Interview – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 21 May 2018 11:54:30 +0000 de-DE hourly 1 Ein Tortenwurf und zwei Wochen Gefängnis https://www.studentenpack.de/index.php/2018/05/ein-tortenwurf-und-zwei-wochen-gefaengnis/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/05/ein-tortenwurf-und-zwei-wochen-gefaengnis/#respond Mon, 28 May 2018 09:30:30 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=375512
Heute wird die Torte gegessen statt geworfen: „Julia Pie“.Annika Munko | StudentenPACK.

Heute wird die Torte gegessen statt geworfen: „Julia Pie“.

Sie nennt sich „Julia Pie“ und bewarf im Herbst 2016 AfD-Politikerin Beatrix von Storch bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Tortenboden mit Rasierschaum – 2017 wurde sie dafür wegen Beleidigung verurteilt und ging Anfang 2018 für zwei Wochen ins Gefängnis. Wie es zum Tortenwurf kam und wie sie die Zeit im Lübecker Frauengefängnis erlebt hat, erzählt die „nebenbei“ in Kiel Informatik studierende politische Aktivistin im Interview.

StudentenPACK: Würdest du kurz erzählen, wie es zu deinem Tortenwurf kam?

Julia Pie: Das war eine recht spontane Aktion: Die Antifa hatte Proteste gegen die AfD-Wahlkampfveranstaltung in Kiel organisiert. Ich hatte vorher mitbekommen, was Frau von Storch über den Gebrauch von Schusswaffen an deutschen Grenzen gesagt hatte, und fand, dass man so jemanden nicht einfach so sprechen lassen kann. Dazu wollte ich gerne etwas beitragen und habe am Abend vor der Veranstaltung zuhause geguckt, was ich noch so dahabe – das waren dann eben ein Tortenboden und Rasierschaum.

Lustigerweise wurde ich beim Abtasten am Eingang sogar noch gefragt, ob ich Torte dabeihabe. Ich sagte „Oh, ja, ich hab eine dabei.“ Die Security hielt das wohl für einen Scherz und meinte, ich könne meinen Korb am Rand abstellen. Das hat gut gepasst, denn das war direkt neben der Bühne – die perfekte Wurfposition.

PACK: Warum gerade ein Tortenwurf? Was macht einen Tortenwurf für dich zu einer guten Protestaktion?

Julia: Zum einen wollte ich damit zeigen, wie lächerlich die Argumente von Frau von Storch sind: Jemanden, der fordert, dass man auf Menschen an den Grenzen schießen soll, kann ich nicht als Gegenüber in einer politischen Debatte ernstnehmen. Um auf diese Lächerlichkeit hinzuweisen, erschien mir ein Tortenwurf ganz passend. Zum anderen war es ein „Hier seid ihr auch nicht sicher!“ an die AfD. Es ist nämlich so, dass in Kiel niemand mehr Räume an die AfD vermietet, sodass auch diese Veranstaltung in ihrem eigenen Parteibüro stattfinden musste – und selbst dort mussten sie feststellen, dass es Leute gibt, die nicht mit dem einverstanden sind, was sie fordern. Dazu kam, dass vor ungefähr einem Jahr eine Freundin von mir in Norwegen wegen eines Tortenwurfs auf eine rechte Politikerin im Knast saß, sodass sicher auch ein „Das könnte man hier doch auch mal machen“ mit dabei war.

Bei der Kundgebung zu Julias Haftantritt gab es nicht nur Kritik an Gefängnissen generell, sondern auch die Gelegenheit zum Törtchenwerfen.Hanna Poddig

Bei der Kundgebung zu Julias Haftantritt gab es nicht nur Kritik an Gefängnissen generell, sondern auch die Gelegenheit zum Törtchenwerfen.

PACK: Nur so aus Neugier: Wie bereitet man einen Tortenwurf am besten vor?

Julia: Am meisten Gedanken habe ich mir darüber gemacht, wie ich in den Raum reinkomme, welche Rolle ich spielen muss, um sicher reingelassen zu werden. Ich habe mir dann extra schicke Kleidung rausgesucht, einen Faltenrock und eine weiße Bluse, um die interessierte Jungwählerin, die noch nicht genau weiß, wie sie zur AfD steht, spielen zu können – mit Dreads wird man bei so einer Veranstaltung wohl eher nicht reingelassen. Das hat super funktioniert.

Werfen geübt habe ich vorher nicht – ich hätte in meinem Zimmer auch keine geeignete Testfläche gehabt.

PACK: Hast du absichtlich etwas geworfen, das nicht als “Körperverletzung” gewertet werden kann?

Julia: Es steckte schon die strategische Überlegung dahinter, dass Verletzen in dieser Situation nicht gut gewesen wäre. Das hätte der AfD nur geholfen, die Opferrolle einzunehmen und das wollte ich nicht. Um auf die Lächerlichkeit der Argumente aufmerksam zu machen, war ein Tortenwurf angemessener.

PACK: Wie ging es dann weiter?

Julia: Die Security hat mich direkt an die Polizei übergeben, die mich erstmal zur Wache verbracht hat. Ich wurde aber relativ schnell wieder freigelassen – als die Veranstaltung zu Ende war, war ich schon wieder draußen. Ein halbes Jahr später habe ich dann den Strafbefehl vom Amtsgericht bekommen, dass sie mich nach Beurteilung der Aktenlage wegen Beleidigung zu 800 Euro verurteilen wollen. Dagegen habe ich Einspruch eingelegt, um den Prozess dann bewusst als politische Bühne zu nutzen und Kritik an der AfD üben zu können. Letzten Endes wurden durch den Prozess aus den 800 Euro nur noch 150 Euro.

PACK: Warum hast du dich dazu entschlossen, nicht das Geld zu zahlen, sondern stattdessen ins Gefängnis zu gehen?

Julia: Ich bin in den Knast gegangen, um nochmal klar zu zeigen, dass ich zu dem, was ich tue, stehe und diese Geldstrafe nicht akzeptiere. Im Zuge dessen wollte ich auch darauf aufmerksam machen, dass Strafen und Gesetze nicht dabei helfen, Konflikte zu lösen: Auch nach meiner Zeit im Knast bin ich noch genauso wütend auf die AfD. In Deutschland werden Menschen wegen geringster Vergehen wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren eingesperrt, weil sie das Strafgeld nicht zahlen können. Da braucht es eher einen öffentlichen Personennahverkehr, der allen kostenlos zur Verfügung steht und keine Regelungen, die dafür sorgen, dass Schwarzfahrer, die das Geld für ein Ticket nicht haben, ins Gefängnis gehen und danach immer noch kein Geld für den Fahrschein haben.

PACK: Was waren deine größten Bedenken, bevor du ins Gefängnis gegangen bist?

Julia: Ich wusste nicht, wie psychisch belastend das Gefühl, tatsächlich eingesperrt zu sein, wird. Damit bin ich dann relativ gut klargekommen. Viel schlimmer war es für mich, tagtäglich mit Wärterinnen zu tun zu haben, die durchaus freundlich waren. Dadurch hat es viel Kraft gekostet, den politischen Widerstand aufrechtzuerhalten und bei der Einstellung „Knast und Leute einsperren ist scheiße, egal wie nett sie hier zu einem sind“ zu bleiben.

PACK: Du hattest dir vorgenommen, dich im Gefängnis auf die Prüfungen vorzubereiten – kann man im Knast gut lernen?

Julia: So halb. Im Knast rückt alles außerhalb der Mauern viel weiter weg, sodass man schnell meint, man könne ja, wenn man wieder draußen ist, noch lernen und hätte dann auch viel bessere Voraussetzungen, weil zum Beispiel fürs Programmieren ein Laptop nützlich wäre.

PACK: Welche Dinge durftest du außer deinem Laptop nicht mitnehmen?

Julia: Dazu gab es eine lange Liste. Es fing bei ganz banalen Sachen wie Zahnpasta an und reichte bis zur Yogamatte und Wärmflasche. Was Kleidung anging, war es so, dass eigene zwar mitgebracht werden durfte, in diese dann aber ein Patch eingebrannt wurde, der sich nicht wieder entfernen ließ. Deswegen habe ich dann doch darauf verzichtet, meine eigene Kleidung zu tragen und die Anstaltskleidung genommen.

PACK: Wussten deine Mithäftlinge als du kamst schon, dass du „die Tortenwerferin“ bist? Wie waren die Reaktionen darauf?

Julia: Der Frauenknast ist mit 60 Häftlingen sehr klein, da hat sich das schnell rumgesprochen. Ich wurde dann auch schon mal in der Bibliothek „Bist du die aus der Zeitung?“ gefragt. Die meisten fanden das mit dem Tortenwurf ganz amüsant und auch konsequent, dass ich ins Gefängnis gegangen bin anstatt das Geld zu bezahlen.

PACK: Wie sah dein Alltag im Gefängnis aus?

Julia: Am Anfang war ich im geschlossenen Vollzug und konnte später in den offenen Vollzug wechseln, da unterscheiden sich die Tagesabläufe. Im geschlossenen Vollzug wird man morgens um halb sieben vom Schlüsselrattern zur „Lebendkontrolle“ geweckt. Danach heißt es anziehen, frühstücken und Anträge abgeben. Die Zeit vor- und nachmittags, in der die lange einsitzenden Häftlinge gearbeitet haben, habe ich mit Lesen, Lernen, Briefe schreiben oder ähnlichem verbracht. Nachmittags gab es immer eine Stunde, in der man die Möglichkeit hatte, Sport zu machen. Abendbrot gab es gegen halb sechs und dann war noch eine Zeitlang „Aufschluss“, da konnte man den Gemeinschaftsraum nutzen oder einander besuchen. Um 20 Uhr war Einschluss in die Zellen, ab 22 Uhr Nachtruhe.

Im offenen Vollzug gab es nur die Mahlzeiten als feste Struktur. Dort waren die Zellentüren permanent offen, man konnte jederzeit in den Garten gehen und einige Frauen sind auch nach draußen zur Arbeit gefahren. Psychisch fand ich den offenen Vollzug deutlich fieser, weil man nicht von einer hohen Mauer mit Stacheldraht davon abgehalten wurde, das Gefängnis zu verlassen, sondern nur von einer Art Gartenzaun. Ich wusste die ganze Zeit, dass ich über diesen Zaun hätte klettern können, sodass ich mich zwingen musste, es nicht zu tun. Dieses Gefühl, gewissermaßen freiwillig im Gefängnis zu bleiben war ganz eklig.

PACK: Was hast du am meisten vermisst?

Julia: Am meisten habe ich es vermisst, von radikalen politischen Menschen umgeben zu sein, einen gemeinsamen Alltag zu haben und miteinander diskutieren zu können.

PACK: Wie beurteilst du das Gefängnisessen im Vergleich zur Mensa?

Julia: In der Mensa esse ich tatsächlich gerne, im Knast fand ich das Essen relativ schlecht. Morgens und abends gab es Brot – damit wurde man überhäuft, und mittags etwas Warmes, meistens irgendwas verkochtes. Das einzige, was mich positiv überrascht hat, war, dass es immer eine Schale mit Äpfeln im Aufenthaltsraum gab.

PACK: Wie darf man sich das Miteinander im Gefängnis vorstellen?

Julia: Das Miteinander kann man schon als gestört bezeichnen – für mich wurde es von grundsätzlichem Misstrauen bestimmt. Ich habe selbst gemerkt, dass ich mich gefragt habe, was eine Gefangene im Gegenzug von mir erwartet, wenn sie mir angeboten hat, ihr Duschgel mitzubenutzen. Das widerspricht eigentlich allem, wie ich sonst mit meinen Mitmenschen umgehe. Eine Frau sagte mir, der Knast habe sie misstrauischer, härter und aggressiver gemacht – das ist natürlich nicht, was mit einer Haftstrafe erreicht werden soll, und für mich auch ein Grund, warum ich es nicht sinnvoll finde, Menschen einzusperren. Dass jemand im Gefängnis über seine Fehler nachdenkt, alles bereut und wenn er wieder draußen ist, nicht rückfällig wird, weil er einen erneuten Haftaufenthalt vermeiden will , das ist ein Mythos. Im Gegenteil: Je länger jemand eingesperrt war, desto größer wird die Rückfall-Wahrscheinlichkeit.

Ansonsten spielen Lästereien oder wer mit wem ein Techtelmechtel hat eine relativ große Rolle, einfach deswegen, weil es sonst an Themen fehlt, weil kaum etwas passiert.

PACK: Was sind die seltsamsten im Gefängnis geltenden Regeln?

Julia: Eigentlich sind Männer und Frauen im Knast strikt voneinander getrennt, nur so etwas wie Schulunterricht, durch den man einen Abschluss nachholen kann, findet gemeinsam statt. Dabei gilt die klare Regel, dass man sofort aus der Schule rausfliegt, wenn man etwas mit dem anderen Geschlecht anfängt – da reicht schon rumknutschen. Dass die Frauen untereinander was am laufen hatten, wurde hingegen toleriert.

Ihre Zeit im Gefängnis verbrachte Julia in der Justizvollzugsanstalt Lübeck, der einzigen JVA Schleswig-Holsteins mit Frauengefängnis.Hanna Poddig

Ihre Zeit im Gefängnis verbrachte Julia in der Justizvollzugsanstalt Lübeck, der einzigen JVA Schleswig-Holsteins mit Frauengefängnis.

PACK: Hat sich für dich durch den Gefängnisaufenthalt etwas verändert?

Julia: Für mich hat sich durch den Knast nicht so viel verändert. Ich fand Knäste vorher schon scheiße und das ist so geblieben. Nachdem ich selber im Knast war möchte ich diesen in Zukunft stärker in den Fokus meiner politischen Arbeit rücken.

PACK: Seit Jahren heißt es in den Medien, dass in vielen Justizvollzugsanstalten Personal fehlt. Hast du davon etwas mitbekommen und wenn ja, was bedeutet das für die Insassen?

Julia: Ja, tatsächlich, das hat man auch in Lübeck gemerkt. An manchen Tagen erfolgte der Einschluss in die Zellen aus Personalmangel schon um 17 Uhr statt wie sonst um 20 Uhr. Was das betrifft bin ich sehr zwiegespalten, denn einerseits möchte ich überhaupt nicht, dass irgendwer in der JVA arbeitet und dieses System aufrechterhält, andererseits ist es eine Verbesserung der Haftbedingungen, wenn die Häftlinge abends länger in den Gemeinschaftsraum gehen können und nicht stupide in ihrer Zelle sitzen müssen.

PACK: Welche Tipps kannst du Anderen für eventuelle Gefängnisaufenthalte geben?

Julia: Ein Tipp ist auf jeden Fall, dass angezahlte Tage nicht vollstreckt werden dürfen. Ich war zu 15 Tagessätzen verurteilt worden, sodass auch meine Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage lang gewesen wäre, doch dadurch, dass ich einen Cent bezahlt habe, durfte der letzte Tag nicht vollstreckt werden und ich bin nach 14 Tagen wieder rausgekommen.

Ansonsten sollte man sich unbedingt etwas mitnehmen, womit man sich den Tag über beschäftigen kann – stricken, Radio hören, lesen… Stellt euch einfach vor, ihr macht eine lange Zugreise und habt kein Internet, was würdet ihr mitnehmen? Zusätzlich sollte man auch als Nichtraucher Tabak mit in den Knast nehmen, zum Tauschen.

Und, das hört sich vielleicht etwas paradox an, aber: Macht es nicht alleine. Damit meine ich nicht, dass man zum Händchenhalten zu zweit in den Knast gehen sollte, aber für mich waren meine Unterstützer, die mich zum Knast gebracht und abgeholt, draußen meine Alltags-Organisation übernommen und mir Briefe geschrieben haben, unglaublich wichtig.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch!

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Mehr als nur Bakterien! https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/mehr-als-nur-bakterien/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/mehr-als-nur-bakterien/#respond Mon, 06 Nov 2017 08:50:21 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=302106
Prof. Dr. Werner Solbach war 20 Jahre lang Professor an der Uni Lübeck und brachte Generationen von Studenten die Mikrobiologie näher.Annika Munko | StudentenPACK.

Prof. Dr. Werner Solbach war 20 Jahre lang Professor an der Uni Lübeck und brachte Generationen von Studenten die Mikrobiologie näher.

20 Jahre ist es her, dass er an die Uni Lübeck kam: Prof. Dr. Werner Solbach, nicht nur Generationen von Medizinstudierenden aus Mikrobiologie-Praktikum oder -Prüfung bekannt. Im September hielt er nun seine Abschiedsvorlesung. Was ihn nach dem Studium in Mainz und wissenschaftlicher Arbeit in Erlangen in den Norden gelockt hat und welche Veränderungen er an der Uni Lübeck miterlebt hat, erzählt er nun im Interview. Darüber hinaus gibt Solbach interessante Einblicke in einige der zahlreichen Ämter, die er innehatte oder weiterhin hat und verrät, womit er in Zukunft gerne noch Zeit verbringen möchte.

StudentenPACK: Sie haben die Mikrobiologie schon im Studium für sich entdeckt – was begeistert Sie daran?

Werner Solbach: Das war im Grunde Zufall: Ich habe meine Doktorarbeit in der Medizinischen Mikrobiologie geschrieben. In meiner Arbeitsgruppe wurde damals mit T-Lymphozyten gearbeitet – Ende der 70er Jahre im letzten Jahrhundert wurden die in Deutschland so gut wie gar nicht erforscht. Meine Aufgabe war es herauszufinden, wie man T-Zellfunktionen durch Antibiotika beeinflussen kann. Dadurch habe ich die Mikrobiologie kennengelernt und festgestellt, dass hinter jeder Infektion ein kranker Patient steht. Diese Schnittstelle zwischen Patient und Erreger hat mir sehr gut gefallen. Das Fachgebiet ist mit den Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten außerordentlich abwechslungsreich. Dies hat mich sehr gereizt. In der Facharztweiterbildung gab es die Versuchung Kinderarzt zu werden. Auch ein tolles Gebiet. Aber im Bereich der Infektionen war es am Ende doch nicht so abwechslungsreich wie die Mikrobiologie, die es ja nicht nur mit Kindern zu tun hat. Ich habe meine Entscheidung nie bereut.

PACK: Was hat Sie vor 20 Jahren nach Lübeck gelockt?

Solbach: Ich hatte irgendwann das Gefühl, es wäre an der Zeit für einen Ortswechsel. Ich erhielt dann gleichzeitig zwei verschiedene Rufe, der eine kam aus Lübeck. Von Lübeck wusste ich ehrlich gesagt nicht so ganz genau, wo es liegt und vor allem nicht, dass es so nah an der damaligen Zonengrenze lag. Ich bin dann mal hier hochgefahren und mir hat nicht nur die Stadt gefallen, sondern ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass das Umfeld hier passt. Ich hatte von den damaligen Kollegen den Eindruck, dass alle an einem Strang ziehen und gemeinsam etwas erreichen wollen. Es gab eine außergewöhnliche „Willkommenskultur“. Außerdem gab es einen Sonderforschungsbereich in Kooperation mit dem Forschungszentrum Borstel und ein Graduiertenkolleg, beide hatten mit Infektionen zu tun. Das waren sehr gute Voraussetzungen und eine starke Motivation, an einem Forschungsschwerpunkt zu Infektionen mitzuarbeiten.

PACK: Was sind die größten Veränderungen, die Sie hier an der Uni miterlebt haben?

Solbach: In der Forschung wurden damals viele Dinge in hanseatischer Tradition mit Handschlag und Vertrauen erledigt. Die Prozesse waren viel weniger formalisiert und es musste nicht alles kleinteilig dokumentiert werden. So wurde beispielsweise den verschiedenen Forschungszentren der Universität der gleiche Anteil des verfügbaren Budgets zugeteilt – das wäre heute undenkbar. Dass heute alles an Kennzahlen festgemacht wird, an deren Erhebung eine Vielzahl von Koordinatoren und Koordinatorenkoordinatoren beteiligt sind und deren Sinn teilweise niemand mehr hinterfragt, das betrachte ich als eine der größten Veränderungen. Es lohnt sich nicht, dem nachzuweinen, aber viele Dinge waren deutlich unkomplizierter.

PACK: Durch Ihr Engagement für die Themen, für die nun mit dem Z.I.E.L. ein zentrales Gebäude geschaffen wird, sind Sie selbst für eine große Veränderung mit verantwortlich. Was erhoffen Sie sich vom Z.I.E.L. für die Zukunft?

Solbach: Ich hoffe, dass das Z.I.E.L. den Forschenden eine fachwissenschaftliche Heimat geben kann. Denn diese Heimat entwickelt sich durch den ständigen persönlichen Kontakt zu Kollegen mit gemeinsamen Interessen am Erkenntnisgewinn. Zwischen CBBM und Z.I.E.L., da wird es eine Tür geben, um diesen Austausch von Wissen zu unterstützen. Wäre ich noch länger hier, dann würde ich versuchen, einen Sonderforschungsbereich für „Metaflammation“ ins Leben zu rufen – zusammengesetzt aus Metabolismus und Inflammation. Dafür haben wir alle Voraussetzungen. Die Leute im CBBM kennen sich mit Gehirn und Hormonen aus und im Z.I.E.L. sitzen die Experten für Entzündung. Lübeck hat also die idealen Voraussetzungen, an diesen Themen zu arbeiten.

PACK: Was ist Ihnen aus der Zeit in Lübeck besonders in Erinnerung geblieben?

Solbach: Unvergessen ist der „Lübeck kämpft“-Sommer. Zu der Zeit, im Mai 2010, war ich noch Dekan der Medizinischen Fakultät. Da las ich morgens in der Zeitung, die Medizin in Lübeck würde geschlossen. Der damalige Präsident, Professor Dominiak, hatte davon auch erst am Abend zuvor erfahren. Nach der anfänglichen Lähmung und einer Phase des Kopfschüttelns kam dann eine unglaubliche Bewegung in Gang, die ich nie vergessen werde. Die Studenten haben uns am Ende den Hintern gerettet: Was da von den Studierenden an Kreativität und Engagement aufgebracht wurde, was den Älteren gar nicht in den Sinn gekommen wäre, das hat allen Kraft gegeben. Der Höhepunkt war damals die große Demonstration mit 14.000 Personen in Kiel. Wir hatten Solidaritätsbekundungen von allen medizinischen Fakultäten Deutschlands und Kollegen weltweit, ausschlaggebend waren am Ende aber die Studenten und die Bevölkerung Lübecks. Einige Lübecker wussten vorher gar nicht, dass Lübeck eine Uni hatte. Wenn ich sehe, was jetzt hier gebaut wird, dann kann man die Diagnose wagen, dass dies ohne die Krise 2010 nicht so gekommen wäre. Alle hatten nach 2010 im Hinterkopf, dass solche Schließungsgedanken jederzeit wiederkommen könnten und wir uns auch deswegen wirklich anstrengen müssen. Auch das ist für mich ein Stück weit Lübeck: Da ziehen dann auf einmal alle an einem Strang.

„Die Studenten haben uns am Ende den Hintern gerettet“, sagt Solbach, der als Dekan der Medizinischen Fakultät auch bei den „Lübeck kämpft“-Aktionen mit dabei war.Thorsten Biet

„Die Studenten haben uns am Ende den Hintern gerettet“, sagt Solbach, der als Dekan der Medizinischen Fakultät auch bei den „Lübeck kämpft“-Aktionen mit dabei war.

PACK: Mit Aktionen wie dem Mibi-Quiz (Geld oder Schein?) am Semesterende haben Sie versucht, dieses für viele trockene, umfangreiche Fachgebiet lebendiger zu gestalten, was Ihnen spürbar Spaß gemacht hat…

Solbach: Ich habe immer gerne Lehre gemacht, das mache ich bis heute gern. Nach dem Physikum wollen die Studenten am liebsten Patienten sehen und möchten nichts über „stinkende“ Bakterien wissen. Aber nach der Hälfte des Semesters merkt man, dass es bei einigen „Klick“ macht, wofür man dieses Wissen doch brauchen könnte. Es hat mir immer Spaß gemacht zu sehen, wie dann plötzlich sehr kluge Fragen gestellt wurden. Ein Quiz „Geld oder Schein?“ zu veranstalten, das ist mir irgendwann mal eingefallen und hat riesigen Spaß gemacht. Es hat in der ganzen Zeit nie jemand das Geld genommen – da hätte man ohne Risiko auch 1000 Euro ausloben können.

PACK: Warum sollte ich als Medizinstudent heute Mikrobiologe werden und welche Eigenschaften sollte ich dafür mitbringen?

Solbach: Weil das Fach sehr vielfältig ist und über viele Jahre die Gelegenheit bietet, sich gemäß den eigenen Präferenzen zu spezialisieren. Ich kenne Mikrobiologen, die kriegen orgastische Gefühle, wenn sie die letzte Windung eines DNA-Schnipsels entdeckt haben, ich kenne aber auch Mikrobiologen, die sich für technische Aspekte, Mikrobiomik oder Epidemiologie interessieren. Und dann gibt es welche wie mich, die interessieren sich für die Reaktion des Patienten auf den Erreger. Das Spektrum ist ganz, ganz breit. Und, das darf man nicht vergessen: Die Freiheit in der Zeitplanung ist enorm, weil man nicht an die Patienten gebunden ist. Auch Teilzeitarbeit ist gut möglich. Wer sich vorstellen kann, nur indirekten Patientenkontakt zu haben, für den ist die Mikrobiologie ein tolles Fach. Ich kann es nur empfehlen.

PACK: Sie gehören der „Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit“ an, die Entscheidungsträger in der Politik mit fachlichen Stellungnahmen unterstützt. Wie viel lässt sich dadurch beeinflussen?

Solbach: In dieser Kommission geht es darum, wie wir gewährleisten können, dass von genveränderten Mikroorganismen keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit ausgeht. Da kommt man sehr schnell an die Schnittstelle von Wissenschaft und Ideologie. In Deutschland sind beispielsweise gentechnisch veränderte Lebensmittel verboten, weil die Bevölkerung keine gentechnisch veränderten Pflanzen will und es infolgedessen politisch so gewollt ist. Ich kenne bis heute niemanden, der durch „Gentechnik“ krank wurde. In der Politik gibt es inzwischen große Bemühungen, die umgesetzten Maßnahmen mit Evidenz zu untermauern. Die Kommission äußert sich dann zum Beispiel zu dem Vorhaben, Lachse zu züchten, die doppelt so schnell schlachtreif werden, oder zu Studien mit Influenzaviren, die vorhersehen lassen, dass diese durch die Passage in Mäusen immer virulenter werden. Die Empfehlungen beruhen dabei auf Wissenschaft und den gesammelten Erfahrungen der Kommissionsmitglieder. In der Regel werden diese Empfehlungen angenommen. Das ist viel Arbeit, aber ich sehe es als Beitrag zur Entideologisierung der Debatte. Die Herausforderungen werden mit der Verfügbarkeit ganz neuer Technologien des Genom-editings in naher Zukunft eine ganz neue Dimension annehmen.

PACK: Sie waren der letzte Dekan der Medizinischen Fakultät und haben die Abschaffung der Fakultäten bzw. die Einführung der Sektionen an der Uni Lübeck hautnah miterlebt. Was hat sich dadurch wirklich geändert?

Solbach: Das ist eine sehr schwierige Frage. Bis 2010 war die Struktur an allen medizinischen Fakultäten in Deutschland gleich. Hier in Lübeck gab es dann eine Initiative von Seiten des Uni-Präsidiums, diese Struktur zu ändern, weil der Dekan der medizinischen Fakultät über mehr finanzielle Mittel verfügen konnte als die Universität insgesamt. Das war für das Selbstverständnis der Uni schwierig. Die Idee war dann, die Mittel zusammenzuführen, sodass die Uni das gesamte Budget verteilt. Die Fakultäten wurden aufgelöst und zu Unterausschüssen des Senats, der neue Posten des Sektionsvorsitzenden ersetzte den Dekan. Ein Sektionsvorsitzender heute ist dem Senat und gleichzeitig der Universität gegenüber verantwortlich. Das kann zu Interessenkonflikten führen. Mit dem neuen Hochschulgesetz gehen die Gelder für die medizinische Forschung nun auch nicht mehr an die Uni, sondern direkt ans Klinikum. Neu ist auch, dass der UKSH Vorstand erweitert wurde, um die Interessen von Forschung und Lehre in der Medizin zu vertreten. Dies ist zunächst begrüßenswert und versucht, Versäumnisse der Vergangenheit auszubügeln. Anderswo übernimmt diese Funktion der Dekan, doch wir in Lübeck haben keinen Dekan mehr. Deswegen musste das neue Amt des Vizepräsidenten Medizin geschaffen werden. Dieses Amt bedarf für die konstruktive Ausfüllung einer hohen Kompetenz: Der Vizepräsident Medizin ist der Universität, dem Präsidium und den Kollegen verantwortlich, andererseits ist er mitverantwortlich für das ökonomisch erfolgreiche Agieren des UKSH. Das ist eine schwierige Konstellation. Es gab und gibt zum Beispiel häufig den Wunsch in einem Klinikum, Geld für die Forschung abzuzweigen und es in die Krankenversorgung zu investieren – in diesem Punkt sind die Interessen von Universität und Klinikum sehr schwer miteinander vereinbar. Ich hoffe, dass bald ein geeigneter Kandidat gefunden wird.

PACK: Sie sind Präsidiumsbeauftragter für Forschungsangelegenheiten: Was können Sie jungen Forschenden empfehlen, um Betrug oder Plagiate in der Wissenschaft zu verhindern?

Solbach: Den Forschenden kann ich nur zu Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen in der Zusammenarbeit raten, ganz einfachen Prinzipien. Wichtig ist auch Kommunikation, die vermisse ich manchmal auch hier in Lübeck. Da wird jungen Leuten von ihrem Chef „Mach mal, forsch mal!“ gesagt, ohne sie zu betreuen. Wenn dann noch ein Publikations- oder Leistungsdruck dazukommt, kann man, wenn man die entsprechende Persönlichkeit hat, schon mal in Versuchung geraten. Deswegen ist es sehr wichtig, in einer Gruppe angebunden zu sein, in der Probleme diskutiert werden können. Ich kann auch nur für das „near-incident-reporting“ werben: Ein offener Umgang mit Fehlern oder beinahe überschrittenen Grenzen ist wichtig. Für Situationen, in denen man den Verdacht hat, jemand könnte gefälscht haben, gibt es Personen wie den Ombudsmann oder den Vertrauensdozenten, sodass man sicher sein kann, nicht verpfiffen zu werden. Aber der Whistleblower zu sein ist schwierig.

„Nach dem Physikum wollen die Studenten am liebsten Patienten sehen und möchten nichts über ‚stinkende‘ Bakterien wissen“, erzählt Solbach – und auch, warum ihm die Lehre trotzdem immer viel Spaß gemacht hat.Annika Munko | StudentenPACK.

„Nach dem Physikum wollen die Studenten am liebsten Patienten sehen und möchten nichts über ‚stinkende‘ Bakterien wissen“, erzählt Solbach – und auch, warum ihm die Lehre trotzdem immer viel Spaß gemacht hat.

PACK: Sie sind DFG-Vertrauensdozent und unterstützen junge Forscher persönlich, zum Beispiel bei der Antragstellung. Was sind dabei die größten Hürden?

Solbach: Jemand, der seinen ersten Antrag stellt, ist fachlich super informiert und will das verständlicherweise auch alles hinschreiben, aber er kommt oft nicht auf den Punkt. Auch das Wording für solche Anträge muss man sich erst aneignen. Die Anleitung, wie so ein Antrag geschrieben wird, bekommt man am besten von seinen akademischen Lehrern. Holen Sie sich Anleitung aus der Arbeitsgruppe: Gute Anträge kommen aus guten Arbeitsgruppen und in guten Arbeitsgruppen wird miteinander geredet. Gerne berate ich jeden, bevor der Antrag das Haus verlässt und das Dozierenden-Service-Center bietet auch dementsprechende Veranstaltungen an.

PACK: Welche Ihrer vielen Tätigkeiten hat Ihnen am meisten Spaß gemacht und warum?

Solbach: Noch so eine schwierige Frage! Es hat mir immer Spaß gemacht, Menschen aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammenzubringen. Und was mir immer viel Freude bereitet hat sind die Studenten. Die Diskussionen mit den Studenten haben mich immer wach gehalten, mit all den klugen Bemerkungen und Fragen. Mir war gar nicht so bewusst, wie viel Erfüllung mir der Kontakt zu den Studierenden gegeben hat das wird mir fehlen.

PACK: Was haben Sie sich für die neu gewonnene Freizeit vorgenommen, wenn Sie der Uni den Rücken kehren?

Solbach: Nun, ich bleibe der Uni noch etwas erhalten. Die Uni ermöglicht mir, für ein weiteres Jahr mein Büro im Haus 2 zu behalten. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe auch noch eine ganze Reihe an Ämtern inne, bis nächstes Jahr bin ich zum Beispiel noch Präsident der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für antimikrobielle Chemotherapie. Da ist viel zu tun. Eine Sache gibt es aber noch, die mich immer interessiert hat: Ich bin katholisch und frage mich schon lange, wie dieser Bestseller „Bibel“ zustande gekommen ist. Das sind teilweise super Geschichten, die auch aufeinander Bezug nehmen und wenig widersprüchlich sind. Diese Geschichten sind uralt und entstanden zu einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten. Wie das bis heute zusammengeht, damit möchte ich mich noch beschäftigen.

PACK: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben!

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Du wirst überrascht sein, wie viel du bewegen kannst https://www.studentenpack.de/index.php/2017/07/du-wirst-ueberrascht-sein-wie-viel-du-bewegen-kannst/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/07/du-wirst-ueberrascht-sein-wie-viel-du-bewegen-kannst/#respond Mon, 03 Jul 2017 07:10:00 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=287053
„Kannst du meine Gedanken lesen?“Johann Mattutat | StudentenPACK.

„Kannst du meine Gedanken lesen?“

Mourad Zoubir hat den Preis für besonderes studentisches Engagement 2017 gewonnen. Neben der Arbeit für die Fachschaft Psychologie und in deren Prüfungsausschuss ist er Gründungsvorsitzender bei ROCK YOUR LIFE! und StudyHacks.

StudentenPACK: Herzlichen Glückwunsch zum Preis für besonderes studentisches Engagement. Wofür, denkst du, hast du ihn gewonnen?

Mourad Zoubir: Vielen herzlichen Dank! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Zugleich möchte ich meinen Mitstreitern danken – ob bei ROCK YOUR LIFE!, der Fachschaft Psychologie oder bei StudyHacks – ohne die wäre rein gar nichts zu Stande gekommen. Ich kann mir vorstellen, dass ich als gemeinsamer Nenner dieser Projekte und als häufiger Werbe-Treibender in den Fokus des Auswahlkomitees gerückt bin.

PACK: Wie bist du zum Studium gekommen und warum studierst du Psychologie hier in Lübeck?

Mourad: Ich habe meinen Dienst bei der Bundeswehr in Eckernförde geleistet. Danach wollte ich im Norden bleiben und eine Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten – die Vorstufe zum Erzieher/glorifizierten Babysitter – machen. Als ich mit der Ausbildung in Lübeck fertig war und das Abitur nachgeholt hatte, habe ich mich überall beworben. In Lübeck hat der Studiengang unter anderem eine biologische Ausrichtung; genau das, was ich wollte. Psychologie war mein Kindheitstraum. Ich wollte schon immer in die Köpfe der anderen Menschen hineinschauen. Jetzt, nachdem ich sechs Semester studiert habe, weiß ich, dass das nicht möglich ist. Aber vor allem dieses wissenschaftliche Vorgehen fasziniert mich. Wir machen diesen Test und als Ergebnis (wenn es gut validiert ist) können wir sagen, dass du mit so und so viel Wahrscheinlichkeit das hast – vielleicht. Das ist übrigens die langweilige Antwort auf „Kannst du meine Gedanken lesen?“. Eine der lustigen wäre jetzt beispielsweise „Ja. Du denkst an deine Mutter. #Freud”

PACK: Du hast die Fachschaft PSY mitgegründet. Ist die Fachschaft PSY anders als die Fachschaft MINT?

Mourad: Wir haben bemerkt, dass die Fachschaft MINT – das ist eine echt tolle Truppe, die eine hervorragende Arbeit macht – mit uns geringe Schnittmengen hat. Es gibt ein, zwei Module, die Psychologen und MINTler zusammen haben. Wir sprechen ansonsten von komplett anderen Welten. Deshalb war es für uns und die FS MINT sinnvoll, wenn wir uns als eine eigene Gruppe aufstellen. Wir haben dadurch mehr Psychologen in die Fachschaft bekommen, weil wir nur die Psychologen repräsentieren und wir uns damit leichter identifizieren konnten.

MINT ist vielleicht ein Oberbegriff, worein theoretisch die Psychologie fällt, aber in der Sektion gibt es Vorlesungen wie Analysis; da sitzen alle – außer die Psychologen – zusammen, lernen sich kennen und wachsen ein Stück weit zusammen. Das hatten wir nicht. Vergleichbar hatten wir Statistik 1 mit den Medieninformatikern, die dann lachten, weil uns erklärt wurde, dass das „große E“ ein S ist und für Summe steht. Als Studiengang Psychologie haben wir uns also zusammengefunden.

Die Arbeit in der Fachschaft PSY macht eine Menge Spaß und wir Psychologen haben ja auch unsere eigenen Interessen. Wir haben sehr viel Kontakt zu Menschen mit psychischen Störungen und dort gibt es sehr viele und sehr große Stigmata. Das ist ein Hauptthema, das wir in Angriff nehmen können. Oder die Bezahlung der PIAs (Psychotherapeuten in Ausbildung), die wir uns auch gerade vorknüpfen.

Die Verleihung des Preises für besonderes studentisches Engagement.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die Verleihung des Preises für besonderes studentisches Engagement.

PACK: Was muss man bei der Gründung einer Fachschaft beachten?

Mourad: Man muss auf jeden Fall das richtige Leitbild haben. Wir sind Psychologen und unsere Veranstaltungen haben häufig Psychologie als roten Faden. Sogar der Maskenball wurde etwas von C. G. Jungs Persona inspiriert. Ich habe schon immer die Linux Install Parties oder Wargames and Waffles gefeiert – genau solche Veranstaltungen bauen ein Image auf, das zum Beispiel Informatiker sich mit der entsprechenden Fachschaft identifizieren lässt. Man muss eine Kohärenz aufzeigen. Das “Wie und mit welchen Veranstaltungen” ist das Spannendste an der Arbeit – der Kreativität freien Lauf lassen also!

PACK: Neben der Fachschaft bist im Prüfungsausschuss der Psychologen tätig. Worum geht es dort?

Mourad: Das ist eine der interessantesten Schnittstellen zwischen Studiengangskoordination, Prüfungs- und Studiengangsordnung und den Studierenden. Es gibt einen Sprecher und einen Stellvertreter, die die Interessen der Studierendenschaft vertreten. Wir diskutieren und interagieren sehr viel, generell gilt aber, dass das, was im Prüfungsausschuss genau passiert, nicht öffentlich ist.

PACK: Was hat dich motiviert, in dem Ausschuss aktiv zu werden?

Mourad: Ich wollte was bewegen und hinter die Kulissen schauen. Das ist eine Sache, die toll bei uns an der Uni ist: Es gibt diese Möglichkeiten, etwas mitzugestalten. Das sollte man auf jeden Fall annehmen. Mir ging es früher auf den Keks, wenn Leute ankamen und sagten: „Die Leute da ganz oben haben dies und sie haben das gemacht und jenes. Wie blöd sind die denn?“ Und dann fragte ich: „Was hast du dagegen gemacht?“ „Nichts“ „Hast du mal eine E-Mail geschrieben?“ „Nein“. Also saßen sie da am Tisch und rasteten aus, was sich vielleicht gut anfühlte aber nicht sonderlich viel änderte. Mittlerweile sehe ich jetzt die Schwierigkeiten in jeder Situation – Entscheidungen zu treffen ist nicht einfach. Aber wenn man seine Anliegen nicht äußert, sind diese Entscheidungen einfacher und werden ohne dich getroffen.

Also empfehle ich dir: Nimm doch mal was in die Hand! Übernimm Verantwortung! Du wirst überrascht sein, wie viel du bewegen kannst.

PACK: Bei ROCK YOUR LIFE! Lübeck e.V. warst du bis vor kurzem im Vorsitz. Worum geht es bei ROCK YOUR LIFE!?

Mourad: ROCK YOUR LIFE! ist Eins-zu-Eins Mentoring für Schüler von Studierenden. Die Schüler der achten Klasse werden zwei Jahre lang von Studierenden betreut, nehmen die Berufsorientierung in Angriff und suchen ihre Stärken. Dazu holen wir Unternehmen dazu, die zum Beispiel mit Betriebsbesichtigungen praktische Einblicke in die Berufswelt bieten. RYL! ist ein mittlerweile internationales Netzwerk; den Lübecker Standort habe ich mit Freunden vor zwei Jahren gegründet.

