Schule – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 04 Dec 2017 08:46:54 +0000 de-DE hourly 1 Ist die deutsche Bildung vergleichbar? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/ist-die-deutsche-bildung-vergleichbar/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/11/ist-die-deutsche-bildung-vergleichbar/#respond Mon, 06 Nov 2017 09:00:16 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=301702
Abimotto: Ein Abi ohne Abimotto? Unvorstellbar!Frederike Heiden | StudentenPACK.

Abimotto: Ein Abi ohne Abimotto? Unvorstellbar!

1,4 oder 1,9 im Abi? Die Antwort ist klar: 1,4. Doch was, wenn die unterschiedlichen Ergebnisse nicht auf Grund von unterschiedlichen Noten entstehen? Was ist, wenn man mit exakt den gleichen Noten unterschiedliche Durchschnittsnoten erreichen kann? Dann befinden wir uns im deutschen Bildungssystem!

Wir befinden uns in einem System mit 16 verschiedenen Abiturprüfungsordnungen – also mit 16 verschiedenen Bildungssystemen. Doch trotz dieser Unterschiede soll angeblich niemand einen Nachteil haben – egal aus welchem Bundesland er kommt.

Ich wollte dem auf den Grund gehen. Wie gleich – beziehungsweise wie unterschiedlich – ist das Abitur in den verschiedenen Bundesländern? Ist es wirklich vergleichbar? Im Rahmen meiner Recherche las ich alle 16 Abiturprüfungsverordnungen, die alle unterschiedlich leicht oder schwer aufzufinden sind. Gott sei Dank gibt es Wikipedia.

Während ich fleißig Seite um Seite las, stieß ich auf weitaus mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten.

Gemeinsamkeiten der Abiturprüfungsverordnungen

Zu den Gemeinsamkeiten zählt der gemeinsame Punktemaßstab. Jedes Bundesland bewertet von 0-15 Punkten. Man muss in jedem Land in Block I mindestens 200 Punkte und in Block II mindestens 100 Punkte erreichen, um das Abitur zu bestehen. Der erste Block beinhaltet alle Noten aus den vier Halbjahren, während in den zweiten Block die Prüfungsnoten mit einfließen. Die Aufteilung in Block I und Block II ist in jedem Bundesland vorhanden und die groben Inhalte sind äquivalent. Daraus folgt natürlich, dass die Punktetabelle, nach der die Abiturnote festgelegt wird, ebenso in ganz Deutschland einheitlich ist. Doch hier hören so langsam die Gemeinsamkeiten auf. Die Art und Weise, wie man die Mindestpunktzahl in den Blöcken erreicht, unterscheidet sich stark. Während in zehn Bundesländern fünf Prüfungen Pflicht sind, gibt es drei Bundesländer, in denen das Abitur in nur vier Prüfungen abgenommen wird. In den restlichen drei Bundesländern können sich die Schüler aussuchen, ob sie sich in vier oder fünf Fächern prüfen lassen wollen. In Schleswig-Holstein können die Abiturienten wählen, ob sie zusätzlich zu ihren drei schriftlichen Prüfungen nur eine oder zwei mündliche Prüfungen absolvieren möchten. In fast allen Abiturprüfungsordnungen steht geschrieben, dass die mündliche Prüfung gegen eine besondere Lernleistung (BLL) ersetzt werden kann. Eine BLL kann aus einem vom Land oder Bund geförderten Wettbewerb, einer Jahres- oder Semesterarbeit, den Ergebnissen eines umfassenden und eventuell fachübergreifenden Projekts oder Praktikums oder einem Thema, für das sich der Schüler sehr stark interessiert, bestehen.

Wer jetzt vermutet, dass die fünf Prüfungen in jedem Bundesland gleich ablaufen, liegt falsch. Denn auch bei den Ländern, die die gleiche Anzahl an Prüfungen haben, gibt es Unterschiede. Viele verlangen vier schriftliche und eine mündliche Prüfung. Einige Bundesländer jedoch haben nur drei schriftliche Prüfungen, dafür dann jedoch zwei mündliche. Während in einigen Bundesländern zwischen normaler mündlicher Prüfung und Präsentationsprüfung gewählt werden kann, gibt es in anderen Ländern lediglich die „stinknormale“ mündliche Prüfung.

