen besonderen Auftrag bekommen hat und den abarbeiten muss. Und, dass Leute, die einer Stammbelegschaft angehören, wie die Stammbelegschaft angestellt werden. Das hat manchmal auch lohnmäßige Auswirkungen, weil meistens die Stammbelegschaft mehr Geld als ein Leiharbeiter bekommt. Der andere Punkt ist, dass bei öffentlichen Ausschreibungen auch ein fairer Lohn gezahlt werden muss. Wir schreiben auch als Staat aus und da ist es oftmals so, dass kein fairer Lohn gezahlt wird. Wir haben einen Mindestlohn von 8,88 Euro pro Stunde. Netto macht das etwa 900 Euro, das ist so knapp über Hartz IV, damit kann man als Einzelperson einigermaßen durch das Leben vegetieren. Aber mit einer Familie wird das schon schwieriger. Sodass wir versuchen, den Leuten da einen vernünftigen Lohn zu bezahlen. Das heißt bei uns in öffentlichen Ausschreibungen ist der Mindestlohn bei 9,99 Euro. Das sind schon fast 200 Euro mehr in der Kasse. An solchen Dingen orientieren wir uns. Wir wollen damit nicht die Wirtschaft reglementieren, aber dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die sich am Markt nicht so gut verkaufen können, durch den Staat die Hilfestellung bekommen und damit einen vernünftigen Lohn kriegen.

PACK: Jahr für Jahr dürfen wir uns anhören, dass das UKSH rote Zahlen schreibt und dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass Gesundheitsversorgung ein Verlustgeschäft ist und man das akzeptieren sollte?

Harms: Das Schöne ist ja, ich war kürzlich auf einer Veranstaltung des UKSH und Herr Scholz als Vorsitzender hat dort verkündet, dass das UKSH ab 2018 schwarze Zahlen schreibt. Wenn man den baulichen Masterplan rausrechnet, schriebe das UKSH nur durch die geleistete Arbeit schwarze Zahlen. Trotzdem hat das UKSH fast eine Milliarde Euro Schulden. Da müssen wir uns als Land darüber unterhalten – wir sind ohnehin Gewährträger des UKSH – ob wir das UKSH da entlasten können, indem wir beispielsweise die Schulden übernehmen. Ich wäre für eine solche Diskussion offen, dadurch würde sich die Finanzsituation des UKSH schlagartig verbessern, da es dann die Zinsen und Tilgung nicht mehr leisten muss. Das würde Spielräume für das dort tätige Personal eröffnen. Damit es auch besser unterstützt werden kann. Es wäre wichtig gerade für die Pflegenden, die in diesen Bereichen tätig sind, dass mehr Personal eingestellt wird. Also dass das UKSH uns, wenn wir die Schulden übernehmen, ein bisschen entgegen kommt. Denn die Bediensteten im Pflegebereich machen einen echt harten Job. Wenn man da sich auf etwas einigen kann, könnte man das UKSH sehr gut unterstützen.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Harms: In 2022 haben wir 100 Prozent Unterrichtsversorgung, das heißt an den Schulen fällt nichts mehr aus. Wir haben bis dahin die innere Sicherheit verbessert, sodass wir 500 Polizisten pro Jahr mehr ausgebildet haben und in unserem Polizeisystem untergebracht haben, sodass wir in der Lage sind, die großen Verbrecher besser zu fangen als zurzeit. Wir werden bis dahin auch sehen können, dass dieses Land mehrsprachig ist. Wer in den Norden fährt, wird anhand der zweisprachigen Beschilderung mancherorts sehen können, dass Schleswig-Holstein mehr ist als ein rein norddeutsches Bundesland, ein vielfältiges Bundesland. Wir werden den Nachweis erbracht haben, dass wir weit mehr Flüchtlinge in Arbeit, Lohn und Brot gebracht haben, als man es uns zugetraut hat. Im Übrigen, jetzt sind das schon zehn Prozent, was ich total überraschend finde. Denn das sind Menschen, die aus Kulturkreisen kommen, wo es keine duale Ausbildung gibt, die ihr Studium haben abbrechen müssen, die vielleicht auch ihre Ausbildung nicht anerkannt bekommen haben. Das kriegen wir hin bis 2022 und dann stellen wir uns wieder der Wahl. Ich hoffe doch sehr, dass Schleswig-Holstein skandinavischer sein wird. Das ist die ständige Aufgabe des SSW, es skandinavischer zu machen. Ich glaube, wir profitieren davon. Man muss nicht immer alles übernehmen, aber es gibt viele gute Dinge, die man übernehmen kann. Wenn wir das tun, hat Schleswig-Holstein einen eigenen, prägenden Charakter.

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„Es lohnt sich dieses Mal absolut, CDU zu wählen“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/es-lohnt-sich-dieses-mal-absolut-cdu-zu-waehlen2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/es-lohnt-sich-dieses-mal-absolut-cdu-zu-waehlen2/#respond Thu, 20 Apr 2017 04:00:23 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278459
Daniel Günther ist der Spitzenkandidat der CDU zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Daniel Günther ist der Spitzenkandidat der CDU zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Daniel Günther: Mein Name ist Daniel Günther. Ich bin 43 Jahre alt und wohne mit meiner Frau und meiner 13 Monate alten Tochter in Eckernförde. Seit 2009 bin ich Landtagsabgeordneter für die CDU. An der Christian-Albrechts-Universität in Kiel habe ich Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Psychologie studiert. Danach habe ich im Bereich Wirtschaftsförderung gearbeitet und bin dann hauptberuflicher Geschäftsführer bei mehreren CDU-Verbänden gewesen. Im Landtag bin ich immer auch für die Hochschulen zuständiger Bildungspolitiker gewesen, bis ich im November 2014 Fraktionsvorsitzender wurde. Seit November 2016 bin ich CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für die Landtagswahl.

PACK: Können Sie mir rückblickend auf die letzte Legislaturperiode jeweils eine Sache nennen, die politisch gesehen besser und schlechter als vor fünf Jahren in Schleswig-Holstein ist?

Günther: Ich glaube, was wir als Schleswig-Holsteiner gut in diesen fünf Jahren hinbekommen haben, ist die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Ich glaube, das ist etwas, was unser Land auch gemeinsam stark gemacht hat, der große Einsatz von Ehrenamtlern, die wirklich Herausragendes geleistet haben. Das war wirklich eine tolle Gemeinschaftsleistung, die Schleswig-Holstein auch zusammengeschweißt hat.

In den letzten fünf Jahren haben wir am meisten versäumt, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Die Regierung hat zu viel Geld ausgegeben, zu wenig investiert. Auch die Hochschulen im Land wurden im Stich gelassen. Als der Bund die BAföG-Mittel übernommen hat, hätten wir gerade die Universitäten und die Fachhochschulen im Land stärker unterstützen können. Das sind fast 40 Millionen Euro pro Jahr, die durch rot-grün für alles Mögliche ausgegeben werden. Es war eine strategische Null-Leistung der Regierung, den Hochschulen von dieser Kostenerstattung durch den Bund nicht einen Cent zukommen zu lassen.