Wir unterstützen das Mentoring mit Trainings und Workshops. Mindestens drei Trainings von RYL!-Coaches mit den Mentoren und Mentees: Wie gestaltet man eine Mentoring-Beziehung? Wie finde ich den richtigen Beruf? Was sind meine Stärken? Gerade planen wir mit der IHK Workshops, in denen wir zum Beispiel den Mentoren die Berufswelt und die Möglichkeiten von Ausbildungen näherbringen wollen. Viele Studierende aus Akademikerfamilien kennen sich nicht mit Ausbildungen aus, aber dafür mit Studium und Gymnasium. Deshalb holen wir die IHK heran. Das ist auch ganz spannend an der Arbeit im Orga-Team: Es gibt jede Menge neue Erfahrungen. Letztens war ich im Penthouse-Eckbüro einer großen Lübecker Firma, habe dort unser Konzept vorgestellt und über eine Kooperation gesprochen. Das sind Begegnungen, die man als „normaler“ Student nicht hat. Und wenn einen später in der Karriere solche Begegnungen erwarten, dann hat man bereits schon sehr viele Erfahrungen gemacht und ist seinen Mitbewerbern einen Schritt voraus.

PACK: In eurem Organiationsteam sind vor allem Medizin- und Psychologiestudenten vertreten und nur vereinzelt MINTler. Fehlen euch MINTler?

Mourad: (lacht) Ich glaube, das ist dadurch verschuldet, dass Mundpropaganda am besten wirkt. Als ich zum ersten Mal nach Mentoren und einem Orga-Team gesucht habe, habe ich das insbesondere in meinem Umfeld getan. Wir waren da eben mehr Mediziner und Psychologen. Aber wir haben dieses Jahr auch einige MINTler und einige von der Fachhochschule dabei. Wir sind also bunt durchmischt und glücklich darüber! Es gibt immer Vorurteile wie zum Beispiel „Informatiker sind introvertiert“. Das muss nicht stimmen. Und auch wenn man es ist: Mentor zu werden, bedeutet nicht gleich, extrovertiert zu sein. Es gibt genauso viele Schüler, die introvertiert oder schüchtern sind. Für die wäre ich mit meinem lauten Organ und 3000 Words per minute nicht der beste Kandidat. Was ich damit sagen möchte: Es gibt nicht „den“ Mentor – jeder kann einer sein.

PACK: Kommen wir zur nächsten Initiative, bei der du tätig bist. Wie kam es zur Entwicklung von StudyHacks?

Mourad: Das Projekt entstand dadurch, dass wir gesehen haben, dass es Defizite gibt, alleine, effektiv und regelmäßig zu lernen. Ich habe mich mit sechs Fachschaftskollegen zusammengesetzt und wir haben uns gefragt: Welche Werkzeuge können wir unseren Kommilitonen geben, damit Lernen reibungslos läuft und bestenfalls Spaß macht? Beim Konzept der Achtsamkeit geht es im Groben um Emotions- und Aufmerksamkeitsregulation. Der bekannteste Spruch ist „Die Gedanken fließen vorbei wie die Wolken am Himmel.“ Stellen wir uns den prototypischen Studenten vor: Sitzt am Schreibtisch und will lernen, kann er aber nicht, weil ein Gedanke ihn ablenkt. Staubsaugen, Pizza bestellen, Serien schauen. Dieser Gedanke, nicht darauf einzusteigen, das schaffen die meisten leider nicht. Und deshalb gehen sie in die Bibliothek, denn dort gibt es keine Möglichkeit, sich eine Pizza zu holen oder eine Serie zu schauen. Wenn du fokussiert, selbst-diszipliniert lernen kannst, brauchst du die Bibliothek nicht.

Dann gibt es noch praktische Themen zum Beispiel Zeit- beziehungsweise Selbstmanagement. Übrigens: Wisst ihr, was laut aktueller Forschung der wichtigste Faktor für gutes Selbstmanagement ist? Es sind nicht die angewandten Techniken, wie viel Zeit man hat oder ob man Vollzeit arbeitet. Es ist die Überzeugung davon, dass man die Zeit im Griff hat. Das heißt, nur das Besuchen eines Seminars über Zeitmanagement kann schon ausreichen, um einen positiven Effekt zu erzeugen.

Es gibt noch weitere Themen wie Lerntechniken, Schnelllesetechniken oder das Verfassen guter Mitschriften. Dazu haben wir Inhalte ausgearbeitet und zusammengeschrieben: Wir suchten uns gut validierte Materialien, Primärliteratur und Ratgeber aus und stellten das zusammen. Jetzt haben wir eine Sammlung aus Techniken, die wir anbieten. In sechs Sitzungen stellen wir je ein Thema vor, führen sie dann am gleichen Tag und in der folgenden Woche zusammen durch und sprechen darüber. Das ist wichtig, denn wie oft hast du dir online was durchgelesen und entschieden, es umzusetzen, es aber nie wieder getan?

Dieses Jahr pilotieren wir das Konzept bei den Psychologen, nächstes Jahr werden wir das ausweiten. Unser Traum ist, dass die Teilnehmer als Multiplikatoren wirken und das Gelernte weitergeben. Für diese Techniken muss man nicht studiert oder ein teures Seminar besucht haben, man muss sie nur ausprobieren und umsetzen.

PACK: Sucht man bei dir nach dem roten Faden, bekommt man schnell das Gefühl, dass du andere Leute motivierst, sich zu engagieren. Hast du ein Geheimrezept, wie man Leute dazu bekommt, sich zu engagieren?

Mourad: Wir haben alle ein Image, ein ideales Selbst, welches wir gerne wären. Wer ist dieser Mensch? Wie möchte ich betrachtet werden? Dann schaust du, was das Projekt ist und wie das zusammenpasst: Wie helfe ich jemandem „zu sich selbst zu finden“?

Nehmen wir zum Beispiel einen introvertierten Menschen, der viel Menschenkontakt mit fremden Menschen als belastend empfindet. Wenn ich mit ROCK YOUR LIFE! ankomme und ihm erzähle, dass er Öffentlichkeitsarbeit machen kann – im vollen Audimax einen Vortrag halten – wird er kein Interesse haben. Das passt vielleicht nicht zu seiner Persönlichkeit oder Interessen. Wenn ich ihm aber sage, dass ich jemanden brauche, der unsere IT-Infrastruktur aufrechterhält oder die Facebook-Seite pflegt, sieht das ganz anders aus. Das klingt vielleicht banal oder nach Marketing 101. Das ist aber etwas, das häufig schiefläuft.

Der von RYL! organisierte Science Slam 2016 war ein voller Erfolg.Klas Prillwitz

Der von RYL! organisierte Science Slam 2016 war ein voller Erfolg.

Nehmen wir einen klassischen Fall: „Party-Student“ glaubt, Fachschaftsarbeit seien dreistündige Sitzungen, in denen nur über Hochschul-Politik gelabert wird und in unregelmäßigen Abständen ein Umtrunk gestartet wird. Das wird er nicht machen wollen. Wenn er aber weiß, dass er selbst eine Feier ins Leben rufen könnte – keine Ahnung, das jährliche Toga-Fest oder eine Steampunk Party – inklusive Location, Design von Werbemitteln, Werbeaktionen an der Uni, Projekt-Koordination, Deko basteln, dann wird Engagement auf einmal viel schmackhafter. Und auch wenn er nur diese eine Sache im Jahr macht, hat er schon einen gigantischen Beitrag zur Gestaltung der Hochschullandschaft eingebracht.

Finde die Stärken und Interessen heraus. Wenn es gerade keine passende Lücke gibt, dann sei flexibel; schaue was deren Talente für neue Türen öffnen.

PACK: Wie schaffst du es, dein Studium und Engagement zu verknüpfen?

Mourad: Mein Vorteil ist, dass ich bereits viel gearbeitet habe. Alle, die schon für mehrere Wochen eine 40-Stunden-Arbeitswoche hatten, wissen, wie es ist, wenn man die ganze Zeit etwas zu tun hat und schlapp und fertig nach Hause kommt. Ich habe beim Bund so gearbeitet – zum Teil im 24/7-Einsatz. Zum Vergleich: Im Studium, wo man viel mehr Flexibilität hat, wird man fast verrückt. Ich weiß, wo meine Belastungsgrenze ist und – wie ich häufig meinen Kommilitonen sage: Die ist viel weiter weg als man denkt.

Auch sehe ich im Engagement einen Gewinn für mich, da ich sehr viele Erfahrungen sammeln kann und viele Menschen kennenlerne. Für viele geht es im Studium nur um ihren Abschluss. Aber das ist nur gut, wenn es ihr Lebensziel ist, zu arbeiten. Für mich und für viele andere gilt, wir studieren, um besser zu werden, um über uns hinauszuwachsen. Und das sollte beim Ehrenamt auch so gelten!

PACK: Sollte man sich direkt im ersten Semester neben dem Studium eine Beschäftigung oder Ehrenamt suchen?

Mourad: Ich finde schon. Viele Leute haben mir gesagt, ich solle erst einmal ankommen und sehen, wie viel Arbeit es ist. Was ich aber gelernt habe, ist, dass mehr Zeit nicht gleich bessere oder mehr Arbeit ist. Wenn ich viel zu tun habe, arbeite ich effizienter. Ich organisiere mich, ich plane voraus. Das ist noch eine dieser Sachen, die man lernt, aber nicht im Modulhandbuch findet. Vertraue in deine Fähigkeiten. Und wenn du dich übernimmst, dann mach eine Pause oder steig aus. Nein zu sagen war für mich eine schwierige Lektüre, das habe ich aber am Ende auch erlernt.

Auch weise ich auf meine Lieblingsmetapher hin: Jegliche Arbeit kann man als Sport sehen: Am Anfang denkst du, nach fünf Minuten kannst du nicht mehr. Aber dann machst du weiter anstatt aufzuhören. Und du merkst, dass du zehn Minuten laufen kannst. Und nach einer Stunde willst du gar nicht mehr aufhören.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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Ein Signal für Lübeck und die Wissenschaft https://www.studentenpack.de/index.php/2017/07/ein-signal-fuer-luebeck-und-die-wissenschaft/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/07/ein-signal-fuer-luebeck-und-die-wissenschaft/#respond Sat, 01 Jul 2017 08:00:35 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=288462 Nach zehn Jahren als Kanzler verlässt Oliver Grundei die Universität zu Lübeck um als Staatssekretär in Kiel zu Arbeiten. Dem StudentenPACK beantwortete er einige Fragen.

Oliver Grundei (mittig) 2014 beim Jahresempfang der Universität zu Lübeck. In Bunt die ehemalige Ministerin Annette Schavan, im Hintergrund Honorar-Professor Winfried Stöcker.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Oliver Grundei (mittig) 2014 beim Jahresempfang der Universität zu Lübeck. In bunt die ehemalige Ministerin Annette Schavan, im Hintergrund Honorar-Professor Winfried Stöcker.

StudentenPACK: Sie sind seit 10 Jahren Kanzler der Universität zu Lübeck: Was sind Ihre Motivationen um einen Posten in der Regierung zu übernehmen?

Oliver Grundei: Die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen für die Wissenschaft künftig stärker mitgestalten zu können und der Wissenschaft im politischen Raum ein Stück weit mehr zu dem Stellenwert zu verhelfen, der ihr eigentlich gebührt, und dieses – auch wenn es pathetisch klingt – zum Wohle des Landes und seiner Menschen.

PACK: Woran werden Sie sich nach 10 Jahren Kanzlerschaft besonders erinnern?

Grundei: Die spannenden Themen, zu denen an der Universität zu Lübeck geforscht und gelehrt wird. Sehr viele engagierte und motivierte Menschen in allen Mitgliedergruppen der Universität, die ich kennenlernen und mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Und dann natürlich die großen Projekte, wie die Univision 2020, die 2009 begann und den ersten Struktur- und Entwicklungsplan hervorbrachte, der die Auflösung der Fakultäten und die Bildung von Forschungszentren vorsah, dann kurz danach der Kampf um den Erhalt der Medizin sowie die Begehung durch den Wissenschaftsrat im Jahr 2010; später dann der Prozess zur Umwandlung der Universität in eine Stiftung öffentlichen Rechts sowie die Etablierung zahlreicher neuer Studiengänge und Professuren gerade im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt 3.

Protest gegen die Schließung der Uni in Kiel. Juli 2010.Lukas Ruge

Protest gegen die Schließung der Uni in Kiel. Juli 2010.

PACK: Eine der größten Veränderungen war sicherlich die Umwandlung in die Stiftungsuniversität. Ihre Partei hat damals gegen das Stiftungsuni-Gesetz gestimmt, da die Besetzung des Stiftungsrates für sie nicht in Ordnung war. Wie stehen Sie heute zum Stiftungsrat?

Grundei: Mit dem CDU-geführten Wissenschaftsministerium wurden im Frühjahr 2012 die Eckpunkte ausgehandelt, die dann auch Grundlage der späteren Umwandlung der Universität zu Lübeck in eine Stiftungsuniversität waren. Die zwischen dem dann später SPD-geführten Ministerium und der Universität 2013 geeinte Besetzung des Stiftungsrats wurde in den Gesetzentwurf aufgenommen und von allen Landtagsparteien mitgetragen. Leider wurde dann in der weiteren parlamentarischen Befassung die Vorschrift zum Stiftungsrat gegen den erklärten Wunsch der Universität durch die damaligen Mehrheitsfraktionen verändert. Die CDU unterstützte dagegen die Position der Universität, die Vorschrift zur Besetzung des Stiftungsrats in der ursprünglichen Fassung zu erhalten.

PACK: 2010, als eine CDU-geführte Regierung auf die Idee kam, die Uni “kaputt zu konsolidieren”, musste die Uni um ihre Existenz kämpfen. Nun wechselt der Kanzler der Uni nach Kiel in eine CDU-Regierung. Warum?

Grundei: Zunächst kann man meines Erachtens feststellen, dass die letzten 20 Jahre Wissenschaftspolitik in Schleswig-Holstein – unabhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierung – immer wieder fragwürdige wissenschaftspolitische Entscheidungen hervorbrachte, die letztlich nicht zur Stärkung des Wissenschaftssystems beitrugen. Damals 2010 ist besonders deutlich geworden, dass die Bedeutung der Wissenschaft in unserem Bundesland leider nicht den angemessenen Stellenwert genießt. Die damalige Landesregierung hatte sich mit der Einrichtung der sog. Haushaltsstrukturkommission zum Ziel gesetzt, das strukturelle Defizit des Landes abzubauen, was ja grundsätzlich nicht zu kritisieren ist. Bei der sicherlich nicht einfachen Abwägung möglicher Maßnahmen ist dann aus meiner Sicht auch der volkswirtschaftliche Wert der Medizin an der Universität zu Lübeck falsch eingeschätzt worden. Letztlich hat die CDU und ihre damaligen prominentesten Vertreter in der Auseinandersetzung um den Erhalt der Medizin an der Universität zu Lübeck, Peter Harry Carstensen und Jost de Jager, diesen Fehler auch eingestanden und sich anschließend nicht nur für den Fortbestand, sondern auch für die Umwandlung der Universität zu Lübeck in eine Stiftungsuniversität eingesetzt. Und umgekehrt werte ich es auch als Signal für den Standort Lübeck und mehr noch für die Wissenschaft, wenn die CDU mit mir nicht nur ein Mitglied der Universität zu Lübeck, sondern eben auch ein Mitglied einer Hochschulleitung für das Amt des Wissenschaftsstaatssekretärs nominiert, anstatt – wie sonst in Schleswig-Holstein üblich – eine fachfremde Person für dieses Amt auszuwählen.

Jost de Jager - Hat schon immer recht!Thorsten Biet

Jost de Jager (2010)

PACK: Wird Ihr Posten unverzüglich neu besetzt oder hat der zukünftige Präsident / die zukünftige Präsidentin auch Einfluss darauf, wer Ihr Nachfolger wird?

Grundei: Das Präsidium hat entschieden, die Stelle zunächst kommissarisch zu besetzen und erst dann auszuschreiben, wenn eine neue Präsidentin/ ein neuer Präsident ihr/sein Amt angetreten hat. Das wird also erst frühestens Ende des Jahres, vielleicht auch erst Anfang nächsten Jahres passieren können.

Beim Auswahlverfahren für die Wiederbesetzung der Kanzlerstelle ist die Präsidentin/der Präsident kraft Gesetzes (§ 25 Abs. 2 HSG) Vorsitzende/r der Findungskommission und hat zudem das Recht, einzelne Kandidaten/Kandidatinnen abzulehnen. Am Ende unterbreitet die Findungskommission dann dem Senat einen Wahlvorschlag mit mindestens zwei Personen.

PACK: Was wünschen Sie der Universität für ihre Zukunft?

Grundei: Natürlich alles erdenklich Gute! Und etwas konkreter, dass sie ihr ganz spezifisches wissenschaftliches Profil weiterhin mit Augenmaß schärft und ggfs. fortentwickelt und weiterhin bereit ist, diesen wissenschaftlichen Stratifizierungsprozess mit geeigneten, teilweise auch innovativen Strukturen zu unterstützen. Und bei alldem sollte es gelingen, den außergewöhnlichen Zusammenhalt und die außergewöhnliche Motivation der Universitätsmitglieder zu erhalten.

 

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Wer hat’s gesagt? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wer-hats-gesagt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/wer-hats-gesagt/#respond Mon, 24 Apr 2017 06:30:44 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278493 [nextpage title=”Semesterticket” img=”279663″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden ein landesweites Semesterticket für alle Studentinnen und Studenten einführen, das auch Berufsschülerinnen und Berufsschülern offen steht.“ (CDU)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das würde ich bei der SPD einordnen. Das zeigt aber auch, dass SPD und CDU große Volksparteien sind.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist die SPD! CDU? Die scheinen sich alle so ähnlich zu sein in den Programmen! *lacht* Dies würde ich in der Tendenz aber eher unterstützen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Dann werden das die Grünen sein. Vermute ich jedenfalls, weil wir ja gerade ein landesweites Semesterticket einführen. Vor dem Hintergrund, dass wir das jetzt für die Studenten tun, aber es wäre natürlich meiner Meinung nach sinnvoll dieses auch auf die Schüler auszuweiten. Die Schüler in den Oberstufen und auch die Schüler der Berufsschulen müssen ihre Busfahrtkosten selbst tragen. Wenn man in diesem Fall einen 18-jährigen Studenten mit einem 18-jährigen Abiturienten oder Auszubildenden gleichstellen würde, fände ich das sehr gut. CDU? Dann habe ich jetzt einmal die erste Forderung der CDU gefunden, die ich auch voll und ganz unterstützen kann.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte von uns sein.“ – Daniel Günther, CDU

„Darüber haben wir im Interview gesprochen: Wir sind dafür. Könnte auch von den Piraten sein. Sehen Sie mal, selbst bei der CDU haben sie die Piraten schon eingeholt. Ich weiß, dass der Kollege Dudda oder Breyer (beide Piraten) das im Landtag mal so formuliert hat.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Bei uns müssten auch die Schüler dabei sein, aber nur Azubis und Studenten? Ich sage SSW. Ach, CDU? Naja, stimmt, Elitenförderung. Wir haben ja die Idee eines umlagefinanzierten ÖPNV, das haben wir für Lübeck auch mal ausgerechnet auf Grundlage des Harz VI-Satz für Mobilität von 18 Euro pro Person festgesetzt. Damit könnte man dann überall im Land kostenlos den ÖPNV nutzen. Dann würden alle Bürger zahlen, auch wenn sie den ÖPNV nicht nutzen, aber dafür ist er für alle kostenlos, und vielleicht nutzen ihn dann auch welche, die vorher Auto gefahren sind.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Energiezeitalter” img=”279666″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen das atomar-fossile Energiezeitalter schnell beenden. Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz verlangen von uns auch einen Ausstieg aus der Kohleenergienutzung.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.StudentenPACK

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das würde ich bei den Grünen verordnen, aber da kann man mal sehen, wie gut wir als Ökologiepartei sind. Unsere Umweltleute sind klasse. Das diskutiere ich leider auch nie. Danach werde ich sehr selten gefragt. Da wird ja deutlich, wie grün die SPD sein kann.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist Grün! SPD und Kohle? Das steht aber nicht im NRW-Programm der SPD. Auf jeden Fall! Zwingend! Dem stimme ich zu.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das hört sich doch sehr nach grün an. Ich finde das ausgezeichnet. Wir haben derzeit die Arbeitsplätze im Bereich der Kohlegewinnung, die wir mit 100.000 Euro jährlich subventionieren. Das ist eine riesige Subvention, die man den Leuten lieber so in die Hand drücken sollte. Das ist rausgeschmissenes Geld. Atomenergie ist eine der größten Gefahren der Menschheit. Wir sollten mehr auf die Erneuerbaren Energien und die Energiewende setzen. Ah, es ist die SPD? Das geht ja auch. Die SPD ist manchmal auch grün.“ – Lars Harms, SSW

„Ich würde sagen, das ist von den Grünen. SPD? Okay. Damit passen sie sich in ihrem Sprachstil offensichtlich den Grünen an. Teile ich so nicht.“ – Daniel Günther, CDU

„Grüne. Wo ist da der große Unterschied? Finde ich deshalb lustig, weil in Nordrhein Westfalen im Programm der SPD gerade die weitere Kohlenutzung im Programm steht. Unabhängig davon funktioniert nicht alles gleichzeitig, wenn wir zur e-Mobiliät übergehen wollen. Bei den momentanen Möglichkeiten, die wir haben, also kaum Speichermöglichkeiten, das dauert bestimmt noch 20 Jahre, müssten wir ganz Deutschland mit Spargeln zustellen, um alleine den Stromverbrauch für den Verkehr zu decken. Langfristig ist das Ziel in Ordnung, kurzfristig nicht zu erreichen und Energie- und Klimapolitik müssen abgestimmt vollzogen werden. Weil sonst das Industrieland Deutschland gar nicht die finanziellen Ressourcen hat, die Überlegung umzusetzen.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das müssten die Grünen sein, wir verlangen eine sofortige Abschaltung und Rückbau von Brockdorf. Kohle haben wir ja in Schleswig-Holstein gar nicht. Die SPD? Das wäre für die LINKE in Brandenburg eine Fangfrage, da ist das sehr schwierig aber auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das müsste man mal der Hannelore Kraft vorlesen.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Gründerkultur” img=”279665″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen eine „Garagen-Wirtschaftsgründerkultur“ in Schleswig-Holstein im Sinne eines „Silicon-Förde“ und einer „IT-Region Wattenmeer“ etablieren.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„’IT-Region Wattenmeer’ klingt nach SSW. Ansonsten würde ich es der FDP zuordnen. Was fordern wir denn alles? Das steht da wirklich drin? Und das im Wattenmeer? Das haben wir formuliert? Ganz im Ernst: Das Wattenmeer ist eher eine Urlaubsregion und Natur. Wenn wir so etwas machen wollten, müssten wir das am Hamburger Rand machen oder in Kiel oder Lübeck. Soll ich die Wissenschaftler hinterm Deich verstecken? Die wollen doch Kooperationen und Strukturen aufbauen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das kann durchaus Grün sein. ‘Garagen-Wirtschaftsgründerkultur’, an das Wort kann ich mich nicht erinnern, aber ich tippe mal auf Grün. Die Garage nehme ich auch mit.“ – Monika Heinold, Grüne

„Bill Gates und Zuckerberg gründen in Garagen, aber wir wollen ja gerne alle fördern. Das hört sich aber sehr liberal an. Ich würde mal an die FDP denken. Von der SPD? Na gut. Das klingt ja alles gut, aber ich denke nicht, dass wir in der Lage sind, das Modell der USA zu kopieren, da dort die Forschung sehr liberal aufgestellt ist. Da muss man entscheiden, ob man das überhaupt will. Ich kenne das auch aus Dänemark. Auch dort ist es sehr liberal und es gibt sehr innovative Firmen, die sich auf dem platten Land breit machen. Ich hätte da eine große Sympathie für.“ – Lars Harms, SSW

„SPD, das kenne ich auch aus deren Forderungen.“ – Daniel Günther, CDU

„Das könnte auch von uns sein, hört sich sehr gut an. Sie wollen eine ‘Garagen-Wirtschaftsgründerkultur’. Das finde ich deshalb ganz witzig, weil Sie nach all den gewerberechtlichen Vorschriften, die Sie hier haben, in der Garage nichts machen dürften. Dass es von der SPD kommt, finde ich wirklich lustig, da wäre ich nie drauf gekommen. Das werden wir jetzt gegen die SPD verwenden, mal sehen ob einer der Spitzenkandidaten bei einer der nächsten Veranstaltungen weiß, woher das kommt.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„(lacht) Irgendwo zwischen FDP und AfD. Die SPD? Ach Quatsch! Da hat aber jemand Spaß gehabt beim Wahlprogramm schreiben. (lacht) Das Gründerthema ist natürlich eher FDP. Aber Gründen ist natürlich wichtig, da geht es dann zum Beispiel um die Krankenversicherung für Jungselbstständige, denn es gibt immer mehr Selbstständige, die nicht krankenversichert sind und da muss es natürlich eine soziale Absicherung geben. Daran wird auch gearbeitet, dass es gerade für Gründer eine Grundkrankenversorgung gibt, denn wenn man am Anfang nur 1000 Euro verdient, aber 600 in die Krankenversicherung stecken soll, funktioniert das Gründen nicht.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Religionsunterricht” img=”279662″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden den konfessionsgebundenen Religionsunterricht unbedingt erhalten [und] uns für einen konfessionsgebundenen muslimischen Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht in deutscher Sprache einsetzen.“ (CDU)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist SPD oder CDU. Würden wir ähnlich formulieren. Natürlich wollen wir den konfessionsgebundenen Unterricht weiterhin zulassen, weil es nicht richtig ist Kinder und Jugendliche in Sonntagsschulen zu stecken. Unser Ziel ist aber ein konfessions- und religionsübergreifender Unterricht. Hierüber wollen wir mit allen einen Dialog führen. Wir wollen aber auch keine muslimischen Lehrer, die aus ihren Heimatländern wie z.B. der Türkei bezahlt werden müssen, in den Schulen haben. Dafür müssen natürlich erst einmal die Lehrvorraussetzungen geschaffen werden. Einrichtung eines Islam-Lehrstuhls zur Ausbildung von Lehrkräften für Schulen und Hochschulen wollen wir prüfen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das sind wir schon mal nicht. Das ist auf jeden Fall CDU. Da bin ich nicht dafür. Solange die christlichen Kirchen, denen der konfessionelle Religionsunterricht zugesichert ist, keinen konfessionsübergreifenden Unterricht wie in Hamburg anstreben, müssen wir gleichberechtigt auch andere Angebote schaffen. Dazu gehört mehr staatlicher Islamunterricht durch Lehrer*innen, die an deutschen Hochschulen für den Unterricht von Kindern muslimischen Glaubens ausgebildet sind.“ – Monika Heinold, Grüne

„Könnte ich mir bei der CDU vorstellen. Habe ich doch noch einmal einen Richtigen getroffen. Da hat mich die CDU ja noch einmal gerettet. Also ich bin kein gläubiger Mensch und ich denke, dass das eher eine Glaubensfrage als eine Parteifrage ist, aber ich persönlich weiß, dass das Grundgesetz das vorschreibt, aber wenn die Menschen in der Schule Philosophieunterricht hätten und dort über die einzelnen Weltreligionen und Naturreligionen aufgeklärt werden würden, wäre ich damit sehr zufrieden. Da sollte die Frage ‘Was gibt es denn da alles’ geklärt werden und dann soll sich jeder eine Meinung bilden. Solange das aber so ist, wie es ist, sollten wir aber auch den Muslimen einen Religionsunterricht anbieten.“ – Lars Harms, SSW

„Das ist CDU.“ – Daniel Günther, CDU

„CDU. Der zweite Teil wäre auch bei uns. Wir wollen, dass wenn islamischer Religionsunterricht angeboten wird, das nicht durch türkische Imame passiert, sondern durch Menschen, die in Deutschland ausgebildet worden sind und dass das auch unter staatlicher Aufsicht geschieht. Der erste Teil existiert wahrscheinlich nur bei der CDU.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„AfD oder CDU. Naja, die AfD würde gar keinen muslimischen Religionsuntericht machen. Ich glaube zu dem Thema haben wir auch garnichts. Wir sind ja eher atheistisch, insofern sind wir eher für einen Ethikunterricht, in dem natürlich auch Religionen vorkommen und gleichwertig vorgestellt werden. Ich finde es gut, sich mit der Kultur des Landes auseinanderzusetzten. Wir sind hier oben protestantisch geprägt, aber es ist eben auch gut zu wissen, wie eine Moschee funktioniert. Aber die Kultur muss auch gelebt werden und ich finde Weihnachtsfeier im Kindergarten total klasse.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Studienplatz” img=”279660″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir fordern, dass alle Studierenden mit einem Bachelorabschluss einen Rechtsanspruch auf einen Masterstudienplatz haben.“ (DIE LINKE)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das könnte ich mir auch bei der SPD vorstellen. Die LINKE kann alles sehr leicht fordern. Ich halte das aber für richtig. Das bedeutet ja nicht, dass man es machen muss.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das klingt mir schon wieder sehr Grün. Hier bin ich nicht mit dabei, obwohl ich dachte, wir hätten es selbst mit in unserem Programm. Ich weiß nicht, ob der Rechtsanspruch wirklich hilft und welche Vorteile er bringen soll. Dann stellt sich die die Frage: Muss der Studienplatz dann auch in Schleswig-Holstein sein? Muss es genau so viele Bachelorstudienplätze wie Masterstudienplätze geben? Es zieht die eine Forderung die andere nach. Deshalb würde ich spontan jetzt das nicht zwingend unterstützen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Einen Rechtsanspruch? Also das sollte schwierig herzustellen sein. Also so verrechtlich hört sich das nach den Piraten an, oder die Linke. Also ich weiß nicht, wie man das machen soll. Es ist ja schon schwierig für jeden Studiengang einen Masterstudiengang vorzuhalten. Ich denke Studierende sind flexibel genug, wenn sie z.B. ihren Bachelor in Flensburg gemacht haben auch ihren Master in Oberammergau zu machen. Am liebsten sogar im Ausland. Ich glaube das muss man nicht rechtlich festschreiben. Im Regelfall bekommt man das hin. Ein wenig mehr Freiheit ist dort für die Universitäten wahrscheinlich nicht schlecht.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte aber auch von den Grünen sein. Passt aber auch zu den Linken. Rechtsanspruch finde ich hart. Aber ich finde es schon richtig, dass wir die Anzahl der Masterstudienplätze an Unis und auch an Fachhochschulen aufstocken. Das ist zum Teil schon ein Problem.“ – Daniel Günther, CDU

„Könnte von uns sein. Das Problem solcher Befragungen ist, dass in bestimmten Satzaussagen nahezu Identität eintritt. Dann ist das eigentliche Problem aber, wie kommen wir da hin und was sind für Mittel einzusetzen? Ich finde das vernünftig, jedenfalls wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Es macht ja keinen Sinn zu sagen, wenn Leute den Bachelor gerade so geschafft haben, wir machen jetzt den Master. Viel spannender wäre dann, den Bachelorabschluss etwas aufzuwerten, sodass er im Bereich des beruflichen Einstiegs akzeptiert wird. Die Idee war ja mal, dass man mit dem Bachelor sofort in den Beruf gehen kann und dann höre ich von den Unternehmen, dass sie daran kein großes Interesse haben.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das weiß ich nicht.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Gleichstellung” img=”279658″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Gleichstellungsbeauftragte sind überflüssig.“ (AfD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist nun eindeutig nicht von uns. Der Arbeitskreis Soziales umfasst auch den Arbeitskreis Gleichstellung. Das würde ich bei der CDU oder sogar der AfD ansiedeln.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist mit Sicherheit die AfD, möglicherweise auch CDU oder FDP. Das ist Quatsch. Wir Grüne wollen dagegen die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten besonders in den Kommunen weiter stärken.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das kann nur FDP oder CDU sein oder beide zusammen. Da kann ich mich überhaupt nicht mit anfreunden. Ich finde, dass Gleichstellungsbeauftragte eine hervorragende Arbeit machen. Ich kenne das aus meiner Kommune. In Flensburg haben wir dafür einen ganzen Ausschuss und nicht nur einen Beauftragten, der sich nur mit diesen Fragen auseinandersetzt. Solange Menschen nicht gleich behandelt werden werden Gleichstellungsbeauftragte benötigt. Da muss noch viel Geschehen und da wird auch noch viel geschehen. Es ist die AfD? Die sind auch nicht besser. Aber da hätte ich nicht gedacht, dass ihr das gelesen habt. Ihr seid ja schmerzfrei.“ – Lars Harms, SSW

„Das ist die AfD.“ – Daniel Günther, CDU

„Das könnte auch von uns sein, aber ist wahrscheinlich auch im Programm der CDU. Die AfD kommt ja hoffentlich nicht rein, in diesen Landtag. Wir arbeiten dran.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das muss die AfD sein. Wir haben Gleichstellungsbeauftragte noch sehr nötig. Einen Menschen, der damit beauftragt ist, zu gucken, ob alles gerecht ist, so einen Job sollte man sich immer leisten.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Cannabis” img=”279664″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir wollen, dass Schleswig-Holstein sich dafür einsetzt, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis zum eigenen Konsum langfristig nicht mehr strafbar ist.“ (SSW)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Wenn ich an unsere Koalitionsverhandlungen denke, denke ich sofort an die Grünen. Wir würden es wohl ein wenig weicher formulieren. Das ist auch die Haltung des SSW. Dieser steht bei den Koalitionsverhandlungen immer als ein vermittelnder Faktor zwischen SPD und Grünen. Ich bin gegen eine Legalisierung von Cannabis. Eine Entkriminalisierung sollte eindeutig erfolgen, aber ich bin gegen die Legalisierung. Ich mache nicht jahrelang Politik, um den Menschen das Rauchen abzugewöhnen und Nichtraucherschutz einzufordern und legalisiere dann eine ähnliche Form der Gesundheitsschädigung. Es ist genauso gesundheitsschädlich, wie das Rauchen von Zigaretten. Ich kann mir nicht vorstellen, auch nur eines davon zu befürworten. Erstaunlicherweise gibt es Menschen, die Cannabis legalisieren und Raucher aus Gaststätten treiben wollen. Warum bestraft man Raucher und lässt gleichzeitig ein anderes Rauschmittel zu? Ich sehe hauptsächlich die Gesundheitsschädigung und weniger den kriminellen Aspekt.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Wir haben auch das Thema Cannabis im Programm. In der Tendenz stimme ich zu. Vielleicht ist das die SPD oder die FDP? Wir Grüne wollen den Anbau, Besitz und Konsum von geringen Mengen Cannabis straffrei stellen. Analog zu den in Schleswig-Holstein durch den Generalstaatsanwalt festgelegten Grenzwerten soll der Besitz von Kleinstmengen straffrei bleiben.“ – Monika Heinold, Grüne

„Langfristig? Also: Erstens weiß ich, dass die FDP einen Beschluss gefasst haben aufgrund ihrer Jugend. Die haben eine Sitzungspause genutzt und da haben sie den Antrag eingebracht. Bei “langfristig” denke ich jedoch an die FDP. Ach wir haben langfristig da drin? Nein. Am Liebsten sofort. Das haben die Jugendlichen eingebracht. Darüber waren wir sehr dankbar und wir hoffen das in der nächsten Wahlperiode eine Menge festzulegen, um eine Kriminalisierung zu verhindern. Eigentlich darf das gar nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Das ist Käse. Natürlich gibt es dort Abhängigkeiten, aber das ist bei Alkohol genauso. Das ist für die Menschen auch nicht gesünder. Man muss dort einfach bewusst mit umgehen.“ – Lars Harms, SSW

„FDP? SSW? Gut, aber die FDP hat das auch vor kurzem beschlossen. Wir sprechen uns dagegen aus.“ – Daniel Günther, CDU

„Könnte bei fast allen sein, außer bei der CDU, bei uns jedenfalls auch. Gegen meinen erbitterten Widerstand hat ja meine Partei beschlossen, Cannabis zu legalisieren. Na gut.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Das ist eine Linke Position? Der SSW, ah, ok.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Equal Pay” img=”279658″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Wir werden uns für das Prinzip des Equal Pay (Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit) einsetzen und dafür werben, dass deutlich mehr Frauen in Führungspositionen gelangen.“ (FDP)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Jetzt habe ich schon dreimal SPD gesagt. Jetzt sollte das aber wirklich mal von uns kommen. Das glaub ich nicht. Dann lügen die. Das sind doch die ersten, die gegen Quoten für Frauen in Führungspositionen sind. Ich würde nie davon ausgehen, dass die das geschrieben haben. Das ist ja eine ständige Auseinandersetzung im Landtag. Wir wollen regulative Maßnahmen – das wird uns ja auch immer vorgeworfen, dass wir sehr viel regulieren wollen – weil wir wissen, dass es von alleine nicht klappt. Wenn man eine solche Aussage trifft, muss man ja auch wissen, wie man es erreichen will. Das geht nur indem man entweder Quoten festlegt oder Anreize schafft. Anreize sind bei Gehältern in der Größenordnung irrelevant, also kann man es nur mit Quoten schaffen. Bei uns im Wahlprogramm heißt es, dass wir uns für „Gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit“ weiter stark machen. Unser Ziel ist es, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen weiter zu erhöhen. Und zur Quote kann ich nur sagen, dass hier die SPD schon aktiv war. eine geschlechterparitätische Gremienbesetzung in Landesbeteiligungen wurde schon 2017 beschlossen.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist auf jeden Fall Grün. Vielleicht steht es auch bei SPD oder beim SSW. FDP? Auch nicht schlecht. Ich freue mich, dass es auch bei der FDP im Wahlprogramm steht. Dem stimme ich auf jeden Fall zu. Der Unterschied ist allerdings, dass wir Grüne für verbindliche Frauenquoten eintreten und die FDP nur dafür werben will, dass mehr Frauen in Führungspositionen gelangen.“ – Monika Heinold, Grüne

„Dann müssen das ja jetzt die Grünen sein. Irgendwann müssen die ja auch mal kommen. Die FDP?! (mit Erstaunen) Für Equal Pay? Das glaubt ja kein Mensch. Das ist ja in den letzten 17 Jahren völlig an mir vorbeigegangen. Zumindest das die FDP sich aktiv dafür eingesetzt hat. Sie sind ja noch nicht einmal bereit kommunale Gleichstellungsbeauftragte gutzuheißen. Aber gerne: Wenn wir da mal ein Gesetz zu machen wollen und die FDP mitstimmt hätte ich da eine Riesenfreude dran den Unternehmen vorzuschreiben ihre Frauen genauso zu behandeln wie die Männer. Wenn ich das bei der FDP noch erleben darf.“ – Lars Harms, SSW

„Das könnte fast auch von uns sein. Aber wahrscheinlich ist es von den Grünen. Ach, FDP? Das ist meiner Position nicht unähnlich.“ – Daniel Günther, CDU

„SPD. Das ist von uns? Deutlich mehr Frauen in Führungspositionen wollen wir tatsächlich auch, wobei gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit deshalb lustig ist, weil ich behaupte, dass es keine gleiche Arbeit gibt. Als Beispiel: Wenn Sie zwei Maler acht Stunden ein Bild malen lassen, wird vielleicht eines von den Menschen gewollt, das andere nicht. Jetzt können Sie fragen, ist das gleichwertige Arbeit oder nicht? Oder wenn beim Fußballspiel 20 Spieler über das Feld laufen und zwei stehen im Tor. Dann machen die 90 Minuten Fußballspiel, aber trotzdem ist das nicht gleichwertig.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Also das ist 1 zu 1 eine Forderung der Linken, aber ich weiß nicht ob wir es genau so im Wahlprogramm stehen haben. Wir fordern das ganz klar, es könnte auch die FDP sein. Wir müssen das so lange fordern, bis die Quote überflüssig ist und wir so viele schlechte weibliche Führungskräfte haben wie schlechte männliche (lacht). Das ist überall eine Diskussion, wenn es nicht genügend weibliche Bewerber gibt, müsse man doch wieder die Stellen mit Männern besetzen. Nein. Dann muss man die Strategien überdenken, wie wir Frauen kriegen. Wir müssen Bedingungen schaffen, unter denen es Frauen genauso gelingt, damit die Quoten erfüllt werden, anstelle über Quoten zu schimpfen.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Personalrat” img=”279661″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Die Arbeitsbedingungen der studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte sind uns wichtig. Daher werden wir uns dafür einsetzen, dass die Studierenden im Personalrat eine Vertretung erhalten.“ (SPD)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu LübeckFabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Ich bin immer davon ausgegangen, dass Studierende den AStA haben, der ihre Interessen vertritt. Das ist ja auch erstmal eine starke Institution – je nachdem wie sorgfältig diese Aufgabe übernommen wird. In unserem Wahlprogramm steht, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Studierenden im Personalrat eine Vertretung erhalten, welche explizit für die Forderungen der Studierenden einsetzt.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das klingt auch nach Grün, kann auch die Linke sein. Aber ich würde dem eher zustimmen. Wir setzen uns für eine paritätische Mitbestimmung für alle Statusgruppen – Professor*innen, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, technisch-administrative Mitarbeiter*innen – ein.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das hört sich nach Rasmus Andresen und den Grünen an. Achso, die SDP? Da sind sich die Grünen und die SPD ja sehr einig. Ganz klar. Vertretung von Studierenden in den Gremien der Universität muss sein.“ – Lars Harms, SSW

„Grüne. SPD? OK, die haben voneinander wohl extrem abgeschrieben. Aber haben die nicht eine Vertretung im Personalrat? Naja, das hat mit Autonomie nichts zu tun. Ich finde, dass rot-grün den Hochschulen durch das neue Hochschulgesetz ganz schön viel zugemutet hat. Die Gremien sind extrem aufgebläht. Deshalb bin ich sehr zurückhaltend, was zusätzliche Beteiligung angeht. Allein die Aufblähung des Senats ist so ein Quatsch und führt dazu, dass sich die Hochschulen alles Mögliche einfallen lassen, um überhaupt noch arbeitsfähige Gremien zu haben.“ – Daniel Günther, CDU

„Kann nicht von uns sein, sonst hätten Sie das nicht gefragt. Der Sache gehe ich auf jeden Fall nach.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Da würde ich auf SPD tippen. Wir sind auf jeden Fall dafür, dass die studentischen Hilfskräfte besser bezahlt werden.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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[nextpage title=”Berufe” img=”279659″]

Wir haben Politiker gefragt, aus welchem Parteiprogramm der folgende Satz stammt und was sie von diesem halten.