Eine weitere Gemeinsamkeit findet sich darin, dass die Prüfungen in Kunst, Musik oder Sport aus einem theoretischen und praktischen Teil bestehen. Jedoch muss man in Bayern schon recht früh wissen, ob man diese Prüfungen ablegen möchte, denn dann muss man während der Oberstufe das sogenannte Additum, einen doppelstündigen Zusatzkurs, belegen.

Die verschiedenen Abiturprüfungen in den Bundesländern.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die verschiedenen Abiturprüfungen in den Bundesländern.

G8 oder G9?

Ein Thema, welches regelmäßig öffentlich von den Ländern diskutiert wird, ist „G8 oder G9“? In den letzten 15 Jahren haben alle Bundesländer versucht, sich dem internationalen Standard des Abitur in zwölf Jahren (G8) anzupassen, doch vor allem die westlichen Bundesländer sind sehr unzufrieden damit und wollen ihren Schülern lieber 13 Jahre (G9) Zeit lassen. Momentan ist Niedersachsen wieder vollständig zu G9 zurückgekehrt, Rheinland-Pfalz hatte nie flächendeckend G8 eingeführt und Bayern möchte ab dem nächsten Schuljahr zu G9 zurückkehren. Auch Schleswig-Holstein ist unzufrieden mit G8 und möchte zu G9, eventuell nicht ganz einheitlich, zurück. In den anderen alten Bundesländern herrscht entweder Wahlfreiheit an den Schulen, ob sie G8 oder G9 anbieten, oder es wird meist an Gymnasien G8 angeboten, an Stadtteilschulen oder Privatschulen hingegen können Schüler ihr Abitur nach der 13. Klasse abschließen. Doch was ist mit den neuen Bundesländern? Die sind voll und ganz zufrieden mit G8.

Die Vielfalt der Kurssysteme

Verzeiht es euren Kommilitonen, dass sie euch verdutzt anschauen, wenn ihr sie fragt, welches Profil sie hatten, denn außer den Schülern aus Schleswig-Holstein haben nur die Niedersachsen und die Hamburger sogenannte „Profile“ in der Oberstufe. Die Profile bestimmen den Schwerpunkt, zum Beispiel sprachlich, naturwissenschaftlich, sportlich oder ästhetisch, den der Schüler in der Oberstufe belegen wird. Im naturwissenschaftlichen Profil kann beispielsweise das profilgebende Fach Biologie sein und die profilbegleitenden Fächer Informatik und Geographie. In dem profilgebenden Fach muss eine Abiturprüfung abgelegt werden.

Im Großteil der Bundesländer herrscht das Prinzip von Leistungs- und Grundkursen. Es ist nicht immer gleich, wie viele davon belegt werden müssen. Doch was in Berlin, Bremen oder Sachsen Grund- und Leistungskurse heißt, heißt im Saarland E- und G-Kurse. Dahingegen nennt man sie in Brandenburg Fächer auf erhöhtem und grundlegendem Anforderungsniveau. In Mecklenburg-Vorpommern meint man auch das gleiche, nennt es dort aber Hauptfächer und Fächer. Etwas ausgefallener mögen es die süddeutschen Bundesländer. In Baden-Württemberg scheint es nichts Äquivalentes zu geben. Die Schüler dort müssen unter bestimmten Voraussetzungen fünf Kernfächer wählen. Das ist leicht verwirrend, denn in den meisten Abiturordnungen sind die Kernfächer definiert als: Deutsch, Mathe und eine fortgeführte Fremdsprache. Die Bayern haben auch ein ganz eigenes System aus Wahl-, Pflicht- und Profilbereichen. Der Begriff Profilbereich ist irreführend, denn hinter diesem Bereich verbirgt sich die Wahl des Wissenschaftspropädeutischen Seminars und des Projekt-Seminars. Im Wissenschaftspropädeutischen Seminar müssen die bayrischen Schüler eine Seminararbeit schreiben, welche Einfluss auf die Abiturnote hat. Das Projekt-Seminar dient der Studien- und Berufsorientierung. Ebenso zählt zu dem Profilbereich das vorher erwähnte Additum.