PACK: Wir würden gerne einige Fragen zu Ihrem Wahlprogramm stellen: Stellen Sie sich zum Einstieg bitte einmal vor, das Land bekäme durch ein Wunder einmalig fünf Milliarden Euro zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche Projekte würde die CDU damit fördern?

Günther: Ich bin kein Fan von Wünsch-Dir-Was! Andererseits ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir mehr Steuereinnahmen bekommen. Die aktuelle Regierung hat pro Jahr heute 2,5 Milliarden Euro mehr als 2012, so ein Riesenwunder wäre es also nicht.

Ich habe drei Herzensprojekte; erstens Investitionen in die Infrastruktur: Straßen, Breitbandversorgung, Schulen und Bildungseinrichtungen – auch Hochschulen!

Zweitens würde ich deutlich mehr Geld ausgeben für unsere Polizisten im Land. Ich glaube, wenn wir wirklich innere Sicherheit wollen, brauchen wir mehr und besser ausgestattete sowie gut bezahlte Polizisten. Dafür würde ich viel Geld zur Verfügung stellen.

Und drittens für den schulischen Bereich. Damit meine ich ausdrücklich auch die Hochschulen. Junge Menschen brauchen in diesem Land endlich wieder Perspektiven. Sonst werden sie auf der Suche nach besserer Ausbildung und besseren Jobs Schleswig-Holstein verlassen. Da muss man viel mehr investieren. Im Moment haben wir in Schleswig-Holstein die niedrigsten Bildungsausgaben in ganz Deutschland. Das würde ich definitiv ändern.

PACK: Was wäre der erste Beschluss, den Sie als Ministerpräsident umsetzen würden?

Günther: Die erste Handlung ist immer die Einteilung des Kabinetts. Bleibt einem ja nichts anderes übrig, wenn man die Regierung übernimmt. Und dabei sage ich fest zu, dass die Wissenschaft wieder aus dem Sozialministerium herauskommt. Die Hochschulen im Land haben es nicht verdient, Anhängsel in irgendeinem Ministerium zu sein. Sie müssen wieder eine richtige Bedeutung bekommen. Deshalb gehört die Zuständigkeit für Hochschulen ins Bildungsministerium. Dafür werde ich sorgen.

PACK: Wie sehen Sie die finanzielle Lage allgemein im Land. Wir haben jetzt viel über Ausgaben gesprochen, aber das Land hat gleichzeitig viele Schulden. Meinen Sie, dass viel Spielraum für Investitionen da ist?

Günther: Wenn man umschichtet, ja. Die Regierung hat in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben. Das macht die finanzielle Situation in Schleswig-Holstein leider in gewisser Weise dramatisch. Der Haushaltsüberschuss im vergangenen Jahr ist allein der boomenden Wirtschaft und den Steuerzahlern zu verdanken. Im Ausgabenbereich hat rot-grün nichts getan, um sinkenden Einnahmen vorzubeugen. Das heißt, die Landesregierung hat alle finanziellen Spielräume ausgeschöpft. Von daher ist die finanzielle Lage gerade mit den auf uns zukommenden Lasten der HSH-Nordbank, weiterhin schwierig.

Zu den 27 Milliarden Euro Schulden kommt heute ein Investitionsstau von mindestens fünf Milliarden Euro. Zusammen mit den Risiken der HSH-Nordbank, die bei über 10 Milliarden liegen, ist das eine Riesenbelastung für jede kommende Regierung. Zu sagen, „wir versprechen euch das Blaue vom Himmel“, hat deshalb wenig Glaubwürdigkeit. Wir müssen wieder solide haushalten.

PACK: In welchen Bereichen würden Sie sparen wollen?

Günther: Die Regierung hat sehr viel Geld ausgegeben für große Verwaltungsbereiche. Die tatsächlichen Verwaltungsausgaben sind in der Zeit von CDU und FDP 2009 bis 2012 um 18 Millionen gesunken, in der letzten Wahlperiode um weit über 100 Millionen Euro gestiegen. Wir würden wieder Wert darauf legen, dass in den Bereichen deutlich sparsamer gehaushaltet wird. Nur ein Beispiel: Die aktuelle Regierung hat einen Schwerpunkt darauf gesetzt, viel Geld in Umweltbürokratie zu stecken. Ich bin absoluter Umweltschützer. Der Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen ist wichtig, aber bitte nicht mit überbordender Bürokratie. Wir brauchen Freiräume für Menschen, damit die auch selbst Naturschutz machen können. In beiden Bereichen sehe ich richtig großes Einsparpotential.

PACK: Viele Gelder werden auch für die Hochschulen ausgegeben. Können Sie ausschließen, dass Hochschulstandorte geschlossen oder Studiengänge aus finanzpolitischen Gründen eingestellt werden?

Günther: Das kann ich ausschließen. Wir geben den Hochschulen im Land eine Bestandsgarantie für die Zeit, in der wir regieren. Das gilt insbesondere für die Universität zu Lübeck, auch für die Medizin – denn wir brauchen vor allem in diesen Bereichen mehr Studienplätze. Durch die rot-grüne Schwerpunktsetzung in der Hochschulfinanzierung finanziert das Land fast nur noch Studiengänge über Hochschulpaktmittel, nicht mehr über die eigene Landesförderung. Für Universitäten und Fachhochschulen ist das ein Anreiz, möglichst günstige Studiengänge anzubieten. Das sind eben nicht die Naturwissenschaften oder die Medizin, mit denen wir dringend benötigte Nachwuchs-Fachkräfte für die Zukunft ausbilden. Das müssen wir ändern.

Ich will in die Hochschulautonomie nicht soweit reinregieren, dass ich sage, es werden alle Studiengänge für immer und ewig aufrecht erhalten. Aber finanzielle Gründe dürfen dabei keine Argumente sein, sondern eher die Frage, ob die Studiengänge am Ende auch nachgefragt werden. Das ist ja auch eine entscheidende Frage. Da sind die Hochschulen ja in einigen Bereichen auch frei. Und das soll auch so bleiben.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass Sie Studierende und Auszubildende vom Rundfunkbeitrag befreien möchten. Wie groß ist der Handlungsspielraum einer Landesregierung in dieser bundespolitischen Frage?

Günther: Ja wir haben angekündigt und mehrfach öffentlich gemacht, dass wir eine Bundesratsinitiative ergreifen wollen. Wir setzen uns genau dafür ein: für Studierende, aber auch eben bewusst Auszubildende. Der Rundfunkbeitrag belastet beide im Vergleich zu ihrem Einkommen unverhältnismäßig hoch. Wir kämpfen für eine Mehrheit für diese Befreiung. Das kann natürlich keine Zusage sein, dass wir uns dabei durchsetzen werden. Das wäre nicht sehr glaubwürdig. Aber ich kenne viele Mitstreiter auch auf Bundesebene, die das ähnlich sehen wie wir. Deshalb hoffe ich auf den Erfolg.

Daniel Günther möchte Ministerpräsident werden.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Daniel Günther möchte Ministerpräsident werden.

PACK: Daneben wollen Sie ein landesweites Semesterticket einführen. Für wen soll das verpflichtend sein und für wen optional?

