Linden – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Tue, 20 Dec 2016 12:32:39 +0000 de-DE hourly 1 Lübecks Linden kleben lassen? https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/luebecks-linden-kleben-lassen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/luebecks-linden-kleben-lassen/#comments Mon, 12 Dec 2016 09:00:43 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=252290
Die aktuelle Situation an der Untertrave.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Die aktuelle Situation an der Untertrave.

Das geparkte Fahrrad hast du unter einer der Linden an der Untertrave abgestellt und es ist Spätsommer. Der Lenker klebt und die Hose will den Sattel auch nicht mehr loslassen. Dieses sehr bekannte Problem wird durch den Honigtau von Blattläusen, die eine Vorliebe für Linden haben, verursacht. Vielleicht werden in naher Zukunft durch die Linden verklebte Lenker nicht mehr an der Untertrave auffindbar sein, denn sie soll umgebaut werden.

Um über diese Umbaupläne zu entscheiden, wird es am 18. Dezember einen Bürgerentscheid geben. Der Grund für diesen Entscheid ist die Unterschriftensammlung des Aktionsbündnisses “Lübecks Linden Leben Lassen” zum Erhalt der Winterlinden an der Untertrave. Deshalb können alle in Lübeck Gemeldeten über die Frage „Sollen die vorhandenen Winterlinden der Straße An der Untertrave zwischen der Braunstraße/Holstentor und der Drehbrücke erhalten bleiben und die Umgestaltungspläne entsprechend geändert werden?“ mit Ja oder Nein abstimmen.

Sollte die Mehrheit mit Ja antworten, so wird es, laut Stadt, keinen Umbau der Untertrave geben, denn dann fielen bis auf die Fördergelder durch die Städtebauförderung alle Fördergelder weg und Lübeck könne sich den Umbau aus eigenen Mitteln nicht leisten. Das bedeutet, dass die Untertrave wohl so bliebe, wie sie jetzt ist, denn die Bürgerschaft würde sich gegen den Umbau entscheiden. Und ohne die Ermächtigung durch die Bürgerschaft kann der Bürgermeister den Umbau nicht in Auftrag geben. Antwortet die Mehrheit mit Nein, könne die Untertrave mittels 10,5 Millionen Euro Fördergeldern aus mehreren Quellen und einem geringen Eigenanteil umgebaut werden.

Seit wann besteht der Umbauwunsch?

1960 wurden die Linden an die Untertrave gepflanzt und der Boden bis an den Stamm durch Steinplatten versiegelt. Damals war dort Hafen- beziehungsweise Industriegebiet. Neben den Schiffen, die dort anlegten, fuhr die Bahn zum Verladen der Güter neben die Schiffe. Um die Schiffe und andere Fahrzeuge betanken zu können, gab es mehrere Zapfsäulen, die den Boden kontaminierten. Mit der Planung der Nordtangente, dem Bereich um die Erik-Warburg-Brücke, in den neunziger Jahren erwog die Stadt den Umbau des westlichen Altstadtrandes. Durch Bürgerbeteiligungen wurde schnell klar, dass die Einwohner grundsätzlich für einen Umbau waren. 1999 gab es nicht nur Gespräche und Informationsveranstaltungen zwischen der Stadt und den Bewohnern des Gebietes, sondern auch mehrere Workshops. Das Ergebnis: Die Menschen wünschten sich eine maritime Flaniermeile mit Hafen, Bänken, Bäumen und Picknickmöglichkeiten – also einen öffentlichen Raum für alle. 2003 rief Lübeck einen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des westlichen Altstadtrandes aus, bei dem 15 Planungen eingereicht wurden. Der Gewinner war das Lübecker Büro Trüper Gondesen Partner.