Gleiche Noten für alle?

Beim Durcharbeiten der Abiturverordnungen fiel mir auf, dass in einigen Bundesländern viel mehr Wert auf Sprachen als auf Naturwissenschaften gelegt wird. Da ich nicht ohne Grund an einer sehr naturwissenschaftlichen Universität studiere, stellte ich mir die Frage, ob naturwissenschaftlich begabte Schüler, die man mit Sprachen nur so jagen kann, in einigen Bundesländern benachteiligt werden.

Um das zu überprüfen, dachte ich mir zwei Schüler aus. Angelo, der sehr begabt in Sprachen ist, dafür jedoch nicht so gut in den Naturwissenschaften, und Martina, die wiederum sehr viel Talent in den Naturwissenschaften zeigt, jedoch mit den Sprachen auf Kriegsfuß steht. Mithilfe eines Abirechners (https://www.schuelerpilot.de/abirechner) errechnete ich jeweils für beide ihre Abiturnoten in den 16 Bundesländern. Damit eine möglichst hohe Vergleichbarkeit herrscht, gab ich beiden in der Gesamtheit die gleichen Noten. In allen Fächern des gesellschaftswissenschaftlichen Bereichs, in Kunst, Musik oder Darstellendem Spiel und in Sport haben die beiden in jedem Halbjahr 11 Punkte erreicht, wenn sie in einem der Fächer eine Prüfung ablegen sollten, dann haben sie dort ebenfalls 11 Punkte erworben. Übrig bleiben nun nur noch alle Fächer des mathematisch-naturwissenschaftlichen-technischen Bereichs, Deutsch sowie alle Fremdsprachen. Angelo hat durchgängig in Deutsch und den Fremdsprachen in allen Halbjahren inklusive der Prüfungen 14 Punkte bekommen, während er nur 7 Punkte in den Naturwissenschaften bekam. Martinas Noten waren genau umgekehrt.

Die Varianz der Abiturnoten überrascht. Angelo erreichte seinen besten Abiturdurchschnitt in Hamburg mit 1,4. Sein schlechtestes Ergebnis mit einem Durchschnitt von 1,9 erhielt er in Rheinland-Pfalz. 1,9 war auch sein Ergebnis in Baden-Württemberg, jedoch erwarb er hier 2 Gesamtpunkte mehr. Ganz anders sieht das Verhältnis bei Martina aus. Ihren besten Durchschnitt von 1,6 hätte sie in Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Dagegen sollte sie besser nicht in Bayern oder Thüringen ihr Abitur machen, denn da würde sie nur einen Schnitt von 2,0 erreichen, wobei in Thüringen die 4 Punkte mehr den Schnitt auch nicht ändern. Im direkten Ländervergleich erreichten Martina und Angelo in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf die Punktzahl genau die gleiche Note. In den Fällen, in denen sich die Durchschnitte unterscheiden, ist Angelo immer besser als Martina und das trotz gleicher Noten. Das liegt daran, dass in diesen Bundesländern in den Abiturprüfungen zwei der Kernfächer (Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache) gewählt werden müssen oder alle drei Pflicht sind. Alleine durch diese Regelung ist Martina benachteiligt, denn ihr liegt nur ein Fach, Angelo jedoch zwei dieser Fächer. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Warum werden heutzutage naturwissenschaftlich begabte Schüler benachteiligt, wo doch sprachliche Berufe genauso wichtig sind wie MINT-Berufe?

Doch wie groß waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Abiturdurchschnitten zwischen Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern wirklich? Martina hatte dort immer einen um 0,2 schlechteren Abidurchschnitt. Sei es nun in Bayern oder Thüringen, wo Angelo mit 1,8 abschnitt, Martina sich aber mit einer 2,0 zufriedengeben musste, oder in Hamburg, wo Angelo mit einer sehr guten 1,4 abschloss, Martina jedoch im Gegensatz dazu nur eine 1,6 erhielt. Hier im “Echten Norden” hätte Angelo mit einem Schnitt von 1,6 besser abgeschnitten als Martina in ihrem naturwissenschaftlichen Profil mit 1,8.