Günther: Zugegebenermaßen ist das Konzept noch nicht ganz fertig. Wir geben eine klare Zusage, dass wir ein solches landesweites Semesterticket einführen werden. Wir brauchen es als Anreiz für Studierende in unserem Land. Ein Ticket allein reicht jedoch nicht. Wir brauchen auch eine deutlich bessere ÖPNV-Anbindung. Das gilt genauso für die Auszubildenden. Um diese landesweite Anbindung sicherzustellen wird das Ticket voraussichtlich etwas teurer sein als die heutigen mit ihrem stark beschränkten Angebot. Wenn es nachher zehn Euro mehr kostet und kann dafür kann man damit landesweit unterwegs sein, wäre das ist ein Riesengewinn. Gerade bei Studierenden macht es Sinn, auch über eine Verpflichtung nachzudenken. Sonst ist es einfach schwierig in der Umsetzung.

PACK: Werden Sie das Semesterticket auch nach Hamburg hin öffnen?

Günther: Das haben wir noch nicht entschieden. Nehme ich gerne mal auf.

PACK: Wir würden gerne weiter über Ihre Bildungspolitik sprechen, allerdings von den Hochschulen zu den Schulen wechseln. Dort wollen Sie das Abitur nach neun Jahren wieder einführen. Hat dieser Schritt Rückhalt unter den Schülern?

Günther: Ja. Er hat deutlichen Rückhalt unter den Schülern. Auch bei den Lehrern. Und eigentlich bei allen an der Bildung Beteiligten. Es gibt ja auch Meinungsumfragen, die besagen, dass 75 Prozent aller Menschen für G9 sind. Und umso jünger die Menschen sind, desto mehr sind sind sie für G9. Ich weiß, dass wir als CDU damals zusammen mit der SPD G8 eingeführt haben in Schleswig-Holstein. Und ich weiß auch, dass es den Ein oder Anderen gibt, der sagt, dass es jetzt schon wieder Unruhe gibt an den Schulen. Man solle erst einmal sehen, ob sich G8 durchsetzt. Ich sage aber ganz klar, wir müssen das machen, was für die Schüler am besten ist. Da kommt es mir nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf die Qualität am Ende an. Das ist das Einzige, was mich dabei lenkt und ich möchte, dass junge Menschen auch die Chance haben, jung zu sein. Dass man auch neben der Schule noch das Ein oder Andere machen kann und dafür bietet G9 eine viel bessere Gewähr und deswegen werbe ich dafür aus Überzeugung. Ein Anhaltspunkt, dass die Schüler diese Meinung teilen, ist, dass bei allen Podiumsdiskussionen im Land, wo darüber unter Schülern abgestimmt wurde, die eindeutige Mehrheit für G9 war.

PACK: Sie wollen, dass kein Unterricht in den Schulen mehr ausfällt. Wie wollen Sie sicherstellen, dass motivierte Lehrkräfte gefunden werden, die guten Unterricht geben?

Günther: Wir werden schon einen großen Schwerpunkt bei der Lehrkräfteausbildung auf fachliche Qualifikation legen. Ich finde, pädagogische Qualifikationen sind wichtig, aber man muss auch für sein Fach, das man unterrichtet, brennen. An vielen Schulen fallen Unterrichtsstunden aus, weil für bestimmte Mangelfächer nicht genügend Lehrkräfte da sind. Diese Regierung hat zweifelsohne Lehrerstellen nicht gestrichen, die gestrichen werden sollten, als zweieinhalb Milliarden Euro weniger in der Kasse waren. Aber trotzdem gibt es am Ende dieser Regierung weniger Lehrerplanstellen als vorher. Und das Schlimme ist, dass wir durch hohen Krankheitsausfall bei Lehrkräften immer noch enormen Unterrichtsausfall haben. Nach meinem Verständnis senken wir den Unterrichtsausfall nur dadurch, dass wir zufriedene Lehrkräfte haben, die bei ihrer Arbeit die Rückendeckung der Politik haben. Dass sie auch das pädagogische Rüstzeug haben, um Probleme in ihren Klassen auch wirklich zu lösen. Und indem wir sie von Sonderlasten durch Bürokratie entlasten, damit sie sich wirklich auf den Unterricht konzentrieren können. Wenn wir diese drei Punkte umsetzen, dann schaffen wir das auch mit der Unterrichtsgarantie.

PACK: Wir haben jetzt viel über Bildung gesprochen. Gibt es andere Punkte in Ihrem Wahlprogramm, die Sie hervorheben möchten?

Günther: Ich finde, dass unser Programm insbesondere für junge Menschen eine echte Alternative zu dieser Regierung darstellt. Wir legen bei allen Themen Wert darauf, jungen Menschen in Schleswig-Holstein wieder eine Perspektive zu schaffen. Wenn man wirklich Arbeitsplätze für junge Menschen in Schleswig-Holstein erhalten oder neue schaffen will, geht das nur mit vernünftig ausgebauten Straßen, mit einer vernünftigen Breitbandversorgung. Wir haben Ideen, die insgesamt für Sicherheit im Land sorgen. Jeder will innere und soziale Sicherheit im Land gewährleistet sehen. Jeder will eine vernünftige medizinische Versorgung haben. Das ist nicht nur für alte Menschen wichtig, das ist für junge Menschen genau so wichtig. Deswegen haben wir wirklich in allen Themenfeldern gute Angebote für junge Menschen. Es lohnt sich dieses Mal absolut, CDU zu wählen. In all diesen Punkten zeigt die rot-grüne Regierung wahlweise mit dem Finger auf den Bund oder die Kommunen, wenn Probleme bekannt werden.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Günther: Im Jahr 2022 haben wir an allen Gymnasien in Schleswig-Holstein G9 flächendeckend umgesetzt. Im Jahr 2022 ist die A20 fertig gebaut, bis zur Elbunterführung. Bis zum Jahr 2022 haben wir einen großen Teil unserer Landesstraßen wieder intakt gesetzt. Bis Ende 2022 haben wir eine Breitbandversorgung bis in die ländlichen Räume hinein, die es Unternehmen ermöglicht, auch im ländlichen Raum ihre Standorte zu finden. Und bis zum Jahr 2022 haben wir die Hochschulen in unserem Land auch finanziell so unterstützt, dass wir die Infrastruktur auf Vordermann bringen und gleichzeitig absichern, dass auch kostenintensive Studiengänge in Schleswig-Holstein eine realistische Perspektive haben.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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Katjana Zunft kandidiert für die LINKE in Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Katjana Zunft kandidiert für DIE LINKE in Lübeck.

StudentenPACK: Am Anfang ist es sicher eine gute Idee, wenn der Leser einen Eindruck davon bekommt, wer die Politikerin ist, die hier die Linke vertritt. Möchten Sie sich kurz vorstellen?

Katjana Zunft: Ich bin Katjana Zunft, ich bin 48 Jahre alt und Mutter zweier Kinder, einem studierenden Sohn und einer Tochter auf der Schule. Ich bin von Haus aus Erzieherin, habe eine Weiterbildung zur systemischen Familientherapeutin gemacht und bin Kinderschutzfachkraft. Ich arbeite in einem Lübecker Frauenhaus. Wenn mich was nervt oder stört, dann muss ich was ändern. Und mich nervt es einfach auf dem Sofa zu sitzen und zu jammern, ich werde dann aktiv und gehe in Initiativen und versuche dort, was zu ändern. Und deswegen bin ich nun schon lange frauenpolitisch tätig, bin auch im Fachbereichsvorstand bei Verdi und deswegen bin ich auch irgendwann in die Politik gegangen.