„Unser Ziel ist es, dass mehr junge Frauen sich in den MINT-Bereich trauen und mehr junge Männer soziale Berufe wagen.“ (Grüne)

Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Was sagen die Studierenden zu diesem Thema? (Ergebnisse einer Umfrage unter Studierenden der Universität zu Lübeck.)

„Das ist nun wieder von der SPD. Das könnte genauso gut bei uns stehen. Das würde ich fast genauso formulieren.“ – Wolfgang Baasch, SPD

„Das ist Grün. Irgendwann muss es jetzt mal grün sein *lacht* Bei Grün bin ich mit dabei.“ – Monika Heinold, Grüne

„Das habe ich ja vorhin schon gesagt. Nun würde das natürlich zum SSW passen, aber es könnte auch von der SPD, Grünen, FDP, CDU kommen. Das könnte jeder gewesen sein. Passt zu allen. Das sehen alle ein. Ob die Frauen dann tatsächlich in die MINT-Bereiche gehen und Männer in die teilweise zu schlecht bezahlten Jobs in den Kindergärten gehen ist dann die Frage.“ – Lars Harms, SSW

„FDP? Ah, OK, Grüne. Ist aber nicht falsch. Wer will was dagegen haben?“ – Daniel Günther, CDU

„Letzteres ist nicht von uns, das erste könnte von uns sein. Bündnis 90/ Die Grünen. Wir wollen definitiv, dass sich mehr Frauen in den MINT-Bereich trauen, aber auch junge Männer. Wir haben in dem Bereich viel zu wenige Schülerinnen und Schüler und vor allem Studierende. Ein großes Problem auch bei der Lehrerausbildung.“ – Wolfgang Kubicki, FDP

„Über den MINT-Bereich habe ich neulich von der FDP was gehört. Ah, Grüne. Also das finde ich super. Es würden sicher mehr Männer in sozialen Berufen arbeiten, wenn die Bezahlung besser wäre, aber natürlich können Männer das genauso gut wie Frauen. Frauen haben es in anderen Bereichen schwerer, weil sie besser sein müssen, um gleiche Anerkennung zu kriegen. Es ist überhaupt keine Frage, dass Frauen genauso gut logisch und technisch denken können. Aber im Bilderbuch ist es eben immer noch Bob der Baumeister und Mama kocht am Herd. Das fängt ganz früh mit der Erziehung an.“ – Katjana Zunft, DIE LINKE

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„Besser ist das Wetter geworden, glaube ich“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/besser-ist-das-wetter-geworden-glaube-ich2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/besser-ist-das-wetter-geworden-glaube-ich2/#respond Sun, 23 Apr 2017 04:00:52 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278451
Wolfgang Kubicki ist der Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wolfgang Kubicki ist der Spitzenkandidat der FDP zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte kurz vorstellen, damit unsere Leser Sie besser kennenlernen?

Wolfgang Kubicki: Mein Name ist Wolfgang Kubicki, ich bin Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein, stellvertretender Bundesvorsitzender der freien Demokraten und Spitzenkandidat zur Landtagswahl. Mittlerweile bin ich 65 Jahre alt, Vater von Zwillingstöchtern, dreifacher Opa, studierter Volkswirt und studierter Jurist. Ich bin seit 35 Jahren in einer eigenen Anwaltskanzlei tätig und seit 27 Jahren in Parlamenten, davon 25 im Landtag von Schleswig-Holstein.

PACK: Können Sie bitte eine Sache nennen, die in Schleswig-Holstein besser und eine, die schlechter ist als vor fünf Jahren?

Kubicki: Besser ist das Wetter geworden, glaube ich.

Schlechter ist im Vergleich zu vor fünf Jahren fast alles geworden, jedenfalls wenn man sich die Größenordnungen im Lande anschaut. Wir sind ja das Bundesland mit den glücklichsten Menschen, aber auch das Bundesland mit den schlechtesten Kennziffern im Vergleich zu anderen Bundesländern. Fangen wir an bei der Investitionsquote im Landeshaushalt: Es gibt kein Land mit einer geringeren Investitionsquote als Schleswig-Holstein. Und Volkswirte und Betriebswirte wissen, wenn man nicht investiert, kann man künftig keinen Gewinn generieren, das heißt, unser Wohlstandsniveau ist geringer als es sein könnte.

Man kann das an Schulen und Hochschulen – Lübeck ja nun gerade nicht – sehen, wie die Baulichkeiten aussehen. Da ist in der Vergangenheit sehr viel vernachlässigt worden, diese Regierung hat in den letzten fünf Jahren nichts dazu getan, die Situation zu verbessern. Wir geben in Schleswig-Holstein zum Beispiel am wenigsten Geld pro Kopf der Schüler aus in Deutschland, wir sind zurückgefallen in den letzten fünf Jahren, wir waren mal im hinteren Drittel, jetzt sind wir ganz weit hinten.

Wir sind ja nun dazu angetreten bei der Landtagswahl, den Menschen nicht nur zu erklären, was schlechter ist, sondern was besser werden soll. Damit wir weiter in Schleswig-Holstein glücklich sein können und die Basis schaffen, damit die Menschen, die hier ausgebildet werden, auch zukünftig ein einträgliches Auskommen haben.

PACK: Wir haben jetzt viel über Geld gesprochen, aber Schleswig-Holstein hat ja gleichzeitig viele Schulden. Sind die von Ihnen angesprochenen Investitionen umsetzbar?

Kubicki: Alles, was wir vorschlagen, kann man finanziell darstellen, das haben wir auch gemacht. Beispielsweise bei den Haushaltsanträgen zum Jahr 2017 und jetzt auch zum Nachtragshaushalt. Das Geld ist ja vorhanden, es gibt 2,5 Milliarden mehr Geld als Einnahmen gegenüber dem Jahr 2012, fast 3,5 Milliarden mehr gegenüber dem Jahr 2010. Das Geld hätte man vernünftig ausgeben können, wir haben entgegen der Behauptung der Landesregierung auch keine Schulden getilgt, sondern Schulden aufgebaut.

PACK: Sie sprechen im Wahlprogramm davon „die chronische Unterfinanzierung der schleswig-holsteinischen Hochschulen […] schrittweise zu beenden.“ Welche konkreten Schritte stellen Sie sich dort vor?

Kubicki: Zunächst einmal ein Hochschulfreiheitsgesetz, wie es mal in Nordrhein-Westfalen der Fall war. Hochschulen sollen selbst entscheiden können, wo sie ihre Forschungsschwerpunkte setzen und wie sie im Zweifel auch Drittmittel generieren.

PACK: Sie haben gerade gesagt, dass die Hochschulen sich ihre Forschungsfelder selbst aussuchen können. Jetzt ist ein hauptsächlich von Studenten kritisierter Bereich die Rüstungsforschung, die aktuell durch Zivilklauseln eingeschränkt ist. Wie stehen Sie zur Rüstungsforschung?

Kubicki: Ja positiv, wenn wir erleben, dass die Forderung auftaucht, dass Deutschland sich im Rahmen internationaler Missionen engagieren soll, dann bin ich der Auffassung, dass wir auch entsprechend Rüstungsgüter brauchen, die wir nicht von Dritten aufkaufen, sondern hier entwickeln müssen. Denn wenn wir Soldaten und Soldatinnen in den Einsatz schicken, haben die einen Anspruch darauf, auch mit dem besten Material ausgestattet zu sein. Abgesehen davon, dass Rüstungsforschung immer zweierlei Dinge beinhaltet. Es ist ja auch gleichzeitig Technologieforschung und bietet auch immer Anreize für Zulieferunternehmen, ihre eigenen Forschungsaktivitäten zu beschleunigen, die auch zivil genutzt werden können.

Ich frage mich auch immer wieder, wie blöd wir eigentlich sind, dadurch, dass wir Rüstungsgüter kaum exportieren, die ganzen Forschungskosten alleine den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufzubürden.

PACK: Am 9. März in Neumünster antworteten Sie auf eine Frage zur finanziellen Lage an Schulen, dass mehr Geld nicht alles sei und die Qualität der Lehre gesteigert werden müsse. Wie kann die Qualität der Lehre ohne Steigerung finanzieller Mittel verbessert werden?

Kubicki: Wir brauchen definitiv mehr Geld im Bildungsbereich, aber das alleine hilft ja nicht weiter. Wenn ich mehr Lehrer einstelle, aber es sind die falschen, dann hilft es nicht weiter. Wenn ich Lehrer nicht weiterbilde, dann hilft es auch nicht weiter.

Beispielsweise fordern wir wirklich, weil wir sehen, was im Rahmen der Digitalisierung die nächsten vier bis sechs Jahre passiert, dass wir im Unterricht eine eigene Unterrichtseinheit „Medienkompetenz, Programmiersprachen lernen und Umgang mit den Technologien“ brauchen. In den nächsten vier bis sechs Jahren wird es einen dramatischen Strukturbruch geben. Wenn 90 Prozent der Schüler im Bereich der Nutzung der modernen Medien besser sind als ihre Lehrer, dann können wir sehen, dass dort ein dramatischer Aufholbedarf besteht. Doch es geht nicht nur darum. Wir werden in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, softwaregestützte Unterrichtssysteme einführen müssen. Darauf sind wir momentan nicht vorbereitet. Es gibt noch datenschutzrechtliche Probleme, die schnell gelöst werden müssen, damit wir am Fortschritt teilnehmen und bestimmten Entwicklungen folgen können, die auch ohne uns stattfinden werden.

Deshalb sage ich, Geld ist nicht alles. Ausbildung, Weiterqualifizierung und Herangehen an die Herausforderungen der nächsten Jahre ist erst einmal entscheidender, als mehr Geld im System.

PACK: Sie wollen das UKSH – welches regelmäßig aufgrund seiner roten Zahlen in den Schlagzeilen ist – “unter gewissen Voraussetzungen von seinen Schulden entlasten”. Was meinen Sie genau mit “unter gewissen Voraussetzungen”? Könnten Sie bitte einige Beispiele für Verbindlichkeiten nennen, die das Land vom UKSH übernehmen kann?

Kubicki: Wir, das Land, müssen das UKSH irgendwann entlasten, weil sonst die Insolvenzgefahr droht. Wir wissen ja, dass die aufgetürmten Schulden mit der Kostenstruktur des UKSH und den Vergütungssystemen nicht aufgeholt werden können. Wir wären schon froh, wenn die mal eine schwarze Null schreiben. „Gewisse Voraussetzungen“ bedeutet, wir müssen uns angucken, welche Kostenstrukturen am UKSH vorhanden sind. Ich habe gerade gelesen, dass der Vorstand kostenneutral – finde ich auch lustig – um zwei weitere Positionen erweitert werden soll. Nun ist das UKSH ein großer Arbeitgeber. Ein Vorschlag wäre mehr Machtkompetenz im Vorstand, ob die Leitung des UKSH so handeln wird, wage ich zu bezweifeln.

Weiterhin ist dafür Sorge zu tragen, dass bestimmte Leistungen der Universitätskrankenhäuser besser entgolten werden als bisher. Das Ziel muss wirklich sein, das UKSH aus den roten Zahlen rauszubringen. Da das Land es ohnehin tragen muss, wäre es gut, jetzt mal einen Schuldenschnitt zu machen.

PACK: Können Sie ausschließen, dass es Schließungen von Hochschulstandorten in Schleswig-Holstein geben wird?

Kubicki: Ich wüsste nicht, welchen Sinn Schließungen hätten. Was das UKSH jedenfalls betrifft, sind die Standorte Lübeck und Kiel nicht in Gefahr. Man muss sich nach wie vor fragen, ob der gemeinsame Überbau eine vernünftige Lösung war. Das ist etwas, das müssen wir noch genauer analysieren, aber eines ist sicher, weder der Standort Lübeck noch Kiel ist in Gefahr.

Wobei der Standort Lübeck einen großen Vorteil hat, da er sehr viele neue Baulichkeiten hat. Das Problem in Kiel ist eigentlich die Location, an der das UKSH betrieben wird, man müsste – das ist jetzt aber keine Forderung – das UKSH komplett als neue Klinik bauen, weil sie dann kürzere Wege haben und betriebswirtschaftlich anders arbeiten können. Weiterhin müsste man die Liegenschaften in der Innenstadt von Kiel veräußern, aber an dieses Projekt geht die nächsten fünf Jahre keiner ran.

PACK: Im Personalrat der Uni Lübeck gibt es keine Vertretung für studentische Mitarbeiter. Werden Sie sich dort für eine Änderung einsetzen?

Kubicki: Da bin ich jetzt wirklich überfragt, warum dies so ist. Sobald sie angestellt sind, hielte ich es für sinnvoll, dass sie auch in die Personalvertretung aufgenommen werden. Würde mir momentan gar nicht einfallen, warum nicht. Also rechtlich dürfte es da keinen Hinderungsgrund geben. Vielleicht ist es die Überlegung, dass die Studierenden relativ schnell rein und raus kommen, im Vergleich zu anderen Angestellten. Der Frage werde ich mal nachgehen.

PACK: Weiterhin fordert die FDP, dass ein Semesterticket für alle Studenten und Auszubildenden eingeführt wird. Wird das Semesterticket dann verpflichtend sein?

Kubicki: Pflicht ist es ja nicht, es ist nur ein Angebot.

PACK: Soll das Ticket für beide Gruppen gemeinsam eingeführt werden?

Kubicki: Wir können ja nicht Studierende und Auszubildende ungleich behandeln, insofern gibt es da eine Kopplung.

PACK: In welchem Kostenrahmen werden wir uns bewegen?

Kubicki: Semester- und Auszubildendentickets sind im ÖPNV Schleswig-Holsteins darstellbar. Da bewegen wir uns im zweistelligen Millionenbereich.

Wollen reicht nicht. Man muss es auch entsorgen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wollen reicht nicht. Man muss es auch entsorgen.

PACK: Sie haben die aktuelle Regierung – unter anderem auch im Landtag – für ihren Abschiebestopp nach Afghanistan kritisiert und ihn als nicht sachlich fundiert bezeichnet. Können Sie uns das kurz erklären?

Kubicki: Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass diejenigen, die von Rechts wegen abgeschoben werden müssen, alle rechtsstaatlichen Verfahren durchlaufen haben, die Deutschland auf einem sehr hohen Niveau bietet. Das heißt, wenn nach der letzten gerichtlichen Feststellung kein Bleiberecht besteht, muss die konsequente Folge sein, dass Menschen das Land verlassen müssen. Es sei denn, es gibt einzelne Gründe in der Person des jeweils Abzuschiebenden oder es gibt die Feststellung, dass in den Ländern, in die sie abgeschoben werden, der Tod unmittelbar droht, dann verhindern es Gerichte aber übrigens auch.

Momentan reden wir von Afghanistan. Wir wissen, dass die Hälfte von denjenigen, die das Land verlassen müssen, freiwillig zurückgehen. Das heißt, dass die Behauptung, man schicke Menschen in den Tod, wenn sie abgeschoben werden, komisch ist, denn ich glaube nicht, dass jemand freiwillig in den Tod geht. Abgesehen handelt es sich bei der Frage, ob es sich um sichere Herkunftsländer handelt oder ob es in diesen Ländern sichere Gebiete gibt, in die abgeschoben werden kann, um eine Entscheidung, die auf Bundesebene getroffen werden muss.

Außerdem würden wir ein Mehrklassenwahlrecht schaffen für diejenigen, die sich den rechtsstaatlichen Ergebnissen unterwerfen, und diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht abgeschoben werden sollen. Das ist auch kein Akt der Humanität, sondern eine PR-Aktion, denn das Land Schleswig-Holstein kann die Abschiebungen nur drei Monate hinauszögern. So bedauerlich es im Einzelfall auch ist: Das sind die Konsequenzen im Rechtsstaat.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm lehnen Sie Quotenregelungen ab und sprechen von sinnvolleren Rahmenbedingungen und einer modernen Kultur der Gleichberechtigung, was stellen Sie sich darunter genau vor?

Kubicki: Quotenregelungen sind wenig hilfreich, weil sie nicht an der Qualifikation anknüpfen, sondern am Geschlecht. Und ich finde es auch nicht sonderlich bereichernd, wenn man mir erklärt, Frauen sind 300 Jahre lang unterdrückt worden und die konsequente Folge ist, dass die jungen Menschen, die heute auf den Arbeitsmarkt kommen, darunter leiden müssen.

Wir sehen ja, dass Quotenregelungen unglaublich viele Probleme bergen, vor allem dann, wenn man das entsprechende Personal gar nicht bekommt. Die Grünen beispielsweise haben mit ihrer Regelung “eine Frau, ein Mann” mitunter Schwierigkeiten, in manchen Kommunen Listen aufzustellen, was sie dann dazu befähigt, zu sagen, “Das ist Mist, jetzt weichen wir davon ab”.

Was wir machen müssen und was in vielen Bereichen auch schon Standard ist – wenn ich mit meinen Töchtern darüber rede, gucken die mich an und sagen: „Das sind doch Debatten der Vergangenheit!“ –, dass wir es Frauen erleichtern, die Qualifizierung auch im Beruf fortzusetzen, selbst dann, wenn sie schwanger oder Mütter werden.

Der Satz heißt ja „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Hört sich gut an, wird aber selten umgesetzt. Warum? Wir bieten zwar Kita-Plätze an, aber nicht zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Mütter und ihrer Arbeitswelt, sondern zugeschnitten auf die Interessen der Kommune oder der Angestellten der Kita. Wir plädieren dafür, mehr betriebsnahe Kindergärten zu schaffen, weil dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser hergestellt werden kann.

Und wir müssen den Mut bei Mädchen oder jungen Frauen steigern, in Berufe zu gehen, für die sie sich bisher wenig interessiert haben, die aber auch höher dotiert werden und bei denen die Aufstiegschancen schneller und besser verwirklicht werden können.

Wir wissen mittlerweile, dass die Abschlüsse von Mädchen oder jungen Frauen etwas besser sind als die Abschlüsse von Jungs oder jungen Männern. Das ist statistisch belegt.

Im öffentlichen Dienst ist die Gleichberechtigung vollständig hergestellt, oder andersherum gesagt, da gibt es so ein bisschen eine Diskriminierung von Männern. Dies liegt daran, dass wir in Schleswig-Holstein momentan gesetzliche Regelungen haben, dass bei gleicher Qualifikation die Frau auf jeden Fall den Vorzug verdient. Und selbstverständlich ist es so, dass die Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für Männer in der Familie weniger entwickelt sind, als für Frauen.

Es heißt also: Möglichkeiten verbessern für Frauen und ihnen vor allem Mut machen, in Berufe zu gehen, an die sie bisher nicht gedacht haben.

PACK: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Wie sieht ihr Schleswig-Holstein 2022 aus, unterschieden zwischen Sie waren an der Regierung beteiligt und Sie waren in der Opposition?

Kubicki: Wenn wir nicht beteiligt sind, freuen wir uns alle, dass wir in einem so wunderschönen Land leben, aber gleichzeitig stellen wir fest, dass, wenn diese Küstenkoalition weiter regiert, der Abstand der Wirtschaftsleistung von Schleswig-Holstein zu den anderen Ländern weiter wachsen wird. Wirtschaftsleistung hat etwas mit Wohlstand und Perspektive zu tun und wird die Möglichkeiten reduzieren, junge Menschen, die hier ausgebildet worden sind, zu halten und zu ermutigen, hier Unternehmen zu gründen. Es wird die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein gerade auch für junge Menschen aus anderen Ländern weiter ramponieren. Man kann damit werben, dass wir ein tolles Land sind, dass man hier Urlaub machen kann, aber das alleine sichert noch keine Existenz und kein Einkommen.

Mit uns an der Regierung wird definitiv die Investitionsquote erhöht werden, wir werden die Infrastruktur auf Vordermann bringen und dazu beitragen, dass die A20 wirklich mal weitergebaut wird. Vor allen Dingen werden wir nicht so lange warten, bis der Breitbandausbau glasfasertechnisch hier umgesetzt worden ist. Wir sind zwar, was die Flächenländer angeht, relativ weit vorne momentan, aber das reicht uns noch nicht. Ich versuche es Ihnen der Anschaulichkeit halber mal zu erklären: Das, was hier auf dem Tisch liegt – das iPhone – gab es vor zehn Jahren noch nicht. Wenn Sie überlegen, dass wir noch 13 Jahre brauchen, um Schleswig-Holstein verkabelt zu haben, dann wissen wir genau, welche technische Revolution in dieser Zeit geschehen ist. Also ist Geschwindigkeit hier wirklich vonnöten und nicht, es auf die lange Bank zu schieben.

Wir werden definitiv den Unterricht an den Schulen umgestalten, weil wir junge Menschen sowohl in der Schule als auch in der Hochschule darauf vorbereiten müssen, dass sich ein wesentlicher Teil ihrer künftigen Welt digital abbilden wird. Und darauf sind, bis auf das, was man privat macht, bisher weder die Schule noch die Hochschule vorbereitet.

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„Sicherlich können das viele andere Parteien auch sagen, aber das tun sie nicht“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/sicherlich-koennen-das-viele-andere-parteien-auch-sagen-aber-das-tun-sie-nicht2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/sicherlich-koennen-das-viele-andere-parteien-auch-sagen-aber-das-tun-sie-nicht2/#respond Sat, 22 Apr 2017 04:00:33 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278194
Wolfgang Baasch kandidiert für die SPD im Wahlkreis Lübeck Süd.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Wolfgang Baasch kandidiert für die SPD im Wahlkreis Lübeck Süd.

StudentenPACK: Damit unsere Leser wissen, mit wem wir reden, könnten Sie sich bitte zum Beginn kurz vorstellen?

Wolfgang Baasch: Mein Name ist Wolfgang Baasch. Ich bin Lübecker Landtagsabgeordneter der SPD für den Wahlkreis Lübeck Süd. Der Wahlkreis ist zu dieser Wahl neu aufgestellt worden. Dazu gehören die Altstadt, St. Jürgen und Moisling und damit auch alle drei Lübecker Hochschulen. Diese prägen natürlich auch den gesamten Wahlkreis und damit meine politische Arbeit hier in Lübeck. Ich setze mich immer wieder für Aktivitäten an den Hochschulen ein, bin aber in der SPD-Landtagsfraktion als sozialpolitischer Sprecher zuständig für die Sozialpolitik. Dazu gehört die Gesundheitspolitik und damit das UKSH. Des Weiteren bin ich Sprecher für die Belange von Menschen mit Behinderung und die Arbeitsmarktpolitik. Ich bin ausgebildeter Erzieher und habe lange in einer Schule für Menschen mit geistiger Behinderung gearbeitet – heute ist das ein Förderzentrum G. Ich habe mich immer für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung eingesetzt, sodass diese auch den Zugang zum politischen Leben finden.

PACK: Wenn Sie auf die letzten 5 Jahre zurückblicken: Was würden Sie als den größten Erfolg bezeichnen und gab es Rückschläge für Schleswig-Holstein?

Baasch: Der größte Erfolg ist immer schwierig, aber was ich als besonders erfolgreich empfinde, ist der Masterplan zur Strukturänderung des UKSH vor allem am Standort Lübeck. Zweitens haben wir eine stärkere Förderung in der Familienpolitik organisiert. Das Krippengeld wird es jungen Familien ermöglichen, ihre Kinder in einer Krippe bzw. in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Das ist ein altes Ziel: Bildung sollte kostenfrei sein. Das gilt nicht nur für Universitäten, Kindertagesstätten und Krippen, sondern für alle Bildungseinrichtungen. Finanzielle Hürden abzubauen, ist dabei der richtige Weg, und dass uns das gelungen ist, ist ein wichtiger Punkt. Das sind die zwei Schlaglichter, die ich da nennen würde. Was vielleicht nicht so gut gelaufen ist, das ist die Entwicklung der HSH-Nordbank. Über der finanziellen Situation des Landes hängt immer noch das Damoklesschwert der Landesbank, was eine riesige Belastung für das Land Schleswig-Holstein und seine Bürger sein kann. Dies muss von allen Parlamentariern und der Landesregierung getragen werden.

PACK: Sie haben die Finanzen erwähnt – nicht nur in der Familienpolitik und der Bildung, sondern auch der HSH-Nordbank. Stellen Sie sich vor das Land Schleswig-Holstein hätte 5 Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Was würden Sie mit diesem Geld fördern?

Baasch: Ich persönlich?

PACK: Sie als Abgeordneter.

Baasch: Da fängt es schon an. Also ich würde das gesamte Geld in die soziale Infrastruktur stecken. Kindertagesstätten gebührenfrei machen, in der Ausbildung von sozialen Berufen – Pflegekräften, Erziehern und so weiter – Anreize schaffen, sodass mehr junge Menschen in diese viel Engagement fordernden Berufe gehen wollen. Dass wir Menschen mit Behinderungen in ihren Lebenssituationen fördern können. Die Wahrscheinlichkeit, 5 Milliarden alleine verteilen zu können, ist natürlich sehr gering. Da werden sicherlich auch einige sagen, dass wir Geld brauchen, um Schulden zurückzuzahlen, Brücken und Autobahnen zu bauen, die Landwirtschaft zu fördern, um den Milchpreis stabil zu halten. Da wird es viele Begehrlichkeiten geben, aber die Haushaltsentwicklung in Schleswig-Holstein ist im Moment so, dass wir keine Sparpolitik fahren müssen. Wir können die Schulden ganz planmäßig zurückzahlen, sodass wir 2020 die Schuldenbremse einhalten werden. Dazu sind wir in der Lage, soziale und Infrastrukturprojekte zu fördern. Das Kabinett hat vor kurzem beschlossen, über 150 Millionen Euro in den Ausbau der Krankenhäuser zu investieren. Das sind natürlich Zeichen dafür, dass die Haushalte im Moment so aufgestellt sind, dass wir vieles leisten können, was in der Vergangenheit vernachlässigt wurde.

PACK: Wenn wir uns die Aufstellung der SPD anschauen, sehen wir überall den Spruch “Mehr Gerechtigkeit für Alle!”. Was soll das bedeuten? Das könnte sich doch jede Partei auf die Plakate schreiben?

Baasch: Die SPD steht für die soziale Gerechtigkeit. Das ist unsere Überschrift und mehr “Gerechtigkeit für Alle!” impliziert genau diese soziale Komponente. Sicherlich können das viele andere Parteien auch sagen, aber das tun sie nicht. Teilweise wollen sie es einfach auch nicht. Deshalb stehen wir ja auch im Wettbewerb. Es ist nicht alles das Gleiche. Ich glaube, dass die SPD mit dem Kernmerkmal soziale Gerechtigkeit richtig steht.

PACK: Fassen Sie Ihr Wahlprogramm in drei Stichpunkten zusammen!

Baasch: Auch dort ist es wieder gesteuert von den Sozialpolitikern. Da haben wir die Verbesserungen in den Kindertagesstätten. Qualitativer und quantitativer Ausbau der Kinderbetreuung und der Schritt zur Gebührenfreiheit. Im Pflegebereich müssen wir die Pflegenden stärken und unterstützen und eine Pflegeberufekammer einrichten. Wir müssen Anreize schaffen, indem wir den Beruf aufwerten, dass Menschen in der Lage sind, diesen Beruf lange und in hoher Qualität auszuführen. Der dritte Bereich ist für mich die Strukturstärkung – auch in Lübeck. Dazu gehören bei uns die Ausweitung der kulturellen Komponenten der Kulturstadt Lübeck – von der Musikhochschule zur MuK. Das sollte im Mittelpunkt stehen. Zumindest aus der Sicht des Lübecker Abgeordneten und Sozialpolitikers.

Die Schleswig-Holsteiner haben die Wahl: Wer wird der nächste Ministerpräsident?Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Schleswig-Holsteiner haben die Wahl: Wer wird der nächste Ministerpräsident?

PACK: In der laufenden Wahlperiode wollten die Piraten initiieren, den Tag des Grundgesetzes zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären. Dies wurde ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Im Parteiprogramm der SPD wird jetzt ein weiterer Feiertag gefordert. Warum nicht der Tag des Grundgesetzes?

Baasch: Die Vorschläge von Oppositionsparteien haben immer ihre Vor- und Nachteile. Eine Oppositionspartei schlägt ja nicht unbedingt etwas vor, weil sie dieses Anliegen durchbringen wollen, sondern weil sie Diskussionen anregen und auf Widersprüche aufmerksam machen wollen. Wir selbst haben lange diskutiert und finden es richtig, einen weiteren Feiertag einzurichten. Das liegt auch daran, dass wir einen Feiertag verloren haben. In der Diskussion um die Pflegeversicherung wurden bei der Teilhabe auf Drängen der Wirtschaftsverbände der Buß- und Bettag abgeschafft. Diesen Kompromiss fand ich nicht gut. Ein zusätzlicher Feiertag wäre in diesem Fall mehr als eine Kompensation. In 2017 haben wir mit dem Reformationstag einen zusätzlichen bundesweiten Feiertag. Mir wäre es lieber, wenn es mehr bundeseinheitliche Feiertage geben würde. Ich persönlich finde den Reformationstag genauso gut, wie andere Feiertage. Das kann auch der Tag des Grundgesetzes sein. Darüber muss aber ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess stattfinden. Persönlich habe ich mich aufgrund unserer jüdischen und muslimischen Minderheiten immer für einen jüdischen oder muslimischen Festtag ausgesprochen. Diese Diskussion muss man zumindest einmal führen. Der SSW hat den Tag der Landesverfassung vorgeschlagen – auch ein interessanter Vorschlag. In der nächsten Legislaturperiode sollte dieser Diskurs auf jeden Fall zügig vorangetrieben werden.

PACK: Ein weiterer Punkt im Wahlprogramm ist das Thema Abschiebungen beziehungsweise Abschiebestopp: Ihre Regierung hat Abschiebungen nach Afghanistan aus humanitären Gründen gestoppt, allerdings sind verurteilte Straftäter und Gefährder ausgenommen. Verstößt das nicht gegen Artikel 1 des Grundgesetzes?

Baasch: Eine schwierige Frage. Erst einmal: Bei allen Abschiebungen gilt vor allem das individuelle Recht. Das steht auch einem vermeintlichen Gefährder und einem verurteilten Straftäter zu. Gleichwohl glaube ich, dass Menschen, die hier straftätig geworden sind oder wie auch immer als mögliche Gefährder erkannt werden, abgeschoben werden können. Aber dass gerade Schleswig-Holstein die Abschiebungen gestoppt hat, halte ich für einen wichtigen Schritt. Mir kann keiner erklären, warum um diese geringe Personenzahl ein derartiger Medienhype gemacht wird. In den letzten Monaten sind 100 Menschen in 4 Maschinen nach Afghanistan abgeschoben worden. Schleswig-Holstein ist da im Schnitt mit drei bis fünf Prozent dabei. Das bedeutet, drei bis fünf Personen aus Schleswig-Holstein sind dabei. Das belastet weder Schleswig-Holstein noch Deutschland. Warum müssen gerade diese 100 Menschen abgeschoben werden? Wieso sagen wir nicht: Wir haben begriffen, dass Afghanistan kein sicheres Land ist. In Kabul kann man vielleicht an der ein oder anderen Stelle recht sicher leben, aber auch nur dann, wenn ich zu speziellen Volksgruppen in Afghanistan gehöre. Ich kann nicht erkennen, warum man das Geld, das für die 100 Abschiebungen genutzt wird, nicht für die Integration dieser selben 100 nutzen könnte? Eine Diskussion über Sammel- und Massenabschiebungen sind doch irre, wenn es um 100 Menschen in den letzten Monaten geht. Ich halte diese Diskussion für sehr populistisch und aufgebauscht und nicht mit dem Ziel der Integration vereinbar. Das ärgert mich. Die Politik müsste da eindeutiger sein und ich bin froh, dass unsere Landesregierung und auch die Mehrheit des Parlaments zu der Politik der Überlegtheit steht und nicht in eine Lautsprechermentalität verfällt.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht: „Wir bekennen uns nach wie vor dazu, dass Integration am besten in dezentraler Unterbringung gelingt. Deshalb sollen bei der Integration hinderliche Einrichtungen mit vielen Geflüchteten an einem Ort vermieden werden. Damit wollen wir besonders das ehrenamtliche Engagement fördern.“. Wie hängt das beides zusammen?

Baasch: Die dezentrale Unterbringung bedeutet natürlich, dass Menschen aus komplett anderen Kulturkreisen in eine sozial-räumliche Umgebung eintreten können. Wer kann besser die Menschen aufnehmen, sich um sie kümmern, ihnen Angebote machen und sehen, welche Hilfe vor Ort nötig ist? Die Menschen aus der Nachbarschaft. Deshalb glaube ich, dass die dezentrale Unterbringung sehr zielführend ist. Darüber haben wir ja auch in Lübeck – teilweise sehr heftig – diskutiert. Vor allem über die Größenordnungen, in denen Menschen untergebracht werden sollen. Da muss man jedoch sagen, dass es 2016, als so viele Menschen bei uns ankamen, nötig war, schnell Unterbringungen zu schaffen und den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben und natürlich auch schnell Hilfe zu leisten. In Lübeck zumindest wurden nun auch größere Unterkünfte ermöglicht und eine Betreuung über Vereine und Ehrenämtler konnte realisiert werden. Von daher glaube ich, dass das der richtige Weg ist. Wir müssen dafür aber auch Grundlagen für die Ehrenämtler schaffen, damit diese diesen Prozess auch durchhalten können. Viele kommen bei all dem Engagement an ihre Grenzen. Viele müssen ohne oder nur mit mangelnder professioneller Unterstützung auskommen. Da muss man neben der dezentralen Unterbringung auch darauf achten, dass man die Ehrenämtler stärkt und besonders wertschätzt.

Das StudentenPACK hat Wolfgang Baasch im Dr.-Julius-Leber-Haus in Lübeck getroffen.Carlotta Derad | StudentenPACK.

Das StudentenPACK hat Wolfgang Baasch im Dr.-Julius-Leber-Haus in Lübeck getroffen.

PACK: Nicht nur für Geflüchtete ist ausreichender und bezahlbarer Wohnraum ein Problem, sondern auch für Studierende, Auszubildende und Ältere. Wie und in welchem Zeitraum möchten Sie in Schleswig-Holstein bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen?

Baasch: Wir wollen versuchen, 5000 sozial geförderte Wohnungen pro Jahr zu schaffen. In Lübeck sind die Voraussetzungen dafür gut, weil Lübeck seine städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht verkauft hat. In Lübeck gibt es die “Trave” und einige Wohnungsbaugenossenschaften, die einen sehr verantwortlichen sozialen Wohnungsbau betreiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass der soziale Wohnungsbau in Lübeck gut gefördert werden kann. Das Problem ist dabei möglicherweise, die Flächen für solche Projekte zu finden und zur Verfügung zu stellen. Da müssen Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften Hand in Hand arbeiten. An den Fördermitteln darf es dabei nicht scheitern. Wir wollen die soziale Wohnraumförderung ausbauen. Zum anderen werden natürlich für Studierende auch ganz andere Anforderungen gestellt. Man braucht eine Wohnung ja nur für die Zeit des Studierens in Lübeck. Diese Problematik muss in Kiel und Lübeck wahrscheinlich am nötigsten gefördert werden. Dafür will die SPD auch die notwendigen Fördermittel zur Verfügung stellen. Ich glaube aber auch, dass sich dieser Aufgabe die die Stadt Lübeck annehmen muss.

PACK: Von studentischen Wohnung zur Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Baasch: (lacht) Wenn ich die Hochschulen frage, sagen die alle “Nein”. Ich weiß, dass wir in Schleswig-Holstein viel getan haben, damit sich die Hochschulen entwickeln können. Wenn ich eine Rückmeldung von den Universitäten bekomme, ist auf jeden Fall die Forderung nach mehr da, aber wenn ich an das neue Zentrum (CBBM), was ich im Entstehungsprozess gesehen habe, oder an das Fraunhofer Institut denke, macht mir das deutlich, dass an unserem Hochschulstandort etwas passiert. Dann kann es bei uns nicht so unattraktiv sein.

PACK: Schauen wir auf das UKSH, welches nicht nur Arbeitgeber für Studierende ist, sondern von dem wir auch Jahr für Jahr hören dürfen, dass es rote Zahlen schreibt und dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass Gesundheitsversorgung ein Verlustgeschäft ist und man das akzeptieren sollte?

Baasch: Diese Denkweise könnte man als Ansatz für eine Diskussion auf jeden Fall gebrauchen. Das Problem ist: So funktioniert es leider nicht. Wenn ich mir das Gesundheitssystem Schleswig-Holsteins ansehe, dann habe ich das Universitätsklinikum, welches als Maximalversorger die Gesundheitsversorgung in einer hohen Qualität anbietet und andere private Krankenhäuser, die es schaffen 16 Prozent Rendite zu erwirtschaften. Auch das sind regionale Versorger, die wirklich viel Geld mit dem Gesundheitssystem verdienen. Das ist nicht immer ein Zuschussgeschäft. Aber das Universitätsklinikum kann sich nicht nur die profitablen Zweige der Medizin heraussuchen, sondern muss den Anspruch haben, in allen medizinischen Bereichen hochwertige und exzellente Leistungen zu vollbringen. Deswegen ist die Frage, ob ein Universitätsklinikum schwarze Zahlen schreiben muss, berechtigt. Doch auch dort sollte der Anspruch genau darin liegen. Dabei muss die Versorgung und die Wirtschaft in Balance gebracht werden. Das ist gerade im Gesundheitswesen sehr schwierig. Man sollte sich die Strukturen der Kliniken ansehen. Wir wissen alle, dass es Privatpatienten gibt, die anders behandelt werden als Kassenpatienten und Professoren bestimmte Strukturen haben, um Betten vorhalten zu dürfen. Wenn wir das alles auf dem Prüfstand stellen, könnte auch ein Universitätsklinikum anders aufgestellt sein. Das sollte man sich auf Dauer vornehmen. An einem über Jahrzehnte gewachsenen Klinikum wie in Lübeck sollte man die räumliche Strukturen und neuen Angebote im Laufe der Umbaumaßnahmen für neue finanzielle und wirtschaftliche Wege nutzen.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Baasch: Rot. Mit einem bisschen grün und einem bisschen blau.

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Lars Harms ist der Spitzenkandidat des SSW zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Lars Harms ist der Spitzenkandidat des SSW zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich zum Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Lars Harms: Ich bin Lars Harms, 52 Jahre alt, habe sechs Kinder, komme aus Husum. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Mein Studium und einen Teil meines Berufslebens habe ich dann weiter weg verbracht und bin jetzt wieder zurück in Husum. Ich bin von meiner Ausbildung her Betriebswirt, habe jahrelang im Tourismus gearbeitet. Mich verschlug es im Jahr 2000 in den Landtag. Seitdem bin ich Landtagsabgeordneter. Früher war ich Gemeindevertreter und auch Kreistagsabgeordneter. War für den SSW schon in allen Bereichen mal zuständig. Zurzeit ist es Finanzen und Innen und Recht. Weil in den beiden Ausschüssen alles, was mit Geld und Gesetzen zu tun hat, zusammenläuft. Das ist für einen Fraktionsvorsitzenden eine ideale Geschichte. So kriegt man jede Information und kann entsprechend auch seine Duftmarken setzen.

PACK: Was würden Sie als den größten Erfolg in den letzten fünf Jahren bezeichnen?

Harms: Es gibt so viele Erfolge. Einer der größten war, dass wir die Lehrerausbildung neu organisiert haben. Das ist ein Thema, das die Kieler und Flensburger betrifft. Wir konnten den Stellenabbau der ehemaligen Koalition aus CDU und FDP stoppen und haben jetzt zumindest wieder so viele Lehrer wie vor der Wahlperiode. Ich glaube, das war so ein richtiges Highlight. Wir haben dann noch die Flüchtlingskrise – oder auch eine Flüchtlingsherausforderung, wie ich lieber sagen will – bewältigen müssen. Das heißt wir haben 34.000 Menschen im Jahr 2015 neu zu uns bekommen. Das hört sich erstmal wenig an. Wenn man aber keine Infrastruktur hat und es gewohnt ist mit 5000 Menschen auszukommen, dann ist das schon eine Herausforderung, die wir hatten. Und das hat uns in Spitzenzeiten bis zu 900 Millionen Euro gekostet und das schüttelt man sich nicht so leicht aus den Ärmeln. Auch das war ein riesen Erfolg dieser Koalition.

PACK: Und was hat sich verschlechtert? Was würden Sie in der nächsten Legislaturperiode verändern wollen?