So soll die Untertrave aussehenTGP

So soll die Untertrave aussehen

Zuerst wurde der Bereich „An der Obertrave“ umgebaut, denn für den Bereich „An der Untertrave“ fehlten Fördermittel. Mit dem Bau des Hansemuseums wurde der ursprüngliche Plan in Zusammenarbeit mit dem Gewinner überarbeitet, sodass eine einheitliche Verbindung zwischen Hansemuseum und Holstentor entstehen würde. Die Finanzierung plante die Stadt schon 2012 mit Fördermitteln aus dem Städtebaufördermittelprogramms „Sanierung und Entwicklung“. 2015 kam der nächste Fördermittelgeber „Nationale Projekte des Städtebaus“, zu dessen Zielgruppen nicht nur UNESCO-Welterbestädte, sondern auch Projekte mit nationaler Bedeutung zählen. Durch solche Fördermittel muss die Stadt die Kosten in Höhe von 15,5 Millionen Euro nicht alleine tragen. Die Zusammensetzung der Fördermittelquellen ist einmalig: 5,7 Millionen Euro kommen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, 3,4 Millionen aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“, 1,4 Millionen aus dem Städtebauförderungsprogramm „Sanierung und Entwicklung“ und 1,7 Millionen Euro kommen von den Anwohnern über den Kommunalabgabenbeitrag. Lübeck müsste somit laut aktueller Planung von 2016 bis 2018 3,5 Millionen Euro investieren. Doch in Kürze werden die europäischen Fördermittelfonds aus verschiedenen Gründen eingestellt. Sollten die Bürger also mit Ja stimmen und ein neuer Plan für die Untertrave notwendig werden, fehlen diese Geldquellen. Dann würde es laut Stadt und Land zu keinem Umbau mit den Linden kommen, denn die Hansestadt kann sich aufgrund der schlechten Haushaltslage keinen Umbau der Untertrave aus eigenen finanziellen Mitteln leisten. Des Weiteren hat die Bürgerschaft angekündigt, sie werde nicht für einen Umbau mit Erhalt der Linden stimmen.

Was ist an der Untertrave geplant?

Die Untertrave soll komplett saniert, der kontaminierte Boden entfernt und ausgetauscht werden. Die 48 Winterlinden, die sich laut erstem, von der Stadt in Auftrag gegebenen, Baumgutachten in einem schlechten Zustand befänden, sollen gefällt und durch 60 Schwedische Mehlbeeren ersetzt werden. Der Vorteil dieser in Nordeuropa vorkommenden Baumart ist laut Christine Korezky vom Bereich Stadtplanung und Bauordnung, dass sie zum einen nicht „kleckern“, also unter anderem Bänke und Autos zum Kleben bringen, zum anderen aber vor allem in ihrem Höhenwachstum die Stadtansicht auf das UNESCO-Welterbe „Lübecker Altstadt“ nicht verdecken. Es könne zudem nicht wieder zu oberflächlichem Wurzelwachstum kommen, denn die Pflanzbeete seien breiter und tiefer und die Bodenbedingungen besser als damals bei den Linden.

Bürgermeister Bernd Saxe und Produzent Leo Bloom bei der Vorstellung des WerbevideosFabian Schwarze | StudentenPACK.

Bürgermeister Bernd Saxe und Produzent Leo Bloom bei der Vorstellung des Werbevideos

Die Linden könnten, so die Stadt, nicht erhalten werden. Zum einen müssten in naher Zukunft Kronenpflegeschnitte zur Erhaltung der Verkehrssicherheit erfolgen, zum anderen seien laut einer DIN-Norm zum Baumschutz Bauarbeiten im Kronenbereich mittlerweile verboten. Mit anderen Worten: Unter den Linden können keine Pflasterarbeiten vorgenommen werden. Hier müsste mit Kies oder Sand gearbeitet werden, womit die geforderte Qualität aber auch die Barrierefreiheit der Untertrave nicht gegeben wäre, was zum Verlust der Fördermittel führen würde. Eine Barrierefreiheit, die mit dem Erhalt der Linden nicht vereinbar sei, könne erst im Zuge des Umbaus geschaffen werden.

An der Untertrave ist eine Flaniermeile geplant. Die Promenade soll direkt an der Kaimauer gebaut werden und breiter als der aktuelle Gehweg werden. Aber auch die Häuserseite soll einen breiteren Bürgersteig bekommen. Man kann also auf beiden Straßenseiten spazieren gehen und den ein oder anderen Nachmittag dort mit einem Besuch der Cafés, Restaurants und Geschäften verbringen. Die Fahrbahn für Autos und Busse soll schmaler werden, sodass Radfahrer eine eigene Spur bekommen Dies ist möglich, weil der Verkehr nicht mehr auf der Untertrave lastet. Zudem ist am Drehbrückenplatz eine Wassertreppe geplant. Neue Bäume sollen die Lichtachsen freihalten und die Seitenstraßen werden von der gegenüberliegenden Uferseite einsehbar sein. Neben diesen Bäumen sollen Bänke und Liegen sowie ein Wasserspender aber auch die Gastronomie Platz finden und auch der Eispavillon soll erhalten werden. Zudem sollen Kinder Platz zum Spielen bekommen.

Linden erhalten?