PACK: Wenn Sie das Land ansehen, können Sie mir eine Sache nennen, die Ihrer Meinung nach schlechter oder besser ist als vor fünf Jahren?

Zunft: Davor gab es ja eine schwarz-gelbe Regierung, in dieser Zeit wurde natürlich viel Schlechtes gemacht, zum Beispiel wurde das Frauenhaus geschlossen, in dem ich arbeite. Kein Wunder, dass ich politisch aktiv wurde. Da hat sich einiges geändert, weil diese Schließung und andere Einsparungen in den Frauenbereichen von der jetzigen Landesregierung teilrückgängig gemacht wurden, wie auch die Einsparung des Blindengeldes. Das würde ich sagen, das hat sich auf jeden Fall gebessert. Hinter vielem steckt da die richtige Idee, aber nicht der Wille und der Mut, es umzusetzen. Es ist immer nur ein bisschen: Jetzt haben wir 100 Euro Kita-Geld, das ist ganz nett, aber gleichzeitig heben die Kommunen die Kita-Beiträge an. Das ist alles nicht wirklich durchdacht.

PACK: Auf dem Wahlprogramm und den Plakaten werben Sie mit “So geht links”, in der Geschäftsstelle sieht man die Plakate zum Film “Der junge Karl Marx”. Im Parteiprogramm finden sich aber natürlich keine Begriffe wie Proletariat oder Revolution. Was ist eigentlich moderne linke Politik und wie unterscheidet sie sich von moderner sozialdemokratischer oder moderner liberaler Politik?.

Zunft: Wir sind da auch moderner geworden, Begrifflichkeiten wie Sozialismus oder Marxismus haben einen schlechten Leumund und auch etwas Angestaubtes. Wir mussten natürlich lange das SED-Nachfolge-Ding abschütteln und Kommunist ist ja immer noch ein Schimpfwort. Wir haben Inhalte, die sehr sozial sind, die auch weiterführender sind als die der SPD oder sozialliberaler Politiker, weil wir nach wie vor ein Umdenken wollen. Wir verpacken es ein bisschen niedrigschwelliger, sodass es auch Menschen verstehen, die Angst vor dem Kommunismus haben oder noch die Stalin-Bilder und DDR-Bilder im Kopf haben. Ich bin im Westen aufgewachsen, ich bin Lübeckerin durch und durch und komme da nicht aus dieser Geschichte, aber das Thema ist nach wie vor durch SED und DDR behaftet. Deswegen finde ich es toll, dass dieser Film kommt, weil es einen öffentlichen Blick auf den Menschen Karl Marx ermöglicht.

PACK: Sie sind Mitarbeiterin im Frauenhaus und auf manchen der Plakate sieht man Sie mit dem Slogan “Womens march in den Landtag”, was muss die nächste Landesregierung dringend für die Frauen in Schleswig-Holstein tun?

Zunft: Der Womens-March ist nicht meine Erfindung, das ist eine Erfindung der Frauen in Amerika. Aber der Spirit, den es da gibt: Wir stehen wieder auf, wir sind wieder weiblich, um mit Pink und Spaß und Freude ernste Themen durchzubringen, das ist etwas, was ich da spüre. Und viele sagen mir auch, es ist wieder Frauenbewegung. Feminismus ist ja auch wieder so ein angestaubter Begriff. Wenn ich sage, ich bin Feministin hat man gleich wieder lila Latzhosen im Kopf, und dieses Image ist bei diesem Womens March nicht so. Da waren 1500 Menschen, die ganz selbstverständlich gefordert haben, dass wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit wollen.

Ich finde es ist nach wie vor der Hammer, dass eine gut studierte Frau oder ein gleich ausgebildetes Mädchen, sogar bei besseren Abschlüssen, in der freien Wirtschaft weniger Geld verdienen kann. Bei den Tarifen ist es natürlich gleich, aber wir haben immer noch ganz niedrige Tariflöhne in den sozialen Berufen. Es ist nicht einzusehen, dass eine Erzieherin, die Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung haben muss, nicht mindestens genau so viel verdient wie ein Kfz-Mechaniker-Meister. Das Aufwerten sozialer Berufe ist daher ganz besonders wichtig.

Was mir zudem am Herzen liegt, sind Alleinerziehende. 50 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Hartz IV und von diesen sind die Hälfte Auftstocker, das heißt, sie arbeiten, verdienen aber so wenig, dass es nicht reicht. Alleinerziehende gelten ja nicht mal als Familie. Da müssen wir viel mehr fördern, z.B. durch Kindergartenöffnungszeiten oder auch Kindergrundrechte im Grundgesetz. Das sind Themen, da werde ich und wird die LINKE dann auch tierisch nerven, um etwas zu erreichen.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land fünf Milliarden Euro zusätzlich zum normalen Haushalt von ca. 15 Milliarden Euro. Welche Projekte würden Sie mit dem Geld zusätzlich fördern?

Zunft: Als erstes eine kostenfreie Schülerbeförderung durch den ÖPNV. Auf dem Land müssen die Eltern aktuell zuzahlen, um ihre Kinder zu den Schulen zu bringen. Da wurden damals die ganzen Grundschulen zugemacht auf den Dörfern, die Straßen wurden saniert und kostenfreie Busse versprochen, die es jetzt aber nicht gibt. Eine kostenlose Beförderung würde einfach alle Familien sofort entlasten. Die können dann auch Teilhabe haben, die können einfach mal an den Strand fahren, sich bilden. Das wäre eine Sache, die sofort helfen würde.

Und als zweites müssen Schulen saniert werden, da geht es dann auch um Digitalisierung. Über die Schultoiletten habe ich mich damals als Stadtschulsprecherin bereits geärgert, die haben damals schon gestunken, waren dreckig und kaputt. Und sie sind es immer noch. Was die Digitalisierung der Schulen angeht, ist Schleswig-Holstein ganz weit hinten, während Sachsen da schon weit vorne ist. Also die Schulen zu sanieren, zu modernisieren und zu digitalisieren, das muss sofort passieren.

PACK: Da es aller Wahrscheinlichkeit nach keine solche Finanzspritze geben wird, müssen wir zurück zur Realität: In dieser Realität schreibt das UKSH rote Zahlen und gebetsmühlenartig wird wiederholt, dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass ein Maximalversorger-Krankenhaus einfach nicht profitabel sein kann?

Zunft: Ja, genau. Für mich muss Politik vom Menschen aus gedacht werden und wenn ich versuche, mit kranken Menschen, mit alten Menschen, mit Kindern oder mit Frauen, die Gewalt erlebt haben, Geld zu verdienen, dann ist das ein falscher Ansatz. Ein Krankenhaus, genauso wie eine Uni, eine Schule oder ein Kindergarten, ist Daseinsvorsorge und einfach die Aufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern und, wenn ich dafür sorge, dass die Menschen besser und schneller versorgt werden, die Schüler tiefer lernen, dann zahlen sie diese Steuern auch zurück.