Die Abiturdurchschnitte von Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die Abiturdurchschnitte von Angelo und Martina in den einzelnen Bundesländern.

Namensdiversität

Eine Kleinigkeit, die mir die Recherche und das Berechnen der Abinoten erschwerte, war die Tatsache, dass vor allem die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer in den Ländern sehr unterschiedlich heißen und zudem auch unterschiedliche Inhalte haben. Gibt es einerseits in einigen Bundesländern nur die Wahl zwischen Religion und Philosophie, so kann man sich in den anderen Ländern zwischen Religion und Ethik entscheiden. In Niedersachsen wird die Alternative zum Religionskundeunterricht „Werte und Normen“ genannt. Was in vielen Bundesländern Geographie heißt, heißt in anderen Erdkunde.

Und hinter die Unterschiede zwischen Wirtschaft, Wirtschaft und Politik, Sozialkunde, Politik/Gesellschaft/Wirtschaft, Politik, Gemeinschaftskunde und Wirtschaft und Recht zu steigen ist ebenfalls nicht leicht. Auch hier stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit. Welches Fach vermittelt welche Inhalte? Und woher soll jede Universität, jede Fachhochschule und jeder Arbeitgeber in jedem Bundesland die Unterschiede kennen?

Einheitliche Bildung?!

Im Rahmen meiner Recherche stellte ich mir die Frage, warum es keine einheitliche Bildungspolitik in Deutschland gibt. Um diesen Aspekt besser analysieren zu können, schrieb ich die Mitglieder der Kultusministerkonferenz (KMK) jedes Bundeslandes an und befragte sie zu ihrer Meinung. In der KMK sitzen alle für Bildung und Kultur zuständigen Minister und Senatoren.

Eine Aufgabe der Kultusministerkonferenz ist, die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit von Zeugnissen und Abschlüssen als Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung zu vereinbaren.

Die Kultusminister der Länder Sachsen, Baden-Württemberg, Saarland, Brandenburg, Bremen und Hessen sind sich einig, dass der Beschluss vom Oktober 2012 über die bundesweit einheitlichen Bildungsstandards in den Fächern Mathematik, Deutsch und einer Fremdsprache bei der allgemeinen Hochschulreife und der gemeinsam eingeführte Aufgabenpool für mehr Vergleichbarkeit und Anerkennung von Abschlüssen sorgen. „Es ist damit aber sichergestellt, dass jede Schülerin und jeder Schüler bundesweit am Ende einer gewissen Jahrgangsstufe die gleichen Kenntnisse und das gleiche Wissen vorweisen kann“, sagt die brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst.

Einig sind sich die Kultusminister darüber, dass der Bildungsföderalismus bleiben soll und seine Vorteile hat. Ein Vorzug des Bildungsföderalismus liegt für den hessischen Kultusminister R. Alexander Lorz in der „Beachtung regionaler Besonderheiten und [in der] größeren Nähe zu den tatsächlichen Problemen“. Diese Meinung vertritt auch Herr Commerçon, der saarländische Kultus- und Bildungsminister. „Lösungen, die in Wolgast passen, passen nicht in Rüsselsheim“ bringt es Herr Lorz auf den Punkt. Seiner Meinung nach würden die Entscheidungswege zu kompliziert, wenn die Entscheidungen in Bildungsfragen in Berlin getroffen werden würden und es eine Einheitsschule, an der Einheitslehrer nach Einheitsvorgaben unterrichten würden, gäbe. Dies möchte sich der hessische Kultusminister nicht vorstellen.