Harms: Also einen Politiker, der regiert, zu fragen, was sich verschlechtert hat, ist schwierig. Da muss ich ja sagen, dass sich nichts verschlechtert hat. Sagen wir es mal anders rum. Wir haben natürlich immer noch Herausforderungen. Wir haben es noch nicht geschafft, dass Bildung vom ersten bis zum letzten Jahr sozusagen kostenlos ist. Es fängt also in der Kita an und soll aber auch in der Hochschule aufhören. Wir sind der Auffassung, dass da noch viel getan werden muss. Wir haben mit dem Kitageld begonnen, sehen aber, dass da noch unendlich viel gemacht werden muss, bis wir es geschafft haben, die Kindertagesstätten kostenlos zu haben. In den Schulen gilt immer noch offiziell die Lehrmittelfreiheit, trotzdem gibt es noch viele Kosten zum Beispiel für Ausflüge, die von den Eltern getragen werden müssen. Das geht dann schon ans Geld. Bei den Hochschulen haben wir das Problem, dass Menschen, die studieren, auf BAföG angewiesen sind und die Hälfe des BAföGs muss dann wieder zurückgezahlt werden. Wenn man überhaupt welches erhält. Mit skandinavischen Augen gesehen ist das eine reine Katastrophe. In Skandinavien ist die staatliche Unterstützung kostenlos und sie muss auch nicht zurückgezahlt werden. Von daher haben wir, finde ich, riesige Aufgaben zu bewältigen.

PACK: Man ist sich in einer Koalition nicht immer einig. Sehen Sie denn Ideen und Handlungen der anderen Parteien als kritisch an?

Harms: Es ist immer so, deswegen sind wir ja auch andere Parteien. Auch wenn wir uns miteinander wohlfühlen. Bei SPD, Grünen und SSW ist es schon so, dass wir in Nuancen unterschiedliche Auffassungen haben. Beispiel Kindergärten: SPD will schnelle Kostenfreiheit, die Grünen setzen auf Qualität und wir beim SSW hängen zwischen Baum und Borke. Wir wollen sowohl die Eltern entlasten, weil es Eltern in Einkommensgruppen gibt, die es wirklich schwer haben, das Geld aufzutreiben. Das sind dann teilweise 500 Euro im Monat. Die haut sich auch ein Facharbeiter nicht so einfach mal raus. Da können wir uns in der Mitte treffen, indem wir beispielsweise schrittweise die Qualität erhöhen und diejenigen entlasten, die es am allernötigsten haben. Das ist erst ein Punkt. Es geht weiter in den Schulen und Hochschulen, wo wir Behinderte und Geflüchtete integrieren, aber gleichzeitig die Unterrichtsversorgung sicherstellen müssen. Das sind alles Herausforderungen, die man bewältigen muss und die Geld kosten. Aber da sind wir uns zu einem großen Teil einig.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land 5 Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche drei Projekte würden Sie mit dem Geld fördern?

Harms: Ich muss erstmal drüber nachdenken. Mit Sicherheit bei 5 Milliarden Euro sofort sämtliche Bildungsgänge, die wir zu beeinflussen haben, vornehmlich Kindergärten und Schulen sofort kostenlos zu machen. Ich würde sehr viel von dem Geld in den Wohnungsbau stecken wollen, weil da haben wir sehr große Probleme, insbesondere was ältere Menschen, Studierende und Auszubildende angeht. Aber auch sozial Schwache haben es besonders schwer am Wohnungsmarkt bestehen zu können. Da müssen wir was tun. Ich würde mit Sicherheit auch die Verkehrs- und Breitbandinfrastuktur fördern. Beim Breitband haben wir schon viel gemacht und sind in Deutschland führend. 25 Prozent sind zwar nicht viel, aber wesentlich mehr als alle anderen Bundesländer bisher geschafft haben. Der Straßenbau ist eine Herausforderung. Da hat man in den letzten Jahren sehr wenig für den Erhalt und Ausbau des Wegenetzes getan.

Lars Harms ist Spitzenkandidat einer Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht fürchten muss.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Lars Harms ist Spitzenkandidat einer Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht fürchten muss.

PACK: Fassen Sie Ihr Wahlprogramm in drei Stichpunkten zusammen!

Harms: Sachlich, sozial, wirklichkeitsnah! Auch das ist wie man SSW auch abkürzen könnte. Ich glaube, wir haben eine sehr starke soziale Ader und orientieren uns dabei an Skandinavien. Also, dass der Staat verantwortlich ist, Grundlagen zu schaffen, damit die Gesellschaft funktioniert. Das kann der Markt nicht richten. Das unterscheidet uns von den anderen Parteien. Und wir sind eine Minderheitenpartei und vertreten die dänische und friesische Minderheit. Und das ist der Markenkern des SSW und das wird er auch auf ewige Zeiten bleiben. Trotzdem, wer unsere Politik gut findet, wer skandinavisch orientierte Politik gut findet, der hat auch eine Heimat im SSW.

PACK: Die Piraten wollten initiieren, den Tag des Grundgesetzes zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären. Dies wurde ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Wieso sollte nicht der Tag des Grundgesetzes zum Feiertag werden?

Harms: Erstmal muss man sagen die Piraten sind auf andere Vorschläge aufgesprungen. Es gibt den Vorschlag der Kirchen und Gewerkschaften, den Reformationstag dauerhaft als Feiertag einzurichten. Es gab dann von unserer Seite aus den Vorschlag, nicht mit dem Reformationstag wieder einen kirchlichen, sondern einen weltlichen, gesellschaftlichen Feiertag einzurichten. Wir haben gesagt, dass wir einen Tag der Landesverfassung einrichten wollen. Dort sind sowohl die Rechte des Grundgesetzes als auch landesspezifische Rechte niedergelegt. Das haben wir angestoßen. Da wollen wir drüber diskutieren und es in der nächsten Wahlperiode schaffen. Im Gegensatz zu Bayern haben wir nämlich sehr wenige Feiertage. Ich fände es gut, wenn wir einen weltlichen Feiertag nehmen würden. Wenn man dann unseren Tag der Landesverfassung oder den Geburtstag des Landes Schleswig-Holsteins im Dezember. Oder ob man wie in den Skandinavischen Ländern den Tag der Befreiung nutzt. Also sprich den 5. Mai, als man in Norddeutschland kapituliert hat, oder den 8. Mai, als in Gesamtdeutschland wieder Frieden herrschte. Das sind alles Tage, mit denen ich sehr gut leben könnte. Das sind alles Tage, die eine besondere Bedeutung für das Land haben. Ich glaube ein Tag des Grundgesetzes wäre es wert als gesamtdeutscher Feiertag begangen zu werden.

PACK: Jede Partei möchte das Ehrenamt stärken. Wie möchten Sie konkret und besser als die anderen das soziale Engagement stärken?

Harms: Wir haben erstmal am Anfang der Wahlperiode die Ehrenamtskarte ausgeweitet und leichter zugänglich gemacht. Es gibt ein paar Freibeträge für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und da einen kleinen Groschen kriegen. Das ist Steuerrecht und wird vorgeblich auf Bundesebene gemacht. Allerdings mindert das auch unsere Steuereinnahmen und wir mussten dementsprechend zustimmen, was wir auch gerne getan haben. Ich glaube aber auch, dass man mehr darauf achten und mehr darauf werben sollte, überhaupt Ehrenamt zu erhalten. Weil ich glaub auch vielen Arbeitgebern ist es auch noch schwer mittelbar, dass Leute beispielsweise bei der freiwilligen Feuerwehr sind. Man findet das natürlich gut, aber wenn derjenige dann ausrückt zu einem Einsatz, dann behindert das schon betriebliche Abläufe und dann ist der Arbeitgeber doch nicht mehr so ganz begeistert. Dafür immer wieder zu werben, ist das wichtigste. Das ist wichtiger als die rechtliche Regelung. Da gibt es ohne Frage immer noch was zu tun, aber wir müssen das Ehrenamt in den Herzen verankern. Das ist das viel Wichtigere.

PACK: Als Studentenzeitung interessiert uns die Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Harms: Für ausreichend finanziert mit Sicherheit, weil wir mit den Hochschulen gerade Ziel-und Leistungsvereinbarungen abgeschlossen haben, um deren Haushalte entsprechend abzusichern. Da haben wir auch von den Hochschulen logischerweise, wenn man einen Vertrag abschließt, auch die Rückmeldung, dass das funktioniert. Wir haben dann auch die Exzellenzförderung einwerben können. Die Frage ist immer, ob und was man noch obendrauf packen kann. Da muss man mit Sicherheit drüber diskutieren, ob man bestimmte Bereiche fördern kann. Beispielsweise in Lübeck wie in Kiel die medizinische Forschung und die Arztausbildung, was der größte Kostenpunkt ist. Ein Mediziner ist etwa viermal so teuer wie ein BWLer. Trotzdem muss man das aufrechterhalten können, denn da sind wir gut drin und führen. Entsprechend muss man auch schauen, wie man die Infrastruktur führt. Da sind wir gerade in Lübeck dabei bauliche Maßnahmen durchzuführen – zusammen mit dem UKSH. Da lässt sich im Einzelfall auch sehr viel noch machen. Die Vereinbarungen werden regelmäßig überarbeitet. Das gilt aber nicht nur für Lübeck und Kiel, sondern auch für andere Hochschulen.

PACK: Welche hochschulpolitischen Akzente wollen Sie in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Harms: Wir haben natürlich in dieser Wahlperiode begonnen, die sprachlichen Studiengänge noch besser zu unterstützen. Wir haben jetzt nach 30 Jahren wieder eine Professur für Friesisch und in Kiel und Flensburg Dänischlehrstühle. Da legen wir schon sehr viel Wert drauf, dass regionale und Minderheitensprachen unterstützt werden und dass man ein eigenes Profil hat. Dass wir die schleswig-holsteinischen Spezifika herausstellen. Wir sind stark in der Klimaforschung, in den erneuerbaren Energien und der medizinischen Forschung. Wir haben da schon ein paar Schmankerl. Das müssen wir weiter stärken. Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.

„Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.“Magnus Bender | StudentenPACK.

„Wir müssen unsere Leuchttürme noch besser ausarbeiten.“

PACK: Wie und in welchem Zeitraum möchten Sie in Schleswig-Holstein bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen?

Harms: In dem Bereich haben wir richtig große Herausforderungen. In den Universitäts- und Fachhochschulstädten ist es tatsächlich so, dass Wohnungen für Studierende schwierig zu finden sind. Auch die Älteren zieht es in die Städte, weil da die Versorgung besser zu bewerkstelligen ist. Wir wissen, dass wir in den nächsten drei Jahren wesentlich mehr Wohnungen brauchen als eigentlich bisher geplant sind. Das kann man ungefähr abschätzen. Es werden jährlich 10.000 Wohnungen geschaffen. Wir brauchen eigentlich noch 2000 Wohnungen mehr in diesen zwei Jahren. Das wird, staatlich gefördert, schwierig werden. Wir fordern, dass noch mindestens 5000 staatlich gefördert werden müssen und mit einer Sozialbindung versehen auch gebaut werden. Dafür wollen wir mindestens 10 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen, um ein großes Förderprogramm auf die Beine zu stellen. Das heißt, es muss kurzfristig 2018/19 laufen. Wir stellen uns vor, dass es klüger ist, sogenannte verlorene Zuschüsse zu geben. Bisher hat man günstige Kredite vergeben, aber auf dem Kreditmarkt ist es mittlerweile so günstig, dass es nicht mehr ins Gewicht fällt. Wir haben jetzt zum ersten Mal 34 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um pro Quadratmeter eine Förderung von 250 Euro zu stellen. Das wird auch sehr gut angenommen. Wenn man sich eine 100 Quadratmeter große Wohnung vorstellt, sind das 25.000 Euro. Da kann man also günstig Wohnraum schaffen. Und wenn man das an spezifischen Orten macht, wo die Wohnungsnot am größten ist, dann kann man sehr kurzfristig sehr schnell viel generieren und wir erhoffen uns insbesondere, dass die Baugenossenschaften uns dabei stark unterstützen. Bei Studierenden, die nur auf sich selbst gestellt sind, oder für Studierende aus dem Ausland, die kurzfristig versuchen, eine Wohnung zu bekommen, ist das eine Chance unterzukommen. Wir haben natürlich auch losgelöst von den Studierenden Leute, die im Arbeitsleben stehen, die Schwierigkeiten haben, insbesondere Leute, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Da müssen wir was tun. Regelmäßig sind das auch kleine Wohnungen – nicht nur die Dreizimmerwohnungen. Die Alleinerziehende mit Kind, die nur halbtags arbeiten kann, solche Menschen fallen alle in diesen Bereich. Da muss einfach mehr getan werden! Für Leute wie mich muss man keine Wohnung bauen. Ich komme alleine zurecht. Es gibt aber genügend Menschen, die diese Unterstützung brauchen. Deswegen müssen wir da unser Augenmerk draufsetzen.

PACK: Wie wollen Sie die geschlechtliche Gleichberechtigung am Arbeitsplatz umsetzten?

Harms: Vorausgeschickt für mich spielt die sexuelle Orientierung keine Rolle im Zugang zu was auch immer. Menschen sind gleichberechtigt. Auch das Geschlecht spielt für mich keine Rolle. Jeder soll Zugang zu allem haben. Wir sind auch für die Ehe für alle und keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Das macht das Leben auch einfacher. Gleichberechtigung hat für uns einen hohen Stellenwert. Das ist auch die skandinavische Inspiration, die da herausragt. Vor dem Hintergrund: Wir haben natürlich das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das ist relativ neu, und da sind auch sehr viele gesetzliche Regelungen und wir sind da sehr detailliert. Wir setzen da voraus, dass der Mensch erstens feststellt, dass er ungerecht behandelt wird, und dann auch dagegen rechtlich vorgeht, was auch nicht jeder will. Die Voraussetzungen dahingehend sind gut, aber wir müssen dafür werben, dass sowohl gleichgeschlechtliche Partnerschaften, als auch die unterschiedlichen Geschlechter gleichberechtigt sind. Das machen wir, indem wir Gleichstellungsbeauftragte auf kommunaler Ebene und in den Unternehmen haben. Auf kommunaler Eben ist das auch vorgeschrieben. Wir haben da auch das einwohnerzahlmäßige Quorum etwas heruntergesetzt. Wir wollen auch, dass sie das haupt- und nicht nebenamtlich machen und wir glauben auch, dass man in der Schule, am liebsten sogar im Kindergarten, anfangen muss, darüber zu informieren, dass es mehr als nur Mama und Papa in verschiedenen Geschlechtern gibt, sondern, dass das Leben ein bisschen bunter ist. Nicht im Sinne davon, dass man dafür wirbt, sondern im Sinne von, dass man darüber sachlich aufklärt, dass das nichts merkwürdiges, schlimmes oder unnormales ist, wenn es gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt, oder Frauen in Männerberufen und Männer in Frauenberufen sind. Eine Frau kann genauso Kranführerin sein wie ein Mann Kindergärtner. Ich würde mich sogar freuen, wenn es mehr männliches Kindergartenpersonal geben würde. Das wäre auch für die Kinder eine tolle Sache.

Das StudentenPACK hat Lars Harms für das Interview in Kiel besucht.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Das StudentenPACK hat Lars Harms für das Interview in Kiel besucht.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass der Aspekt der “guten Arbeit” berücksichtigt werden soll. Was sollen wir darunter verstehen und wie genau soll sie berücksichtigt werden?

Harms: Kurz gesprochen: Gute Arbeit ist Arbeit, von der man auch leben kann. Da gibt es zwei große Ansätze. Das eine ist, dass man durch Werkverträge oder Leiharbeit immer die Sorge haben muss, dass nach kurzer Zeit der Werkvertrag endet oder der Leiharbeitsvertrag beendet wird. Das führt dazu, dass ein Mitarbeiter nicht in der Lage ist, längerfristig zu planen, weil er immer wieder damit rechnen muss, nach der Leiharbeit in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Da wollen wir versuchen, Leiharbeit nur noch in den Spitzenzeiten zuzulassen. Also wenn ein Unternehmen wirklich Menschen braucht, weil es zum Beispiel einen besonderen Auftrag bekommen hat und den abarbeiten muss. Und, dass Leute, die einer Stammbelegschaft angehören, wie die Stammbelegschaft angestellt werden. Das hat manchmal auch lohnmäßige Auswirkungen, weil meistens die Stammbelegschaft mehr Geld als ein Leiharbeiter bekommt. Der andere Punkt ist, dass bei öffentlichen Ausschreibungen auch ein fairer Lohn gezahlt werden muss. Wir schreiben auch als Staat aus und da ist es oftmals so, dass kein fairer Lohn gezahlt wird. Wir haben einen Mindestlohn von 8,88 Euro pro Stunde. Netto macht das etwa 900 Euro, das ist so knapp über Hartz IV, damit kann man als Einzelperson einigermaßen durch das Leben vegetieren. Aber mit einer Familie wird das schon schwieriger. Sodass wir versuchen, den Leuten da einen vernünftigen Lohn zu bezahlen. Das heißt bei uns in öffentlichen Ausschreibungen ist der Mindestlohn bei 9,99 Euro. Das sind schon fast 200 Euro mehr in der Kasse. An solchen Dingen orientieren wir uns. Wir wollen damit nicht die Wirtschaft reglementieren, aber dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die sich am Markt nicht so gut verkaufen können, durch den Staat die Hilfestellung bekommen und damit einen vernünftigen Lohn kriegen.

PACK: Jahr für Jahr dürfen wir uns anhören, dass das UKSH rote Zahlen schreibt und dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass Gesundheitsversorgung ein Verlustgeschäft ist und man das akzeptieren sollte?

Harms: Das Schöne ist ja, ich war kürzlich auf einer Veranstaltung des UKSH und Herr Scholz als Vorsitzender hat dort verkündet, dass das UKSH ab 2018 schwarze Zahlen schreibt. Wenn man den baulichen Masterplan rausrechnet, schriebe das UKSH nur durch die geleistete Arbeit schwarze Zahlen. Trotzdem hat das UKSH fast eine Milliarde Euro Schulden. Da müssen wir uns als Land darüber unterhalten – wir sind ohnehin Gewährträger des UKSH – ob wir das UKSH da entlasten können, indem wir beispielsweise die Schulden übernehmen. Ich wäre für eine solche Diskussion offen, dadurch würde sich die Finanzsituation des UKSH schlagartig verbessern, da es dann die Zinsen und Tilgung nicht mehr leisten muss. Das würde Spielräume für das dort tätige Personal eröffnen. Damit es auch besser unterstützt werden kann. Es wäre wichtig gerade für die Pflegenden, die in diesen Bereichen tätig sind, dass mehr Personal eingestellt wird. Also dass das UKSH uns, wenn wir die Schulden übernehmen, ein bisschen entgegen kommt. Denn die Bediensteten im Pflegebereich machen einen echt harten Job. Wenn man da sich auf etwas einigen kann, könnte man das UKSH sehr gut unterstützen.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Harms: In 2022 haben wir 100 Prozent Unterrichtsversorgung, das heißt an den Schulen fällt nichts mehr aus. Wir haben bis dahin die innere Sicherheit verbessert, sodass wir 500 Polizisten pro Jahr mehr ausgebildet haben und in unserem Polizeisystem untergebracht haben, sodass wir in der Lage sind, die großen Verbrecher besser zu fangen als zurzeit. Wir werden bis dahin auch sehen können, dass dieses Land mehrsprachig ist. Wer in den Norden fährt, wird anhand der zweisprachigen Beschilderung mancherorts sehen können, dass Schleswig-Holstein mehr ist als ein rein norddeutsches Bundesland, ein vielfältiges Bundesland. Wir werden den Nachweis erbracht haben, dass wir weit mehr Flüchtlinge in Arbeit, Lohn und Brot gebracht haben, als man es uns zugetraut hat. Im Übrigen, jetzt sind das schon zehn Prozent, was ich total überraschend finde. Denn das sind Menschen, die aus Kulturkreisen kommen, wo es keine duale Ausbildung gibt, die ihr Studium haben abbrechen müssen, die vielleicht auch ihre Ausbildung nicht anerkannt bekommen haben. Das kriegen wir hin bis 2022 und dann stellen wir uns wieder der Wahl. Ich hoffe doch sehr, dass Schleswig-Holstein skandinavischer sein wird. Das ist die ständige Aufgabe des SSW, es skandinavischer zu machen. Ich glaube, wir profitieren davon. Man muss nicht immer alles übernehmen, aber es gibt viele gute Dinge, die man übernehmen kann. Wenn wir das tun, hat Schleswig-Holstein einen eigenen, prägenden Charakter.

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„Es lohnt sich dieses Mal absolut, CDU zu wählen“ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/es-lohnt-sich-dieses-mal-absolut-cdu-zu-waehlen2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/es-lohnt-sich-dieses-mal-absolut-cdu-zu-waehlen2/#respond Thu, 20 Apr 2017 04:00:23 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278459
Daniel Günther ist der Spitzenkandidat der CDU zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Daniel Günther ist der Spitzenkandidat der CDU zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Daniel Günther: Mein Name ist Daniel Günther. Ich bin 43 Jahre alt und wohne mit meiner Frau und meiner 13 Monate alten Tochter in Eckernförde. Seit 2009 bin ich Landtagsabgeordneter für die CDU. An der Christian-Albrechts-Universität in Kiel habe ich Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Psychologie studiert. Danach habe ich im Bereich Wirtschaftsförderung gearbeitet und bin dann hauptberuflicher Geschäftsführer bei mehreren CDU-Verbänden gewesen. Im Landtag bin ich immer auch für die Hochschulen zuständiger Bildungspolitiker gewesen, bis ich im November 2014 Fraktionsvorsitzender wurde. Seit November 2016 bin ich CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für die Landtagswahl.

PACK: Können Sie mir rückblickend auf die letzte Legislaturperiode jeweils eine Sache nennen, die politisch gesehen besser und schlechter als vor fünf Jahren in Schleswig-Holstein ist?

Günther: Ich glaube, was wir als Schleswig-Holsteiner gut in diesen fünf Jahren hinbekommen haben, ist die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Ich glaube, das ist etwas, was unser Land auch gemeinsam stark gemacht hat, der große Einsatz von Ehrenamtlern, die wirklich Herausragendes geleistet haben. Das war wirklich eine tolle Gemeinschaftsleistung, die Schleswig-Holstein auch zusammengeschweißt hat.

In den letzten fünf Jahren haben wir am meisten versäumt, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Die Regierung hat zu viel Geld ausgegeben, zu wenig investiert. Auch die Hochschulen im Land wurden im Stich gelassen. Als der Bund die BAföG-Mittel übernommen hat, hätten wir gerade die Universitäten und die Fachhochschulen im Land stärker unterstützen können. Das sind fast 40 Millionen Euro pro Jahr, die durch rot-grün für alles Mögliche ausgegeben werden. Es war eine strategische Null-Leistung der Regierung, den Hochschulen von dieser Kostenerstattung durch den Bund nicht einen Cent zukommen zu lassen.

PACK: Wir würden gerne einige Fragen zu Ihrem Wahlprogramm stellen: Stellen Sie sich zum Einstieg bitte einmal vor, das Land bekäme durch ein Wunder einmalig fünf Milliarden Euro zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche Projekte würde die CDU damit fördern?

Günther: Ich bin kein Fan von Wünsch-Dir-Was! Andererseits ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir mehr Steuereinnahmen bekommen. Die aktuelle Regierung hat pro Jahr heute 2,5 Milliarden Euro mehr als 2012, so ein Riesenwunder wäre es also nicht.

Ich habe drei Herzensprojekte; erstens Investitionen in die Infrastruktur: Straßen, Breitbandversorgung, Schulen und Bildungseinrichtungen – auch Hochschulen!

Zweitens würde ich deutlich mehr Geld ausgeben für unsere Polizisten im Land. Ich glaube, wenn wir wirklich innere Sicherheit wollen, brauchen wir mehr und besser ausgestattete sowie gut bezahlte Polizisten. Dafür würde ich viel Geld zur Verfügung stellen.

Und drittens für den schulischen Bereich. Damit meine ich ausdrücklich auch die Hochschulen. Junge Menschen brauchen in diesem Land endlich wieder Perspektiven. Sonst werden sie auf der Suche nach besserer Ausbildung und besseren Jobs Schleswig-Holstein verlassen. Da muss man viel mehr investieren. Im Moment haben wir in Schleswig-Holstein die niedrigsten Bildungsausgaben in ganz Deutschland. Das würde ich definitiv ändern.

PACK: Was wäre der erste Beschluss, den Sie als Ministerpräsident umsetzen würden?

Günther: Die erste Handlung ist immer die Einteilung des Kabinetts. Bleibt einem ja nichts anderes übrig, wenn man die Regierung übernimmt. Und dabei sage ich fest zu, dass die Wissenschaft wieder aus dem Sozialministerium herauskommt. Die Hochschulen im Land haben es nicht verdient, Anhängsel in irgendeinem Ministerium zu sein. Sie müssen wieder eine richtige Bedeutung bekommen. Deshalb gehört die Zuständigkeit für Hochschulen ins Bildungsministerium. Dafür werde ich sorgen.

PACK: Wie sehen Sie die finanzielle Lage allgemein im Land. Wir haben jetzt viel über Ausgaben gesprochen, aber das Land hat gleichzeitig viele Schulden. Meinen Sie, dass viel Spielraum für Investitionen da ist?

Günther: Wenn man umschichtet, ja. Die Regierung hat in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben. Das macht die finanzielle Situation in Schleswig-Holstein leider in gewisser Weise dramatisch. Der Haushaltsüberschuss im vergangenen Jahr ist allein der boomenden Wirtschaft und den Steuerzahlern zu verdanken. Im Ausgabenbereich hat rot-grün nichts getan, um sinkenden Einnahmen vorzubeugen. Das heißt, die Landesregierung hat alle finanziellen Spielräume ausgeschöpft. Von daher ist die finanzielle Lage gerade mit den auf uns zukommenden Lasten der HSH-Nordbank, weiterhin schwierig.

Zu den 27 Milliarden Euro Schulden kommt heute ein Investitionsstau von mindestens fünf Milliarden Euro. Zusammen mit den Risiken der HSH-Nordbank, die bei über 10 Milliarden liegen, ist das eine Riesenbelastung für jede kommende Regierung. Zu sagen, „wir versprechen euch das Blaue vom Himmel“, hat deshalb wenig Glaubwürdigkeit. Wir müssen wieder solide haushalten.

PACK: In welchen Bereichen würden Sie sparen wollen?

Günther: Die Regierung hat sehr viel Geld ausgegeben für große Verwaltungsbereiche. Die tatsächlichen Verwaltungsausgaben sind in der Zeit von CDU und FDP 2009 bis 2012 um 18 Millionen gesunken, in der letzten Wahlperiode um weit über 100 Millionen Euro gestiegen. Wir würden wieder Wert darauf legen, dass in den Bereichen deutlich sparsamer gehaushaltet wird. Nur ein Beispiel: Die aktuelle Regierung hat einen Schwerpunkt darauf gesetzt, viel Geld in Umweltbürokratie zu stecken. Ich bin absoluter Umweltschützer. Der Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen ist wichtig, aber bitte nicht mit überbordender Bürokratie. Wir brauchen Freiräume für Menschen, damit die auch selbst Naturschutz machen können. In beiden Bereichen sehe ich richtig großes Einsparpotential.

PACK: Viele Gelder werden auch für die Hochschulen ausgegeben. Können Sie ausschließen, dass Hochschulstandorte geschlossen oder Studiengänge aus finanzpolitischen Gründen eingestellt werden?

Günther: Das kann ich ausschließen. Wir geben den Hochschulen im Land eine Bestandsgarantie für die Zeit, in der wir regieren. Das gilt insbesondere für die Universität zu Lübeck, auch für die Medizin – denn wir brauchen vor allem in diesen Bereichen mehr Studienplätze. Durch die rot-grüne Schwerpunktsetzung in der Hochschulfinanzierung finanziert das Land fast nur noch Studiengänge über Hochschulpaktmittel, nicht mehr über die eigene Landesförderung. Für Universitäten und Fachhochschulen ist das ein Anreiz, möglichst günstige Studiengänge anzubieten. Das sind eben nicht die Naturwissenschaften oder die Medizin, mit denen wir dringend benötigte Nachwuchs-Fachkräfte für die Zukunft ausbilden. Das müssen wir ändern.

Ich will in die Hochschulautonomie nicht soweit reinregieren, dass ich sage, es werden alle Studiengänge für immer und ewig aufrecht erhalten. Aber finanzielle Gründe dürfen dabei keine Argumente sein, sondern eher die Frage, ob die Studiengänge am Ende auch nachgefragt werden. Das ist ja auch eine entscheidende Frage. Da sind die Hochschulen ja in einigen Bereichen auch frei. Und das soll auch so bleiben.

PACK: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass Sie Studierende und Auszubildende vom Rundfunkbeitrag befreien möchten. Wie groß ist der Handlungsspielraum einer Landesregierung in dieser bundespolitischen Frage?

Günther: Ja wir haben angekündigt und mehrfach öffentlich gemacht, dass wir eine Bundesratsinitiative ergreifen wollen. Wir setzen uns genau dafür ein: für Studierende, aber auch eben bewusst Auszubildende. Der Rundfunkbeitrag belastet beide im Vergleich zu ihrem Einkommen unverhältnismäßig hoch. Wir kämpfen für eine Mehrheit für diese Befreiung. Das kann natürlich keine Zusage sein, dass wir uns dabei durchsetzen werden. Das wäre nicht sehr glaubwürdig. Aber ich kenne viele Mitstreiter auch auf Bundesebene, die das ähnlich sehen wie wir. Deshalb hoffe ich auf den Erfolg.

Daniel Günther möchte Ministerpräsident werden.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Daniel Günther möchte Ministerpräsident werden.

PACK: Daneben wollen Sie ein landesweites Semesterticket einführen. Für wen soll das verpflichtend sein und für wen optional?

Günther: Zugegebenermaßen ist das Konzept noch nicht ganz fertig. Wir geben eine klare Zusage, dass wir ein solches landesweites Semesterticket einführen werden. Wir brauchen es als Anreiz für Studierende in unserem Land. Ein Ticket allein reicht jedoch nicht. Wir brauchen auch eine deutlich bessere ÖPNV-Anbindung. Das gilt genauso für die Auszubildenden. Um diese landesweite Anbindung sicherzustellen wird das Ticket voraussichtlich etwas teurer sein als die heutigen mit ihrem stark beschränkten Angebot. Wenn es nachher zehn Euro mehr kostet und kann dafür kann man damit landesweit unterwegs sein, wäre das ist ein Riesengewinn. Gerade bei Studierenden macht es Sinn, auch über eine Verpflichtung nachzudenken. Sonst ist es einfach schwierig in der Umsetzung.

PACK: Werden Sie das Semesterticket auch nach Hamburg hin öffnen?

Günther: Das haben wir noch nicht entschieden. Nehme ich gerne mal auf.

PACK: Wir würden gerne weiter über Ihre Bildungspolitik sprechen, allerdings von den Hochschulen zu den Schulen wechseln. Dort wollen Sie das Abitur nach neun Jahren wieder einführen. Hat dieser Schritt Rückhalt unter den Schülern?

Günther: Ja. Er hat deutlichen Rückhalt unter den Schülern. Auch bei den Lehrern. Und eigentlich bei allen an der Bildung Beteiligten. Es gibt ja auch Meinungsumfragen, die besagen, dass 75 Prozent aller Menschen für G9 sind. Und umso jünger die Menschen sind, desto mehr sind sind sie für G9. Ich weiß, dass wir als CDU damals zusammen mit der SPD G8 eingeführt haben in Schleswig-Holstein. Und ich weiß auch, dass es den Ein oder Anderen gibt, der sagt, dass es jetzt schon wieder Unruhe gibt an den Schulen. Man solle erst einmal sehen, ob sich G8 durchsetzt. Ich sage aber ganz klar, wir müssen das machen, was für die Schüler am besten ist. Da kommt es mir nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf die Qualität am Ende an. Das ist das Einzige, was mich dabei lenkt und ich möchte, dass junge Menschen auch die Chance haben, jung zu sein. Dass man auch neben der Schule noch das Ein oder Andere machen kann und dafür bietet G9 eine viel bessere Gewähr und deswegen werbe ich dafür aus Überzeugung. Ein Anhaltspunkt, dass die Schüler diese Meinung teilen, ist, dass bei allen Podiumsdiskussionen im Land, wo darüber unter Schülern abgestimmt wurde, die eindeutige Mehrheit für G9 war.

PACK: Sie wollen, dass kein Unterricht in den Schulen mehr ausfällt. Wie wollen Sie sicherstellen, dass motivierte Lehrkräfte gefunden werden, die guten Unterricht geben?

Günther: Wir werden schon einen großen Schwerpunkt bei der Lehrkräfteausbildung auf fachliche Qualifikation legen. Ich finde, pädagogische Qualifikationen sind wichtig, aber man muss auch für sein Fach, das man unterrichtet, brennen. An vielen Schulen fallen Unterrichtsstunden aus, weil für bestimmte Mangelfächer nicht genügend Lehrkräfte da sind. Diese Regierung hat zweifelsohne Lehrerstellen nicht gestrichen, die gestrichen werden sollten, als zweieinhalb Milliarden Euro weniger in der Kasse waren. Aber trotzdem gibt es am Ende dieser Regierung weniger Lehrerplanstellen als vorher. Und das Schlimme ist, dass wir durch hohen Krankheitsausfall bei Lehrkräften immer noch enormen Unterrichtsausfall haben. Nach meinem Verständnis senken wir den Unterrichtsausfall nur dadurch, dass wir zufriedene Lehrkräfte haben, die bei ihrer Arbeit die Rückendeckung der Politik haben. Dass sie auch das pädagogische Rüstzeug haben, um Probleme in ihren Klassen auch wirklich zu lösen. Und indem wir sie von Sonderlasten durch Bürokratie entlasten, damit sie sich wirklich auf den Unterricht konzentrieren können. Wenn wir diese drei Punkte umsetzen, dann schaffen wir das auch mit der Unterrichtsgarantie.

PACK: Wir haben jetzt viel über Bildung gesprochen. Gibt es andere Punkte in Ihrem Wahlprogramm, die Sie hervorheben möchten?

Günther: Ich finde, dass unser Programm insbesondere für junge Menschen eine echte Alternative zu dieser Regierung darstellt. Wir legen bei allen Themen Wert darauf, jungen Menschen in Schleswig-Holstein wieder eine Perspektive zu schaffen. Wenn man wirklich Arbeitsplätze für junge Menschen in Schleswig-Holstein erhalten oder neue schaffen will, geht das nur mit vernünftig ausgebauten Straßen, mit einer vernünftigen Breitbandversorgung. Wir haben Ideen, die insgesamt für Sicherheit im Land sorgen. Jeder will innere und soziale Sicherheit im Land gewährleistet sehen. Jeder will eine vernünftige medizinische Versorgung haben. Das ist nicht nur für alte Menschen wichtig, das ist für junge Menschen genau so wichtig. Deswegen haben wir wirklich in allen Themenfeldern gute Angebote für junge Menschen. Es lohnt sich dieses Mal absolut, CDU zu wählen. In all diesen Punkten zeigt die rot-grüne Regierung wahlweise mit dem Finger auf den Bund oder die Kommunen, wenn Probleme bekannt werden.

PACK: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Günther: Im Jahr 2022 haben wir an allen Gymnasien in Schleswig-Holstein G9 flächendeckend umgesetzt. Im Jahr 2022 ist die A20 fertig gebaut, bis zur Elbunterführung. Bis zum Jahr 2022 haben wir einen großen Teil unserer Landesstraßen wieder intakt gesetzt. Bis Ende 2022 haben wir eine Breitbandversorgung bis in die ländlichen Räume hinein, die es Unternehmen ermöglicht, auch im ländlichen Raum ihre Standorte zu finden. Und bis zum Jahr 2022 haben wir die Hochschulen in unserem Land auch finanziell so unterstützt, dass wir die Infrastruktur auf Vordermann bringen und gleichzeitig absichern, dass auch kostenintensive Studiengänge in Schleswig-Holstein eine realistische Perspektive haben.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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Katjana Zunft kandidiert für die LINKE in Lübeck.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Katjana Zunft kandidiert für DIE LINKE in Lübeck.

StudentenPACK: Am Anfang ist es sicher eine gute Idee, wenn der Leser einen Eindruck davon bekommt, wer die Politikerin ist, die hier die Linke vertritt. Möchten Sie sich kurz vorstellen?

Katjana Zunft: Ich bin Katjana Zunft, ich bin 48 Jahre alt und Mutter zweier Kinder, einem studierenden Sohn und einer Tochter auf der Schule. Ich bin von Haus aus Erzieherin, habe eine Weiterbildung zur systemischen Familientherapeutin gemacht und bin Kinderschutzfachkraft. Ich arbeite in einem Lübecker Frauenhaus. Wenn mich was nervt oder stört, dann muss ich was ändern. Und mich nervt es einfach auf dem Sofa zu sitzen und zu jammern, ich werde dann aktiv und gehe in Initiativen und versuche dort, was zu ändern. Und deswegen bin ich nun schon lange frauenpolitisch tätig, bin auch im Fachbereichsvorstand bei Verdi und deswegen bin ich auch irgendwann in die Politik gegangen.

PACK: Wenn Sie das Land ansehen, können Sie mir eine Sache nennen, die Ihrer Meinung nach schlechter oder besser ist als vor fünf Jahren?

Zunft: Davor gab es ja eine schwarz-gelbe Regierung, in dieser Zeit wurde natürlich viel Schlechtes gemacht, zum Beispiel wurde das Frauenhaus geschlossen, in dem ich arbeite. Kein Wunder, dass ich politisch aktiv wurde. Da hat sich einiges geändert, weil diese Schließung und andere Einsparungen in den Frauenbereichen von der jetzigen Landesregierung teilrückgängig gemacht wurden, wie auch die Einsparung des Blindengeldes. Das würde ich sagen, das hat sich auf jeden Fall gebessert. Hinter vielem steckt da die richtige Idee, aber nicht der Wille und der Mut, es umzusetzen. Es ist immer nur ein bisschen: Jetzt haben wir 100 Euro Kita-Geld, das ist ganz nett, aber gleichzeitig heben die Kommunen die Kita-Beiträge an. Das ist alles nicht wirklich durchdacht.

PACK: Auf dem Wahlprogramm und den Plakaten werben Sie mit “So geht links”, in der Geschäftsstelle sieht man die Plakate zum Film “Der junge Karl Marx”. Im Parteiprogramm finden sich aber natürlich keine Begriffe wie Proletariat oder Revolution. Was ist eigentlich moderne linke Politik und wie unterscheidet sie sich von moderner sozialdemokratischer oder moderner liberaler Politik?.

Zunft: Wir sind da auch moderner geworden, Begrifflichkeiten wie Sozialismus oder Marxismus haben einen schlechten Leumund und auch etwas Angestaubtes. Wir mussten natürlich lange das SED-Nachfolge-Ding abschütteln und Kommunist ist ja immer noch ein Schimpfwort. Wir haben Inhalte, die sehr sozial sind, die auch weiterführender sind als die der SPD oder sozialliberaler Politiker, weil wir nach wie vor ein Umdenken wollen. Wir verpacken es ein bisschen niedrigschwelliger, sodass es auch Menschen verstehen, die Angst vor dem Kommunismus haben oder noch die Stalin-Bilder und DDR-Bilder im Kopf haben. Ich bin im Westen aufgewachsen, ich bin Lübeckerin durch und durch und komme da nicht aus dieser Geschichte, aber das Thema ist nach wie vor durch SED und DDR behaftet. Deswegen finde ich es toll, dass dieser Film kommt, weil es einen öffentlichen Blick auf den Menschen Karl Marx ermöglicht.

PACK: Sie sind Mitarbeiterin im Frauenhaus und auf manchen der Plakate sieht man Sie mit dem Slogan “Womens march in den Landtag”, was muss die nächste Landesregierung dringend für die Frauen in Schleswig-Holstein tun?

Zunft: Der Womens-March ist nicht meine Erfindung, das ist eine Erfindung der Frauen in Amerika. Aber der Spirit, den es da gibt: Wir stehen wieder auf, wir sind wieder weiblich, um mit Pink und Spaß und Freude ernste Themen durchzubringen, das ist etwas, was ich da spüre. Und viele sagen mir auch, es ist wieder Frauenbewegung. Feminismus ist ja auch wieder so ein angestaubter Begriff. Wenn ich sage, ich bin Feministin hat man gleich wieder lila Latzhosen im Kopf, und dieses Image ist bei diesem Womens March nicht so. Da waren 1500 Menschen, die ganz selbstverständlich gefordert haben, dass wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit wollen.

Ich finde es ist nach wie vor der Hammer, dass eine gut studierte Frau oder ein gleich ausgebildetes Mädchen, sogar bei besseren Abschlüssen, in der freien Wirtschaft weniger Geld verdienen kann. Bei den Tarifen ist es natürlich gleich, aber wir haben immer noch ganz niedrige Tariflöhne in den sozialen Berufen. Es ist nicht einzusehen, dass eine Erzieherin, die Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung haben muss, nicht mindestens genau so viel verdient wie ein Kfz-Mechaniker-Meister. Das Aufwerten sozialer Berufe ist daher ganz besonders wichtig.

Was mir zudem am Herzen liegt, sind Alleinerziehende. 50 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Hartz IV und von diesen sind die Hälfte Auftstocker, das heißt, sie arbeiten, verdienen aber so wenig, dass es nicht reicht. Alleinerziehende gelten ja nicht mal als Familie. Da müssen wir viel mehr fördern, z.B. durch Kindergartenöffnungszeiten oder auch Kindergrundrechte im Grundgesetz. Das sind Themen, da werde ich und wird die LINKE dann auch tierisch nerven, um etwas zu erreichen.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land fünf Milliarden Euro zusätzlich zum normalen Haushalt von ca. 15 Milliarden Euro. Welche Projekte würden Sie mit dem Geld zusätzlich fördern?