Jeder Euro, den ich in die Frühförderung stecke, zahlt sich zwei- bis dreifach wieder aus, jeder Euro, den ich da spare, kostet mich nachher vier oder fünf Euro. Und das ist bei Krankenhäusern genauso. Nein, man kann an Krankenhäusern, mit Menschen, keinen Profit machen und das sollte man auch nicht versuchen. Da werden keine Tische hergestellt, die man verkaufen kann, da werden Menschen geheilt, aber dadurch wird auch Arbeitskraft wiederhergestellt und verlängert und es wird menschliche Zufriedenheit hergestellt und das steigert die Produktion natürlich auch.

Sie halten die etablierten Parteien anscheinend für komische Vögel: DIE LINKE.Annika Munko | StudentenPACK.

Sie halten die etablierten Parteien anscheinend für komische Vögel: DIE LINKE.

PACK: Noch ein Thema, das immer am Geld scheitert: Bezahlbarer Wohnraum. Das ist gerade für Studenten ein kritisches Thema. Was muss hier verbessert werden, um bezahlbaren Wohnraum in Lübeck zu schaffen?

Zunft: Es ist einfach die letzten zehn oder 15 Jahre geschlafen worden. Der Wohnraum ist nicht in den letzten zwei Jahren verknappt worden, wo geflüchtete Menschen zu uns gekommen sind, sondern war schon vorher knapp. Auch studentischen Wohnraum gab es vorher schon wenig. Das hat sich jetzt noch zugespitzt. Es ist Geld da. Das Land sagt den Investoren, dass sie Geld zu ganz geringen Zinsen erhalten können, aber die Investoren sagen, ‘Warum sollen wir euer Geld zu wenig Zinsen nehmen, wenn wir von der Bank Geld zum Nullzins bekommen?’ Also machen sie es nicht. Geld anbieten ist also im Moment kein Ansatz.

Es muss also Gesetze geben und wir müssen kommunale Wohnungswirtschaften haben. Ich sitze in Lübeck im Sozialausschuss und versuche dort, immer die Einlage der stadteigenen Grundstücks-Gesellschaft TRAVE zu erhöhen. Die TRAVE selber muss bauen, das tut sie aber nicht, denn sie hat das Geld nicht und darf keine Kredite aufnehmen. Jetzt in der Niedrigzinsphase wäre es schlau, Wohnungen zu bauen auf den städtischen Grundstücken, anstelle diese den Investoren zu geben. Und sollte es mal zu wenig Bewohner geben, kann man sie immer noch verkaufen und es können Luxusbauten darauf gebaut werden. Aber es geht immer ums schnelle Geld.

Es reicht nicht, finanzielle Anreize zu machen, wir müssen selbst Vorlagen machen. Man könnte also Investoren auch verpflichten, auf Grundstücken 30 Prozent Sozialbau zu machen, und da die Grundstücke in Lübeck knapp werden, könnte das für Investoren lohnend sein.

PACK: Ein großes Thema ist in diesem Wahljahr die Asylpolitik. In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt. Ist die LINKE beim Thema Abschiebungen mit der Landesregierung einer Meinung?

Zunft: Asyl ist nicht unbedingt ein Landesthema. Den Abschiebestopp finde ich sehr gut. Früher hatten wir auch noch einen Winterabschiebestopp, der wurde leider eingestampft, aber jetzt immerhin keine Abschiebung nach Afghanistan, da bin ich sehr mit einverstanden. Schleswig-Holstein und Mecklenburg hatten ein bisschen einen Sonderstatus als die Transit-Flüchtlinge hier waren, da wurden auch kommunal viele Augen zugedrückt. Den Kieler Bürgermeister fand ich da großartig, den Lübecker Bürgermeister fand ich da schäbig.

Aber auch Landes- und Bundespolizei haben da viel durchgehen lassen. Bis sich das alles wieder sortiert hatte, ging auf einmal vieles auf einer sehr menschlichen Ebene, das fand ich gut. Man kann auch sagen, dass die Landesunterkunft auf dem Volksfestplatz besser und menschlicher war als die, die wir von der Stadt für Geflüchtete haben. Das Land hat relativ gut und mit sehr viel Vehemenz reagiert und hat Fakten geschaffen als in Lübeck noch gezögert wurde.

Ich mache seit zwei Jahren ein Frauenflüchtlingscafe hier im Büro der LINKEN jeden Samstag und habe mich in der Zeit von vielen Frauen verabschieden müssen, die abgeschoben wurden oder die keine Anerkennung bekommen und auf die Abschiebung warten und denen in ihren Heimatländern die Hölle droht. Frauenspezifische Fluchtursachen gelten leider immer noch nicht als Asylgrund. Afghaninnen, die sich hier getrennt haben von ihrem Mann, sind, wenn sie zurückgeschickt werden, tot, wenn sie da wieder in die Dörfer zurück müssen. Nicht alle sind nur vor dem Regime, sondern auch vor der männlichen Gewalt geflohen. Auch Beschneidung als Fluchtursache ist immer noch kein Asylgrund. Denn wenn die Beschneidung in einem Land per Gesetz verboten ist, obwohl es trotzdem praktiziert wird, dürfen die Frauen abgeschoben werden.

Das Anerkennen frauenspezifischer Fluchtursachen ist etwas, was im Bund angeschoben werden muss.

PACK: Jede Partei würdigt in ihrem Programm das Ehrenamt. In Ihrem Programm findet man allerdings die Einschränkung, dass Aufgaben z.B. bei der Arbeit mit Geflüchteten oder in Selbsthilfeinitiativen professionalisiert und nicht “auf das Ehrenamt abgewälzt” werden sollen. Wird Ehrenamt in Schleswig-Holstein ausgenutzt?

Zunft: Ja, grundsätzlich. Es gibt ein sehr gutes Buch, da geht es darum, dass, wenn alle Ehrenamtler in Deutschland für einen Tag streiken würden, der Staat zusammenbrechen würde. All die ehrenamtlichen Altenpflegerinnen, Tierpfleger, Flüchtlingshelfer… Deutschland ist ein Land mit sehr hohem Ehrenamtsstatus und wir wehren uns dagegen, dass immer mehr auf diese Menschen ausgelagert wird. Ein aktuelles Beispiel: Die Diakonie betreut in Lübeck 3500 Geflüchtete, die haben 104 Angestellte und bei der Diakonie sind 500 Ehrenamtler registriert. Das ist ein Verhältnis, das nicht mehr stimmig ist. Denn diese Ehrenamtler machen professionelle Arbeit.

Es ist toll, wenn jemand Geflüchteten ehrenamtlich die Stadt zeigt, oder jemanden zum Arzt bringt oder eine Sprachpatenschaft übernimmt, aber Hartz-IV-Beratung und Wohnungssuche? Ich mache im Rahmen des Frauenflüchtlingscafes ganz viel Beratung und kriege mit, was die Diakonie nicht schafft, weil es mit so wenigen Mitarbeitern nicht gehen kann. Inzwischen berate ich Ehrenamtler, damit sie Geflüchteten besser helfen können, zum Beispiel habe ich Hartz-IV-Antrag-Ausfüllkurse gemacht. Wenn wir also sagen, wir wollen es professionalisieren, dann würdigen wir das Ehrenamt dadurch, denn wenn ein Mensch acht Stunden am Tag ehrenamtlich tätig ist, dann haben die ein Recht auf einen Job, in dem ihm auch Weiterbildung angeboten wird.