Frau Ernst plädiert für den Bildungsföderalismus: „Im Sinne der gewollten Vielfalt im Bildungswesen wird auf Detailregelungen verzichtet, um Raum für Innovationen zu lassen.“

Meinungen zur Aufhebung des Kooperationsverbots

Uneinigkeit herrscht bei dem Thema Aufhebung des Kooperationsverbots. Dieses beschreibt die Regelung, dass der Bund keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder ausüben darf, insbesondere nicht durch die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen. Die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen stellten in der 960. Sitzung des Bundesrates den Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbots. Herr Ministerpräsident Weil aus Niedersachsen erwähnte im Rahmen dieser Sitzung, dass es bei der Einführung des Kooperationsverbotes darum ging, Mischkompetenzen zu vermeiden. Frau Senatorin Scheeres aus Berlin forderte auf: „Anstelle einzelner kleiner Reformschritte […] sollten wir mutig sein, Gemeinschaftsaufgaben zu formulieren und festzuschreiben. […] Es geht darum, bestimmte große Aufgaben gemeinsam anzupacken. Es geht darum, bestimmte Standards gemeinsam zu formulieren und in Deutschland sicherzustellen. […] Wenn wir das Kooperationsverbot überwinden, würde es gelingen, ein Programm für inklusive Schulen auf den Weg zu bringen, so dass alle Kinder und Jugendliche in Deutschland die Möglichkeit haben, in unseren Schulen ein inklusives Angebot zu erhalten.“

Frau Senatorin Dr. Bogedan aus Bremen bemängelt, dass der Bund heute etwa fünf Prozent des Gesamthaushaltes für Bildung aufwendet, während die Länder kontinuierlich immer größere Anteile ihrer Haushalte für Bildung aufwenden. „Eltern und Kindern ist es nicht mehr vermittelbar, dass es angeblich der Generationengerechtigkeit dient, wie der Bund trotz steigender Einnahmen zusieht, wie in den finanzschwachen Kommunen Schulgebäude verfallen und es beispielsweise an digitaler Infrastruktur fehlt.“ fügt Frau Dr. Bogedan hinzu. Frau Staatsministerin Dr. Hubig aus Rheinland-Pfalz sieht dies ähnlich: „Wir müssen eine tragfähige Grundlage schaffen, auf der Bund und Länder verlässlich Verabredungen treffen können, die dann für alle Beteiligten gelten. […] Dabei muss klar sein, dass die Verantwortung für die Bildung natürlich bei den Ländern liegt. An dieser großen Errungenschaft unseres Grundgesetzes wollen und dürfen wir nicht rütteln.“

Kultusminister Lorz aus Hessen sieht den Antrag einer Erklärung gleichkommen, dass die Länder ihre Kernaufgabe nicht erfüllen können und diese nur noch unter „dem Dach des Bundes erledigen könnten“ und „deshalb ihre Kompetenzen abgeben“ müssten.

Herr Bildungsminister Holter aus Thüringen ist der Meinung, dass „mit einer Aufhebung des Kooperationsverbotes […] sich der Bund an der Finanzierung gemeinsamer Bildungsaufgaben beteiligen [kann], ohne dass die föderale Verantwortung der Länder in Frage gestellt wird.“ Ergänzend schreibt Herr Holter: „Wir brauchen eine deutlich bessere Anerkennung der Bildungsleistungen über die Ländergrenzen hinweg. In einer Zeit, in der immer wieder Mobilität gefordert wird, dürfen Ländergrenzen keine Bildungsschranken sein!“ „Wenn wir wirklich eine ‚Bildungsrepublik Deutschland‘ werden wollen, brauchen wir eine neue Kooperationskultur zwischen Bund und Ländern. Dazu gehört auch eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Bildungsausgaben.“, stimmt Herr Commerçon aus dem Saarland zu.

Frau Staatsministerin Kurth aus Sachsen betont in ihrer Stellungnahme, dass „für Sachsen […] der Bildungsföderalismus ein Glücksfall“ ist. Die Verlässlichkeit und Kontinuität des sächsischen Schulsystems seien eine große Stärke. Frau Kurth unterstreicht: „Auf den Lehrer kommt es an! Unsere Lehrer konnten sich auf den Unterricht und auf ihre Schüler konzentrieren, statt sich dauernd in neuen Schulstrukturen oder Rahmenvorgaben orientieren zu müssen.“

Schüler: Zu Lernen bleibt beim Abitur nicht aus.Kevin Seelig

Schüler: Zu Lernen bleibt beim Abitur nicht aus.

Ein Fazit?

Zu Beginn meiner Recherche sprach für mich nichts gegen eine bundeseinheitliche Bildungspolitik. Doch je mehr ich mich mit der Thematik beschäftigte, desto mehr stimme ich mit den Politikern überein, dass es gut so ist, dass Bildung Ländersache ist. Trotzdem ist für mich die Bildung in Deutschland weder vergleichbar noch gerecht.