Zunft: Als erstes eine kostenfreie Schülerbeförderung durch den ÖPNV. Auf dem Land müssen die Eltern aktuell zuzahlen, um ihre Kinder zu den Schulen zu bringen. Da wurden damals die ganzen Grundschulen zugemacht auf den Dörfern, die Straßen wurden saniert und kostenfreie Busse versprochen, die es jetzt aber nicht gibt. Eine kostenlose Beförderung würde einfach alle Familien sofort entlasten. Die können dann auch Teilhabe haben, die können einfach mal an den Strand fahren, sich bilden. Das wäre eine Sache, die sofort helfen würde.

Und als zweites müssen Schulen saniert werden, da geht es dann auch um Digitalisierung. Über die Schultoiletten habe ich mich damals als Stadtschulsprecherin bereits geärgert, die haben damals schon gestunken, waren dreckig und kaputt. Und sie sind es immer noch. Was die Digitalisierung der Schulen angeht, ist Schleswig-Holstein ganz weit hinten, während Sachsen da schon weit vorne ist. Also die Schulen zu sanieren, zu modernisieren und zu digitalisieren, das muss sofort passieren.

PACK: Da es aller Wahrscheinlichkeit nach keine solche Finanzspritze geben wird, müssen wir zurück zur Realität: In dieser Realität schreibt das UKSH rote Zahlen und gebetsmühlenartig wird wiederholt, dass sich das bald ändern muss. Kann es sein, dass ein Maximalversorger-Krankenhaus einfach nicht profitabel sein kann?

Zunft: Ja, genau. Für mich muss Politik vom Menschen aus gedacht werden und wenn ich versuche, mit kranken Menschen, mit alten Menschen, mit Kindern oder mit Frauen, die Gewalt erlebt haben, Geld zu verdienen, dann ist das ein falscher Ansatz. Ein Krankenhaus, genauso wie eine Uni, eine Schule oder ein Kindergarten, ist Daseinsvorsorge und einfach die Aufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern und, wenn ich dafür sorge, dass die Menschen besser und schneller versorgt werden, die Schüler tiefer lernen, dann zahlen sie diese Steuern auch zurück.

Jeder Euro, den ich in die Frühförderung stecke, zahlt sich zwei- bis dreifach wieder aus, jeder Euro, den ich da spare, kostet mich nachher vier oder fünf Euro. Und das ist bei Krankenhäusern genauso. Nein, man kann an Krankenhäusern, mit Menschen, keinen Profit machen und das sollte man auch nicht versuchen. Da werden keine Tische hergestellt, die man verkaufen kann, da werden Menschen geheilt, aber dadurch wird auch Arbeitskraft wiederhergestellt und verlängert und es wird menschliche Zufriedenheit hergestellt und das steigert die Produktion natürlich auch.

Sie halten die etablierten Parteien anscheinend für komische Vögel: DIE LINKE.Annika Munko | StudentenPACK.

Sie halten die etablierten Parteien anscheinend für komische Vögel: DIE LINKE.

PACK: Noch ein Thema, das immer am Geld scheitert: Bezahlbarer Wohnraum. Das ist gerade für Studenten ein kritisches Thema. Was muss hier verbessert werden, um bezahlbaren Wohnraum in Lübeck zu schaffen?

Zunft: Es ist einfach die letzten zehn oder 15 Jahre geschlafen worden. Der Wohnraum ist nicht in den letzten zwei Jahren verknappt worden, wo geflüchtete Menschen zu uns gekommen sind, sondern war schon vorher knapp. Auch studentischen Wohnraum gab es vorher schon wenig. Das hat sich jetzt noch zugespitzt. Es ist Geld da. Das Land sagt den Investoren, dass sie Geld zu ganz geringen Zinsen erhalten können, aber die Investoren sagen, ‘Warum sollen wir euer Geld zu wenig Zinsen nehmen, wenn wir von der Bank Geld zum Nullzins bekommen?’ Also machen sie es nicht. Geld anbieten ist also im Moment kein Ansatz.

Es muss also Gesetze geben und wir müssen kommunale Wohnungswirtschaften haben. Ich sitze in Lübeck im Sozialausschuss und versuche dort, immer die Einlage der stadteigenen Grundstücks-Gesellschaft TRAVE zu erhöhen. Die TRAVE selber muss bauen, das tut sie aber nicht, denn sie hat das Geld nicht und darf keine Kredite aufnehmen. Jetzt in der Niedrigzinsphase wäre es schlau, Wohnungen zu bauen auf den städtischen Grundstücken, anstelle diese den Investoren zu geben. Und sollte es mal zu wenig Bewohner geben, kann man sie immer noch verkaufen und es können Luxusbauten darauf gebaut werden. Aber es geht immer ums schnelle Geld.

Es reicht nicht, finanzielle Anreize zu machen, wir müssen selbst Vorlagen machen. Man könnte also Investoren auch verpflichten, auf Grundstücken 30 Prozent Sozialbau zu machen, und da die Grundstücke in Lübeck knapp werden, könnte das für Investoren lohnend sein.

PACK: Ein großes Thema ist in diesem Wahljahr die Asylpolitik. In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt. Ist die LINKE beim Thema Abschiebungen mit der Landesregierung einer Meinung?

Zunft: Asyl ist nicht unbedingt ein Landesthema. Den Abschiebestopp finde ich sehr gut. Früher hatten wir auch noch einen Winterabschiebestopp, der wurde leider eingestampft, aber jetzt immerhin keine Abschiebung nach Afghanistan, da bin ich sehr mit einverstanden. Schleswig-Holstein und Mecklenburg hatten ein bisschen einen Sonderstatus als die Transit-Flüchtlinge hier waren, da wurden auch kommunal viele Augen zugedrückt. Den Kieler Bürgermeister fand ich da großartig, den Lübecker Bürgermeister fand ich da schäbig.

Aber auch Landes- und Bundespolizei haben da viel durchgehen lassen. Bis sich das alles wieder sortiert hatte, ging auf einmal vieles auf einer sehr menschlichen Ebene, das fand ich gut. Man kann auch sagen, dass die Landesunterkunft auf dem Volksfestplatz besser und menschlicher war als die, die wir von der Stadt für Geflüchtete haben. Das Land hat relativ gut und mit sehr viel Vehemenz reagiert und hat Fakten geschaffen als in Lübeck noch gezögert wurde.

Ich mache seit zwei Jahren ein Frauenflüchtlingscafe hier im Büro der LINKEN jeden Samstag und habe mich in der Zeit von vielen Frauen verabschieden müssen, die abgeschoben wurden oder die keine Anerkennung bekommen und auf die Abschiebung warten und denen in ihren Heimatländern die Hölle droht. Frauenspezifische Fluchtursachen gelten leider immer noch nicht als Asylgrund. Afghaninnen, die sich hier getrennt haben von ihrem Mann, sind, wenn sie zurückgeschickt werden, tot, wenn sie da wieder in die Dörfer zurück müssen. Nicht alle sind nur vor dem Regime, sondern auch vor der männlichen Gewalt geflohen. Auch Beschneidung als Fluchtursache ist immer noch kein Asylgrund. Denn wenn die Beschneidung in einem Land per Gesetz verboten ist, obwohl es trotzdem praktiziert wird, dürfen die Frauen abgeschoben werden.

Das Anerkennen frauenspezifischer Fluchtursachen ist etwas, was im Bund angeschoben werden muss.

PACK: Jede Partei würdigt in ihrem Programm das Ehrenamt. In Ihrem Programm findet man allerdings die Einschränkung, dass Aufgaben z.B. bei der Arbeit mit Geflüchteten oder in Selbsthilfeinitiativen professionalisiert und nicht “auf das Ehrenamt abgewälzt” werden sollen. Wird Ehrenamt in Schleswig-Holstein ausgenutzt?

Zunft: Ja, grundsätzlich. Es gibt ein sehr gutes Buch, da geht es darum, dass, wenn alle Ehrenamtler in Deutschland für einen Tag streiken würden, der Staat zusammenbrechen würde. All die ehrenamtlichen Altenpflegerinnen, Tierpfleger, Flüchtlingshelfer… Deutschland ist ein Land mit sehr hohem Ehrenamtsstatus und wir wehren uns dagegen, dass immer mehr auf diese Menschen ausgelagert wird. Ein aktuelles Beispiel: Die Diakonie betreut in Lübeck 3500 Geflüchtete, die haben 104 Angestellte und bei der Diakonie sind 500 Ehrenamtler registriert. Das ist ein Verhältnis, das nicht mehr stimmig ist. Denn diese Ehrenamtler machen professionelle Arbeit.

Es ist toll, wenn jemand Geflüchteten ehrenamtlich die Stadt zeigt, oder jemanden zum Arzt bringt oder eine Sprachpatenschaft übernimmt, aber Hartz-IV-Beratung und Wohnungssuche? Ich mache im Rahmen des Frauenflüchtlingscafes ganz viel Beratung und kriege mit, was die Diakonie nicht schafft, weil es mit so wenigen Mitarbeitern nicht gehen kann. Inzwischen berate ich Ehrenamtler, damit sie Geflüchteten besser helfen können, zum Beispiel habe ich Hartz-IV-Antrag-Ausfüllkurse gemacht. Wenn wir also sagen, wir wollen es professionalisieren, dann würdigen wir das Ehrenamt dadurch, denn wenn ein Mensch acht Stunden am Tag ehrenamtlich tätig ist, dann haben die ein Recht auf einen Job, in dem ihm auch Weiterbildung angeboten wird.

PACK: Eine spannende Sache im Parteiprogramm ist die Abschaffung des Numerus Clausus, der durch eine persönliche Prüfung nach Eignung und Neigung ersetzt werden soll. Wie soll das funktionieren?

Zunft: Der Numerus Clausus ist ja nur zum sieben da, der hat überhaupt nichts mit der Leistung zu tun. Eine drei in Sport oder in Englisch macht mich ja nicht zum schlechten Kinderarzt. Wenn ein Mensch in Mathe nicht so gut war, warum soll er dann nicht auch trotzdem Medizin studieren können, nur weil er einen scheiß Lehrer hatte. Wir wissen ja alle: Wenn ich einen guten Lehrer habe, bin ich in dem Fach besser. Dazu kommen Menschen, die einfach keinen geraden Lebensweg haben aber trotzdem einfach geeignet sind, warum sollen die nicht auch in ein solches Studium reinkommen?

Nur Plakate einer Partei hängen direkt vor der Walli.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Nur Plakate einer Partei hängen direkt vor der Walli.

PACK: Wenn es nach Ihnen gehen würde: Wie sieht Ihr Schleswig-Holstein 2022 aus?

Zunft: Pink! (lacht) Mein Schleswig-Holstein 2022 ist ein gutes Stück sozialer. Die Leute sind zufriedener, haben das Gefühl, dass es ihnen wieder besser geht. Im Moment haben wir eine große Verunsicherung. Viele Menschen, die gar nicht arm sind, fühlen sich arm, und viele Menschen haben Angst vor Armut und aus der Angst heraus fangen sie an, nach unten zu treten, auf die Flüchtlinge und die Hartz IV-Empfänger, die ihnen angeblich was wegnehmen. Diese Spaltung in der Gesellschaft lässt sich nicht nur auf Landesebene beheben, aber das Gefühl, dass es uns spürbar besser geht, wir nicht mehr so viel Existenzangst haben, und dass denen, denen es nicht gut geht, geholfen wird, dieses Gefühl und dieses Vertrauen in die Politik würde ich mir wünschen.

Wie zum Beispiel der kostenlose ÖPNV für Schüler oder kostenloses Schulessen, das ist etwas, was überprüfbar ist, was spürbar ist.

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Umweltschutz durch Infrastruktur und Bildung https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/umweltschutz-durch-infrastruktur-und-bildung2/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/umweltschutz-durch-infrastruktur-und-bildung2/#respond Tue, 18 Apr 2017 04:00:12 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=278230
Monika Heinold ist die Spitzenkandidatin der Grünen zur Landtagswahl.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Monika Heinold ist die Spitzenkandidatin der Grünen zur Landtagswahl.

StudentenPACK: Würden Sie sich bitte zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Monika Heinold: Ich bin Monika Heinold, 58 Jahre alt, habe zwei erwachsene Kinder, bin ausgebildete Erzieherin und habe in meinem Beruf in unterschiedlichen Einrichtungen gearbeitet. Seit 20 Jahren bin ich in der Politik, 16 Jahre lang Abgeordnete und nun im fünften Jahr Finanzministerin. Meine Partei ist Bündnis 90/Die Grünen.

PACK: Was würden Sie als die größte Veränderung für Sie in den letzten fünf Jahren bezeichnen?

Heinold: Als Ministerin habe ich sehr viel Verantwortung. Die Finanzverwaltung in Schleswig-Holstein hat 4500 Mitarbeiter*innen, im Ministerium selbst sind es über 200 Mitarbeiter*innen, das heißt, für mich selbst habe ich die Erfahrung gemacht, für sehr viele Menschen und für einen großen Landeshaushalt über 11 Milliarden Euro verantwortlich zu sein. Die größte Veränderung für mich ist es, dass ich noch einmal ganz anders gelernt habe, was Verantwortung heißt.

PACK: Stellen Sie sich vor, durch ein Wunder bekäme das Land fünf Milliarden zusätzlich zum normalen Haushalt. Welche maximal drei Projekte würden Sie mit dem Geld fördern?

Heinold: Wenn ich die fünf Milliarden jedes Jahr hätte, dann könnte ich natürlich strukturell ganz viel für den Bildungsbereich machen. Meine Schwerpunkte sind Bildung und Gerechtigkeit. Wenn ich das Geld einmalig hätte, dann würde ich es vermutlich für die Infrastruktur reservieren. Wir haben Hochschulen, Amtsgerichte, Polizeigebäude, Straßen, Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, die dringend saniert werden müssen. Wir haben einen Infrastrukturstau von 5 Milliarden Euro. Das würde gut passen, damit würde ich die Infrastruktur sanieren. Somit wäre in den nächsten Jahren mehr Luft im Haushalt, um mit dem Geld, das jetzt für Infrastruktur reserviert ist, in Bildung zu investieren, also strukturell in Lehrer*innenstellen, Hochschulförderung, Kindertagesstätten. So würde ich umschichten. Wenn wir dieses Geld für die Infrastruktur nehmen, dann wüsste ich, ich könnte alles, was kaputt ist, reparieren lassen. Zumindest alles, was dem Land gehört. Dann hätte ich Freiräume und die würden dann strukturell in die Bildung gehen.

PACK: Sehen Sie auch in der realen Politik ohne die zusätzlichen fünf Milliarden die Möglichkeit, diese Projekte zu fördern und wenn ja, woher könnten die finanziellen Mittel kommen?

Heinold: Bei der Infrastruktur arbeiten wir mit Haushaltsüberschüssen. Es ist zum ersten Mal gelungen, in dieser Legislaturperiode den Haushalt ohne Schulden aufzustellen. Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten Haushaltsüberschüsse und wir haben ein Gesetz beschlossen, welches uns ermöglicht, Haushaltsüberschüsse auch für die Infrastruktur einzusetzen, nicht nur für die Tilgung der Schulden. Wir haben 2015 wie 2016 einen Teil dieser Überschüsse genommen, um sie in ein Sondervermögen zu packen. Da liegen jetzt 280 Millionen. Wir werden in den nächsten Jahren, fest eingeplant ab 2018, 150 Millionen jedes Jahr zusätzlich für die Infrastruktur mobilisieren. Die Sanierung der Infrastruktur liegt also gut in der Planung. 2030 wollen wir das, was jetzt saniert werden muss, auch gemacht haben. Mein zweites Anliegen ist es, die Bildung zu stärken. Das geht nur Stück für Stück in Schleswig-Holstein mit den Steuermehreinnahmen, die wir haben, aber wir bekommen vom Bund ab 2020 mehr Geld und da ist es mein Ziel, große Teile davon für die Bildung zu reservieren. Das ist der neue Länderfinanzausgleich, der bringt uns als Land ungefähr 130 Millionen Euro. Und da will ich so viel wie möglich in die Bildung geben.

PACK: Als Studierendenzeitung interessiert uns natürlich insbesondere die Hochschul- und Bildungspolitik. Halten Sie die schleswig-holsteinischen Hochschulen für ausreichend finanziert?

Heinold: Wir geben in Schleswig-Holstein in fast allen Bereichen weniger pro Einwohner*in aus als andere Bundesländer. Wir sind strukturschwach und haben weniger Geld. Wir sind Konsolidierungsland, das heißt wir bekommen Unterstützung von den anderen Ländern. Ebenso kontrolliert uns der Bund, ob wir es auch schaffen, die Schuldenbremse einzuhalten. Wir haben Nachholbedarf in allen Bereichen, aber im Bildungsbereich ganz besonders: Kita, Schule wie Hochschule. Wir haben 2016 mit dem Haushalt beschlossen, die Hochschulen in der Grundfinanzierung zu stärken, über fünf Jahre bis zum Jahr 2019. Angefangen mit zehn Millionen in 2016, ab 2017 folgen noch einmal pro Jahr fünf Millionen Euro bis wir 2019 bei plus 25 Millionen Euro sind. Damit werden die Hochschulen in den nächsten Jahren weiter gestärkt. Jedes Jahr fünf Millionen Euro mehr für die Grundfinanzierung. Das ist gut, das ist aber auch notwendig! Wir haben außerdem zugesagt, den Hochschulpakt III zu finanzieren. Das Geld ist fest eingeplant. Wir haben auch gesagt, dass wir nach dem Hochschulpakt III in derselben Höhe weiter Geld für die Hochschulen reservieren. Die Hochschulen werden gestärkt, aber es kann natürlich immer noch mehr sein. In einem Land, das jeden Euro dreimal umdrehen muss, geht das nur Stück für Stück und in Schritten. Wer etwas Anderes verspricht, verspricht vermutlich etwas, was nicht umsetzbar ist.

PACK: Welche hochschulpolitischen Akzente, außer der Finanzierung, wollen Sie in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Heinold: Wir haben ja die Beteiligung beziehungsweise Mitbestimmung für die Studierenden schon verbessert. Wir sind eine Partei, die mehr Autonomie für die Hochschulen möchte. Das muss genau abgestimmt sein, weil wir auch steuern müssen. Das Wichtigste für die Hochschulen in der nächsten Legislaturperiode ist, dass wir mit den Baumaßnahmen vorankommen. Wir haben dafür Geld reserviert. Die Planungen laufen und insbesondere an der CAU in Kiel stehen große Baumaßnahmen an und unser Schwerpunkt wird es sein, dass das Geld, das wir zur Seite gelegt haben, jetzt auch verbaut wird.

PACK: Können Sie ein Beispiel für Projekte nennen, die momentan gebaut werden?

Heinold: In Lübeck finanzieren wir aktuell über das Infrastrukturprogramm IMPULS den Neubau eines Seminargebäudes an der Fachhochschule, um den bestehenden Raumbedarf für zusätzliche Studierende abzudecken. Über das Programm wird auch die energetische Sanierung der Fassade der Zentralbibliothek an der Uni Lübeck finanziert. An der Uni Kiel haben wird beispielsweise den Neubau der Zentralen Tierhaltung ermöglicht, um insbesondere das Tierwohl stärker zu berücksichtigen. Institutsgebäude, die baufällig geworden waren, werden abgerissen und neu gebaut. Bis 2026 wird der Campus der CAU Kiel runderneuert.

PACK: Sie erwähnen in Ihrem Parteiprogramm auch ein landesweites Semesterticket. Wie müssen sich unsere Leser die Umsetzung vorstellen?

Heinold: Wir möchten die Reichweite des bestehenden Semestertickets erweitern. Die Planungen dafür sind bereits fortgeschritten. Es haben Gespräche stattgefunden und das endgültige Konzept wird demnächst kommen. Ich hoffe, dass das schnell umgesetzt werden kann. Es soll ein Ticket für ganz Schleswig-Holstein sein.

PACK: Welche Verhandlungspartner würden sich bei den Verhandlungen gegenübersitzen?

Heinold: Wir werden den Studierendenschaften ein Angebot machen, dann wird der Semesterbeitrag beispielsweise rund 100 Euro teurer. Die Zustimmung der Studierenden ist aber unbedingt notwendig! Dafür darf man dann durch das ganze Land Schleswig-Holstein bis nach Hamburg mit dem Semesterticket fahren.

PACK: Soll das Semesterticket dann verpflichtend sein?

Heinold: Ja, denn nur dann rechnet sich das und nur dann bekommen wir das Angebot von den Betreibern. Die Verkehrsgesellschaften profitieren von der Planbarkeit des Semestertickets und die Studierenden von einem unschlagbar günstigen Preis.

PACK: Sie wollen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dies ist auch für uns Studenten interessant. Wie – und in welchem Zeitraum – wollen Sie dieses Ziel umsetzen?

Heinold: Schleswig-Holstein hat einen großen Bedarf an Sozialwohnungen. Wir wollen jedes Jahr in Schleswig-Holstein 10.000 Wohnungen neu bauen. Das ist das, was wir mindestens brauchen und außerdem fördern wir das Studentenwerk, damit auch Wohnheime für Student*innen gebaut werden können.

Die Grünen werben dieses Jahr mit Mut und Sonnenblume, oft aber ohne ihren Namen „Bündnis 90/Die Grünen“.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Die Grünen werben dieses Jahr mit Mut und Sonnenblume, oft aber ohne ihren Namen „Bündnis 90/Die Grünen“.

PACK: Die finanzielle Situation des UKSH ist regelmäßig in den Medien. Lässt sich diese bei Erhalt der Maximalversorgung verbessern?

Heinold: Das UKSH ist letztendlich ein Wirtschaftsbetrieb. Die Krankenhausfinanzierung muss aus der Krankenversorgung finanziert werden. Was wir als Land zugesagt haben ist, dass wir bei den Zinsen helfen. Das UKSH hat in den letzten Jahren viele Baumaßnahmen gemacht, aber auch die Beschaffung von Großgeräten, die eigentlich Landesaufgabe ist. Dafür hat es sich verschuldet. Wir haben dem UKSH zugesagt, dass wir die dafür entstandenen Zinslasten Stück für Stück übernehmen. Wir wollen damit in der nächsten Legislaturperiode beginnen. Das entlastet das UKSH.

PACK: Würden Sie sagen, dass die Finanzierung der Gesundheit Aufgabe der Krankenkassen ist oder dass Maximalversorgung ein Zuschussgeschäft sein muss?

Heinold: Es ist gesetzlich geregelt, dass der Krankenhausbau kommunale Aufgabe ist. Daran beteiligt sich das Land zu 50% und es ist gesetzlich so geregelt, dass die Krankenversorgung aus den Versicherungsbeiträgen finanziert werden soll. Wir haben aber eine Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Mittel. Krankenhäuser in anderen Bundesländern bekommen mehr für dieselben Leistungen als Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Das ist ungerecht. Stück für Stück gibt es aber Verbesserungen. So ist es mit dem Bund und den anderen Ländern vereinbart. Und natürlich muss ein Maximalversorger mehr finanzielle Unterstützung bekommen als ein normales Krankenhaus. Auch da gibt es auf Bundesebene Bewegung, aber das reicht noch nicht aus. Die Gelder müssen gerecht verteilt werden und die Maximalversorger müssen einen Anteil daran haben, der es ihnen ermöglicht, diese Maximalversorgung, die auch an bestimmten Stellen weniger Profit bringt, zu gewährleisten. Was das betrifft sind wir sehr am Rödeln auf Bundesebene, damit eben auch Maximalversorger gute Leistung und gute Pflege gewährleisten können.

PACK: Sie wollen die medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum sicherstellen und mehr Medizinstudienplätze schaffen. Was halten Sie von der in Mecklenburg-Vorpommern vorgeschlagenen Idee, dass sich Studierende dazu verpflichten könnten, nach dem Studium aufs Land zu gehen, um einen Medizinstudienplatz zu erhalten?

Heinold: Ich denke, dass wir Anreize brauchen, damit Ärzt*innen gerne hier bei uns in Schleswig-Holstein und in der ländlichen Region sind. Menschen zu verpflichten, das sehe ich äußerst kritisch. Gerade im Gesundheitsbereich sind wir natürlich darauf angewiesen, dass die Ärzt*innen ihren Job gerne machen und auch Lust darauf haben, sich um die Patient*innen zu kümmern.

PACK: In Bezug auf das Medizinstudium ist auch häufig der Numerus Clausus im Gespräch. In ihrem Parteiprogramm erwähnen Sie, dass Sie Alternativen ergänzend zum NC entwickeln wollen. Haben Sie schon Alternativen gefunden?

Heinold: Beispiele wären Studieneingangstests und stärkere Berücksichtigung der beruflichen Vorbildung. Diese Modelle können aber auch nur in enger Absprache mit den Hochschulen funktionieren.

PACK: Sie wollen das Schul-Feedback, bei dem Experten den Schulen Hinweise geben, ausbauen. Gibt es auch Mechanismen, die systematisch Feedback von Schulen und besonders Schülern für Experten sammeln, zum Beispiel zum Thema Schulgesetze oder G8/G9?

Heinold: Ich wüsste nicht, dass es ein System jetzt gibt, aber wir wollen zukünftig die Schüler*innen mehr beteiligen. Wir haben durch das Internet ja auch ganz andere Möglichkeiten, gerade auch wenn wir Bildungsdialoge veranstalten. Das sind Konferenzen, in denen mit allen Beteiligten über wichtige Fragen im Bildungsbereich diskutiert wurden. Diese hatten wir jetzt Anfang der letzten Legislaturperiode. Hierbei wäre es aus unserer Sicht wichtig, die Schüler*innen dort zukünftig aktiv mit einzubeziehen, beispielsweise durch Onlinetools.

PACK: Wir haben uns die ganze Zeit über soziale Gerechtigkeit unterhalten. Nie über ökologische Themen, was man bei der Partei “Die Grünen” erwarten könnte. Mit Ihnen als Vorsitzender wird sich der Schwerpunkt auf die sozialen Themen verschieben oder gibt es andere Parteimitglieder, die auf die ökologischen Themen achten werden?

Heinold: Unsere grünen Kernthemen sind Energie- und Agrarwende, Ökologie, Umwelt- und Naturschutz und Tierwohl. Dabei geht es um Verbraucherschutz, gesundes Leben, gesundes Essen. Ganz klar. Mit unserem Programm, unseren Plakaten und unserer Kampagne betonen wir die ökologischen Themen sehr stark. Wir reden auch dann über Klimaschutz, wenn es für Andere kein Thema ist. Als Grüne werden wir den Klimaschutz immer ganz oben auf die politische Agenda setzen. Das gilt selbstverständlich auch für mich als Spitzenkandidatin. Auch wenn mir persönlich das Thema soziale Gerechtigkeit genauso wichtig ist. Zudem haben wir mit Robert Habeck als Umwelt-, Energiewende- und Landwirtschaftsminister eine Person, die mit 120 Prozent für die ökologischen Themen kämpft. Wir wollen bei der Wahl so stark werden und so viele Zweitstimmen erhalten, dass Robert Habeck auch wieder Minister werden kann. Damit Ökologie auch weiterhin einen starken Anwalt hat. Aber auch mir sind die ökologischen Themen wichtig. Als ich vor vielen Jahren in die Politik gegangen bin, war es nicht nur, um mich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen, sondern es lag natürlich stark an den ökologischen Themen. Damals habe ich mich dafür eingesetzt, dass Atomkraftwerke gar nicht erst gebaut werden. Sie sehen, ich stehe als Person mit meiner Biographie sowohl für soziale Gerechtigkeit als auch für Umwelt- und Naturschutz.

PACK: Wenn wir unsere Anfangsfrage noch einmal neu formulieren: Wenn eine von der Partei “Die Grünen” geführte Regierung die fünf Milliarden durch ein Wunder bekommen würde, was würde damit passieren?

Heinold: Ich würde dieses Geld dennoch in die Infrastruktur stecken. Um die energetische Sanierung unserer Gebäude voran zu bringen, weil das für den Klimaschutz wichtig ist. Um den ÖPNV und die Verkehrswende zu stärken. Einschließlich der e-Mobilität und einem Aufbau von Ladesäulen. Wir wollen keinen Neubau von Straßen, wohl aber die Sanierung der vorhandenen. Und wir wollen den Radverkehr stärken, also Städte umgestalten und fahrradfreundlicher machen.

Aber auch durch die Sanierung von Krankenhäusern, Schulen und Hochschulen, Polizeigebäuden und Amtsgerichten können wir viel Energie einsparen und eine ökologische Modernisierung umsetzen. Wir können es mit regenerativer Energie verbinden und beispielsweise Solardächer bauen. Die Sanierung der Infrastruktur ist für mich gerade als Grüne ein gutes Instrument, um die ökologische Modernisierung voranzubringen.

PACK: Überall herrscht Lehrkräftemangel und Sie möchten eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung herstellen. Wie wollen Sie dabei garantieren, dass die Lehrkräfte qualifiziert lehren können?

Heinold: Wir haben ein neues Lehrkräftebildungsgesetz erarbeitet. Aus unserer Sicht sehr modern und fortschrittlich. Wir hoffen, dass wir junge Menschen für Schleswig-Holstein und auch für dieses Angebot begeistern können. Um dem Lehrkräftemangel zu begegnen, gibt es zwei Dinge, die wichtig sind. Das Eine: Der Standortfaktor Schleswig-Holstein muss hoch sein, die Menschen müssen gerne nach Schleswig-Holstein kommen, gerne hier leben, gerne hier auch als Lehrer*innen arbeiten. Und das Zweite ist, dass sie in den Schulen ein positives Lernklima brauchen. Also die Bedingungen so verändern, dass die Lehrer*innen sagen: “Ich gehe gerne nach Schleswig-Holstein, weil es dort ein Miteinander an den Schulen gibt und kein Gegeneinander.” Deshalb ist es auch in den nächsten Jahren wichtig, den Dialog zwischen Allen immer aufrecht zu erhalten: zwischen den Schüler*innen, den Lehrer*innen, den Eltern und nicht so Hau-Ruck-Aktionen zu machen, wie zum Beispiel kurz vor der Wahl anzukündigen, jetzt mal kurz wieder zu G8 wechseln zu wollen. Der Spitzenkandidat der CDU nutzt das offensichtlich nur, um sich bekannter zu machen. Genau so sollte Schulpolitik nicht sein! Wir müssen weiter daran arbeiten, unsere Schulen im Dialog mit allen Beteiligten zu entwickeln. Und wir werden in den nächsten Jahren noch mehr Geld als bisher schon investieren müssen.

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Das Studium, das Universum und der ganze Rest https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/das-studium-das-universum-und-der-ganze-rest/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/das-studium-das-universum-und-der-ganze-rest/#respond Mon, 03 Apr 2017 08:00:58 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=273420
Nach durchzechten Nächten sitzen Studierende gern in der letzten ReiheJulia Krüger

Nach durchzechten Nächten sitzen Studierende gern in der letzten Reihe

Einmal die Chance haben, als Dozierende das StudentenPACK zu gestalten, eine schöne Herausforderung in der vorlesungsfreien Zeit, die wir gerne angenommen haben. Nach einigem Überlegen hatten wir uns entschieden, dafür eine besonders zahlreiche und mysteriöse Subkultur des Hochschullebens genauer unter die Lupe zu nehmen: die Studierenden.

Die Gesundheit und insbesondere das Stresslevel der Studierenden standen ja in den letzten Jahren immer wieder im Fokus verschiedener Studien (siehe Infobox). Im Gegensatz zu diesen Studien verfolgten wir einen revolutionären neuen Ansatz und verzichteten gänzlich auf Repräsentativität, statistische Signifikanz und vorgefertigte Fragebögen. Kurz: wir wollten einfach nur quatschen und Kaffee trinken. Also, eine E-Mail über den Studentenverteiler gesendet und innerhalb von Stunden trudelten die ersten Rückmeldungen ein. Insgesamt 10 Studenten bekundeten Interesse an kostenlosem Kaffee und Kuchen und daraus sind dann 6 kurzweilige Interviews entstanden. Unsere Interviewpartner hatten alle eine interessante Geschichte zu erzählen, das ist für einen Campus mit fast 9000 Studierenden bestimmt nicht so ungewöhnlich, wir haben es aber als Kompliment verstanden, dass sie ihre Geschichten mit uns teilten.

Wieso Interviews mit Studierenden?

Wie gesagt: quatschen und Kaffee trinken. Ach ja, und nebenbei wollten wir diese Chance nutzen, um mit Studierenden außerhalb unserer Fachbereiche zu sprechen, um mal zu hören wie Studierende leben, wie es ist in Lübeck zu studieren. Wieso überhaupt studieren und wieso ausgerechnet in Lübeck? Was wollen sie mit einem Studium erreichen? Und natürlich auch was wir als Dozierende besser machen könnten. Aber vor allem: Wieso sitzen Studierende eigentlich so gerne in der letzten Reihe?

Unsere Interviewpartner waren eine bunte Mischung aus Medizin-, Informatik- und MLS-Studenten vom ersten bis zehnten Semester. Sogar einen nebenberuflichen Studierenden im Online-Studiengang Medieninformatik (ja, ja das gibt es) hatten wir dabei. Die Offenheit der Studierenden hat uns jedenfalls überrascht, die Diversität an Hintergründen und Motiven hat uns begeistert und wir haben zwar nicht auf alle Fragen eine umfassende Antwort bekommen, aber auf jeden Fall viel dazu gelernt.

Und warum machen die mit bei so einem Interview?

Im Nachhinein hat sich Kuchen von Café Junge als ungeeigneter Köder für Studierende herausgestellt – wir haben ihn allein gegessen. Stattdessen reichten die Motive der Teilnehmer von Neugier („Ich wollte mal sehen, was ihr so fragt.“) über Mitleid („Ich arbeite selber als Journalist und weiß wie schwer es ist Interviewpartner zu finden.“) bis hin zu konkreten Anliegen: „Ich glaube, dass die Vorstellung von Studenten und Dozenten was deren Alltag angeht ziemlich weit auseinander ist und deshalb ist es wichtig das jede Seite ein Vorstellung bekommt, was es überhaupt bedeutet, die jeweils andere Seite zu sein.“

Keiner der Studierenden hatte das Bedürfnis den Dozierenden mal so richtig die Meinung zu geigen, im Gegenteil, sie wirkten – trotz Kritik an einigen Stellen – recht zufrieden mit ihrem Studium und Leben.

Warum Studieren

Wir wollten gerne wissen, warum Studierende eigentlich angefangen haben zu studieren, warum sie sich für ihr jeweiliges Fach entschieden haben und was sie sich nach Studienabschluss erhoffen. Das durchschnittliche Alter indem Lübecker Medizinstudierende wissen, dass sie Arzt werden möchten, scheint bei 3 Jahren zu liegen. Von da an arbeiten sie entweder zielstrebig auf ihren zukünftigen Beruf hin und beginnen sofort nach dem Abitur ihr Studium, oder sie machen einige Schlenker über ein abgebrochenes Informatik-Studium (mit Nebenfach Medizin selbstverständlich) bis sie sich dann nach dem dritten Kind doch noch entscheiden Medizin zu studieren – sehr zur Erleichterung ihrer Partner: „Oh, Gott sei Dank, na endlich!“.

Die Entscheidung für ein anderes Studienfach scheint nicht so sehr auf frühkindlicher Prägung zu beruhen, sondern eher kurzentschlossen zu erfolgen – gern auch kurz vor Ende der Einschreibungsfrist oder obwohl parallel Zusagen anderer Studienfächer vorliegen. Ein Informatik-Student im 5. Semester sagte dazu: „Das war eher so ein Bauchgefühl, und es war jetzt genau die richtige Entscheidung“, merkte später jedoch noch an: „meine zweijährige Ausbildung nach der Schule hat enorm geholfen eine Entscheidung zu treffen, ich habe gelesen es gibt mittlerweile 17000 Studiengänge in Deutschland – wer blickt denn da noch durch?“ Auch Bauchgefühle brauchen eine gewisse Reifungszeit.

Gefragt, warum sie überhaupt studieren, war nur für einen nebenberuflichen Online-Studenten das Lernen ein Selbstzweck. Für die meisten Interviewpartner standen die Berufsperspektiven im Vordergrund: „Ich hätte gern später Sicherheit im Beruf, dass ich sicher sein kann einen Job zu bekommen und dass der auch angemessen bezahlt wird.“ Nur eine interviewte Studentin bleibt (hoffentlich) der Uni erhalten: „Ich würde später gern Vorlesungen halten und Forschung an der Uni machen. Es macht mir Spaß anderen etwas beizubringen.“ – trotz unsicherer Berufsperspektiven und geringerer Vergütung als in der Industrie. Dem Wissenschaftler blutet das Herz: mehr Studierende können wir nicht für die Forschung begeistern?

In den Semesterferien überschwemmen Studierende die Strände unserer LieblingsurlaubszieleSandra van der Hulst

In den Semesterferien überschwemmen Studierende die Strände unserer Lieblingsurlaubsziele

Warum Lübeck

Lübeck wurde von alle Befragten sehr bewusst gewählt, Hauptgrund dafür ist die Größe bzw. die Kleine der Uni („Ich lege darauf Wert, dass ein Dozent, der mir etwas beibringt, auch da ist.“), gefolgt vom CHE-Ranking, den Reizen der Lübecker Altstadt und geografischen Faktoren. Die Nähe zu den Dozierenden und die ausreichende Anzahl von Plätzen für Seminare und Praktika wurden von den Interviewten positiv angemerkt. Selbst ein Medizin-Studium mit drei Kindern ist in Lübeck machbar, denn auf kurzen Wegen lässt sich vieles regeln – von der Bereitstellung eines Parkplatzes bis zur Vergabe von Kursplätzen an günstigen Terminen. Nicht so zufrieden waren die meisten Interviewpartner hingegen mit der Ausstattung der Bibliothek: zu wenig Lehrbücher und zu wenig Arbeitsplätze – „das war an meiner vorherigen Universität deutlich besser“.

Studentischer Alltag

Einen allgemeingültigen Studierendenalltag gibt es nicht, das wurde uns aus den Interviews klar. Die Herangehensweise an das Studium ist sehr unterschiedlich und reicht von „ich versuche an jeder Vorlesung teilzunehmen“ bis „eigentlich gehe ich nur zu Pflichtterminen und zur Anatomievorlesung“. Dementsprechend unterschiedlich war auch die Wahrnehmung der Selbstbestimmung im Studium. Eine Medizinstudentin im ersten Semester sagte, „ Mir war vorher nicht bewusst, dass man im Studium so viele Freiheiten hat. Man kann zu allen Vorlesungen gehen oder eben nicht, man kann die Fehltage bei Praktika nutzen oder man geht halt zu allen Terminen hin.“ Für eine MLS-Studentin mit Bachelorabschluss sieht das anders aus: „Es ist so viel, dass man eigentlich gar nicht mehr selbst bestimmen kann, wann man etwas macht. Man hat immer das Gefühl, man hat eh nie genug Zeit für alles.“ Trotzdem hatten fast alle Interviewte einen Nebenjob und einige noch zusätzliche Ehrenämter, z.B. beim Schachverband oder Heimwegtelefon, die zusammen mit Sport, Familie und sozialen Kontakten in das Studium integriert werden müssen. Diese gern zitierte Work-Life-Balance gelingt unterschiedlich gut und unser nicht repräsentativer Eindruck war, dass Studierende, die direkt nach der Schule beginnen, mehr Probleme damit haben. „Man kommt nach Hause und weiß, man muss nächste Woche den Übungszettel abgeben […] Man hat zwar etwas fertig, aber nie das Gefühl man kann jetzt mal entspannen und ohne schlechtes Gewissen ins Schwimmbad gehen. Das ist wie ein Kreislauf und man kommt nie da raus.“ Dieser Selbstdruck macht Dozierende etwas ratlos, denn natürlich möchte man gern möglichst viele Studierende in der eigenen Vorlesung haben, und die Veranstaltungen von Kollegen für Schwimmbadbesuche zu empfehlen wird auch nicht so gern gesehen. In einem Interview wurde aber recht treffend bemerkt: „Das schwierigste im Studium ist zu sortieren, wo man seine Prioritäten setzt und wo man sagt, ja ok, dann kann ich das halt nicht so.“

Doch obwohl sie es nicht als sonderlich entspannte Zeit betrachten, genießen die Interviewten ihr Studium und das studentische Leben.

„Es gibt solche und solche Dozenten.“

Wir haben gefragt, was die Studierenden gern am Studium verändern würden und wie sie die Rolle der Dozierenden sehen. In fast allen Interviews – egal ob Medizin oder MINT – wurden die mangelnde Wahlfreiheit und die vorgegebenen Stundenpläne im Studium beklagt: „Ich muss sagen, dass Studium erinnert mich sehr an Schule. Seit ich an der Uni bin habe ich einen festen Stundenplan, an den ich mich halten muss.“ Weitere Kritikpunkte bezogen sich auf das Faktenwissen und Zeit für eigene Projekte: „Das reine Faktenwissen wird zuviel abgefragt. In der Schule gab es mehr Anforderungen, wo man mal selber denken musste, das fehlt mir im Studiengang – ich hoffe das kommt jetzt im Master mehr.“ „Ich hätte gern mehr Raum für eigene Projekte und mehr Zeit auch selbst in die Materie einzusteigen.“

Insbesondere die Medizinstudierenden waren insgesamt sehr zufrieden, wie sich die Dozierenden in der Lehre engagieren, aber „natürlich gibt es solche und solche Dozenten“. Bei MINT sieht es differenzierter aus. Die Aufgabe der Dozierenden wird darin gesehen, „die Studenten zum selbst lernen zu animieren“, und viele Dozierende schaffen das wohl auch. Allerdings klappt das nicht immer: „[..] habe ich auch das Gefühl, dass Dozenten gar nicht so die Lust haben sich um die Lehre zu kümmern [..] andererseits wenn man vor so einer Masse von Leuten steht, die alle mit ihrem Handy rumdödeln, dass man irgendwann als Dozent ein bisschen resigniert – das sehe ich auch ein.“ Schön, dass Studierende so verständnisvoll sind.