PACK: Eine spannende Sache im Parteiprogramm ist die Abschaffung des Numerus Clausus, der durch eine persönliche Prüfung nach Eignung und Neigung ersetzt werden soll. Wie soll das funktionieren?

Zunft: Der Numerus Clausus ist ja nur zum sieben da, der hat überhaupt nichts mit der Leistung zu tun. Eine drei in Sport oder in Englisch macht mich ja nicht zum schlechten Kinderarzt. Wenn ein Mensch in Mathe nicht so gut war, warum soll er dann nicht auch trotzdem Medizin studieren können, nur weil er einen scheiß Lehrer hatte. Wir wissen ja alle: Wenn ich einen guten Lehrer habe, bin ich in dem Fach besser. Dazu kommen Menschen, die einfach keinen geraden Lebensweg haben aber trotzdem einfach geeignet sind, warum sollen die nicht auch in ein solches Studium reinkommen?

Nur Plakate einer Partei hängen direkt vor der Walli.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Nur Plakate einer Partei hängen direkt vor der Walli.

PACK: Wenn es nach Ihnen gehen würde: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Zunft: Pink! (lacht) Mein Schleswig-Holstein 2022 ist ein gutes Stück sozialer. Die Leute sind zufriedener, haben das Gefühl, dass es ihnen wieder besser geht. Im Moment haben wir eine große Verunsicherung. Viele Menschen, die gar nicht arm sind, fühlen sich arm, und viele Menschen haben Angst vor Armut und aus der Angst heraus fangen sie an, nach unten zu treten, auf die Flüchtlinge und die Hartz IV-Empfänger, die ihnen angeblich was wegnehmen. Diese Spaltung in der Gesellschaft lässt sich nicht nur auf Landesebene beheben, aber das Gefühl, dass es uns spürbar besser geht, wir nicht mehr so viel Existenzangst haben, und dass denen, denen es nicht gut geht, geholfen wird, dieses Gefühl und dieses Vertrauen in die Politik würde ich mir wünschen.

Wie zum Beispiel der kostenlose ÖPNV für Schüler oder kostenloses Schulessen, das ist etwas, was überprüfbar ist, was spürbar ist.

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Umweltschutz durch Infrastruktur und Bildung https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/umweltschutz-durch-infrastruktur-und-bildung2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/umweltschutz-durch-infrastruktur-und-bildung2/#respond Tue, 18 Apr 2017 04:00:12 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278230
Monika Heinold ist die Spitzenkandidatin der Grünen zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Monika Heinold ist die Spitzenkandidatin der Grünen zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Monika Heinold: Ich bin Monika Heinold, 58 Jahre alt, habe zwei erwachsene Kinder, bin ausgebildete Erzieherin und habe in meinem Beruf in unterschiedlichen Einrichtungen gearbeitet. Seit 20 Jahren bin ich in der Politik, 16 Jahre lang Abgeordnete und nun im fünften Jahr Finanzministerin. Meine Partei ist Bündnis 90/Die Grünen.

PACK: Was würden Sie als die größte Veränderung für Sie in den letzten fünf Jahren bezeichnen?

Heinold: Als Ministerin habe ich sehr viel Verantwortung. Die Finanzverwaltung in Schleswig-Holstein hat 4500 Mitarbeiter*innen, im Ministerium selbst sind es über 200 Mitarbeiter*innen, das heißt, für mich selbst habe ich die Erfahrung gemacht, für sehr viele Menschen und für einen großen Landeshaushalt über 11 Milliarden Euro verantwortlich zu sein. Die größte Veränderung für mich ist es, dass ich noch einmal ganz anders gelernt habe, was Verantwortung heißt.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land fünf Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche maximal drei Projekte würden Sie mit dem Geld fördern?

Heinold: Wenn ich die fünf Milliarden jedes Jahr hätte, dann könnte ich natürlich strukturell ganz viel für den Bildungsbereich machen. Meine Schwerpunkte sind Bildung und Gerechtigkeit. Wenn ich das Geld einmalig hätte, dann würde ich es vermutlich für die Infrastruktur reservieren. Wir haben Hochschulen, Amtsgerichte, Polizeigebäude, Straßen, Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, die dringend saniert werden müssen. Wir haben einen Infrastrukturstau von 5 Milliarden Euro. Das würde gut passen, damit würde ich die Infrastruktur sanieren. Somit wäre in den nächsten Jahren mehr Luft im Haushalt, um mit dem Geld, das jetzt für Infrastruktur reserviert ist, in Bildung zu investieren, also strukturell in Lehrer*innenstellen, Hochschulförderung, Kindertagesstätten. So würde ich umschichten. Wenn wir dieses Geld für die Infrastruktur nehmen, dann wüsste ich, ich könnte alles, was kaputt ist, reparieren lassen. Zumindest alles, was dem Land gehört. Dann hätte ich Freiräume und die würden dann strukturell in die Bildung gehen.

PACK: Sehen Sie auch in der realen Politik ohne die zusätzlichen fünf Milliarden die Möglichkeit, diese Projekte zu fördern und wenn ja, woher könnten die finanziellen Mittel kommen?

Heinold: Bei der Infrastruktur arbeiten wir mit Haushaltsüberschüssen. Es ist zum ersten Mal gelungen, in dieser Legislaturperiode den Haushalt ohne Schulden aufzustellen. Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten Haushaltsüberschüsse und wir haben ein Gesetz beschlossen, welches uns ermöglicht, Haushaltsüberschüsse auch für die Infrastruktur einzusetzen, nicht nur für die Tilgung der Schulden. Wir haben 2015 wie 2016 einen Teil dieser Überschüsse genommen, um sie in ein Sondervermögen zu packen. Da liegen jetzt 280 Millionen. Wir werden in den nächsten Jahren, fest eingeplant ab 2018, 150 Millionen jedes Jahr zusätzlich für die Infrastruktur mobilisieren. Die Sanierung der Infrastruktur liegt also gut in der Planung. 2030 wollen wir das, was jetzt saniert werden muss, auch gemacht haben. Mein zweites Anliegen ist es, die Bildung zu stärken. Das geht nur Stück für Stück in Schleswig-Holstein mit den Steuermehreinnahmen, die wir haben, aber wir bekommen vom Bund ab 2020 mehr Geld und da ist es mein Ziel, große Teile davon für die Bildung zu reservieren. Das ist der neue Länderfinanzausgleich, der bringt uns als Land ungefähr 130 Millionen Euro. Und da will ich so viel wie möglich in die Bildung geben.