Linden haben nicht nur Heilkräfte, sondern auch einen hohen ökologischen Wert. Sie schaffen ein Ökosystem mit Bienen und zahlreichen anderen Insekten. Laut dem leitenden Forstdirektor i.R. Lutz Fähser, auf den sich das Aktionsbündnis “Lübecks Linden Leben Lassen” unter anderem beruft, sind die Linden durchschnittlich gesund. Fähser sehe keinen ökologischen Grund, die Bäume zu fällen, denn die im ersten Baumgutachten festgestellten Mängel seien typische Merkmale der Winterlinde. Jedoch muss man hierbei anmerken, dass Fähser kein staatlich bestellter und vereidigter Baumsachverständiger ist.

Das Stadtbild werde durch diese Bäume besonders geprägt und nebenbei verbesserten sie das Klima in der Stadt. Gegenüber den Lübecker Nachrichten sagte Ingrid Boitin vom Aktionsbündnis, dass die Linden an der Untertrave viel Kohlenstoffdioxid und Feinstaub der Autos aufnehmen würden. Die Bestandslinden hätten eine sehr viel höhere biologische Leistungsfähigkeit als die zehnjährigen schwedischen Mehlbeeren. Auch wenn zwölf weitere Bäume gepflanzt würden, könne diese Leistungsfähigkeit nicht erreicht werden. Zudem würde die Pappel am Drehbrückenplatz auch erhalten werden, dort müsse somit eine neue Oberfläche in Handarbeit entstehen. Aus diesem Grund könne man bei den Linden auch so verfahren.

Eine Promenade sei, so argumentiert das Aktionsbündnis, auch mit den Linden möglich. Man könne Wurzelbrücken nutzen, die Mauer problemlos entfernt werden, denn diese habe keine Bedeutung für die Standsicherheit, und die Winterlinden in den Umbau integrieren. Solange das Fundament erhalten bleibe, würden die Wurzeln nicht beschädigt. Zudem sei keine Verunreinigung des Bodens durch die früheren Zapfsäulen in der Nähe der Bestandsbäume festgestellt worden. Beim Punkt Barrierefreiheit sieht das Bündnis auch kein Problem.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Bürgerschaft nie mit den Linden geplant habe und dementsprechend keine Fördermittel für einen Umbau mit Erhalt der Linden beantragt habe. Dies geht aus dem Bürgerschaftsbeschluss vom 26. November 2015 hervor, in dem Bürgermeister Bernd Saxe beauftragt wird, den noch nicht ausgebauten Abschnitt nach dem prämierten Entwurf umbauen zu lassen.

Auf unsere Anfrage hat “Lübecks Linden Leben Lassen” leider nicht geantwortet.

Alles neu?

“Stillstand ist Rückschritt. Lübeck darf sich nicht ausruhen! Ständig steigende Tourismuszahlen sind das eine. Zu glauben, das bliebe so, ohne etwas dafür zu tun, ist arrogant und gefährlich.”, schreibt uns Olivia Kempke, Geschäftsführerin des Lübeck Management e.V. Sie tritt damit für den Umbau an der Untertrave ein und wirbt auch um die Stimmen der Studierenden. Lübeck investiere mit dem Umbau in die Zukunft. Eine höhere Aufenthaltsqualität, hindernisfreie Wege, mehr Platz für Kinder und Radfahrer und das zu einem für die Stadt günstigen Preis. Daher hat sie auch wenig Verständnis für die Gegenseite: “Gegen den Umbau spricht nichts.”, schreibt sie zur Frage nach den besten Argumenten der Bürgerinitiative. Auch das finanzielle Argument greife einfach zu kurz. Die Untertrave sei bereits mehrfach umgebaut worden und müsse auch irgendwann wieder umgebaut werden, “weil es aktuell an der Untertrave alles andere als schön ist.” Aber einen Umbau mit Erhalt der Linden müsse die Stadt, welche bereits jetzt einen großen Sanierungsstau vor sich her schiebt, dann komplett selbst bezahlen.

Landschaftsarchitekt Tonio Trüper bedauert die Vereinfachung der emotionalen Debatte auf die Frage von Bäumen: “Es ist eine städtebauliche Veränderung, die viele Aspekte mitbringt, aber zur Zeit auf diese Baumfrage reduziert ist. Das wird der ganzen Planung nicht gerecht.”, sagt er im Interview in dieser Ausgabe, in dem er sich wünscht, dass der Prozess, zu dem die ersten Entwürfe ja nun schon über zehn Jahre alt sind, endlich abgeschlossen wird.