In diesem Zusammenhang haben wir auch nach der Lehrevaluation gefragt und festgestellt, dass diese bei Medizinstudierenden deutlich aggressiver beworben wird, als in den MINT-Fächern – wohl ein Ergebnis der lehrbezogenen Budgetierung. Die niedrigen Rücklaufquoten im MINT-Bereich liegen wohl einerseits daran, andererseits an fehlenden sichtbaren Auswirkungen für die Studierenden: „Ich mache immer bei der Evaluation mit, gerade bei der Studiengangsevaluation und habe dann das Gefühl, dass es aber wenig bewirkt.“

Warum sitzen Studierende so gern in der letzten Reihe?

Haben wir fundierte und belastbare Ergebnisse zur zentralen Frage unserer Studie bekommen? Nein. Die Meinungen der Befragten gingen auseinander, von „keine Ahnung, ich sitze immer in der Mitte“ bis „die Hinten wollen nur quatschen.“ Ein plausiblerer Erklärungsansatz ist die Gruppendynamik, weil „man gleich als Nerd gilt, wenn man etwas sagt.“ Eine weitere plausible Erklärung scheint „das ist die Grundangst vor 180 Leuten auf eine Frage mit Blödsinn zu antworten.“ Vielleicht sollte man als Dozierender nur noch die letzte Reihe befragen – als Konfrontationstherapie. Zumindest haben wir eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum niemand in den ersten Reihen sitzt erhalten: „da kriegt man Nackenstarre“. Die Dozierenden können also aufhören Pfefferminzbonbons zu kauen, das hilft nicht.

Wie auch die übrigen Abbildungen, hat dieses Bild nichts mit dem Inhalt des Artikels und der Meinung der Autoren zu tun, sondern dient allein der grafischen Auflockerung.Jan Ehrhardt

Wie auch die übrigen Abbildungen, hat dieses Bild nichts mit dem Inhalt des Artikels und der Meinung der Autoren zu tun, sondern dient allein der grafischen Auflockerung.

Die Superman-Frage

Abschließend haben wir in allen Interviews die Superman-Frage gestellt: „Wenn du Superman wärst, was würdest du am Studium oder der Uni verändern?“ Erstaunlicherweise war weder „Noten abschaffen“ noch „weniger Klausuren“ noch die „studentische Weltherrschaft“ unter den genannten Antworten. Stattdessen rangierte ganz vorn ein Bibliotheksneubau und bessere Ausstattung für TÜFTL & Co, gefolgt von zusätzlichen Hörsälen und dem Wunsch, „dass man den Selber-Denk-Anteil im Studium erhöht, denn dafür ist es eine Uni.“

Uns haben die Gespräche sehr viel Spaß gemacht und wir hätten gern mit mehr Studierenden gesprochen, aber dazu fehlte die Zeit. Unser Ziel war, wie gesagt, nicht ein statistisch repräsentatives Bild zu bekommen, sondern ungezwungen mit Studierenden zu sprechen und neue Eindrücke zu sammeln. Von diesen Eindrücken konnten wir nur einen Bruchteil in diesem Artikel wiedergeben. Wir hoffen, dass es interessant zu lesen ist und vielleicht kann diese Idee irgendwann wieder aufgenommen werden. Abschließend möchten wir allen, die sich zu Interviews bereit erklärt haben, ganz herzlich danken und mit einem letzten Zitat enden: „Man sollte das Studium genießen [..], denn man hat schließlich nie wieder so viele Freiheiten im Leben.“ Zumindest bis zur Rente.

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„Den Handlungsbedarf sehe ich als hoch“ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/den-handlungsbedarf-sehe-ich-als-hoch/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/den-handlungsbedarf-sehe-ich-als-hoch/#respond Mon, 18 Jan 2016 06:00:06 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=234058
Hendrik Lehnert an seinem ArbeitsplatzAnnika Munko | StudentenPACK.

Hendrik Lehnert an seinem Arbeitsplatz

Das Interview wurde per E-Mail geführt.

StudentenPACK: Inzwischen ist Ihr erstes Jahr als Präsident der Uni Lübeck zu Ende gegangen, haben Sie sich in diesem Jahr gut in das Amt eingefunden?

Hendrik Lehnert: Ja, unbedingt. Ich fühle mich in dem Amt sehr wohl. Wie gut ich mich dann tatsächlich eingefunden habe, müssen natürlich andere beurteilen.

PACK: Welche uni-internen Ereignisse aus dem letzten Jahr sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Lehnert: Ein wichtiges internes Anliegen ist uns gewesen, bei aller Dynamik, die die Entwicklung der Universität derzeit prägt, immer auch für diejenigen da zu sein, die neu hinzukommen. Das gilt natürlich, wie in jedem Jahr, für die Erstsemesterbegrüßung und die Vorwoche zum Studienbeginn. Wir konnten die Einführungsangebote 2015 nochmals deutlich ausweiten, nicht zuletzt dank der zusätzlichen Bundesmittel aus dem „Qualitätspakt Lehre“, für dessen zweite Förderperiode 2016 – 2020 wir gerade ebenfalls die Zusage erhalten haben. Unsere besonderen Anstrengungen müssen in der aktuellen Lage der Qualifizierung und Integration studieninteressierter Flüchtlinge gelten. Hierzu haben wir in den letzten Wochen ein umfassendes Konzept erarbeitet und umgesetzt. Aber unser „Willkommen“ gilt selbstverständlich in gleicher Weise allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir mit unseren neuen Angeboten auf der Plattform NEW („New Employees Welcome“) begrüßen. Den neu an die Universität berufenen Professorinnen und Professoren haben wir erstmals gemeinsam mit der „Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit“ einen Empfang in der Stadt bereitet. Und dann natürlich unsere Forschungserfolge – aber dazu kommen wir ja noch.

PACK: Das große Projekt des letzten Jahres ist sicherlich die Umsetzung der Stiftungsuniversität. Wo steht die Stiftungsuniversität heute?

Lehnert: Wir haben zusammen einen fulminanten Start der Stiftungsuniversität erlebt. Der Stolz und die Freude über das gemeinschaftlich erreichte Ziel kamen in vielen persönlichen Statements zum Ausdruck, die wir in den ersten Wochen 2015 auf der Homepage der Universität veröffentlicht haben. Inzwischen ist in zahlreichen konkreten Projekten spürbar, dass diese Kraft des Neuanfangs weiter trägt und in sichtbare Ergebnisse umgesetzt wird. Wir haben ein erfolgreiches Fundraising aufgebaut. Die Resonanz von außen zeigt uns, dass die Stiftungsuniversität uns eine gesteigerte Aufmerksamkeit und ein hohes Maß an Zuwendung und Unterstützung einbringt.

PACK: Wie viele Stiftungsgelder wurden bis Ende des Jahres 2015 eingeworben?

Lehnert: Die Gesamtsumme der 2015 durch die Stiftungsuniversität eingeworbenen Fördermittel beträgt aktuell 2,35 Millionen Euro. Die Förderer des ersten Jahres waren namentlich die Possehl-Stiftung, die Jürgen-Wessel-Stiftung, das Lübecker Software- und Beratungsunternehmen Mach AG, die Parcham’sche Stiftung, die Kaufmannschaft zu Lübeck, die Hans-Heinrich-Otte-Stiftung sowie ein hohes testamentarisches Vermächtnis. Weitere Zusagen stehen unmittelbar vor der Umsetzung.

PACK: Im Interview im April 2014 sagten Sie, es sollen mehr Forschungseinrichtungen auf den Campus geholt werden. Gab es Erfolge?

Lehnert: Ganz sicher. Sehen Sie sich nur an, wie eindrucksvolle Neubauten in den vergangenen Monaten entstanden sind. Wer einige Zeit nicht auf dem Campus war, braucht einen Wegbegleiter. Und die vielen Kräne zeigen, wie viel noch weiter hinzukommen wird. Die Highlights aus dem vergangenen Jahr sind die Eröffnung des Forschungsneubaus für die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und die Grundsteinlegung für das Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung Lübeck (ZIEL) neben dem CBBM-Gebäude. Aber auch vergleichsweise kleinere Baumaßnahmen wie die Erweiterung des GründerCubes markieren wichtige Entwicklungsfortschritte wie in diesem Fall für den Brückenbereich Entrepreneurship zwischen Universität und Fachhochschule und unseren Weg zum Gründercampus.

PACK: Im Februar haben Sie Ziele bis zum Jahr 2025 festgelegt, wie beispielsweise eine Studierendenzahl von 5000 oder die Fertigstellung von Forschungsgebäuden für Entzündungsforschung und Medizintechnik sowie ein Haus der Lehre. Nun wird schon jetzt das CBBM ein Jahr verspätet eröffnet. Sind die Ziele noch erreichbar?

Lehnert: Für die Forschung zu bauen, gehört in der Planung wie auch in der Realisierung zum anspruchsvollsten Bauen überhaupt. Unerwartete Verzögerungen lassen sich dabei nie ganz ausschließen. Die Ursachen, die beim CBBM eine Rolle gespielt haben, waren klar lokalisierbar und begrenzt, sodass das Gesamtprojekt zu keinem Zeitpunkt behindert gewesen ist. Manchmal dauert es ein wenig länger in Schleswig-Holstein – was nicht immer zu unserer Ungeduld passt. Die Forschungsgruppen, die unter dem Dach des CBBM zusammengeführt werden, arbeiten nur etwas länger in ihren bisherigen Laboren. Dadurch ist keines unserer Ziele berührt. Wir freuen uns sehr auf die feierliche Eröffnung im Februar.

PACK: Bei immer mehr Studierenden wird das Verhältnis zwischen Räumen zum Lernen und Arbeiten und den Studierenden immer schlechter. Man hört, es soll bis zum Jahr 2018 schlechter werden, ehe mit den neuen Gebäuden Besserung eintreten kann. Ist das eine begründete Befürchtung?

Lehnert: Nein, im Gegenteil. Mit Hilfe einer der ersten Stiftungen für die Stiftungsuniversität (Parcham’sche Stiftung) verbessern wir die Arbeitsbedingungen in der Hochschulbibliothek und schaffen dort 200 zusätzliche studentische Arbeitsplätze. An zusätzlichen Maßnahmen arbeiten wir.

PACK: Wann wird der Umbau der Hochschulbibliothek, also die Einrichtung der Parcham-Lounge, abgeschlossen sein? Und was sind es für zusätzliche Maßnahmen, von denen Sie sprechen?

Lehnert: Die Einrichtung der Parcham-Lounge ist für das kommende Frühjahr geplant. Weitere außerplanmäßige Maßnahmen hängen nicht zuletzt vom Einwerben der dafür erforderlichen Mittel ab.

Falls ihr keinen Platz mehr zum Lernen findet, wendet euch an Prof. Lehnert. Er bemüht sich dann um AbhilfeSora Enders-Comberg

Falls ihr keinen Platz mehr zum Lernen findet, wendet euch an Prof. Lehnert. Er bemüht sich dann um Abhilfe

PACK: Wenn es keine Räume für die Studierenden gibt, warum dann überhaupt die Bemühung, mehr Studierende an die Uni zu holen? Wäre es nicht sinnvoller, innezuhalten? Oder anders gefragt: Wo sollen wir eigentlich im Februar alle für die Klausuren lernen?

Lehnert: Ein Innehalten hieße, angesichts des doppelten Abiturjahrgangs die Augen zu verschließen und damit der gesellschaftlichen Aufgabe der Hochschulen für die gegenwärtige Generation nicht gerecht zu werden. Wer das Recht auf Bildung bejaht, kann starke Studienjahrgänge nicht sich selbst überlassen. Die Selbstverpflichtung der Universität zu einer Erhöhung der Studierendenzahl bringt uns auf der anderen Seite im Rahmen des Hochschulpakts 2020 mit dem Land Schleswig-Holstein einen Aufwuchs und die langfristige Sicherung unserer Grundfinanzierung. Die erforderlichen Räume für die neuen Studiengänge sind in unseren Planungen einkalkuliert. Kommen Sie gern jederzeit aktuell auf mich zu, wenn es konkrete Engpässe gibt. Wir bemühen uns dann um Abhilfe.

PACK: Die wachsenden Studierendenzahlen werden gelegentlich auch auf den Hochschulpakt III zurückgeführt, welcher der Uni Geld pro Studienanfänger verspricht. Wie stehen Sie zu diesem Finanzierungsprinzip?

Lehnert: Sie sprechen den Zusammenhang, wie er im Rahmen des Hochschulpakts 2020 (Hochschulpakt III) vereinbart ist, ganz zutreffend an. Gegen eine Finanzierung der Hochschulen nach Maßgabe dessen, wie sie der Erfüllung ihres Kerngeschäfts nachkommen, wird man vernünftigerweise kaum grundsätzliche Einwände vorbringen können.

PACK: Tauschen wir damit Qualität gegen Quantität? Beispielsweise sind die Laborräume schon jetzt voll ausgelastet und der Betreuungsschlüssel ist, zum Beispiel auch in Rankings, etwas, worauf sich die Uni Lübeck immer verlassen konnte.

Lehnert: Wir haben uns für Qualität statt für Quantität entschieden. Als nach wie vor eine der kleinsten Universitäten in Deutschland setzen wir auf die sinnvolle Erweiterung des Spektrums unserer Studiengänge im Bereich der Life Sciences statt lediglich auf die Erhöhung der Studierendenzahlen in den bestehenden Studiengängen. Dies verbreitert die fachliche Vernetzung und schafft größere Wahlmöglichkeiten für die Spezialisierung, wie es sich zuletzt beispielsweise mit dem neu hinzugekommenen Studiengang Psychologie gezeigt hat. Hervorheben möchte ich außerdem die Einrichtung unseres Dozierenden-Service-Centers, mit dem wir ein breites Angebot hochschuldidaktischer Qualifizierung geschaffen haben. Bessere Lehre ergibt besseren Studienerfolg.

PACK: Unter den Forschungsschwerpunkten und Profilbereichen der Uni in der Broschüre „Zukunft der Universität zu Lübeck als Stiftungsuniversität“ wird Informatik nicht genannt, stattdessen aber die an dieser Uni kaum nennenswert vertretenen Kulturwissenschaften. Wird die Informatik universitätsweit ausreichend wahrgenommen oder nicht etwas vernachlässigt?

Lehnert: Die Informatik ist einer der Leuchttürme in unserem Studien- wie auch im Forschungsspektrum. Mit den eigenständigen Studiengängen Medizinische Informatik und Medieninformatik haben wir in den vergangenen Jahren ehemalige Vertiefungsrichtungen auf eigene Beine gestellt. Die Nachfrage nach diesen Studiengängen hat die Entscheidungen bestens bestätigt – die Gesamtzahl der Informatik-Studierenden hat sich nicht, wie von einigen anfangs befürchtet, nur anders aufgeteilt, sondern ist deutlich gewachsen. Dass in unseren Forschungsschwerpunkten, wie auch in den Sektionen der Universität, die Informatik zusammen mit den technischen Fächern in Verbindung steht, unterstreicht die fachlichen Berührungspunkte und Kooperationen. Die Definition unserer Schwerpunkte ergibt ein klar konturiertes, deutliches Profil. Die Bedeutung der Kulturwissenschaften für die Universität wird in der traditionsreichen Hansestadt Lübeck, der Kulturhauptstadt Schleswig-Holsteins, mit dem bereits erfolgreich arbeitenden Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL) wachsen. Damit sehen wir in dem kulturwissenschaftlichen Angebot auch einen ganz wesentlichen Brückenschlag in die Stadt.

PACK: Mit der Psychologie, der Pflege und demnächst den Medizinischen Ernährungswissenschaften gibt es immer mehr Studiengänge, die sich um die Medizin herum einordnen. Werden die Medieninformatik und „Entrepreneurship in digitalen Technologien“ auf lange Zeit die einzigen wirklich von der Medizin losgelösten Studiengänge bleiben?

Lehnert: Unser Motto heißt „Im Focus das Leben“. Wer sich auch nur einmal die Studieninhalte der Medieninformatik ansieht, wird dies als einen in hohem Maße auf den Menschen bezogenen Informatik-Studiengang erkennen. Ebenso sind in Lübeck die digitalen Technologien, zu denen das Entrepreneurship-Studium die Gründerqualifikation vermittelt, ganz signifikant auf Anwendungen in der Kommunikation mit dem Menschen oder, wie in der Medizin, für den Menschen bezogen. Zwei von unzähligen Beispielen sind die Blick- und Gestensteuerung elektronischer Systeme in der Neuro- und Bioinformatik und die Echtzeitsynchronisation von Bestrahlungsgeräten in der Robotik.

PACK: Ein ernstes Thema, das uns im letzten Jahr leider begleitet hat, war der Rassismus. Es gab die uni-interne Umfrage zum Thema Alltagsrassismus, bei der deutlich wurde, dass es auch an der Uni Lübeck Probleme gibt. Wie groß sehen Sie den Handlungsbedarf?

Lehnert: Den Handlungsbedarf sehe ich als hoch. Sowohl derjenige, der sich in nicht akzeptabler Weise äußert oder verhält, als auch diejenigen, die es hören oder beobachten, müssen sensibilisiert werden. Alltagsrassismus verträgt sich nicht mit den Grundwerten der Universität und wird von uns nicht akzeptiert.

PACK: Es gab ja bereits eine Informationsveranstaltung zu dem Thema, bei der mehrfach betont wurde, dass es nicht nur bei diesem einen Infoabend bleiben darf, sondern dass Worten Taten folgen müssen. Welche Pläne gibt es, diese umzusetzen und wie geht es voran?

Lehnert: Die Gruppe, die als Auftakt den „Abend der Vielfalt“ am 2. Dezember vorbereitet und durchgeführt hat, besteht aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Uni-Verwaltung und des Gleichstellungs-Dezernats ebenso wie aus Studierenden. Sie beginnt ihre Arbeit mit dem erklärten Ziel, bei der Bewusstmachung und Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung einen langen Atem zu haben. Wir haben unser Dezernat für Gleichstellung schon entsprechend verstärkt und werden auch eine externe Partnerschaft zu dem Thema schließen.

PACK: Wenn sich bei Uni-Mitarbeitern klar diskriminierende Positionen offenbaren, kann und soll das Ihrer Meinung nach auch personelle Konsequenzen haben? Anders gefragt, was wird an der Uni Lübeck toleriert und was nicht?

Lehnert: Unsere Grundwerte haben wir im Leitbild der Universität verbindlich formuliert: Die Universität zu Lübeck „fühlt sich kommenden Generationen unabhängig von ihrer Herkunft in einer freiheitlichen Welt verpflichtet. Sie erwartet Offenheit gegenüber dem Neuen und Andersartigen. Eigenverantwortung und die Verantwortung für die Gemeinschaft sind Grundlage unseres Wertekanons. Chancengleichheit und Transparenz prägen unser Miteinander.“ Gegen Äußerungen, Haltungen oder Handlungen, die dem widersprechen, gehen wir vor.

PACK: Auf dem bereits angesprochenen „Abend der Vielfalt“ sprach die Hauptrednerin Noah Sow unter anderem von abweisenden Signalen, die eine Institution wie die Universität zu Lübeck auch unfreiwillig an ausländische Studenten schicken kann. Was für ein Signal glauben Sie, sendet ein Honorarprofessor wie Herr Stöcker an Studierende mit Migrationshintergrund oder anderer Religion?

Lehnert: Wir haben uns klar positioniert und Prof. Stöcker zur Klarstellung seiner diskriminierenden Äußerungen aufgefordert. Er hat sich öffentlich für seine „nicht angebrachten Formulierungen“, wie er schreibt, entschuldigt. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ist, da kein Straftatbestand erfüllt sei, von der Staatsanwaltschaft in Görlitz (Sachsen) Anfang November allerdings eingestellt worden.

PACK: In einem Artikel seines privaten Blogs vom 11. Dezember mit dem Titel „Aufruf zum Sturz der Kanzlerin Merkel“ (Archiv) schreibt Winfried Stöcker „Auch bei uns in Deutschland nimmt jetzt die Bedrohung zu, je mehr unser Kulturkreis von fremden Völkern und Religionen überrannt wird.“ Wie bewerten sie seine vergangene Entschuldigung im Hinblick auf diese neuesten Äußerungen? Inwieweit unterstützt dies die Willkommenskultur an unserer Uni und ab wann sähen Sie Bedarf, die Beziehung der Uni zu Herrn Stöcker neu zu bewerten?

Lehnert: Die Haltung der Universität zu den inkriminierten Äußerungen habe ich wiederholt und nachdrücklich sehr deutlich gemacht. Für eine Neubewertung ist aus meiner Sicht derzeit kein Anlass gegeben.

PACK: Es ist ein leidiges Streitthema, aber man kann ein Interview über das vergangene Jahr an der Uni Lübeck nicht führen, ohne über Thomas Mann zu reden. Woran ist die Umbenennung der Universität Ihrer Meinung nach gescheitert?

Lehnert: Die Idee zu einer Umbenennung hat uns in der Stadt viele Sympathien eingebracht. Allerdings ist ein solches Unternehmen immer ein demokratischer Prozess, der derzeit keine deutliche Mehrheit auf dem Campus hat. Schließlich muss so ein Schritt von allen Statusgruppen, auch den Studierenden, getragen werden. Meiner Meinung nach würde uns der Name „Thomas-Mann-Universität zu Lübeck“ nach wie vor gut zu Gesicht stehen und die Universität noch unverwechselbarer machen.

PACK: Wurden im Vorfeld der Umbenennung vermeidbare Fehler gemacht? Wenn ja, von wem?

Lehnert: Ich kann bei einem ausführlich diskutierten und offen geführten Meinungsbildungsprozess keinen Fehler erkennen. Vielleicht war das Anfangstempo etwas hoch, aber wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass für uns der demokratische Meinungsprozess höchste Priorität besitzt.

PACK: Sie hatten offen gelassen, ob sie die Umbenennung der Universität zu Lübeck ad acta legen oder später wieder anstreben. Wissen Sie inzwischen, ob der Plan eines Tages erneut vorgelegt werden wird?

Lehnert: Das hängt sicher auch davon ab, ob das Bedürfnis nach einer Namensänderung in der Universität neu artikuliert wird. Ein Name hat viel mit der eigenen empfundenen Identität zu tun.

PACK: Schlussendlich, dem Jahreswechsel entsprechend, ein Blick ins nächste Jahr. Was wünschen Sie sich für die Studierenden der Uni für 2016?

Lehnert: Ich wünsche den Studierenden Freude und Erfolg in ihrem Studium. Wenn das nicht gegeben ist, fehlt für alles, was sich anschließt, die erforderliche Begeisterung. Kalkulieren Sie mit ein: nicht alles gelingt auf Anhieb, und nicht immer sind die Rahmenbedingungen optimal. Für diese Fälle wünsche ich Ihnen, dass Sie immer den richtigen Ansprechpartner für weiterführende Gespräche haben. Wir werden alles tun, um den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

PACK: Wünschen Sie sich auch etwas von den Studierenden der Uni?

Lehnert: Vertrauen, Offenheit und Begeisterung für Ihre / unsere Universität.

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Mehr Schulbildung im Senegal https://www.studentenpack.de/index.php/2014/12/mehr-schulbildung-im-senegal/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/12/mehr-schulbildung-im-senegal/#respond Mon, 01 Dec 2014 08:50:17 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212845 StudentenPACK: Was ist Future E.D.M.?

Elena Spall: Future E.D.M. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich vor allem aus Lübecker Studenten zusammensetzt. Unser Ziel ist es, Projekte im Senegal zu unterstützen und so Entwicklungshilfe zu betreiben. Unsere Arbeit konzentriert sich dabei auf die Region um die Küstenstadt M‘bour, der viertgrößten Stadt des Senegal.

PACK: Was bedeutet der Name?

Elena: Future ist französisch – kann man sich ja denken, wie im Englischen. E.D.M. sind Abkürzungen für „enfants défavorisés et malades” – das bedeutet „kranke und benachteiligte Kinder“. Unser Vereinsname ist unser Motto: Eine Zukunft für kranke und benachteiligte Kinder.

Kinder des Gymnasiums CALD in M'bour, Senegal freuen sich, dass sie dank Future E.D.M. in die Schule gehen dürfen.Elena Spall

Kinder des Gymnasiums CALD in M’bour, Senegal freuen sich, dass sie dank Future E.D.M. in die Schule gehen dürfen.

PACK: Wie kommt man auf die Idee, so einen Verein zu gründen?

Elena: Ich war vor fünf Jahren zum ersten Mal im Senegal und habe dort ein Pflegepraktikum im Kinderkrankenhaus gemacht. So habe ich Kultur, Land, Leute und die dortigen Verhältnisse kennen gelernt. Ich habe die Armut, das Leid, aber auch Zusammenhalt und große Gastfreundschaft erlebt. Das hat mich so geprägt, dass ich mich dort noch weiter engagieren wollte.

PACK: Auf welche Weise zeigt sich euer Einsatz vor Ort? Was könnt ihr dort tatsächlich bewirken?

Elena: Unser Einsatz besteht im Moment darin, Schulpatenschaften zu unterstützen. Wir fördern im Moment zwölf Kinder, für die wir die finanzielle Grundlage der Schulbildung liefern. Ein Kind für ein Jahr in die Schule zu schicken, kostet ungefähr 50 Euro. Wir möchten in Zukunft noch mehr Kinder aufnehmen, um durch Bildung Veränderungen herbeizuführen. Wenn man bedenkt, dass im Senegal eine Analphabetenrate von 60% herrscht, ist es nicht selbstverständlich, lesen und schreiben zu können. Sieben unserer Kinder sind zudem Waisen. Vor ein paar Wochen haben wir Briefe bekommen, darunter auch einen von einem achtzehnjährigen Jungen, der Anfang des Jahres beide Eltern verloren hat. Er schreibt, er habe nicht damit gerechnet, weiterhin in die Schule gehen zu können. Er habe sich schließlich nicht einmal die 15 Euro für das Schulmaterial leisten können. Jetzt macht er gerade sein Abitur und möchte danach gern Medizin studieren.

PACK: Wie läuft die Organisation im Senegal ab und an wen geht dort das Geld?

Elena: Wir haben vor Ort einen Partnerverein. Der setzt sich zusammen aus meinen senegalesischen Freunden, die ich seit Jahren kenne und zu denen ich ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Diese stellen vor Ort sicher, dass das Geld auch wirklich da ankommt, wo es gebraucht wird. Die Mittel für die Schulpatenschaften gehen zum Beispiel direkt an die Schulen. Für jedes Kind bekommen wir eine Quittung, eine Urkunde und eine Schulbescheinigung. Dadurch, dass wir die Partner vor Ort haben, können wir einschätzen, welcher Bedarf herrscht. So können wir sicherstellen, dass die Kinder, die wir in die Schule schicken, tatsächlich aus bedürftigen Familien stammen und die Schulbildung nicht selbst finanzieren könnten. Sowohl wir als auch die Leute vom Verein vor Ort arbeiten komplett ehrenamtlich – es bekommt also niemand ein Gehalt für seine Arbeit. Alle Spenden, die wir empfangen, kommen daher auch eins zu eins an – wir haben keine Verwaltungskosten.

PACK: Fahrt ihr auch selbst in den Senegal?

Elena: Ich war vor kurzem zum dritten Mal dort und wir wollen wahrscheinlich im nächsten Jahr mit mehreren Leuten aus dem Verein dorthin fliegen und uns vor Ort alles gemeinsam anschauen – auch um sicherzustellen, dass die Dinge, die man so regelmäßig zurückgemeldet bekommen hat, auch wirklich so sind.

PACK: Wie viele Personen seid ihr im Moment in Lübeck und im Senegal?

Elena: Wir sind im Moment sieben junge Leute in Lübeck, die sich „die Vorstandschaft“ nennen, also die Planung und die Organisation übernehmen. Davon sind fünf Studenten – die anderen beiden arbeiten schon. Vor Ort im Partnerverein ist ein Personenkreis von mindestens 20 Leuten beteiligt. Alles in allem würde ich sagen, dass momentan 30 bis 40 Leute gemeinsam an dem Projekt arbeiten.

PACK: Es klingt nach einer ziemlichen Herausforderung, so etwas komplett studentisch zu organisieren. Woher bekommt ihr euer Geld?

Elena: Im Moment finanzieren wir uns über Aktionen, wie den Kuchen- und Waffelverkauf – den hat der ein oder andere vielleicht ja schon vor der Mensa gesehen. Jetzt in der Weihnachtszeit haben wir vor, Basare in Lübeck zu organisieren, um dort Geld zu erwirtschaften. Wir kooperieren mit einem Lübecker Verein – mit der Brücke – und da mit der Ergotherapiegruppe. Die basteln uns jetzt verschiedene Gemälde und Handarbeiten, zum Beispiel Holzschnitte vom Holstentor, die wir dann auf dem Markt verkaufen wollen. In der Weihnachtszeit hoffen wir auf Großspenden von Lübecker Firmen. Um langfristig bestehen zu können, suchen wir aktive Mitglieder, die sich zum Beispiel mit einem studentenfreundlichen Beitrag von 4 Euro im Monat sich beteiligen.

Die Vorstandschaft- Studenten der Uni Lübeck Hinten (von links nach rechts): Gary Lewis, Svenja Kohler, Elena Spall, Annkathrin Möhring Vorne: Johanna Crämer, Drew Hickling.Elena Spall

Die Vorstandschaft- Studenten der Uni Lübeck Hinten (von links nach rechts): Gary Lewis, Svenja Kohler, Elena Spall, Annkathrin Möhring Vorne: Johanna Crämer, Drew Hickling.

PACK: Habt ihr Pläne für die Zukunft?

Elena: Es gibt einige Projekte, die uns so vorschweben. Wir wollen auf jeden Fall das Schulpatenschaftsprogramm erweitern. Vier unserer Kinder machen in diesem Jahr ihr Abitur, sodass wir die ersten Früchte unseres Engagements sehen. Wir wollen auf jeden Fall die Kinder weiter mit einer Ausbildung unterstützen, sodass sie einen Beruf erlernen können und so später bessere Voraussetzungen haben, ihre Familie ernähren zu können. Außerdem haben wir ein Stück Land im Senegal und auch eine Idee die uns vorschwebt: Bedürftige sollen dort selbst Getreide und Gemüse anbauen können und dadurch selbst ihren Unterhalt sichern können. Den Ernteüberschuss könnten sie auf dem Markt verkaufen und sich so ein kleines Einkommen erwirtschaften. Auch dies würde über unseren Partnerverein koordiniert werden, der auch ehrenamtliche Sozialarbeiter beschäftigt. Wir sind zwar im Moment noch ein sehr kleiner Verein und es ist ein kleines Projekt, das wir vor Ort haben. Auf jeden Fall möchten wir noch wachsen. Trotzdem möchten wir lieber erfolgreich ein kleines Projekt durchführen, – und das direkt vor Ort, ohne Verwaltungskosten und in Partnerschaft mit einem lokalen Verein – als uns zu übernehmen.

PACK: Wenn man euch unterstützen möchte – wo kann man sich melden?

Elena: Wir haben eine Homepage (www.future-edm.com), auf der noch mehr Hintergrundinformationen und Fotos zu finden sind. Über die Website kann man bei uns zu einem studentischen Beitrag von 4 Euro im Monat Mitglied werden. Wir sind aber auch dankbar für jede Unterstützung unserer Aktionen wie des Kuchenverkaufes. Sämtliche Leute, die sich gern einbringen wollen, sind bei uns willkommen. Dafür haben wir auch eine eMail-Adresse (info@future-edm.com), über die man sich bei uns melden kann.

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Gespräch mit Johannes Hoffmann und Eckart de Bary https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/gesprach-mit-johannes-hoffmann-und-eckart-de-bary/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/gesprach-mit-johannes-hoffmann-und-eckart-de-bary/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:11:07 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212462 StudentenPACK: Für den klinischen Studienabschnitt kamen Sie 1973 nach Lübeck. Wie hat sich das ergeben und wie war Ihr Start hier?

de Bary: Wir kamen damals mit mehreren aus Mainz. Wir beide und noch ein Kommilitone aus unserer Physikumsgruppe hatten beschlossen, zusammen weiter zu studieren. Wir hatten uns in verschiedenen Städten beworben, unter anderem auch in Kiel und Lübeck. Lübeck hat uns als erstes alle zusammen genommen. Außerdem erinnere ich mich noch an das, was meine Patentante sagte: „Ach, wenn, dann geh nach Lübeck – Kiel ist so zerbombt, das ist nicht schön!“

Hoffmann: Als Auswärtige hatten wir allerdings erstmal ein Wohnungsproblem. Einige von uns Neuen sind dann in Räumlichkeiten des damaligen Lysia-Hotels untergekommen. Aber als wir dort dann anfingen, mit unseren Tauchsiedern auf den Tischen zu kochen, wurden wir vorsichtig hinauskomplimentiert. Für uns war das natürlich trotzdem eine tolle Unterkunft – und das kostenlos. Das hatte Herr Mann, der damalige Leiter des Studenten-Sekretariats, irgendwie so eingefädelt.

de Bary: Die vom Hotel wollten damals ein bisschen Publicity und haben deswegen angeboten, Studenten dort umsonst für zwei, drei Semester aufzunehmen.

Hoffmann: Als wir uns dann etwas anderes suchen mussten, haben wir bei einer Großfamilie mit vier Kindern und zwei Hunden gewohnt. Die Familie war finanziell in Bedrängnis geraten und musste Zimmer vermieten; dort haben wir beide und noch ein Mainzer Studienkollege gewohnt. Wir gehörten dort wirklich zur Familie. Diese sehr herzliche Aufnahme hat uns gut gefallen, das hat schon Eindruck auf uns gemacht! Die beiden Eltern gingen dann morgens früh zur Arbeit und wir haben uns um Frühstück und Schulbrote für die Kinder gekümmert, dafür hat die Mutter unsere Wäsche gewaschen. Noch dazu hatte die Familie einen Pool, das war super – besonders weil unser erster Sommer in Lübeck ein Jahrhundertsommer war. Nach dem Frühstück am Pool haben wir uns dann so gegen zwölf auf den Weg in die Mensa gemacht…

StudentenPACK: Wie war denn das Studium damals?

Hoffmann: Es war ein sehr lockeres Studium. Sehr frei und liberal, weit von der Verschulung heute entfernt. Bis zum Examenssemester war da sehr viel Kapazität für Freizeitaktivitäten. Und die individuelle, sehr freundliche Betreuung an einer so kleinen Hochschule war aus studentischer Sicht auch von Vorteil.

de Bary: Es waren zwar nicht gerade die größten Didaktiker, die unsere Vorlesungen gehalten haben, aber gerade was die Kurse anging, war es schon gut. In die Kurse, die man machen wollte, kam man immer rein und bei kleinen Gruppen von sechs bis acht Leuten war die Betreuung wirklich sehr gut. Und wenn sie im Klopfkurs gerade keinen Patienten hatten und man wirklich interessiert war, dann hieß es auch „Komm doch nächste Woche wieder, vielleicht haben wir dann wieder ein Lungenödem.“ Das war alles ganz locker.

StudentenPACK: Was waren Ihre drei prägendsten Ereignisse während der Studienzeit in Lübeck?

de Bary: Dazu sage ich drei Dinge – Zolln, Zentrum und montags gibt’s keine LN.

Hoffmann: Oh ja, im Zolln, da waren wir immer nach dem Sport. Direkt gegenüber ist ja die Turnhalle und im Zolln konnte man danach die verlorene Flüssigkeit wieder auffüllen. Das war damals schon ein wichtiger Ort der Kommunikation.

de Bary: Wir waren da nicht selten. Bis das mit dem Zentrum aufkam, gab es auch keine richtige Konkurrenz. Das Zentrum war ein Studentenzentrum in der Alfstraße, finanziert von den Freunden und Förderern der MAL. Im Grunde war es eine kaum genutzte Kneipe mit einer kleinen Küche und einem Probenraum zum Musikmachen. Als wir 73 gekommen sind, hieß es, das Zentrum solle zugemacht werden, weil es zu teuer sei. Der Besitzer hatte wohl die Miete erhöht, das war alles ziemlich undurchsichtig. Das Studentenwerk kam schließlich mit ins Boot und hat die Nebenkosten übernommen, die höhere Miete sollte dadurch wieder reinkommen, dass wir mehr Leute auf das Zentrum aufmerksam machen, die dort hinkommen. Wir haben dann auch an der Fachhochschule und der Musikhochschule Reklame gemacht, damit das Zentrum kein „elitärer Medizinerclub“ war, sondern ein wirklich breites Besucherspektrum hatte. Freitags und samstags spielten dort Bands, dann wurde es richtig voll. Manchmal gab es auch Events wie das „Gaudi-Med“, das Fastnachtsfest. Das ging von Freitag Abend bis Montag Früh – es war durchgehend geöffnet. Da war es wirklich so, dass wenn neue Leute ins Gebäude wollten, dann mussten vorher woanders welche rausgehen. Beim ersten Mal, als wir das richtig groß aufgezogen haben, da mussten wir Sonntag Morgen noch losfahren, unseren Bierlieferanten rausklingeln und noch ein paar Fässer Bier nachholen. Das war das Zentrum. Als wir ´76 mit dem Studium aufgehört haben, lief das noch ein, zwei Jahre weiter, doch dann wurde es dichtgemacht.

StudentenPACK: Sie saßen damals im ersten Lübecker Studierendenparlament. Wie sah es mit der Motivation der Studenten, sich dort einzubringen, aus?

de Bary: Ich glaube, das erste StuPa war mit 20 oder 22 Leuten im Verhältnis zu etwa 300 Studierenden riesig groß. Es wurden jedenfalls genug Leute aufgestellt und gewählt, das Interesse war schon da. Politische Studentenvereinigungen wie den sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB), den Marxistischen Studentenbund (MSB) Spartakus oder den Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) gab es hier aber gar nicht, die haben sich hier auch nie etabliert.

Hoffmann: „Schlachten“ zwischen diesen einzelnen Fraktionen wie in anderen Großstädten gab es dementsprechend auch nicht, aber der Wettbewerb der Systeme zwischen der Bundesrepublik und der DDR war schon präsent. In einem Arbeitskreis haben wir uns mit dem Gesundheitssystem der DDR beschäftigt und dachten beim Lesen, dass das alles ganz toll klingt – wir haben uns sogar mal mit dem Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung getroffen und stark dafür plädiert, dass man auch unser Gesundheitswesen komplett verstaatlicht. Mit solchen Themen hat man sich damals auch privat viel beschäftigt.

StudentenPACK: Während Ihres Studiums wurde die Approbationsordnung (AO) mehrfach geändert. Inwieweit war das für Sie ein Thema?

de Bary: Wir selbst waren von der Veränderung noch nicht betroffen, denn als wir das Studium begonnen haben, galt noch die Bestallungsordnung (BO). Im StuPa war die AO aber auf jeden Fall ein wichtiges Thema, gerade über das Praktische Jahr mit der darauf folgenden Abschlussprüfung wurde viel gestritten.

Hoffmann: Wir haben ja noch nach der BO studiert und mussten noch nicht das Praktische Jahr, sondern ein Jahr als Medizinalassistent absolvieren. Wir lebten noch im Paradies: Während der Zeit als Medizinalassistent erhielt man ein halbes Gehalt und danach ohne weitere Prüfungen die Approbation. Das PJ war deswegen eine deutliche Verschlechterung, nicht nur finanziell.

StudentenPACK: Gab es weitere wichtige Themen im StuPa, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

de Bary: Wenn ich mich richtig erinnere, wurde damals die ganze Verwaltungsstruktur der Hochschule umgekrempelt. Es kamen das Konsistorium und ein externer Präsident, das gab es vorher nicht. Davor war das Amt als Verwaltungschef eher ein Ehrenamt, parallel zur Arbeit in der Klinik. Doch mit diesen Veränderungen wurde etwas Klarheit geschaffen, auch über die Zusammensetzung des Konsistoriums und, ob Studenten mitbestimmen durften oder nur angehört wurden. So ganz genau weiß ich das nicht mehr, aber eine Legislaturperiode lang saß ich da auch mit dabei. Ein ganz heißes Thema war auch, ob der AStA ein allgemeinpolitisches oder nur ein hochschulpolitisches Mandat hatte. Wenn der AStA damals irgendein Statement abgegeben hat, beispielsweise an die LN, dann kamen gleich einige und meinten, der AStA dürfe dazu nicht Stellung nehmen.

StudentenPACK: Hat sich dadurch, dass Lübeck von Kiel unabhängig wurde, irgendetwas geändert?