PACK: Als Studierendenzeitung interessiert uns natürlich insbesondere die Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Heinold: Wir geben in Schleswig-Holstein in fast allen Bereichen weniger pro Einwohner*in aus als andere Bundesländer. Wir sind strukturschwach und haben weniger Geld. Wir sind Konsolidierungsland, das heißt wir bekommen Unterstützung von den anderen Ländern. Ebenso kontrolliert uns der Bund, ob wir es auch schaffen, die Schuldenbremse einzuhalten. Wir haben Nachholbedarf in allen Bereichen, aber im Bildungsbereich ganz besonders: Kita, Schule wie Hochschule. Wir haben 2016 mit dem Haushalt beschlossen, die Hochschulen in der Grundfinanzierung zu stärken, über fünf Jahre bis zum Jahr 2019. Angefangen mit zehn Millionen in 2016, ab 2017 folgen noch einmal pro Jahr fünf Millionen Euro bis wir 2019 bei plus 25 Millionen Euro sind. Damit werden die Hochschulen in den nächsten Jahren weiter gestärkt. Jedes Jahr fünf Millionen Euro mehr für die Grundfinanzierung. Das ist gut, das ist aber auch notwendig! Wir haben außerdem zugesagt, den Hochschulpakt III zu finanzieren. Das Geld ist fest eingeplant. Wir haben auch gesagt, dass wir nach dem Hochschulpakt III in derselben Höhe weiter Geld für die Hochschulen reservieren. Die Hochschulen werden gestärkt, aber es kann natürlich immer noch mehr sein. In einem Land, das jeden Euro dreimal umdrehen muss, geht das nur Stück für Stück und in Schritten. Wer etwas Anderes verspricht, verspricht vermutlich etwas, was nicht umsetzbar ist.

PACK: Welche hochschulpolitischen Akzente, außer der Finanzierung, wollen Sie in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Heinold: Wir haben ja die Beteiligung beziehungsweise Mitbestimmung für die Studierenden schon verbessert. Wir sind eine Partei, die mehr Autonomie für die Hochschulen möchte. Das muss genau abgestimmt sein, weil wir auch steuern müssen. Das Wichtigste für die Hochschulen in der nächsten Legislaturperiode ist, dass wir mit den Baumaßnahmen vorankommen. Wir haben dafür Geld reserviert. Die Planungen laufen und insbesondere an der CAU in Kiel stehen große Baumaßnahmen an und unser Schwerpunkt wird es sein, dass das Geld, das wir zur Seite gelegt haben, jetzt auch verbaut wird.

PACK: Können Sie ein Beispiel für Projekte nennen, die momentan gebaut werden?

Heinold: In Lübeck finanzieren wir aktuell über das Infrastrukturprogramm IMPULS den Neubau eines Seminargebäudes an der Fachhochschule, um den bestehenden Raumbedarf für zusätzliche Studierende abzudecken. Über das Programm wird auch die energetische Sanierung der Fassade der Zentralbibliothek an der Uni Lübeck finanziert. An der Uni Kiel haben wird beispielsweise den Neubau der Zentralen Tierhaltung ermöglicht, um insbesondere das Tierwohl stärker zu berücksichtigen. Institutsgebäude, die baufällig geworden waren, werden abgerissen und neu gebaut. Bis 2026 wird der Campus der CAU Kiel runderneuert.

PACK: Sie erwähnen in Ihrem Parteiprogramm auch ein landesweites Semesterticket. Wie müssen sich unsere Leser die Umsetzung vorstellen?

Heinold: Wir möchten die Reichweite des bestehenden Semestertickets erweitern. Die Planungen dafür sind bereits fortgeschritten. Es haben Gespräche stattgefunden und das endgültige Konzept wird demnächst kommen. Ich hoffe, dass das schnell umgesetzt werden kann. Es soll ein Ticket für ganz Schleswig-Holstein sein.

PACK: Welche Verhandlungspartner würden sich bei den Verhandlungen gegenübersitzen?

Heinold: Wir werden den Studierendenschaften ein Angebot machen, dann wird der Semesterbeitrag beispielsweise rund 100 Euro teurer. Die Zustimmung der Studierenden ist aber unbedingt notwendig! Dafür darf man dann durch das ganze Land Schleswig-Holstein bis nach Hamburg mit dem Semesterticket fahren.

PACK: Soll das Semesterticket dann verpflichtend sein?

Heinold: Ja, denn nur dann rechnet sich das und nur dann bekommen wir das Angebot von den Betreibern. Die Verkehrsgesellschaften profitieren von der Planbarkeit des Semestertickets und die Studierenden von einem unschlagbar günstigen Preis.

PACK: Sie wollen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dies ist auch für uns Studenten interessant. Wie – und in welchem Zeitraum – wollen Sie dieses Ziel umsetzen?

Heinold: Schleswig-Holstein hat einen großen Bedarf an Sozialwohnungen. Wir wollen jedes Jahr in Schleswig-Holstein 10.000 Wohnungen neu bauen. Das ist das, was wir mindestens brauchen und außerdem fördern wir das Studentenwerk, damit auch Wohnheime für Student*innen gebaut werden können.

Die Grünen werben dieses Jahr mit Mut und Sonnenblume, oft aber ohne ihren Namen „Bündnis 90/Die Grünen“.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Grünen werben dieses Jahr mit Mut und Sonnenblume, oft aber ohne ihren Namen „Bündnis 90/Die Grünen“.

PACK: Die finanzielle Situation des UKSH ist regelmäßig in den Medien. Lässt sich diese bei Erhalt der Maximalversorgung verbessern?

Heinold: Das UKSH ist letztendlich ein Wirtschaftsbetrieb. Die Krankenhausfinanzierung muss aus der Krankenversorgung finanziert werden. Was wir als Land zugesagt haben ist, dass wir bei den Zinsen helfen. Das UKSH hat in den letzten Jahren viele Baumaßnahmen gemacht, aber auch die Beschaffung von Großgeräten, die eigentlich Landesaufgabe ist. Dafür hat es sich verschuldet. Wir haben dem UKSH zugesagt, dass wir die dafür entstandenen Zinslasten Stück für Stück übernehmen. Wir wollen damit in der nächsten Legislaturperiode beginnen. Das entlastet das UKSH.

PACK: Würden Sie sagen, dass die Finanzierung der Gesundheit Aufgabe der Krankenkassen ist oder dass Maximalversorgung ein Zuschussgeschäft sein muss?

Heinold: Es ist gesetzlich geregelt, dass der Krankenhausbau kommunale Aufgabe ist. Daran beteiligt sich das Land zu 50% und es ist gesetzlich so geregelt, dass die Krankenversorgung aus den Versicherungsbeiträgen finanziert werden soll. Wir haben aber eine Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Mittel. Krankenhäuser in anderen Bundesländern bekommen mehr für dieselben Leistungen als Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Das ist ungerecht. Stück für Stück gibt es aber Verbesserungen. So ist es mit dem Bund und den anderen Ländern vereinbart. Und natürlich muss ein Maximalversorger mehr finanzielle Unterstützung bekommen als ein normales Krankenhaus. Auch da gibt es auf Bundesebene Bewegung, aber das reicht noch nicht aus. Die Gelder müssen gerecht verteilt werden und die Maximalversorger müssen einen Anteil daran haben, der es ihnen ermöglicht, diese Maximalversorgung, die auch an bestimmten Stellen weniger Profit bringt, zu gewährleisten. Was das betrifft sind wir sehr am Rödeln auf Bundesebene, damit eben auch Maximalversorger gute Leistung und gute Pflege gewährleisten können.