Wenn man in jedem Bundesland auf Grund anderer Regeln, Einbringungs- und Belegungsverpflichtungen, nicht den gleichen Abiturdurchschnitt erreichen kann und das mit exakt den gleichen Noten, dann ist dies für mich nicht vergleichbar. Wenn Schüler nur auf Grund ihrer Affinität zu den Naturwissenschaften in einigen Bundesländern schlechtere Durchschnitte erreichen, ist das nicht gerecht. Ich wäre für eine einheitliche Grundregelung, so dass in jedem Bundesland die gleiche Anzahl von Prüfungen abgenommen wird. Mathe und Deutsch sollten die einzigen fest vorgeschriebenen Abiturprüfungen sein, denn durch alle anderen Regelungen wird regelmäßig jemand benachteiligt. Deutsch und Mathe sind schon immer Grundlagenfächer gewesen, da wird auch niemand widersprechen, wenn diese Fächer verpflichtend sind. Ebenfalls sollte einheitlich sein, wie viele Kurse insgesamt eingebracht werden müssen, denn vor allem auf Grund der Unterschiede in der Einbringungspflicht entstehen die rein rechnerisch bedingten Differenzen in den Abiturdurchschnitten.

Doch manchmal können Schüler mit gleichem Wissen in unterschiedlichen Ländern nicht die gleiche Note erreichen, da vom Niveau her unterschiedliche Arbeiten geschrieben werden. Um dies gerechter zu machen, wurde das sogenannte Zentralabitur eingeführt. Jedes Bundesland gibt Aufgaben, die Lehrer ausgesucht haben, in einen Aufgabenpool. Die Aufgaben werden gegebenenfalls noch ein wenig angepasst. Zur Abiturprüfung dürfen sich die Länder aus diesem Pool Aufgaben wählen. Jedoch müssen nicht sehr viele Aufgaben aus diesem Pool abgeprüft werden, weswegen dann doch wieder die Uneinheitlichkeit von vorher herrscht.

Ich denke ebenfalls, dass eine Einigkeit bei der Frage „G8 oder G9?“ mehr Gerechtigkeit bringen würde. In drei Jahren Oberstufe kann mehr Unterrichtsstoff durchgenommen werden als in zwei Jahren. Dadurch gehen die Schüler schon mit unterschiedlichen Vorausetzungen an die Universitäten, sodass diese im ersten Semester erst versuchen müssen, alle auf ein Niveau zu bringen.

Letztendlich ist die Bildungspolitik nicht einfach zu gestalten, da bin ich mir sicher. Trotzdem gibt es an vielen Ecken Verbesserungsbedarf, sei es nur erstmal die Sanierung vieler Schulen.

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Ich werde Lehrerin https://www.studentenpack.de/index.php/2016/04/ich-werde-lehrerin/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/04/ich-werde-lehrerin/#respond Mon, 18 Apr 2016 07:55:06 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=234537 Seit wenigen Wochen habe ich mein Referendariatszeugnis in der Hand. Ab sofort darf ich mich als Lehrerin für Informatik und Mathematik deutschlandweit an Gymnasien bewerben. Dabei habe ich nie auf Lehramt studiert. Es hat ganz anders als üblich angefangen: mit einem Informatikstudium. Als ich den Master in der Tasche hatte, zog es mich jedoch nicht in die nächste Firma oder zu einer Start-up-Gründung. Es zog mich in die Schule. Weil ich mit Informatik ein Mangelfach (korrekter: „Fach besonderen Bedarfs“) im Master grundständig studiert habe und zusätzlich ausreichend viele Inhalte für ein zweites Schulfach (Mathe) vorweisen konnte, durfte ich zum Beispiel in Niedersachsen einfach so, also ohne weitere Zwischenschritte, als sogenannter Quereinsteiger in das Referendariat starten. Nur noch ein halbstündiges Gespräch bei der Landesschulbehörde musste ich mit „geeignet“ bestehen und schon war ich zugelassen für das Referendariat, das mich heute nach meinem Bestehen jedem Gymnasiallehrer in Niedersachsen, der voll auf Lehramt studiert und dann das Referendariat bestanden hat, gleichstellt. Das heißt beispielsweise, dass auch ich im Schuldienst verbeamtet werden kann.