Hoffmann: Das ist schwer an einer konkreten Sache festzumachen. Als ich nach dem Studium noch in der Klinik gearbeitet habe und die alte Garde abtrat, da kamen die Münchner. Die haben Lübeck quasi als Durchlauferhitzer für ihre Karriere genutzt, weil es hier leichter war, eine Chefarztstelle zu besetzen. Die haben hier allerdings auch viel bewegt und einen etwas moderneren Betrieb aus dem Krankenhaus gemacht. Auch Scriba, der hier später Präsident wurde, kam ursprünglich aus München.

de Bary: In der Zeit kam auch eine Hochschulreform. Teilweise war es ein Schuss ins eigene Knie, was da gefordert wurde: Das Chefarztsystem sollte abgeschafft werden. Chefs gab es natürlich trotzdem weiterhin, aber das musste dann alles demokratisiert werden. Das führte dazu, dass viele Kliniken in einzelne Abteilungen aufgeteilt wurden, abhängig davon, was für Ärzte gerade da waren. In der Inneren zum Beispiel gab es nicht Nephrologie, Pneumologie oder andere große Fächer, sondern abgesehen von der Kardiologie eher kleine wie Psychosomatik und Angiologie.

Hoffmann: Daran hat sich erst mit den Münchnern wirklich was verändert, vorher war es hier sehr verschlafen. Die Münchner haben hier sehr auf die Unabhängigkeit von Kiel gesetzt. Auch, dass Lübeck dann ein eigener Universitätsstandort wurde – von vielen wurde das lediglich als Umetikettierung wahrgenommen, aber für Lübeck als Stadt war das ein ganz wichtiger Schritt.

StudentenPACK: Ich habe hier eine Resolution des Stuttgarter AStA mitgebracht, die 1976 in der Lübecker Studentenzeitung veröffentlicht wurde. Darin steht, dass „in der Lübecker Bucht […] ein Kriegsschiff der ehemalig sozialistischen SU ihr Unwesen [treibt].“ Was war da los?

Hoffmann: Das ist denke ich nicht wörtlich zu nehmen. Ich glaube, dass hier der MSB Spartakus als Vertreter der DDR und des sowjetischen Sozialimperialismus als U-Boot betrachtet wird – so verstehe ich das.

de Bary: Ich bin auch der Meinung, dass man das nicht wörtlich nehmen kann. Wenn da ein Boot rumgekreuzt wäre, das da nicht hingehört, das hätte einen riesigen Wirbel gegeben.

StudentenPACK: Was haben Sie damals von den Berufsverboten für Lübecker Ärzte mitbekommen?

Hoffmann: Nach meiner Medizinalassistenz war ich in Segeberg in der Privatklinik, dort habe ich einen anderen ehemaligen Lübecker Studenten getroffen, von dem alle wussten, dass er beim KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland) war. Im öffentlichen Dienst war es schwierig unterzukommen, wenn man in der DKP war, und viele sind dann zum Beispiel nach Segeberg gegangen. Die Alternativen war, sich niederzulassen, denn so viele Privatkliniken gab es damals nicht.

de Bary: Ich habe da auch noch einen vor Augen, der ging meine ich nach Schönberg.

StudentenPACK: Wusste man als Student sicher, was man nicht tun darf, um nicht auf dieser „schwarzen Liste“ der Berufsverbote zu landen?

de Bary: Nicht sicher. Man durfte nicht nachgewiesenermaßen zu links sein. Der Verfassungsschutz auf dieser Seite war da sehr aktiv.

Hoffmann: Wenn man in der Stadt auf der Straße irgendwas unterschrieben hat, dann konnte das schon bedeuten, dass man damit auf die schwarze Liste kam. Wir haben uns damals aber nicht so viele Gedanken um die Zukunft gemacht, ob wir Flugblätter verteilen dürfen oder dann später nicht im öffentlichen Dienst unterkommen. Das war weit weg.

StudentenPACK: Gibt es noch irgendwelche kuriosen Geschichten, an die Sie sich erinnern und über die wir bisher nicht gesprochen haben?

de Bary: Doch, ja. Als ich nach dem Studium in der Kinderklinik gearbeitet habe, da wohnte ein junger Mann in der Neuropädiatrie. Der wohnte da, in einem Patientenzimmer. Er war der Sohn eines Lübecker Gesundheitssenators oder über andere Ecken mit diesem verbandelt, jedenfalls war er dort zur Berufsfindung aufgenommen worden. Er ging morgens weg, machte mal hier und mal dort ein Praktikum, kam abends wieder und schlief dann da. Das ging mindestens ein Dreivierteljahr so, das muss man sich mal vorstellen. Es gab eben noch keine DRG’s.

StudentenPACK: Was haben Sie nachdem Sie mit dem Studium fertig waren noch von der Uni mitbekommen?

Hoffmann: Die „Rettet die Uni“-Aktion haben wir natürlich mitbekommen, das war eine wirklich gut organisierte Sache. Sehr bemerkenswert, nicht nur die Studenten, sondern die ganze Stadt zu mobilisieren. Die Plakate hängen ja immer noch in den Fenstern. Vor denen, die das organisiert haben, muss man den Hut ziehen – die haben echt was bewegt. Ich weiß noch, wie zwei Studenten bei mir vorbeikamen, die von Haustür zu Haustür gingen. Die haben kein Geld oder Unterschriften gesammelt, sondern haben über die Situation informiert und von der Demo in Kiel erzählt. Da bin ich dann auch dabei gewesen.

StudentenPACK: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben!

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Wer ist eigentlich Frau Lunkowsky? https://www.studentenpack.de/index.php/2014/06/wer-ist-eigentlich-frau-lunkowsky/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/06/wer-ist-eigentlich-frau-lunkowsky/#comments Mon, 02 Jun 2014 09:15:30 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=211186 Sie ist beinahe eine Institution. Wenn von „der Eisfrau“ die Rede ist, weiß jeder Student, der in der Mensa isst, um wen es geht. Täglich versorgt sie uns mit leckerem Eis und einer Portion guter Laune. Ob als Aufmunterung zwischendurch oder als perfekter Wochenabschluss – Eis geht schließlich immer. Wenn es dann noch mit einer großen Portion Schokostreusel, einem freundlichen Lächeln und dem Wunsch eines schönen Tages von unserer Eisfrau serviert wird, sieht die Welt doch gleich ganz anders aus. Die Eisfrau erfreut sich in jedem Fall großer Beliebtheit und es gibt keinen Tag, an dem sich nicht eine Schlange am Eisstand bildet. Sogar auf der Facebookseite „Spotted: Uni und FH Lübeck“ gab es schon einen Eintrag an die Eisfrau. Höchste Zeit, sie einmal genauer kennen zu lernen.

Jeder kennt sie, jeder mag sie: Die Eisfrau!

Jeder kennt sie, jeder mag sie: Die Eisfrau![media-credit id=151 align="aligncenter" width="640"]


StudentenPACK: Die meisten Studenten kennen Sie als „die nette Eisfrau“, wie heißen Sie eigentlich?

Eisfrau: Mein Name ist Ines Lunkowsky.

PACK: Wie lange arbeiten Sie schon in der Mensa?

Eisfrau: Ich arbeite hier schon seit dem 19. Dezember 2011.

PACK: Sie scheinen immer gut gelaunt zu sein – wie machen Sie das?

Eisfrau: Das ist einfach meine Art. Ich arbeite sehr gerne am Eisstand. Es macht mir Spaß, denn alle sind immer nett und freundlich. Da habe ich keinen Grund schlecht gelaunt zu sein.

PACK: Profitieren Sie von dem engen Kontakt mit uns Studenten? Besuchen Sie studentische Veranstaltungen wie zum Beispiel das Campus Open Air?

Eisfrau: Ja, da wollte ich dieses Jahr sehr gerne hin. Allerdings habe ich für genau den Abend eine Konzertkarte. Auch die Lesewoche hat mich sehr interessiert, ich habe es aber auch dieses Jahr wieder nicht geschafft. Letztes Jahr waren da wirklich ein paar interessante Lesungen dabei: Bei Jobst Schlennstedt wäre ich gern dabei gewesen. Als Mutter hat man leider manchmal andere Termine und Verpflichtungen. Nächstes Jahr bin ich bestimmt mit dabei. Ich freue mich auch immer, wenn ich Studenten in der Stadt treffe. Man kennt sich ja schon ein bisschen – wenigstens vom Sehen.

PACK: Wenn Sie nicht gerade am Eisstand stehen, was machen Sie dann?

Eisfrau: Ich lese sehr gerne und gehe gern auf Konzerte oder in Musicals. Am liebsten lese ich Krimis, aber auch einmal Sachbücher. Ich bin da sehr vielseitig.

PACK: Was sind Ihre Lieblingsmusicals und welche Musikrichtung hören Sie?

Eisfrau: Mit meiner Kollegin Andrea gehe ich demnächst ins „Phantom der Oper“ und mit meinem Sohn zu „Rocky“. Das letzte Musical, das ich gesehen habe, war „Hinterm Horizont“ in Berlin. Ich bin ein großer Fan von Udo Lindenberg. Rock und Pop höre ich am liebsten.

PACK: Sie sprachen gerade von Ihrem Sohn. Wie groß ist denn Ihre Familie?

Eisfrau: Ich bin verheiratet und habe ein Kind. Mein Sohn Tom ist 14 Jahre alt. Wir wohnen in einem Dorf in der Nähe von Reinfeld.

PACK: Wo kommen Sie ursprünglich her und wie sind Sie nach Lübeck gekommen?

Eisfrau: Aufgewachsen bin ich auf Rügen. Seit ungefähr 24 Jahren lebe ich jetzt schon in Schleswig-Holstein. Ich bin damals arbeitslos geworden und wollte nicht zuhause herumsitzen. Dann bin ich in Reinfeld gelandet und habe dort als Köchin gearbeitet. Ich wollte mich ein wenig verändern und fand dann zufällig die Stelle hier in der Mensa. In Lübeck habe ich auch meinen Mann kennengelernt.

PACK: Zum Abschluss noch ein Paar Fragen zum Eis. Welche Sorte ist denn Verkaufsschlager?

Eisfrau: Das ist eindeutig das Schokoladeneis. Auch jetzt im Sommer werde ich häufig auf das Spekulatiuseis angesprochen, das es allerdings nur im Winter gibt.

PACK: Welche ist Ihre Lieblingssorte?

Eisfrau: Joghurtsorten oder Karamell esse ich sehr gerne.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch! Wir sehen uns bestimmt demnächst wieder am Eisstand.

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Alles richtig gemacht? https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/#respond Mon, 05 May 2014 11:40:00 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=210936 Lübeck, Anfang April 2014. Wieder einmal ist Jahresempfang der Universität, mit grauem Himmel, Reden und Häppchen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Vor dem Audimax steht eine NDR-Reporterin für eine Live-Übertragung auf einer Fußbank. Ein Baum wird gepflanzt. Eine Katze läuft durch’s Bild. Ein Polizeiwagen hat gut sichtbar auf dem Platz neben dem Audimax geparkt. Ob es hier heute gefährlich würde? Der Beamte verneint, man sei gebeten worden, heute hier zu sein. Hat diese Bitte womöglich mit dem Schild „Dr. h.c. Annette Schavan“ auf einem Platz in der ersten Reihe zu tun? Wahrscheinlich schon. Wir haben uns anlässlich dieser sehr umstrittenen Verleihung der Ehrendoktorwürde jedenfalls mit ins Getümmel aus ARD, ZDF und Spiegel TV gestürzt und auch mit Annette Schavan gesprochen. Hier nun das von ihr autorisierte Interview.

„Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.“ Annette Schavan nach der Verleihung.

“Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.” Annette Schavan nach der Verleihung.[media-credit id=51 align="aligncenter" width="625"]

StudentenPACK: Wenn es um die Uni-Rettung geht, fällt meist im gleichen Atemzug Ihr Name. Haben Sie die Uni gerettet?

ANNETTE SCHAVAN: Ich war jedenfalls dabei. Eigentlich darf sich eine Bundesministerin darum ja gar nicht kümmern, weil der Föderalismus vorsieht, dass es allein Sache des Landes ist. Es gab einen so beeindruckenden Einsatz aller hier in Lübeck, dass ich aber fand, wir müssen gemeinsam einen unkonventionellen Weg finden. Das haben wir geschafft.

PACK: Wir haben gerade in der Laudatio gehört, wofür Ihnen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Welche dieser Punkte würden Sie besonders hervorheben, welche sind Ihnen besonders wichtig?

SCHAVAN: Der Punkt, der mir am wichtigsten ist, war die Stärkung der medizinischen Forschung in Deutschland: Die Gründung der Gesundheitsforschungszentren zu den sogenannten Volkskrankheiten. Wir sind eine Gesellschaft des langen Lebens. Das fordert die Medizin mehr denn je. Deshalb war mir wichtig in der medizinischen Forschung die Kräfte zu bündeln, die Finanzinvestitionen deutlich zu steigern und mit den Zentren die internationale Präsenz der medizinischen Forschung zu stärken. Deshalb fand ich auch, dass es nicht in die Zeit passt, wenn dann an einer Stelle Studienplätze wegfallen. Denn vor der medizinischen Forschung steht das Interesse am Studium der Medizin.

PACK: Wo Sie gerade die Forschungszentren so betonen: War es dann Zufall, dass Ihnen gerade von der Uni, in deren Rettung Sie involviert waren, die Ehrendoktorwürde verliehen wurde?

SCHAVAN: Das ist sicher kein Zufall. Diese Universität ist an den Gesundheitsforschungszentren beteiligt. Sie ist ein leistungsfähiger Standort. Sie setzt mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde ein öffentliches Zeichen für die medizinische Forschung.

PACK: Nicht alle waren damals schon hier an der Uni. Würden Sie bitte noch einmal kurz zusammenfassen, was 2010 passiert ist, das dazu beigetragen hat, dass wieder Geld für die Uni zur Verfügung stand?

SCHAVAN: Der Bund darf kein Geld an eine Universität geben. Der Bund darf auch nicht einfach Geld für eine Universität an das Land geben. Deshalb brauchten wir ein kreatives Konzept. Es gab ein Institut, das Alfred-Wegener-Institut für Meeresforschung, das bereits in der Helmholtz-Gemeinschaft war. Also haben wir überlegt, ein anderes Institut für die Ozeanforschung, GEOMAR, auch in die Hände der Helmholtz-Gesellschaft zu geben. Und damit hat sich die Kostenaufteilung zwischen Schleswig-Holstein und dem Bund zugunsten des Landes verändert. Das schöne ist: Der Steuerzahler muss nicht mehr zahlen, sondern das Budget ist anders verteilt. Und das Geld ist nicht vom Bund hierher gekommen, sondern es hat innerhalb von Schleswig-Holstein dann Freiräume gegeben. In solchen Situationen muss man unkonventionell reagieren, man braucht kreative Konzepte und sollte nicht einfach Geld hin- und herschieben. Dafür gibt es noch andere Beispiele, aber das hier ist ein besonders bekanntes.

PACK: Sie finden also eigentlich nicht, dass es Aufgabe einer Bundesbildungs- und Forschungsministerin ist, sich für eine Landessache so einzusetzen?

SCHAVAN: Doch. Ich persönlich finde, dass es eine Sache der Bundesministerin ist. Deswegen habe ich mich auch darum bemüht, eine Lockerung des Föderalismus zu schaffen, damit so etwas künftig immer möglich ist. Darüber gibt es bisher aber keinen politischen Konsens.

PACK: Es wurde acht „Kämpferwochen“ lang demonstriert. Wenn Sie schon damals meinten, dass die Uni Lübeck definitiv rettenswert ist – warum hat das dann so lange gedauert?

SCHAVAN: In meinen Augen sind wir, als der Bund eingeschaltet war, schnell zu einer Lösung gekommen. Aber die Voraussetzung ist natürlich, dass sich jemand an mich wendet. Im Nachhinein zählt nicht, wie lange es gedauert hat, sondern ob die Lösung, die gefunden wurde, tragfähig ist.

PACK: Hat es denn sehr lange gedauert, bis bei Ihnen in Berlin angekommen war, dass die Rettung der Universität wirklich nötig ist?

SCHAVAN: Die zeitlichen Abläufe habe ich so gar nicht mehr im Kopf, das ist jetzt irgendwie zu lange her. Ich weiß nur: nachdem der Präsident mich angerufen hat, haben wir zügig ein Konzept erarbeitet. Letztlich wäre das ohne die damalige Landesregierung und ohne die Uni nicht möglich gewesen. Das hat dazu geführt, dass wir wirklich ein Konzept gefunden haben, das nicht nur ein oder zwei Jahre hält, sondern einen dauerhaften Erhalt der Universität ermöglicht.

PACK: Es geht ja nicht nur um 2010. Momentan wird auch Ihre Doktorarbeit diskutiert. Was ist da schiefgelaufen?

SCHAVAN: Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen. Zu dieser Dissertation gibt es diametral entgegengesetzte Bewertungen in der Wissenschaft. Die zuständige Fakultät sagt, nach 34 Jahren übrigens, die Arbeit sei eine Täuschung. Andere Wissenschaftler, deren Gutachten ich vorgelegt habe, sagen die Angabe der Quellen ist angemessen. Damit muss ich jetzt leben. Ich sage aber auch mit Blick auf diese Zeit damals: Das war für mich eine wichtige Zeit. Ich habe aus dieser Arbeit viel gelernt, ich habe mich mit Gewissen beschäftigt, und ich habe mich in meinem ganzen beruflichen und öffentlichen Leben immer um Gewissenhaftigkeit bemüht und werde das auch in Zukunft tun. Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland eine wissenschaftsethische Diskussion geben wird: Was sind die Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit im Umgang mit Plagiatsvorwürfen? Wie kann erreicht werden, dass die Verfahren an allen Universitäten vergleichbar sind?

PACK: Können Sie momentan Promovierenden irgendeinen Tipp geben, worauf man ganz besonders achten sollte, um nicht irgendwann vor Gericht zu stehen und zu hoffen, dass man seinen Doktortitel nicht verliert?

SCHAVAN: Schreiben sie ihre Dissertation nach bestem Wissen und Gewissen und mit Freude an der Sache. Ich bin davon überzeugt, dass die Debatten der nächsten Jahre zur Vergleichbarkeit der Verfahren an den Unis führen werden.

PACK: Können Sie die Kritiker verstehen, die Ihnen nach dem Entzug Ihres wissenschaftlichen Doktortitels eine gewisse Vorbildfunktion absprechen und Ihnen deswegen heute diesen Titel nicht gegeben hätten?

SCHAVAN: Hätte ich getäuscht wäre ich heute nicht hier. Wer lange im öffentlichen Leben steht lernt mit Kritik umzugehen. Viele Glückwünsche zeigen mir, dass es, wie so oft im Leben, unterschiedliche Meinungen gibt.

PACK: Werden Sie den Dr. h.c. der Universität zu Lübeck in Zukunft führen?

SCHAVAN: Der Lübecker Ehrendoktortitel gehört zu meiner Vita, aber ich habe mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob ich künftig Titel vor meinem Namen trage – ich vermute eher nicht.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch!

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Die politische Ebene https://www.studentenpack.de/index.php/2013/12/die-politische-ebene/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/12/die-politische-ebene/#respond Mon, 09 Dec 2013 08:00:14 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=186105 Das Interview führte Lukas Ruge.

Zum Beginn des neuen Semesters sprechen wir mit Maren Janotta, der Vorsitzenden des AStA der Uni Lübeck, und der AStA-Referentin Rahel Tabea Roseland über das kommende Jahr, über die Finanzsorgen der Studierenden, neue Referate im AStA, Diskriminierung auf dem Campus und die Forderungen der Studierendenschaft an eine Stiftungsuni.

Der neue AStA ist gewählt.

Der neue AStA ist gewählt.[media-credit id=14 align="aligncenter" width="645"]

StudentenPACK: Der neue AStA ist gewählt und der neue Vorsitz besteht aus Maren Janotta und Eva Clausen, die vorher schon in den Referaten Politik-Ausland-Soziales und Kultur-Umwelt-Sport aktiv waren. Was hat euch am Vorsitz gereizt?

Maren Janotta: Wie gesagt war ich bisher im PAS aktiv, in dem ich auch den Vorsitz gemacht habe und Eva war im KUS aktiv und diese beiden Referate machen sehr viel Projektarbeit im AStA. Ich habe allerdings auch schon im Referat sehr viel Hochschulpolitik gemacht, was hier im AStA ja Hand in Hand mit dem Vorsitz geschieht. Das letzte Jahr waren Eva und ich dann ein Jahr im Ausland. In der Zeit haben wir auch Gremienarbeit gemacht, aber eben nicht an dieser Universität. Als wir nach Lübeck zurückkehrten, war es im AStA etwas unklar, wer welche Aufgaben übernehmen würde. Da ich bei meinem Aufenthalt in Strasbourg letztes Jahr teilweise auch Politik studiert habe, mich überhaupt mehr mit Politik beschäftigt habe, wollte ich gerne so etwas wie hochschulpolitische Sprecherin des AStA sein, ein Amt, das wir aber nicht haben. Und da ohnehin sich niemand fand, der die Aufgabe übernehmen wollte, haben Eva und ich uns gesagt, wir kennen die Projektarbeit inzwischen gut, da gehen wir jetzt noch mal ein Jahr auf die politische und koordinierende Ebene.

PACK: Das Semester hat gerade erst begonnen, aber sicherlich wisst ihr schon von so einigen Projekten, die in den kommenden Monaten anstehen. Was können die Studenten in dieser Legislatur von ihrem AStA erwarten?

Maren: Wir führen die Arbeit des vorigen AStA weiter. Beliebte und bekannte Projekte wie das Campus Open Air wird es wieder geben. Aber auch Projekte wie die Ökostromberatung oder das Umweltkino, die beide schon wieder stattgefunden haben, werden von den Referaten wieder gemacht.

PACK: Viele Studenten fragen sich immer wieder, wann sie eigentlich ihr BAföG bekommen, und dieses Jahr könnte dies noch schlimmer werden. Was kann der AStA da tun?

Maren: Das ist ein Thema, das uns derzeit sehr beschäftigt und wo wir auf verschiedenen Ebenen aktiv werden. Zum einen in der Landes-ASten-Konferenz (LAK), wo wir mit den anderen ASten abgleichen, welche Probleme wo auftreten, und dazu Stellungnahmen herausbringen. Wir haben uns mit Wissenschaftsministerin Wende getroffen und ihr gegenüber direkt das Thema angesprochen. Das war sehr produktiv, die Ministerin hatte das Problem bisher nicht genau mitbekommen, war aber sofort sehr problemlösungsorientiert und hat sofort Ansätze mit ihren Mitarbeitern diskutiert. Aber eine richtige Lösung, muss man klar sagen, ist daraus noch nicht geworden.

Immerhin, die Einführung des neuen Programms zur Bearbeitung von BAföG-Anträgen wurde auf März verschoben. Insofern wird der Zustand beim BAföG zumindest erst einmal nicht schlimmer, was ja unsere akuteste Sorge war.

Auf der anderen Ebene wenden wir uns natürlich auch an das Studentenwerk, welches die BAföG-Bearbeitung durchführt. Dort besprechen wir dann, was man zusammen machen kann, ob man Kampagnen machen kann, wie man das Ministerium auf Probleme aufmerksam machen kann. Das Studentenwerk sieht nun dadurch, dass wir gemeinsam erwirkt haben, dass das neue Programm erst im März eingeführt wird, das Ganze etwas positiver. Zudem wurden vor einigen Monaten auch vier neue Mitarbeiter eingestellt, um die Anträge zu bearbeiten. Das geht alles in die richtige Richtung, aber man kann nicht sagen, dass das Problem mit den BAföG-Anträgen gelöst ist.

PACK: Du hast die LAK angesprochen. Vielleicht kannst du kurz erläutern, was diese Gruppe tut?

Maren: Einmal im Monat treffen sich die ASten der Hochschulen Schleswig-Holsteins, üblicherweise in Kiel. Dort besprechen wir dann Themen wie BAföG, die für alle Hochschulen relevant sind. Ein anderes aktuelles Thema ist die Novellierung des Landeshochschulgesetzes, was ja auch alle betrifft. Natürlich gehen zwischen Universitäten, Fachhochschulen oder Kunsthochschulen die Meinungen auch mal auseinander, aber wir versuchen dort gemeinsame Positionen zu entwickelt um sich gegenüber der Politik besser zu positionieren.

PACK: Studierende, insbesondere jene, die wenig Geld haben, werden bemerken, dass ihr Semesterbeitrag nicht unerheblich ansteigt, der Beitrag an die Studierendenschaft steigt von 7,50 auf 10 Euro pro Person. Das sind über 60.000 Euro jährlich. Was macht der AStA damit?

Maren: Ich kann da nicht wirklich mit Zahlen um mich werfen, da ich letztes Jahr bei der Diskussion über die Erhöhung der Beiträge nicht dabei war. Allerdings war der Beitrag lange nicht erhöht worden, so dass wir schon inflationsbedingt irgendwann erhöhen mussten. In den letzten Jahren ist zudem die Projektarbeit immer größerer Teil des AStA geworden, es werden mehr Projekte und mehr Veranstaltungen und viele dieser Veranstaltungen werden vom AStA subventioniert. Das Umweltkino nimmt zum Beispiel keinen Eintritt muss aber Lizenzgebühren für den Film bezahlen. Bei der Ökostromberatung gibt es auch mal eine Waffel umsonst, das kostet alles Geld. Eigentlich finde ich es aber toll, dass die Anzahl solcher Projekte zunimmt.

Rahel Tabea Roseland: Das Geld geht außerdem nicht nur an den AStA, sondern auch an die Fachschaften, die auch mehr Veranstaltungen organisieren, die Kosten verursachen. Auch Gruppen wie das Studierendentheater, Pop-Symphonics und viele andere erhalten von diesem Geld Unterstützung, damit es für Studierende leichter ist, sich dort einzubringen. Letztendlich sollte man nicht vergessen: Mit 7,50 Euro hatte die Uni Lübeck in Schleswig-Holstein den zweitgünstigsten Beitrag. Mit 10 Euro sind wir nun im Schnitt.

PACK: Dazu kommt bald ein 5 Euro Beitrag an den Hochschulsport, was hat es damit auf sich?

Maren: Dabei geht es um ein generell anderes Finanzierungsmodell für den Hochschulsport. Bisher zahlen nur die, die sich auch für den Hochschulsport anmelden. Man hat sich dann überlegt: Da der Hochschulsport ein Angebot ist, das wir gerne weiter haben möchten und man dort unterfinanziert ist, könnte man den Beitrag auf alle Studierende verlegen.

Rahel: Durch diese Gelder wird einerseits eine neue Stelle für den Hochschulsport geschaffen. Derzeit macht Petra Roßkopf das fast alleine und wenn sie mal krank ist, kann das zu Problemen führen. Gleichzeit heißt es aber auch, dass der Beitrag von 10 Euro, den Teilnehmer bisher zahlen mussten, wegfällt und trotzdem alle Kurse, die bisher kostenfrei waren, auch kostenfrei bleiben. Das Ganze kommt den Uni-Studierenden eigentlich zugute. Den Beitrag von 5 Euro zahlt dann ja nicht nur jeder, der an der Uni ist, sondern auch alle an der FH und an der Musikhochschule. Anteilsmäßig nutzen aber mehr Universitätstudierende den Hochschulsport. Insofern werden wir im Endeffekt von den anderen Hochschulen mitsubventioniert. Dennoch finden wir, dass so eine solidarische Lösung eine schöne Sache ist.

Maren: Insbesondere befürworte ich, dass dieses Modell parlamentarisch und demokratisch im Studierendenparlament so besprochen wurde. Dort sind Vertreter und Vertreterinnen aus allen Studiengängen und es wurde lange diskutiert, auch in einem Ausschuss und mit den anderen Hochschulen, und am Ende hat diese Lösung eine breite Mehrheit gefunden. Persönlich finde ich, dass es eine gute Entscheidung war.

PACK: Der AStA ist dieses Jahr anders aufgestellt als bisher, ein neues Referat hat sich dazugesellt, das QuARG: wofür steht dieses Kürzel überhaupt?

Rahel: Wichtig ist das kleine „u“. QuARG steht für „Queer, Awareness, equal Rights and Gender-Matters“.

PACK: Ich vermisse mindestens ein „e“.

Rahel: Das ist ja klein geschrieben, wenn man es ausschreibt, und es hört sich doch so viel schöner an.

„Beliebte und bekannte Projekte wie das Campus Open Air wird es wieder geben“

„Beliebte und bekannte Projekte wie das Campus Open Air wird es wieder geben“ [media-credit id=69 align="aligncenter" width="645"]

PACK: Wenn man ein Referat zu einem Thema gründet, dann ja wahrscheinlich, weil man glaubt, dass es in dem Bereich einiges zu tun gibt. Was willst Du im QuARG tun?

Rahel: Ich finde es generell wichtig, dass man alle Menschen gleich behandelt unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft oder Religion. Ich finde es schade, dass man im alltäglichen Leben, auch hier an der Uni, immer wieder merkt, dass da noch Vorurteile vorhanden sind. Es ist wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass es noch Thema ist, und dadurch eventuelle Barrieren für einzelne Studentinnen und Studenten abzubauen. Ich denke wir haben als AStA auch die Aufgabe, allen Studierenden ein möglichst angenehmes Studium und möglichst angenehme Freizeitaktivitäten zu ermöglichen. Wir dachten, es wäre sinnvoll, zu diesen Themen mehr als bisher zu tun. Letztes Jahr war ich dann mit anderen ASten-Vertreterinnen auf einem Bundeskongress der Queer-Feministischen Referate, wo wir vieles gesehen haben, von dem wir dachten, es wäre doch schön, das auch an unserer Uni zu etablieren. Deswegen die Gründung des Referats.

Der AStA hat daher in letzter Zeit eine recht enge Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Solveig Simowitsch. Mit ihr haben wir, insbesondere Justus Ullrich, der Gleichstellungsbeauftragte des AStA, uns schon vor Gründung dieses Referats mit Themen wie den Vorkommnissen von sexualisierter Gewalt unter Studierenden beschäftigt. Zudem haben wir über die Uni aber auch, wenn wir uns im AStA ausgetauscht haben, festgestellt, dass das Thema sexualisierte Gewalt bei Uni-Veranstaltungen doch mehr ein Problem ist, als wir dachten. Das ist vielen Studierenden gar nicht bewusst und da sollte man drauf aufmerksam machen. Immer wieder gibt es Fälle, die den Verdacht nahe legen, dass es hier regelmäßig Probleme mit K.O.-Tropfen auf Veranstaltungen der Studierendenschaft gibt.

PACK: Die Polizei sagt allerdings, ihr sei kein einziger solcher Vorfall bei Uni- oder FH-Veranstaltungen bekannt.

Rahel: Vielen ist auch gar nicht bewusst, was sexualisierte Gewalt ist, dass man dies zur Anzeige bringen kann. Es gibt mehrere Fälle, die mit der Gleichstellungsbeauftragten intern besprochen werden. Dort findet dann Mentoring und zum Teil auch psychologische Beratung statt. Die Anzeige ist allerdings immer eine große Hemmschwelle, daher sind dort die Dunkelziffern immer sehr hoch. Vielen Menschen gefällt die angebliche Opferrolle nicht, zudem ist es ein Tabu-Thema.

K.O.-Tropfen sind zudem problematisch, weil es sich um Stoffe handelt, die nur sehr kurz nachweisbar sind. Wenn man, und das ist hier sowohl bei Frauen wie auch bei Männern vorgekommen, von besorgten Freunden noch nach Hause gebracht wird und am nächsten Tag zum Arzt geht, ist da nichts mehr nachweisbar.

PACK: Und was könnt Ihr da tun?

Rahel: Es soll nun eine Kooperation mit der Rechtsmedizin geben, dass, wenn solche Fälle auftreten und diese auch kommuniziert werden, die Betroffenen zur Notaufnahme gehen können, damit es dann einen Nachweis gibt. Bisher gibt es viele Berichte. Die Sozialmedizin arbeitet, was diese Berichte angeht, mit uns zusammen und stellt in diesen Berichten sehr häufig einen charakteristischen Verlauf für K.O.-Tropfen fest.

PACK: Du sagtest, du wünschst dir, dass jeder und jede gleich behandelt wird. Werden wir doch mal konkret: Wer wird an der Uni Lübeck diskriminiert und von wem?

Rahel: Das ist ganz unterschiedlich. Da wäre zum Beispiel ein männlicher Student, der sich nicht so verhält, wie das manche erwarten, hinter dessen Rücken dann getuschelt wird, ob er homosexuell sei oder nicht. Aus der Erfahrung als Medizinstudentin kann ich auch sagen, auf Station werden die Männer, sobald sie in den Raum kommen, oft eher ernst genommen. Mir ist es selbst schon vorgekommen, dass ich einen Verbandswechsel machen wollte und es hieß, „Schwester, wollen Sie das nicht den Herrn Doktor machen lassen“, und mit Herr Doktor war der 18-Jährige Zivi gemeint, der vorgestern angefangen hat.

Maren: Ich war relativ geschockt, wie viele Vorurteile gerade in der Medizin, vielleicht auch aufgrund der hierarchischen Strukturen in Krankenhäusern, noch vorherrschen. Eine gute Freundin von mir möchte gerne Neurochirurgin werden. Sie wurde am ersten Famulaturtag gefragt, ob sie nicht lieber Frauenärztin werden möchte, von Frauen, die Neurochirurgie machen, halte man nichts. Es gibt also auch ganz offenen Sexismus, und das hätte ich am Anfang meines Studiums nicht erwartet.

Rahel: Auch bei mir hat es fast fünf Jahre gedauert, zu erkennen, dass es da wirklich noch massive Vorurteile und Probleme gibt. Deswegen beginne ich eben, mich jetzt da zu engagieren.

PACK: Welche konkreten Impulse können wir denn vom QuARG erwarten?

Rahel: Wir haben einiges geplant, da jetzt alles aufzuzählen würde sicherlich den Rahmen sprengen. Wir haben als erstes einen Stammtisch gegründet, der jeden Montag um 19:00 Uhr im Friends stattfindet. Da ist jeder und jede eingeladen, auch die, die dieser Arbeit etwas kritisch gegenüber stehen.

Wir werden eine Schulung bekommen, wie man im Erstkontakt mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt umgeht. Daraus soll einerseits eine Beratung hier im AStA resultieren und andererseits ein Notfalltelefon während Uni-Partys. Dadurch gibt es dann geschulte Ansprechpartner, sollte es auf diesen Veranstaltungen zu Vorfällen wie denen kommen, über die wir gesprochen haben.

Das Referat will einen Workshop zum Umgang mit sexualisierter Gewalt anbieten, der für alle interessierten Studenten und Studentinnen offen ist. Dieser ist sozusagen eine Erweiterung des Selbstverteidigungskurses, der bereits jedes Jahr für Erstsemesterinnen angeboten wird.

Wir wollen uns zudem mit dem Thema beschäftigen, dass es mehrfach Beschwerden gab, dass sich Personen genötigt fühlten, sich auf der Stadtrallye in der Vorwoche auszuziehen oder Alkohol zu trinken. Wir sind dagegen, dass irgendjemand sich zu irgendetwas genötigt fühlt. Da möchten wir einen Leitfaden entwickeln, um die Leute, die die Stationen leiten zu briefen, aber auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen.

Zudem wird es eine Kampagne zum Thema K.O.-Tropfen geben, ein monatliches Café ohne Grenzen mit Lesungen und Vorträgen und vieles mehr, einen Aktionstag gegen Homophobie im Zusammenarbeit mit dem CSD und es ist ein Projekt zum Thema „Sexistische Werbung an Hochschulen“ und Alltagssexismus geplant. Es wird sich zeigen, in welchem Zeitraum sich das alles verwirklichen lässt, aber wir sind da ganz stark am arbeiten.

PACK: Vielleicht das zentrale Unterfangen der nächsten Jahre ist die Umwandlung der Uni Lübeck zu einer Stiftungsuniversität. Wie ist die Studierendenvertretung in diesen Umwandlungsprozess involviert?

Maren: Der Prozess findet ja nun schon relativ lange statt und ich finde das sehr gut, dass alle Statusgruppen, auch wir als Studierendenschaft, wirklich mit dabei waren. Wir wurden gleich am Anfang gefragt, was wir von der Idee halten und auch was uns wichtig wäre. Im Koalitionsvertrag steht auch: Wenn die Stiftungsuni kommt, müssen alle Statusgruppen zustimmen. Wir haben also in diesen Verhandlungen eine sehr starke Postion und verhalten uns auch dementsprechend.

Es gibt nun einen ersten, öffentlichen Gesetzentwurf zur Stiftungsuniversität. Über den wird nun diskutiert und bis zum 20. Dezember müssen wir dazu in einer Anhörung Stellung nehmen.

Rahel: Zusätzlich gibt es noch einen Lenkungsausschuss, die sogenannte Nielsen-Kommision, in der alle Statusgruppen vertreten sind. Das hat für die Studierendenschaft Georg Engelbart gemacht, den ich vertrete, solange er im Ausland ist. Dort wurden dann die verschiedenen Meinungen der Statusgruppen ausgetauscht und ein gemeinsames Konzept entwickelt, das dann mit der Landesregierung und dem Finanzministerium ausgearbeitet wurde. Das Ergebnis ist jetzt dieser Gesetzesentwurf.

Ein erster entwurf des Gesetzes liegt vor, jetzt wird diskutiert.

Ein erster entwurf des Gesetzes liegt vor, jetzt wird diskutiert. [media-credit id=14 align="aligncenter" width="645"]

PACK: Neben dem Stiftungsgesetz, welches mit dem Land verhandelt wird, gibt es eine sogenannte Zuwendungsrichtlinie. Was ist das?

Maren: Dabei geht es darum, dass, wenn die Uni Lübeck eine Stiftungsuni wird, Spendengelder akquiriert werden sollen. Dies ist ein sensibles Thema. Es ist ja nicht immer gut, wenn man Geld kriegt, man sieht das an Stiftungsunis wie Frankfurt, wo es durchaus Vorwürfe gab, dass da Mauscheleien laufen, dass da gezielt die Forschung durch Spenden beeinflusst wurde. Solchen Vorwürfen will man an der Uni Lübeck sehr früh entgegenwirken, schon in der gesetzgebenden Phase, bevor die Stiftungsuni gegründet ist. Man hat sich also überlegt: Welche Regeln kann sich eine Stiftungsuni geben, um die Spendenakquirierung möglichst transparent zu gestalten und nach klaren Kriterien zu entscheiden, welche Gelder man annehmen kann und welche nicht.

Auch hier konnten wieder alle Statusgruppen benennen, was sie in der Richtlinie finden möchten, und die Studierendenschaft hat sich da sehr aktiv beteiligt, weil uns dieses Thema sehr wichtig ist. Erfreulicherweise wurde fast alles aufgenommen. Das Präsidium ist glaube ich in dieser Frage sehr offen, weil sie auch Angst haben, dass es zu solchen Vorwürfen wie in Frankfurt kommen könnten und dies Stifter und Stifterinnen abschrecken könnte.

Momentan wird sogar überlegt, ob man diese Richtlinie nicht sogar auf sämtliche Drittmittel ausweiten kann, aber da ist noch nichts in trockenen Tüchern. Wir halten das für eine sehr gute Idee und es wäre, sollte es so kommen, wohl die fortschrittlichste Richtlinie in diesem Bereich in Deutschland. Drittmittel sind momentan in Deutschland leider sehr intransparent. Aus Kiel kennen wir da ganz viele Fälle, in denen der AStA anfragt, ob ein Projekt drittmittelgefördert ist oder wer die Förderung stellt, wo einfach keine Antworten aus den Instituten kommen. Sollte es also eine solche Richtlinie geben, wäre das toll.

PACK: Was sind die konkreten Wünsche der Studierenden für diese Richtlinie?

Maren: Es soll eine paritätisch besetzte Kommission geben, die dann bei Summen über 20.000 Euro prüft, ob dies der Richtlinie entspricht. Zudem kann jedes Mitglied der Universität diese Kommission anrufen und darum bitten, etwas nochmal zu prüfen, wenn ihm oder ihr etwas komisch vorkommt. Dann muss diese Kommission Auskunft geben. Derzeit ist das alles in der Entwurfsphase aber wir hoffen, dass in strittigen Fällen, in denen nicht klar ist, ob Spenden angenommen werden oder nicht, die Kommission entscheidet und nicht das Präsidium der Universität.

PACK: Und nach welchen Maßstäben würde die Kommission entscheiden?

Maren: Es gibt da keine Liste mit Ja-Kriterien und Nein-Kriterien. Das wird dann bei strittigen Fällen im AStA oder im StuPa diskutieren. Sicherlich gäbe es keine Einwände, wenn die Possehl-Stiftung spendet, aber anfangen könnte es – dies ist ein Beispiel aus Kiel – bei ThyssenKrupp, wo man sich überlegen muss, ob man das will. Da geht es natürlich um ethische Einschätzungen, die Frage, was der Spender sonst so macht, und woher das Geld kommt.

Rahel: Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Bewahrung von Forschung und Lehre. Es darf kein Druck entstehen, indem ein Spender sagt, dass er für sein Geld auch eine bestimmte Forschung bekommen möchte. Natürlich hat diese Universität Forschungsschwerpunkte, aber innerhalb dieser müssen wir als Uni frei entscheiden können, in welchen Bereichen Forschung betrieben wird.

PACK: Und was stünde, ginge es nach dem Willen das AStA, im Stiftungsgesetz?