PACK: Sie wollen die medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum sicherstellen und mehr Medizinstudienplätze schaffen. Was halten Sie von der in Mecklenburg-Vorpommern vorgeschlagenen Idee, dass sich Studierende dazu verpflichten könnten, nach dem Studium aufs Land zu gehen, um einen Medizinstudienplatz zu erhalten?

Heinold: Ich denke, dass wir Anreize brauchen, damit Ärzt*innen gerne hier bei uns in Schleswig-Holstein und in der ländlichen Region sind. Menschen zu verpflichten, das sehe ich äußerst kritisch. Gerade im Gesundheitsbereich sind wir natürlich darauf angewiesen, dass die Ärzt*innen ihren Job gerne machen und auch Lust darauf haben, sich um die Patient*innen zu kümmern.

PACK: In Bezug auf das Medizinstudium ist auch häufig der Numerus Clausus im Gespräch. In ihrem Parteiprogramm erwähnen Sie, dass Sie Alternativen ergänzend zum NC entwickeln wollen. Haben Sie schon Alternativen gefunden?

Heinold: Beispiele wären Studieneingangstests und stärkere Berücksichtigung der beruflichen Vorbildung. Diese Modelle können aber auch nur in enger Absprache mit den Hochschulen funktionieren.

PACK: Sie wollen das Schul-Feedback, bei dem Experten den Schulen Hinweise geben, ausbauen. Gibt es auch Mechanismen, die systematisch Feedback von Schulen und besonders Schülern für Experten sammeln, zum Beispiel zum Thema Schulgesetze oder G8/G9?

Heinold: Ich wüsste nicht, dass es ein System jetzt gibt, aber wir wollen zukünftig die Schüler*innen mehr beteiligen. Wir haben durch das Internet ja auch ganz andere Möglichkeiten, gerade auch wenn wir Bildungsdialoge veranstalten. Das sind Konferenzen, in denen mit allen Beteiligten über wichtige Fragen im Bildungsbereich diskutiert wurden. Diese hatten wir jetzt Anfang der letzten Legislaturperiode. Hierbei wäre es aus unserer Sicht wichtig, die Schüler*innen dort zukünftig aktiv mit einzubeziehen, beispielsweise durch Onlinetools.

PACK: Wir haben uns die ganze Zeit über soziale Gerechtigkeit unterhalten. Nie über ökologische Themen, was man bei der Partei “Die Grünen” erwarten könnte. Mit Ihnen als Vorsitzender wird sich der Schwerpunkt auf die sozialen Themen verschieben oder gibt es andere Parteimitglieder, die auf die ökologischen Themen achten werden?

Heinold: Unsere grünen Kernthemen sind Energie- und Agrarwende, Ökologie, Umwelt- und Naturschutz und Tierwohl. Dabei geht es um Verbraucherschutz, gesundes Leben, gesundes Essen. Ganz klar. Mit unserem Programm, unseren Plakaten und unserer Kampagne betonen wir die ökologischen Themen sehr stark. Wir reden auch dann über Klimaschutz, wenn es für Andere kein Thema ist. Als Grüne werden wir den Klimaschutz immer ganz oben auf die politische Agenda setzen. Das gilt selbstverständlich auch für mich als Spitzenkandidatin. Auch wenn mir persönlich das Thema soziale Gerechtigkeit genauso wichtig ist. Zudem haben wir mit Robert Habeck als Umwelt-, Energiewende- und Landwirtschaftsminister eine Person, die mit 120 Prozent für die ökologischen Themen kämpft. Wir wollen bei der Wahl so stark werden und so viele Zweitstimmen erhalten, dass Robert Habeck auch wieder Minister werden kann. Damit Ökologie auch weiterhin einen starken Anwalt hat. Aber auch mir sind die ökologischen Themen wichtig. Als ich vor vielen Jahren in die Politik gegangen bin, war es nicht nur, um mich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen, sondern es lag natürlich stark an den ökologischen Themen. Damals habe ich mich dafür eingesetzt, dass Atomkraftwerke gar nicht erst gebaut werden. Sie sehen, ich stehe als Person mit meiner Biographie sowohl für soziale Gerechtigkeit als auch für Umwelt- und Naturschutz.

PACK: Wenn wir unsere Anfangsfrage noch einmal neu formulieren: Wenn eine von der Partei “Die Grünen” geführte Regierung die fünf Milliarden durch ein Wunder bekommen würde, was würde damit passieren?

Heinold: Ich würde dieses Geld dennoch in die Infrastruktur stecken. Um die energetische Sanierung unserer Gebäude voran zu bringen, weil das für den Klimaschutz wichtig ist. Um den ÖPNV und die Verkehrswende zu stärken. Einschließlich der e-Mobilität und einem Aufbau von Ladesäulen. Wir wollen keinen Neubau von Straßen, wohl aber die Sanierung der vorhandenen. Und wir wollen den Radverkehr stärken, also Städte umgestalten und fahrradfreundlicher machen.

Aber auch durch die Sanierung von Krankenhäusern, Schulen und Hochschulen, Polizeigebäuden und Amtsgerichten können wir viel Energie einsparen und eine ökologische Modernisierung umsetzen. Wir können es mit regenerativer Energie verbinden und beispielsweise Solardächer bauen. Die Sanierung der Infrastruktur ist für mich gerade als Grüne ein gutes Instrument, um die ökologische Modernisierung voranzubringen.

PACK: Überall herrscht Lehrkräftemangel und Sie möchten eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung herstellen. Wie wollen Sie dabei garantieren, dass die Lehrkräfte qualifiziert lehren können?

Heinold: Wir haben ein neues Lehrkräftebildungsgesetz erarbeitet. Aus unserer Sicht sehr modern und fortschrittlich. Wir hoffen, dass wir junge Menschen für Schleswig-Holstein und auch für dieses Angebot begeistern können. Um dem Lehrkräftemangel zu begegnen, gibt es zwei Dinge, die wichtig sind. Das Eine: Der Standortfaktor Schleswig-Holstein muss hoch sein, die Menschen müssen gerne nach Schleswig-Holstein kommen, gerne hier leben, gerne hier auch als Lehrer*innen arbeiten. Und das Zweite ist, dass sie in den Schulen ein positives Lernklima brauchen. Also die Bedingungen so verändern, dass die Lehrer*innen sagen: “Ich gehe gerne nach Schleswig-Holstein, weil es dort ein Miteinander an den Schulen gibt und kein Gegeneinander.” Deshalb ist es auch in den nächsten Jahren wichtig, den Dialog zwischen Allen immer aufrecht zu erhalten: zwischen den Schüler*innen, den Lehrer*innen, den Eltern und nicht so Hau-Ruck-Aktionen zu machen, wie zum Beispiel kurz vor der Wahl anzukündigen, jetzt mal kurz wieder zu G8 wechseln zu wollen. Der Spitzenkandidat der CDU nutzt das offensichtlich nur, um sich bekannter zu machen. Genau so sollte Schulpolitik nicht sein! Wir müssen weiter daran arbeiten, unsere Schulen im Dialog mit allen Beteiligten zu entwickeln. Und wir werden in den nächsten Jahren noch mehr Geld als bisher schon investieren müssen.

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