Warum ins Lehramt?

Die Idee, ins Lehramt zu gehen, kam in mir immer mal wieder auf, immer wieder bei meinen Hiwi-Jobs als Tutorin und ganz besonders dann, als ich an der Uni auch Schülerangebote wie das Informatik Summer Camp mit vorbereitete und betreute. Ich wollte meine eigene Begeisterung für das Fach gern weitergeben und bin an meiner Ausbildungsschule auf Schüler gestoßen, die sich begeistern lassen wollten. Vielleicht lag es an der Schule, vielleicht ist Informatik aber auch ein Fach, das polarisiert. Und da es, jedenfalls in Niedersachsen, kein Pflichtfach ist, kamen dann auch viele Hochinteressierte.

Unterrichten im Alltag

Von Tag eins des Referendariats an wurde ich den Schülern als Lehrer vorgesetzt – eine Einarbeitungszeit oder vorangegangene Hospitation gab es nicht. Man muss sich zunächst also selbst durchbeißen und stellt fest, dass die Verantwortungsbereiche nicht immer dort liegen, wo man sie erwartet hat. So hatte ich beispielsweise große Verantwortung für schöne, ordentliche Schulhefte – besonders in der sechsten Klasse. Nicht, dass mir selbst das immer so präsent gewesen wäre, aber insbesondere meine Schülerinnen erinnerten mich immer wieder mal liebevoll daran. Es fing an mit den Farben: “Frau Mielke! Ich habe aber gar keinen lila Stift dabei. Kann ich auch grün nehmen?” Während ich in den ersten Wochen noch dachte, dass es doch völlig schnuppe sei, welche Farbe nun, gingen meine Gedankengänge nach wenigen Monaten eher so:

Warum zum Kuckuck habe ich lila genommen?! Grün? Grün werden nachher die Nenner unterstrichen! Das geht nicht. Blau vielleicht… nein, zu tintenähnlich. Gelb? Sieht man kaum. Rot? Merksatzrahmenfarbe. Braun? Hässlich. Ratlosigkeit.

„Nimm einfach braun.“

„Hab ich auch nicht.“

Neben der sicherlich hochinteressanten Frage der geeigneten Farbe (die plane ich nun bereits im Voraus der Stunde!), war eine der ersten Fragen, die ich mir bereits vor Antritt des Referendariats stellte, eine Frage zu den Inhalten der Informatik: Kann man Schülern an der Schule überhaupt „echte“ Informatik beibringen oder geht es, wie früher häufig üblich, eigentlich um Word und Power Point?

Informatik an „meiner“ Schule

Wenn eine Schule Informatik anbietet, ist heutzutage – jedenfalls laut Lehrplan – auch so etwas wie Informatik drin. Und ich muss ehrlich gestehen, dass ich erstaunt war, was Schüler von heute an meiner Ausbildungsschule im Bereich Informatik so lernen konnten: In Klasse acht konnten diejenigen, die als projektartiges Wahlfach Informatik & Technik gewählt haben, mit Arduinos, also kleinen, programmierbaren Mikrocontrollern, Playmobilhäuser steuern. Sie haben LEDs, Lichtsensoren und Alarmanlagen eingebaut, verrückte Türöffnungskonstruktionen gebastelt und das Türöffnen über Bewegungsmelder ausgelöst. Sie haben Lego Mindstorms-Fahrzeuge auf Linien fahren lassen und Wettbewerbe durchgeführt, welches Fahrzeug zuerst die meisten Dosen umwirft. Und in Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag haben Elftklässler den Sechstklässlern Programmieren mit der visuellen Programmiersprache Scratch beigebracht.