Maren: Ersteinmal sollten in allen Gremien, die irgendetwas entscheiden, Studierende in einer Viertelparität vertreten sein. Das steht auch fast drin. Es wird ein neues, wichtiges Gremium mit sehr weitreichenden Kompetenzen geben: Den Stiftungsrat. Am Anfang waren wir demgegenüber sehr skeptisch, weil dieser Rat an anderen Stiftungsuniversitäten einfach durch Externe, die nur auf wirtschaftliche Gesichtspunkte prüfen, besetzt wird. In Schleswig-Holstein soll dies nun so sein: Vier Mitglieder kommen direkt aus den vier Statusgruppen, vier externe Mitglieder werden durch eine paritätisch besetzte Kommission gefunden, und zudem wird ein Vertreter der Stifter in diesem Rat sitzen. Damit ist so etwas wie eine Parität in dem Gremium, in dem wirklich entschieden wird, fast erreicht und das ist schon toll.

PACK: Parallel tut sich einiges am UKSH. Das lange für sicher geglaubte Modell einer Public-Private-Partnership ist plötzlich gar nicht mehr so sicher. Was ist passiert?

Maren: Das ist tatsächlich ein sehr großes Thema. Schon alleine, weil es so komplex ist, ist es eines der Hauptthemen im AStA. Das beginnt mit der Frage, was ist Uni und was ist UKSH? Wo kann sich der AStA wie einmischen? Das PPP-Modell, wie es ursprünglich geplant war, lehnen wir grundsätzlich ab, aber jetzt, nach dem Regierungswechsel, sieht es etwas anders aus. Mit der kleinen Novellierung des Hochschulgesetzes kann nun das UKSH Kredite aufnehmen und ein Großteil der Finanzierung soll über diese geschehen. In Kiel sagt die Regierung nun gerne, das Modell sei nun kein PPP-Modell mehr, aber so sehen wir das nicht, es ist teilweise doch noch PPP.

Aber die große Sorge ist, ob das überhaupt finanzierbar ist. Das UKSH schreibt ja seit langem rote Zahlen und ist deswegen in der Presse. Ich war vor einigen Wochen im Finanzministerium und dort ist den Leuten auch bewusst, dass die Finanzierung sehr kritisch ist und man nicht weiß, woher die Rendite kommen soll.

Eine zweite Sorge ist, dass bei all dem Neubau die so genanten nicht medizinischen Mitarbeiter, outgesourced werden sollen. Doch wo macht man da die Grenze: Wenn ein OP nicht geputzt ist, kann man nicht operieren. Ebenso ist ein Problem, dass Kliniken, die nicht mit der Patientenversorgung direkt betraut sind, ausgelagert werden. So entsteht dann ein forschender Campus und ein Krankenversorgungs-Campus und es droht eine Entakademisierung des Studiums. Die Trennung zwischen UKSH und Uni sowie die Trennung zwischen nicht medizinischem und medizinischem Personal ist ein Problem. Ein Uniklinikum sollte eben auch vollständig in öffentlicher Hand bleiben und solche Trennungen sind ein erster Schritt in eine gefährliche Richtung.

PACK: Ich danke für das Gespräch.

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Interview mit Hartmut Evermann https://www.studentenpack.de/index.php/2013/12/interview-mit-hartmut-evermann/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/12/interview-mit-hartmut-evermann/#respond Mon, 09 Dec 2013 04:00:07 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=187420 StudentenPACK: Die Lübecker AIDS-Hilfe gibt es seit 1986. Was war damals das Angebot und was hat sich daran verändert?

Hartmut Evermann Es haben sich damals mehrere Leute zusammengetan, überwiegend Schwule, die gesehen haben, dass sie hängen gelassen wurden. Die Emanzipationsbewegung der Schwulen und Lesben hatte gerade erst begonnen und nun drohte eine neue Diskriminierungswelle. AIDS wurde dann ja auch Schwulenpest genannt, selbst der offizielle Name war GRID, Gay-Related Infectious Disease. Manche dachten am Anfang wirklich, das betrifft nur Schwule, was aber auch zeigt wie manche Leute denken. Die Wissenschaft hat dann sehr schnell rausgefunden, dass es nicht nur Schwule betrifft. Nachdem man wusste, dass das sexuell übertragen wird und dass Kondome schützen, hatte die AIDS-Hilfe dann die Aufgabe, darüber zu informieren.

Es ging also auf der einen Seite darum, die Community zu informieren, und auf der anderen Seite natürlich auch darum, die Leute, die krank waren, die ausgegrenzt wurden, zu unterstützen, für sie da zu sein und sie zu begleiten, bis sie sterben.

PACK: Was hat sich heute verändert?

Hartmut: Es ist immer noch Beratung, Betreuung, Unterstützung von Menschen mit HIV und AIDS und nach wie vor zielgruppenspezifische Prävention, das heißt die Hauptrisikogruppen von HIV und AIDS über die Risiken und die Schutzmöglichkeiten aufzuklären. Der Teil der Sterbebegleitung ist inzwischen weggefallen und wurde zu einer Lebensbegleitung. Früher war es ganz oft so, dass die Positiven oder die an AIDS Erkrankten von ihren Familien oder ihren Partnern ausgestoßen worden sind. Freiwillige, sogenannte Buddies, ermöglichten den Erkrankten noch ein lebenswürdiges Leben, solange sie noch zu leben hatten. Jetzt entwickeln sich neue Formen der Buddy-Arbeit. Diese Arbeit wird sicherlich auch anspruchsvoller. Früher ging es darum, für den Menschen da zu sein, mit ihm einen Kaffee trinken, mit ihm irgendwo hingehen. Die Probleme sind jetzt vielfältiger und so wird die Buddy-Arbeit anspruchsvoller für die Ehrenamtlichen werden.

AIDS-Hilfe war auch immer Selbsthilfe, sie ist aus der Selbsthilfe entstanden. Sie war ursprünglich rein ehrenamtlich. Der Staat war ohnmächtig, als AIDS entdeckt wurde, und die Menschen hier gestorben sind. Da gab es dann die Hardliner, die meinten: alle kasernieren. Auch viele Politiker haben genau das gedacht! Gott sei Dank hat die damalige Gesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU), sehr besonnen reagiert und auf die Selbsthilfe gehört. Ohne Frau Süssmuth hätten wir heute wahrscheinlich ganz andere Verhältnisse und Infektionszahlen.

PACK: Was konkret heißt eigentlich Beratung und Betreuung?

Hartmut: Individuelle Beratung ist ein ganz großer Teil unserer Arbeit. Der Hintergrund ist ganz einfach: Menschen, die mit HIV infiziert sind, sind die Menschen, die das Virus weitertragen können. In der Regel ist das auch so, dass die Menschen andere Menschen schützen wollen, aber wenn der Kopf voll ist mit Schulden, Familienproblemen, Druck auf der Arbeit oder ich-weiß-nicht-was hat Mancher einfach nicht die Kraft, in einem bestimmten Setting darauf zu bestehen, Sex nur mit Kondom zu haben. Wenn wir da helfen, dass sie den Kopf freikriegen, können die sich auch mehr auf ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit ihrer Sexpartner konzentrieren. Gesundheit ist nicht allein die Abwesenheit von Krankheit. Dazu gehört mehr!

Wir begleiten die Menschen ein Stück ihres Lebens, helfen ihnen auch mit HIV ein menschwürdiges Leben ohne Ausgrenzung und Stigmatisierung zu leben. Dazu kommen Aufklärung und Information: Ich pflege immer zu sagen: Der Patient hat einen Feind im Körper und dieser Feind versucht, den Körper tot zu machen. Um die Überhand über diesen Feind, den man noch nicht besiegen kann, zu behalten, muss man diesen Feind und seinen eigenen Körper sehr gut kennen. Das ist unsere Aufgabe. Dafür organisieren wir zum Beispiel Vorträge, die wir teilweise auch für Interessierte öffnen. Unsere Reihe „Positiv Begegnen“ für Menschen mit HIV und AIDS, bietet Raum zum Austausch und zum Lernen über HIV. Im Januar bieten wir zum Beispiel einen zweistündigen medizinischen Workshop zum Thema HIV und Lunge, zu dem wir einen Experten eingeladen haben. Dazu gibt es Gesprächskreise und Gesprächsabende mit Betroffenen. Da geht es dann um ganz viele, auch sehr intime Themen, zum Beispiel über gelebte Sexualität mit HIV. Das ist ein ganz großes Thema, weil die Positiven natürlich auch Angst haben, andere anzustecken. Man will sich beim Sex auch mal fallen lassen können, den Kopf ausschalten. Vielen gelingt das nicht, sie haben Angst, ihren Sexpartner anzustecken. Das sind so Themen über die in kleinen Gesprächskreisen gesprochen wird.

PACK: Und die Prävention hat sich über die Jahre sicher auch verändert, oder?

Hartmut: Wir machen inzwischen nicht mehr nur zielgruppenspezifische Prävention. Aber der Schwerpunkt ist weiterhin Prävention in der schwulen Szene . Wir wissen inzwischen, dass die meisten Infektionen passieren, wenn die Leute noch gar nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind. Über den Test und den Benefiz seinen Serostatus zu kennen zu informieren gehört heute ganz selbstverständlich zu unseren Aufgaben. Etwas, was sich verändert hat, denn früher haben wir den Leuten gesagt, sie sollen sich nicht testen lassen. Es gab keinen Benefiz, nur Nachteile: Ausgrenzung, Stigmatisierung… Aber Ausgrenzung und Stigmatisierung finden nach wie vor in allen sozialen Kreisen statt. Es fängt schon damit an, dass Menschen mit HIV nach wie vor bestimmte Versicherungen nicht abschließen können. Auch die Reisefreiheit ist eingeschränkt, in vielen Ländern darf man mit HIV nicht einreisen. Das kann auch schon mal zu einem Knick in der beruflichen Karriere führen! Aber der Vorteil, wenn man rechtzeitig um seine Infektion weiß und rechtzeitig mit der Therapie beginnen kann, ist heute so groß, dass wir trotz der Nachteile sagen, dass man sich auf jeden Fall testen lassen sollte.

Neben der Beratung und Betreuung und der Prävention ist der dritte Bereich das Fundraising. Sicherstellen, dass wir unsere Projekte auch finanziert bekommen, hat wirklich überhandgenommen. Als ich angefangen habe vor zwölf Jahren, da war das überhaupt kein Thema gewesen, da ist das Geld gekommen, da mussten wir uns keine Gedanken machen. Das hat sich verändert. Wir müssen also wirklich sehen, dass wir jährlich 15.000 bis 20.000 Euro selbst erwirtschaften , da müssen wir ganz viel Arbeit und Zeit reinstecken.

PACK: Woran liegt das? Denkt keiner mehr, dass die AIDS-Hilfe nötig ist?

Hartmut: Das kann sein, dass die Notwendigkeit nicht mehr gesehen wird. Das Thema ist nicht mehr so im Bewusstsein. Früher haben wir zum Beispiel viel Geld vom Gericht bekommen. Wenn Leute verurteilt wurden hieß es dann immer, du musst eine Strafe an die AIDS-Hilfe zahlen. Das ist vorbei, da kommt seit Jahren nichts mehr. Wir haben auch schon mehrmals bei den Richtern Werbung in eigener Sache gemacht, daran erinnert, dass unsere Arbeit nach wie vor notwendig ist, aber das hat nichts gebracht.

Wir bekommen vom Land 80.000 Euro, allerdings in einem Vertrag, in dem es heißt, dass wir zehn Prozent dieser Summe dazu selbst erwirtschaften müssen, und von der Stadt kriegen wir ungefähr 42.000 Euro. Der Zuschuss vom Land wurde in den zwölf Jahren, die ich hier arbeite, einmal gekürzt – zuvor haben wir 88.000 € erhalten – aber er wurde niemals erhöht. In Anbetracht, dass alles teurer wird, kommen wir damit nicht mehr aus und müssen eben über Spenden Geld erwirtschaften, damit wir die Arbeit in der gewohnten und bekannten Qualität fortführen können. Und – da klopfe ich mir jetzt mal selbst auf die Schulter – wir machen hier in Lübeck ‘ne richtig gute Arbeit. Wir sind unglaublich gut vernetzwerkt, und dadurch auch sehr effektiv in der Betreuung und Beratung. Für so eine kleine AIDS-Hilfe wie wir leisten wir richtig viel.

PACK: Am 11. Dezember macht ihr einen Vortrag mit dem Titel „HIV/AIDS – Heilung in Sicht?“. Kann es sein, dass die Spenden ausbleiben, weil viele denken, AIDS sei geheilt?

Hartmut: Ich glaube, das denken die Leute nicht. Aber es ist wohl in den Köpfen drin, dass man jetzt was machen kann, und es deswegen ja kein Problem mehr ist. Die denken, man nimmt da jetzt halt ‘ne Pille und gut ist.

PACK: Ist es denn so?

Hartmut: So ist es natürlich nicht. Im Vergleich zu den ersten Therapien, der antiretroviralen Therapie, hat die Medizin und die Forschung Unglaubliches geleistet in den letzten 30 Jahren. Aber natürlich haben die Medikamente noch Nebenwirkungen, die Kurzzeitnebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Hautausschläge, Albträume, Nachtschweiß und sehr häufig Durchfall, sind bekannt. Die gehen bei den meisten auch wieder weg. Über die Langzeitnebenwirkungen der Therapie ist natürlich noch wenig bekannt, die neusten Medikamente sind ja nur wenige Jahre auf dem Markt. Als die ersten Therapien rauskamen, mussten die Menschen 25 bis 30 Tabletten am Tag schlucken, inzwischen sind es im Schnitt irgendwas zwischen vier und acht.

PACK: Und welche Art von Leben ermöglicht diese Therapie dann den Betroffenen?

Hartmut: Medizinisch gesehen ein normales Leben mit einer annähernd normalen Lebenserwartung. Man entdeckt jetzt gerade, dass altersbedingte Krankheiten wie Krebs oder Demenz bei Menschen mit HIV und AIDS früher auftreten. Woran das liegt, ob das mit der Therapie oder mit dem Virus zu tun hat, weiß man noch nicht. Aber wer rechtzeitig mit der Therapie beginnt, kann annähernd so alt werden wie der nichtinfizierte. Medizinisch ist das ein unglaublicher Fortschritt, gesellschaftlich ist das noch etwas komplizierter. Diskriminierung findet noch statt. Leider findet man diese Diskriminierung ganz intensiv im medizinischen Bereich, dort wo man eigentlich aufgeklärte Menschen erwarten würde. Oftmals tatsächlich durch Unwissenheit, aber auch durch Nicht-Nachdenken. Das fängt an mit Erlebnissen beim Zahnarzt: wenn dem HIV-positiven Patienten gesagt wird: „Wenn, dann können wir Sie nur als letzten Patienten des Tages behandeln, weil das Zimmer danach ordentlich desinfiziert werden muss.“ Da fragt man sich natürlich, wie desinfiziert der denn sonst den Tag über? Was ist, wenn der Zahnarzt einen Patienten mit Hepatitis-C Infektion hatt? Was ist, wenn jemand gar nichts von seiner HIV-Infektion weiß? Zu so einem Zahnarzt gehe ich lieber nicht. Oder wenn eine Krankenschwester sagt: „Packen Sie Ihre AIDS-Binde nicht zu dem normalen Verbandsabfall, sondern entsorgen Sie die extra.“ Und das auch noch vor anderen Patienten.

Vor zwei Jahren gab es an der Uniklinik in Lübeck einen Vorfall, wo eine positive Mutter nach der Geburt ihr Kind nicht in den Arm nehmen durfte, wegen der Infektionsgefahr für das Kind. Die AIDS Hilfe Lübeck ist ja nicht nur für Lübeck zuständig, sondern für die umliegenden Kreise, und irgendwo in diesem Einzugsbereich gibt es einen Krankenpfleger, der auf der Arbeit zwangsgetestet wurde. Dessen Betriebsarzt hat die Schweigepflicht gebrochen und das positive Testergebnis dem Arbeitgeber gemeldet und nun wird dieser Pfleger unglaublich gemobbt und ist bereits degradiert worden. Er darf nun nicht mehr in den OP. Das sind so Sachen, die ich nicht nachvollziehen kann und die aus Unwissenheit, aus Dummheit, aus Unaufgeklärtheit resultieren.

PACK: Das Haus, in dem wir sitzen, hat Geschichte oder?

Hartmut: Das Haus gehörte Wolfgang Ebeling, einem Mann, der 1987 an den Folgen von AIDS gestorben ist, und er war einer der ersten in Lübeck, den die Lübecker AIDS-Hilfe begleitet hat. Der hat dann einen Teil dieses Hauses der AIDS-Hilfe vererbt. Andere Teile haben Familienmitglieder bekommen. Die haben das aber alles auf die AIDS-Hilfe überschrieben. 1988 sind wir dann hier eingezogen. Es ist ein kleines Kuschelhaus aber es ist sehr eng, es ist nicht barrierefrei und eigentlich als Beratungshaus nicht gut geeignet. Wir haben in unserem Etat kein Geld für Miete. Dieses Haus gehört der AIDS-Hilfe. Wir würden etwas anderes kaufen, aber die Räumlichkeiten, wie wir sie uns wünschen – mit anonymem Zugang, barrierefrei auf einer Etage, die gibt es nicht zu kaufen. Wir haben sämtliche Makler Lübecks aktiviert, aber so eine Etage in irgendeinem Haus, in dem vielleicht auch Arztpraxen oder so sind, bekommt man nur zu mieten.

Das Büro im ersten Stock des Ebeling-Hauses, von hier aus koordinieren sie die Arbeit der LAH.

Das Büro im ersten Stock des Ebeling-Hauses, von hier aus wird die Arbeit des LAH koordiniert. [media-credit name="Lukas Ruge" align="aligncenter" width="645"] 

PACK: Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag. Das ist für euch sicher der größte, wichtigste Tag des Jahres, oder?

Hartmut: Ja, auf jeden Fall. Am 1. Dezember sind wir mehr in der Öffentlichkeit. Wenn im Freundeskreis jemand schwanger ist, sieht man plötzlich überall schwangere Frauen. Es gibt aber natürlich immer gleich viele schwangere Frauen. So ähnlich ist das bei uns auch, wir machen eigentlich immer gleich viel. Wir sind auch eigentlich regelmäßig in den Medien. Was wir machen, fällt einfach um den Welt-AIDS-Tag mehr auf. Dann kommen alle her und die Leute lesen es auch eher. Für unsere Arbeit ist aber jeder Tag ein AIDS-Tag.

PACK: Also kein besonderer Stress Ende November?

Hartmut: Oh doch! Wir machen zum Welt-AIDS-Tag (WAT) immer etwas hier im Haus, einen Gedenkmarsch und anschließend eine Andacht und ansonsten lassen wir das auf uns zukommen. Wir bekommen jedes Jahr viele Anfragen von Einzelpersonen oder Institutionen, die zum WAT Aktionen durchführen wollen. Wir haben Stände im Zentralklinikum und in der Mensa in Lübeck, gemeinsam mit der Fachschaft. Es gibt Vorträge und Workshops, an der Uni, aber auch andernorts. In diesem Jahr machen zum Beispiel das Theaterschiff und die Szenekneipe Chapeau Claque eine Aktion. In diesem Jahr haben wir auch und relativ viele Anfragen von der Presse. Der Movember endet im Prinzip ja auch mit dem Welt-AIDS-Tag.

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Die Parteien buhlen wieder um Bürgerschaftssitze.

[media-credit id=14 align="aligncenter" width="645"] Die Parteien buhlen wieder um Bürgerschaftssitze.

„Wir leben in einer Demokratie! Da dürfen wir nicht in eine Zuschauermentalität verfallen. Man ist aufgefordert zum Mitmachen. Das Mitmachen beinhaltet für die Bürger, sich zu informieren über die Wahlprogramme der Parteien“, drängt Anette Röttger, bildungspolitische Sprecherin und Kreisvorsitzende der CDU in Lübeck, auf mehr Beteiligung am politischen Leben. Vor allem in Zeiten von Wahlen werden wir Bürger oft daran erinnert, wie wichtig es ist, dass wir unser Wahlrecht ausnutzen und demokratische Parteien wählen. So also auch jetzt. Am 26. Mai ist wieder Kommunalwahl. In Lübeck sind 175.000 Bürger dazu aufgerufen, ihre Vertreter in die Bürgerschaft zu wählen.

Die Bürgerschaft, das unbekannte Wesen

Die Bürgerschaft ist die Vertretung der Lübeckerinnen und Lübecker im Rathaus. Sie entscheidet über alle kommunalpolitischen Themen, wie zum Beispiel den Lübecker Haushalt, städtische Bauvorhaben und Kindergärten. „Man besucht um die acht Sitzungen im Jahr, diese müssen natürlich vor- und nachbereitet werden“, berichtet Oliver Dedow von den Piraten. Die Bürgerschaft besteht normalerweise aus 49 Mitgliedern. Aufgrund von Überhangmandaten und durch den Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde waren es in der vergangenen Legislaturperiode 60 Mitglieder. Insgesamt zehn verschiedene Parteien, Wählerbündnisse und zusätzlich parteilose Mitglieder sind gewählt. „Hier kann man die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hautnah vertreten. Man ist mit den Bürgerinnen und Bürgern hautnah in Kontakt“, freut sich Antje Jansen von der Partei LINKE. Die Bürgerschaft macht die Politik für das tägliche Geschehen in Lübeck.

Kommunalpolitische Ämter sind Ehrenämter. Insgesamt 15 bis 20 Stunden verbringe ein Kommunalpolitiker mit seinem Ehrenamt, meint Antje Jansen. Auch CDU-Frau Anette Röttger berichtet: „Die Kommunalpolitik fordert mich täglich ein.“ Die Mitglieder der Bürgerschaft bekommen zwar Aufwandsentschädigungen für ihre Tätigkeit, aber es gibt auf der kommunalpolitischen Ebene keine Berufspolitiker. „Da gehört ja auch einiges dazu, nicht nur die Teilnahme an Sitzungen. Da ist auch viel drum herum. Man geht mal zu Bürgerverbänden, setzt sich in andere Ausschüsse oder recherchiert“, berichtet Oliver Dedow. Insgesamt trifft sich die Bürgerschaft etwa einmal im Monat zu ihrer Sitzung, dort wird dann über Beschlüsse, die vorher in den diversen Ausschüssen gefasst wurden, beraten und abgestimmt.

In diesen 18 Ausschüssen beraten „Fachleute“ über den jeweiligen Fachbereich. Einige Themenbereiche sind Finanzen, Schule und der Kurbetrieb in Travemünde. Für die Vorbereitung der Bürgerschaftssitzungen gibt es zusätzlich den Hauptausschuss, der koordiniert, welche Themen in der nächsten Sitzung besprochen werden. Fasst einer der Ausschüsse einen Beschluss, wird dieser in der Bürgerschaft vorgestellt und dort wird endgültig darüber abgestimmt. Allerdings kann es vorkommen, dass die Mehrheit in der Bürgerschaft den Ausschüssen nicht zustimmt. „Die Ausschüsse müssten viel mehr Entscheidungskompetenz haben, in der Bürgerschaft sollten diese Beschlüsse nur noch durchgewunken werden. Es kann nicht sein, dass Fraktionen anders abstimmen als ihre Vertreter es vorher im Ausschuss getan haben“, beschwert sich Pirat Oliver Dedow über die aktuelle Situation in der Bürgerschaft. „Die Ausschusssitzungen sind wirklich uninteressant. Das muss man einfach so sagen“, beklagt sich Timon Kolterjahn von der FDP, der sich sicherlich auch mehr Kompetenzen in den Ausschüssen wünschen würde. Kommunalpolitik kann somit auch frustrierend sein.

Einstieg in die Politik

Warum sind trotzdem einige Lübeckerinnen und Lübecker motiviert, sich in die Bürgerschaft wählen zu lassen? SPD-Mann Jan Lindenau kann da eine sehr konkrete Motivation angeben: „Mein damaliger Grund war der Anschlag auf die Lübecker Synagoge. Ich hatte das Gefühl, dass man sich mehr einbringen muss, um die Demokratie, die Freiheit und auch das Gemeinwohl weiter zu stärken, damit es keinen Nährboden gibt für rechtsradikale Tendenzen.“ Er engagierte sich zuerst überparteilich und später parteigebunden. Heute, 16 Jahre später, ist Lindenau Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und auch Vorsitzender des Finanzausschusses. Im Jahre 2011 ist Lindenau als Nachrücker in die Bürgerschaft eingezogen.

Der ’86 geborene Politikwissenschaftsstudent Timon Kolterjahn von der FDP fühlt sich zu Höherem berufen. „Kommunalpolitik ist der Einstieg in die Politik“, erklärt Kolterjahn. Außerdem glaubt er, auf der kommunalen Ebene eher etwas verändern zu können. Ähnlich sieht das auch die 63 Jahre alte Erzieherin Antje Jansen, die bis 2012 für die LINKE im Schleswig-Holsteinischen Landtag und gleichzeitig Bürgerschaftsabgeordnete in Lübeck war. „Ich finde Kommunalpolitik bringt mehr Spaß, weil man da näher am Bürger ist“, resümiert sie ihre Zeit in der Landespolitik. „Da kann man über Themen entscheiden, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Es bringt Spaß, da man Erfolge hat“, freut sie sich.

Etwas politisch umzusetzen war auch der Gedanke, als Anette Röttger sich 2008 entschied, zum ersten Mal für die Bürgerschaft zu kandidieren. Die Mutter von drei Kindern engagierte sich bereits über Jahre hinweg im vorpolitischen Umfeld. Als aktives Mitglied im „Landfrauen“-Verein stieß sie immer wieder auf Themen, die sie ändern wollte. „Vor wenigen Jahren wurde ich dann aufgefordert, genau dies zu tun, unsere Wünsche politisch umzusetzen und mich für die Bürgerschaft aufstellen zu lassen.“ Seitdem sitzt sie in der Bürgerschaft und freut sich, dass sie sich im Bereich Bildungs- und Schulpolitik verwirklichen kann. „Mit drei schulpflichtigen Kindern bin ich gerade in diesem Thema sehr fit“, begründet die bildungspolitische Sprecherin der CDU Lübeck ihre Schwerpunktwahl. Gerade im Bildungsbereich sind Landes- und Kommunalpolitik sehr verzahnt. Die Stadt ist Schulträger und daher zuständig für die Schulgebäude sowie Hausmeister und Schulsekretärinnen, während die inhaltlichen Fragen im Landtag besprochen und geklärt werden. An dieser Stelle, aber auch bei anderen Themen, wird Kommunalpolitik häufig mit Landespolitik verwechselt. „Da ist es unsere Aufgabe, den Unterschied darzustellen, aber die Anliegen der Bürger auch in die Landes- und Bundesebene zu tragen“, verspricht Silke Mählenhoff.

Mählenhoff kandidiert in diesem Jahr zum ersten Mal für die Bürgerschaft in Lübeck. Obwohl sie seit dreizehn Jahren in Lübeck wohnt, war sie bisher im Grünen-Kreisverband Ostholstein engagiert, da sie auch dort in einem Jobcenter arbeitet. Ein kommunalpolitisches Amt konnte sie dort allerdings nicht bekleiden, da man das nur an seinem Wohnort kann. So kam die Hobby-Politikerin zu den Lübecker Grünen. „Da sich die Lübecker Grünen momentan personell umstrukturieren, passte es insofern ganz gut, dass ich mich jetzt hier engagiere“, freut sich die Umweltfreundin. Mählenhoff ist schon seit gut 25 Jahren für die Umwelt und den Umweltschutz aktiv. Ihr Engagement möchte sie auch in der Lübecker Bürgerschaft weiterführen. „Zu meinen Themen wird der Ausbau des Radwegnetzes in Lübeck gehören, dazu kommen Themen wie die Kläranlage und die Deponie in Ihlendorf. Da müssen wir für den Umweltschutz eintreten.“ Doch nicht nur auf kommunale Themen werden Kommunalpolitiker des Öfteren angesprochen, häufig ist der Unterschied zur Landespolitik den Bürgerinnen und Bürgern nicht direkt geläufig. „Das passiert häufig wenn man in der Breiten Straße steht“, empfindet Anette Röttger (CDU). Neben dem Thema Bildung ist die Steuergesetzgebung einer der Schwerpunkte, bei denen Kommunalpolitiker wenig Macht haben. Der Haushalt sei, so Oliver Dedow (Piraten), zu 90 Prozent vorgegeben, mit den restlichen zehn Prozent könne man arbeiten.

Die Themen, die eigentlich nicht in die Kommunalpolitik gehören, werden trotzdem auch in der Bürgerschaft diskutiert. „Da wird über viele Sachen gesprochen, die in Lübeck gar nicht umsetzbar sind. Vieles ist für eine Bürgerschaft auch eigentlich gar nicht relevant. Da müsste man viel mehr differenzieren“, behauptet Timon Kolterjahn und erinnert sich an eine Resolution der Lübecker Bürgerschaft gegen die Todesstrafe vor zwei Jahren. Wie Resolutionen funktionieren erklärt Antje Jansen (LINKE): „Mit einer Resolution beauftragen wir dann den Bürgermeister, sich im Landtag oder im Bundestag für die und die Fragen einzusetzen. Der Bürgermeister schickt das an den Bundestag, dann wird gesagt, dass sie es bekommen haben, aber nichts daran ändern. Die entscheidenden Fragen werden auf der Bundes- und Landesebene behandelt.“ Timon Kolterjahn resigniert: „Das kann in Lübeck ausgesprochen werden, landet dann aber im Ministerium in Kiel in irgendeiner Schublade.“

Streiten und Entscheiden

Über die verbleibenden kommunalen Themen kann man sich trotzdem vorzüglich streiten. „Am meisten gestritten wurde über die Finanzen. Ob man jetzt dem Konsolidierungskurs zustimmt, wo man kürzt, wo man spart, wo es Mehreinnahmen geben kann“, berichtet Antje Jansen aus den letzten fünf Jahren in der Bürgerschaft. „Die weitere Rekordverschuldung der Stadt ist eine ganz fatale und traurige Entwicklung“, findet Anette Röttger (CDU). Darin sind sich die Bürgerschaftler parteiübergreifend einig. „Juristisch ist es nämlich so, dass Gesellschaften und Privatpersonen eine Insolvenz eingehen können, Lübeck kann das nicht. Das ist eine rechtliche Vorgabe, vielleicht kann man da auf Bundesebene etwas ändern“, erklärt Oliver Dedow von der Piratenpartei die Rechtslage. Dedow arbeitet eigentlich in einer Kanzlei als Rechtsanwalt und hat sich auf Straf- und Verkehrsrecht spezialisiert. „Wir wollen den Bürgerhaushalt, damit sich die Bürger einbringen können. Es ärgert mich ungemein, dass die Bevölkerung so viele Ideen hat, die zu Hause oder am Stammtisch formuliert werden, die aber nicht ins Rathaus gelangen, weil es dafür keine Plattform gibt.“ Vielleicht braucht es einen neuen Ansatz. Die Stadt hat aktuell 1,3 Milliarden Euro Schulden mit einer jährlichen Neuverschuldung von rund 80 Millionen Euro. Das Konzept eines Bürgerhaushalts beinhaltet, dass sich die Bürger aktiv an Finanzentscheidungen beteiligen können. Dieses Projekt wird in Schleswig-Holstein bereits in einigen Kommunen ausgetestet. Für Lübeck wurde allerdings noch kein funktionierendes Konzept entwickelt. Mit dieser Idee können sich auch die Parteien SPD, LINKE und Grüne anfreunden. „Finanzpolitische Entscheidungen […] werden wir im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern treffen“, verspricht Jan Lindenau (SPD). Er arbeitet hauptberuflich in einer Bank und verbringt so sehr viel Zeit mit Zahlen. „Der Haushalt wird immer ein Thema bleiben.“

Zersplitterung und Fluktuation

Entscheidungsfindung ist in der aktuellen Bürgerschaft schwierig. Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Klausel für Kommunalwahlen abgeschafft. Deshalb kam es zu einer Splitterung der Lübecker Bürgerschaft. In der letzten Legislaturperiode waren zehn verschiedene Parteien vertreten. Jetzt kandidieren elf Listen. Eine Partei braucht bei 49 vorgesehenen Sitzen für einen Sitz in etwa zwei Prozentpunkte. CDU-Frau Röttger mahnt an: „Wir brauchen keine Splitterungen oder kurzfristigen Aktionismus. Wir brauchen den weiten Blick und im Grunde genommen die längerfristigen Perspektiven.“ Die Zersplitterung frustriert auch Jan Lindenau: „Es können keine verlässlichen Mehrheiten gebildet werden, die für verantwortungsvolle Politik zwingend erforderlich sind. Ständig gibt es wechselnde Positionen bei den kleineren Wählergemeinschaften. Setzt sich ein Mitglied einer Wählervereinigung mit seiner Ansicht nicht durch, gründen sich neue Fraktionen und Wählervereinigungen.“ Ganz anders sieht dies naturgemäß Pirat Dedow. „Als kleine Fraktion, oder auch als Parteiloser habe ich die Möglichkeit, auf […] Missstände aufmerksam zu machen, und kann Ideen einbringen.“ Dedow entschloss sich vor einigen Jahren, einen neuen Bürgerverband mit einigen Mitstreitern zu gründen, die „Bürger für Lübeck“ (BfL). Für diese Fraktion ist er 2009, nachdem eins der gewählten Fraktionsmitglieder aus Lübeck wegzog, in die Bürgerschaft eingezogen. Mittlerweile hat Dedow die BfL verlassen und ist bisher als Parteiloser in der Bürgerschaft. „Ich bin da momentan noch als Einzelkämpfer unterwegs, hoffe aber, dass wir nach der Wahl eine richtige Fraktion werden.“ Die Mitglieder einer Partei, die in die Bürgerschaft gewählt wurden, werden zur Fraktion, sobald sie mit mehr als drei Personen gewählt wurden.

Hier finden die Bürgerschaftssitzungen statt.

[media-credit id=16 align="aligncenter" width="645"] Hier finden die Bürgerschaftssitzungen statt.

Zusätzlich zur Splitterung der Parteienlandschaft ist auch die große Fluktuation an Abgeordneten ein Problem, in den letzten fünf Jahren wurden mehr als ein Drittel der Mitglieder ausgetauscht. Scheidet eine Person aus der Bürgerschaft aus, rückt der nächste auf der Liste nach, so auch Jan Lindenau und Oliver Dedow. Die Fraktionen bekommen dann von der Stadt einen gewissen Etat und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Insgesamt bekommen die Fraktionen zusammengerechnet 770.000 Euro von der Stadt. Dieses Geld wird zwischen den Fraktionen anhand der Mehrheitsverteilungen in der Bürgerschaft aufgeteilt. Die Fraktionen bezahlen von diesem Geld beispielsweise ihre Fraktionsgeschäftsführer. Dedow ist der Meinung, dass das zu viel Geld sei und möchte auf Missstände hinweisen: „Die Fraktion der Piratenpartei im Landtag hat das Geld, das übrigblieb von dem erhaltenen Fraktionsgeld, an das Land zurückgegeben. Das kommt bei anderen Parteien nicht so häufig vor. Da wird lieber noch eine Ausfahrt geplant.“

Doch was geht das ganze Diskutieren, Streiten und Beschließen nun Studenten an? Die meisten Studenten wohnen in Lübeck und sind hier wahlberechtigt. Aber ist Kommunalpolitik wirklich so wichtig für uns? Was wird da entschieden, das uns tatsächlich angeht? „Wo finde ich eine günstige Wohnung? Ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die Sie sich stellen müssen, oder?“, beantwortet Silke Mählenhoff von den Grünen diese Frage. In den letzten Jahren hat die Stadt größtenteils Eigentumswohnungen bauen lassen. In den nächsten fünf Jahren werden sich die Fraktionen dafür einsetzen, dass auch der soziale Wohnungsbau weitergeführt wird. Auch die Linken-Politikerin Jansen sieht dies genauso. Sie wirbt dafür, dass sich auch Studenten in der Kommunalpolitik einsetzen sollten. „In den einzelnen Parteien der Bürgerschaft gibt es zu wenig junge Leute, die vielleicht auch das ganze Geschehen in der Bürgerschaft umkrempeln könnten. Im Durchschnitt sitzen dort ja immer noch die Älteren.“ Jansen hält es auch für wichtig für Lübeck, dass es viele Studenten gibt. Sie ist noch immer beeindruckt von der „Lübeck kämpft“-Aktion im Sommer 2010. Auch die Frage nach Arbeitsplätzen ist für Studenten interessant. Einmal während des Studiums, aber auch danach. „Wir als CDU sind in dieser Hinsicht auch sehr bestrebt, dass wir hier in Lübeck auch bezahlte Arbeitsplätze schaffen“, erklärt Anette Röttger die Pläne ihrer Partei für die nächsten fünf Jahre. Die Bürgerschaft möchte Lübeck als Wissenschaftsstandort weiterhin stärken. Auch „Lübeck kämpft“ ist immer noch ein Thema für die Kommunalpolitiker. Die Kreativität und der Ideenreichtum der Studenten haben die Bürgerschaft beeindruckt. „Ich hätte gerne mehr von der Uni hier in der Stadt und vielleicht auch mehr von der Stadt in der Uni“, wirbt Grünenpolitikerin Mählenhoff für die Vernetzung von Uni und Stadt. Auch die Lübecker Schulen sollen mehr mit der Universität vernetzt sein.

Weitere Themen, die für Studenten relevant sind, sind wohl der Busverkehr, der ausgeweitet werden soll. Vielleicht wird es weitere Bahnstationen zusätzlich zu dem Bahnhof in St. Jürgen geben. Für Studenten mit Kind ist es wichtig, dass die Bürgerschaft sich für eine bessere und flexiblere Kinderbetreuung einsetzen will.

Mehr Transparenz für Lübeck

Weiterhin wird es in Lübeck um Transparenz in der Politik gehen. Die Piraten fordern bekanntermaßen schon lange eine öffentlichere Politik. Das Konzept wird auch „gläsernes Rathaus“ genannt. „Es wäre vielleicht einfacher für den Bürger, die Kommunalpolitik zu verstehen, wenn er den Politikern auch mal über die Schulter schauen könnte”, motiviert Pirat Dedow. Ein Schritt in diese Richtung ist das neue Bürger- und Ratsinformationssystem „Allris“. Das ist ein Internetportal, auf dem Informationen wie Verwaltungsvorlagen und politische Beschlüsse zur Verfügung gestellt werden. „Das sollte noch viel mehr ausgeweitet werden“, findet FDP-Kandidat Timon Kolterjahn. Einige der Parteien möchten sich dafür einsetzen, dass die Bürgerschaftssitzungen per Livestream im Internet übertragen werden. Durch Bookmarks können dann die Diskussionen über bestimmte Themengebiete findbar gemacht werden. „Von Bürgerbeteiligung halte ich sehr viel“, bestätigt auch Silke Mählenhoff (Grüne), „das finde ich sehr kostbar.“ Im Zeitalter des Internets werde man da eine Lösung finden können.

Dies ist auch nötig, denn der Mehrheit der Kommunalpolitiker fällt es gerade zu Wahlkampfzeiten auf, dass die Bürger nicht ausreichend informiert sind über das, was im Rathaus vorgeht. „Es kommt ja immer viel Protest, wenn es um Kürzungsgeschichten geht, wie Privatisierung oder sowas, dann gibt es immer einen großen Protest vor dem Rathaus“ sagt Antje Jansen (LINKE). „Ich höre leider in der Bevölkerung eine Verbitterung gegenüber der Politik. Ich mag mich manchmal schon gar nicht outen als Politiker, es käme häufig besser an, wenn ich Sportler wäre. Ich bitte aber alle anderen, dort mitzumachen und ihre Ideen einzubringen“, ruft Oliver Dedow von der Piratenpartei auf.

Die Frage ist nun, wer zieht eigentlich die Fäden in der Kommunalpolitik und wie viel Macht haben die gewählten Vertreter? „Der Souverän ist das Volk. Wir Politiker geben den Auftrag an die Verwaltung, etwas auszuarbeiten oder umzusetzen“, glaubt Silke Mählenhoff. Doch die Kandidaten, die bereits Mitglieder in der Bürgerschaft waren, sehen dies etwas anders. „Bürgerschaftsbeschlüsse werden durch die Verwaltung, möglicherweise aufgrund von Bearbeitungsvorgängen, anders mit Priorität versehen, als die Bürgerschaft sich dies wünscht.“, berichtet Jan Lindenau aus seinen Erfahrungen. Anette Röttger von der CDU sieht dies nicht ganz so eng: „Die Hauptverwaltung ist die hauptamtlich arbeitende Ebene, während die kommunalpolitische Ebene immer ehrenamtlich bleiben wird. Es ist nicht vorgesehen, dass die Kommunalpolitiker die Verwaltungsvorlagen erstellen sollen. Das würde auch nicht funktionieren.“ Auch Timon Kolterjahn von der FDP sieht die Situation kritisch: „Eigentlich müssen die gewählten Vertreter das alles beeinflussen. Mittlerweile ist der Spielraum sehr stark eingeschränkt.“ Er beschwert sich weiterhin, dass es nicht sein könne, dass die Verwaltung selbstständig entscheide und daraufhin die Politik gezwungen sei, einen Nachtragshaushalt einzureichen. „Das sind Sachen, die müssen schleunigst unterbunden werden.“ „Es gibt schon mal ein Kräftemessen zwischen Verwaltung und Politik“, sagt Jan Lindenau (SPD). „Wenn wir beispielsweise in die Finanzen mal hineinschauen wollen, wird das immer gleich boykottiert“, so Antje Jansen, die parteiübergreifend dazu aufruft, die Initiative zu ergreifen: „Der Bürgermeister steht der Verwaltung vor und der muss geknackt werden!“

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