Auch was den Zustand der Linden angeht, ist man sich uneinig. Das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten kommt, so schreibt Kempke, zu dem Ergebnis, dass die Linden “aufgrund ihres mickrigen Zustands keine 10 Jahre mehr durchhalten”. Die Stadt hat zudem ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, auch dies bescheinigt den schlechten Zustand der Linden. Das Gutachten argumentiert zudem, dass jegliche Bauarbeiten die Linden zu stark schädigen würden. Ein Umbau mit Erhalt der Linden wäre also nicht nur politisch ungewollt, sondern schlichtweg unmöglich.

Bis zum 18. Dezember kann abgestimmt werden. Falls ihr schon am vierten Advent bei euren Familien seid und nicht zur Abstimmung gehen könnt, aber dennoch wählen wollt: Ihr könnt schon jetzt im Rathaus in der Hörkammer eure Stimme abgeben und über die Zukunft der Untertrave und somit einen Teil Lübecks bestimmen.

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Der Planer im Interview https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/der-planer-im-interview/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/der-planer-im-interview/#comments Mon, 12 Dec 2016 06:45:58 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=252542
Tonio Trüper hat die Pläne für den Untergrabe-Umbau entworfen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Tonio Trüper hat die Pläne für den Untertrave-Umbau entworfen.

In der Diskussion über den Bürgerentscheid wird viel über Pläne gesprochen. Das StudentenPACK sprach mit dem Landschaftsarchitekten Tonio Trüper, der die neue Promenade entworfen hat.

StudentenPACK: Worum geht es beim Umbau der Untertrave?

Tonio Trüper: Bei dem Projekt geht es darum, Lübeck wieder ans Wasser zu bringen. Lübeck ist mit dem Hafen groß geworden – also mit dem Handel und mit der Seefahrt. Dann haben wir nach dem zweiten Weltkrieg eine Zeit erlebt, in der die Obertrave und die Untertrave hauptsächlich als Verkehrsachse und über ihre Autostellplätze definiert wurden. An der Obertrave standen vor dem Umbau hunderte Autos und man kam gar nicht ans Wasser heran. Dieser Umbau soll jetzt an der Untertrave fortgeführt werden, beispielsweise mit Sitzmöglichkeiten und Gastronomie am Wasser.

PACK: Inwiefern haben Sie die Wünsche der Anwohner eingebunden?

Trüper: Die Wünsche sind im Wettbewerb 2003 mitberücksichtigt gewesen. Die Stadt hat einen Vorgabenkatalog gemacht und für jedes teilnehmende Architekturbüro alle Ergebnisse der Bürgerbeteiligung aufgelistet. Es haben vier Bürgerbeteiligungen stattgefunden, in denen die Wünsche der Menschen gesammelt wurden. Die Wünsche der Anwohner für die Obertrave waren beispielsweise Bäume, Bänke, ein Wasserspiel, eine Tanzfläche, ein Schachspiel, Kinderspiele. An der Untertrave Raum zum Flanieren und viele Kioske. Diesen Katalog haben wir befolgt und konnten den Wettbewerb gewinnen.

PACK: Wie hat sich die Planung seit 2003 verändert?

Trüper: Der Anlass des Projektes ist, dass die Nordtangente gebaut wurde (der Bereich um die Erik-Warburg-Brücke, Anmerkung d. Red.), also viel Verkehr aus dem altstadtnahen Bereich herausgehalten werden kann. Und die größte Änderung vom Wettbewerbsplan zu Heute ist, dass wir damals noch sehr viel mehr Stellplätze für Autos berücksichtigt haben. Das müssen wir heute nicht mehr, sondern haben statt dessen noch mehr Fläche für eine Promenade gewonnen. Hier sieht man das Lieblingsmotto unserer Arbeit, “wenn ich Autos einlade, bekomme ich Autos – wenn ich Menschen einlade, bekomme ich Menschen”.

Es gibt immer die Behauptung, dass wir den Wettbewerbsplan 2003 mit den Bestandsbäumen gezeichnet haben. Das ist nicht so. Wir haben auch damals schon – entgegen der Auslobung, das muss man zugeben – eine Planung mit neuen Bäumen abgegeben und das ist auch so an der Obertrave umgesetzt worden. Auch da wurden Bestandslinden entnommen, weil sie aus Baugründen und alterstechnisch nicht einbindbar waren und es sind neue Baumgruppen gesetzt worden — mal in Doppelreihe, mal in Päckchen. Das ist auch das Ziel für die Untertrave, mit Doppelreihen zu arbeiten, so dass man unter einem großzügigen Baumdach sitzen und liegen kann. Dazu sind große Holzpodeste von uns gedacht.