Ab Klasse 10, in der der projektartige Charakter abnimmt und Informatik als „normales“ Unterrichtsfach neben anderen gewählt und auch als Abiturfach belegt werden kann, geht es dann auch um Dinge wie Algorithmik (inklusive Rekursion), Modellierung (zum Beispiel Klassenentwurf, Datenstrukturen wie Schlangen und Stapel), Datenbanken, Sicherheit (ich habe auch RSA und den Diffie-Hellman-Schlüsselaustausch unterrichten können) und vieles mehr. Die Abiturempfehlungen für 2017 geben das vor. Dafür, dass in Klasse zehn nur 90 Minuten pro Woche und in Abiturkursen 180 Minuten pro Woche zur Verfügung stehen, enthalten die Vorgaben fürs Abitur einen erstaunlich umfangreichen Querschnitt durch die Studieninhalte.

Kann man sich als Lehrer, der eigentlich aus der „puren“ Informatik kommt, trotzdem langweilen? Unabhängig vom Unterrichtsfach kommt man inhaltlich im Unterricht natürlich nie so weit wie im Studium, dennoch fühle ich mich intellektuell alles andere als unterfordert. Im Lehrerberuf ist es häufig nicht das Problem, die Inhalte selbst zu verstehen, wobei es natürlich auch hier Ausnahmen geben kann. Das Problem ist, die Inhalte in der so kurzen zur Verfügung stehenden Zeit für Schüler zugänglich zu machen. Nun arbeiten Schüler etwas anders als Studenten. Sie machen zwar Hausaufgaben, aber in der Oberstufe darf ich für ein 180-Minuten-Fach grob eine Stunde pro Woche für Hausaufgaben „blockieren“, damit die Schüler nicht auf mehr als zwei Stunden pro Tag kommen. Einführen, Verstehen und Üben müssen also bereits Teil der Unterrichtsstunde sein. Eine Vorlesung zu halten und die Schüler zuhause weiterarbeiten zu lassen ist daher nicht drin. Für mich war das anfangs eine große Hürde, denn mir fehlten schlicht die Beispiele und meine eigene Schulzeit lag nun ein paar Jährchen zurück. Aber genau diese Denkleistung macht für mich das Unterrichten zu etwas besonders Anspruchsvollem und zu einer hoch kreativen Arbeit, in der ich entscheiden darf und muss, mit welchem Material, mit welchen Vereinfachungen oder Metaphern, mit wie viel Abstraktion und wie viel Beispiel und in welcher Arbeitsform ich die Schüler erreichen kann. Während des Referendariats steht auch genau das auf dem Prüfstand.

So ganz allein ist man als angehender Lehrer im Referendariat mit den neuen Aufgaben und Eindrücken allerdings nicht. Wöchentlich finden verpflichtende Seminarveranstaltungen statt, in denen neben der Pädagogik (also im Wesentlichen der Frage, wie man mit Schülern umgehen sollte) die Transformation von Inhalt in Unterricht thematisiert wird. In sogenannten Unterrichtsbesuchen wird man zusätzlich vom eigenen Pädagogen und den Fachleitern zum eigenen Unterricht beraten – und am Ende von ihnen bewertet.

Fast so etwas wie eine Einstellungsgarantie

Insgesamt war das Referendariat anstrengend, aber ich habe an keinem Tag bereut, diesen Weg gegangen zu sein. Ich hoffe, dass noch viele Andere diesen Weg für sich entdecken und mithelfen, die Informatik in die Schulen zu tragen. Die politischen Mühlen mahlen langsam. Vor kurzer Zeit wurde der Vorstoß gewagt, Informatik als Pflichtfach in Niedersachsen einzuführen. Auch in Schleswig-Holstein ist das immer wieder mal in der Diskussion. Die Einführung des Pflichtfachs in Niedersachsen wurde dann doch gebremst – mit der Begründung, es fehlten Informatiklehrer. Kein Wunder, schließlich werden kaum welche für den Schuldienst ausgebildet. Viele Schulen hoffen jedoch trotz der noch sehr informatikarmen Bildungslandschaft darauf, dass sie Informatik anbieten können, denn auch die Eltern und Schüler haben erkannt, dass diese sowohl im privaten Umfeld als auch allgemeinbildend zunehmend an Bedeutung gewinnt. Daher hat ein ausgebildeter Informatiklehrer zur Zeit auch fast so etwas wie eine Einstellungsgarantie.

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