Die Bäume sollen mit der Neuplanung weiter von der Uferkante weggerückt werden. Bei einer zehn Meter breiten Promenade sollen die Bäume nicht wie im Bestand zwei Meter neben der Kaikante stehen, sodass bis zur Straße acht Meter Platz sind. Man braucht den Platz direkt am Wasser!

PACK: Aus welchem Grund haben Sie mit neuen Bäumen und nicht mit den Bestandslinden geplant?

Trüper: Als Landschaftsarchitekt ist man natürlich bemüht, gerade bestehende Bäume in die Pläne einzubinden. Wir haben in diesem Jahr einen Marktplatz bei Magdeburg neu gestaltet, dort wurden Bestandsbäume von der einen Marktplatzseite auf die andere gepflanzt. In Pinneberg bei Hamburg bauen wir gerade die Fußgängerzone und den zentralen Marktplatz um und integrieren dort große Bestandseichen. Das ist in diesen beiden Projekten möglich, hier ist es eben nicht möglich.

Für uns war es 2003 schon nicht gerechtfertigt, so einen weitgehenden Umbau zu machen und dabei mit Bäumen zu arbeiten, die ein Stadium erreicht haben, in dem sie keine lange Lebenszeit mehr haben. Und das wurde auch durch ein Gutachten der Stadt bestätigt. Da will ich mich aber nicht gänzlich drauf zurückziehen. Als Landschaftsarchitekt sehe ich das genauso. Wir haben diskutiert, mit Stahlkonstruktionen große Wurzelräume zu schaffen, sodass der Baum richtig gute Bedingungen erhält. Aber der Gutachter und auch die Baumexperten der Stadt haben festgestellt, dass das den Bäumen einen Vitalitätsschock versetzen würde. Es gibt auch das Problem, dass die Bäume so dicht an der Kaimauer stehen und die Wurzeln gar keinen ausreichenden Platz haben.

PACK: Warum sollen es nichtheimische Bäume sein?

Trüper: Die Baumfrage wurde noch einmal geändert. Wir als Landschaftsarchitekten haben den japanischen Schnurbaum vorgeschlagen. Das ist ein Baum, der für die Promenade und die dahinterliegende Fassadenreihe ein wunderbares lichtes Bild gibt. Ein Baum mit einer ganz leichten Krone mit vielen Durchblicken, mit der sich die Altstadtfassade dahinter wunderbar zeigen kann. Und gerade wenn man sich einen Sommertag vorstellt, ist eine leichte Atmosphäre mit Licht- und Schattenspiel eine schöne Vorstellung. Der Baum zählt zu den Klimabäumen, der es schafft, mit den starken Klimaschwankungen in einer Stadt zurechtzukommen. Als wir den Baum vorgeschlagen haben, war uns auch nicht so klar, was das für eine Welle hervorruft. Dass man sich so an der Baumart reibt, habe ich mir nicht vorstellen können. Es sind viele Baumarten, die bei uns heute selbstverständlich wachsen, wie beispielsweise die Kastanie, eingeführt worden. Jetzt ist es geplant, die schwedische Mehlbeere zu pflanzen.

PACK: Glauben Sie, dass der Umbau ohne die bisherigen Parkplätze zu einer autofreieren Innenstadt führen könnte?

Trüper: Davon bin ich überzeugt. Wir sollten bei der Frage der Autofreien Stadt niemals in ein Schwarz-Weiß-Denken verfallen. Ich glaube, dass man immer einen Weg finden muss, dass das Auto im Stadtbild nicht dominiert, gerade an so besonderen Flächen wie einer Hafenkante. In dem Moment, in dem ich auf solchen Flächen Raum für den Menschen schaffe, komme ich zu einem ausgewogenen Mix in einer Stadt. Ich glaube nicht, dass man das Auto aus einer Altstadt komplett verbannen sollte, man muss die richtige Abwägung finden. An der Untertrave würden weniger Autos sicherlich guttun.

PACK: Was wünschen Sie sich für die Untertrave in Zukunft?

Trüper: Ich wünsche mir, dass die Umgestaltung jetzt auch beginnen kann. Und ich glaube, dass sich der Unfrieden, der in Lübeck Einzug gehalten hat, sich auch wieder legt. Die Diskussion ist aktuell wenig sachlich und wurde fast zu einer Glaubensfrage erhoben. Es ist eine städtebauliche Veränderung, die viele Aspekte mitbringt, aber zur Zeit auf diese Baumfrage reduziert ist. Das wird der ganzen Planung nicht gerecht.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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