Geschichte – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 04 Jul 2016 17:06:52 +0000 de-DE hourly 1 Tragödie vor der Haustür https://www.studentenpack.de/index.php/2015/07/tragoedie-vor-der-haustuer/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/07/tragoedie-vor-der-haustuer/#respond Wed, 08 Jul 2015 22:14:27 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=213446 Ihr Untergang gehört zu den größten Tragödien der Schifffahrtsgeschichte und ist doch weitgehend unbekannt: Vor 70 Jahren, am 3. Mai 1945, wurden in der Lübecker Bucht die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ versenkt. Bei dem Angriff britischer Jagdbomber in den letzten Tagen des Krieges kamen mehr als 7000 Menschen ums Leben. An Bord waren jedoch nicht etwa Soldaten oder hochrangige Nazi-Anführer, sondern größtenteils Häftlinge aus dem Hamburger Konzentrationslager Neuengamme.

Neustadt-in-holstein-ehrenfriedhof-cap-arcona-gedenken-70-jahre-gesamtWikipedia-User: Wikimedia Foto "Memorial Stone at Ehrenfriedhof (cemetery) Cap Arcona in Neustadt in Holstein to remember the 7000 killed victims. 70 years passed. Whole picture." von Roland.h.bueb unter einer Creative Commons ( BY) Lizenz "

Bereits Wochen zuvor waren diese auf Befehl Heinrich Himmlers, wohl um die Verbrechen des Nazi-Regimes zu vertuschen und die Inhaftierten nicht in die Hände der auf Hamburg vorrückenden Alliierten fallen zu lassen, auf die vor Neustadt vor Anker liegenden Schiffe deportiert worden. Mehr als 10.000 Häftlinge, viele davon Widerstandskämpfer und andere politische Gefangene, wurden auf Todesmärschen nach Lübeck getrieben und mittels Zubringerschiffen auf die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ gebracht, bis sich zeitweise über 7000 Menschen allein auf der „Cap Arcona“ befanden. Viele starben bereits auf dem Weg oder an den unmenschlichen Zuständen auf dem Schiff, ihre Leichen wurden einfach liegen gelassen. Die Kapitäne der beiden Schiffe, Heinrich Bertram und John Jacobsen, weigerten sich zunächst entschieden dem Befehl der SS, die KZ-Insassen aufzunehmen, Folge zur leisten, beugten sich dann aber unter Androhung der Erschießung dem Druck.

Bevor sie als „schwimmendes Konzentrationslager“ missbraucht wurde, war die „Cap Arcona“ ein Luxusdampfer und stellte das Flaggschiff der Hamburg-Südamerika-Linie dar, die bis Rio de Janeiro verkehrte. Zu Kriegsbeginn wurde sie der Kriegsmarine unterstellt und diente dann als Kaserne, bis sie 1945 wegen eines Maschinenschadens manövrierunfähig vor Neustadt lag und dem Befehl des „Reichskommissars für die Seefahrt“ Karl Kaufmann unterstellt wurde. Um seinem grausamen Verwendungszweck gerecht werden zu können, wurde das Schiff von der SS umgebaut. Fluchtmöglichkeiten wurden entfernt, die Rettungsboote untauglich gemacht, der Rumpf grau angestrichen, um es nicht wie ein Zivilschiff aussehen zu lassen.

Als die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“ am 3. Mai 1945 angegriffen werden, wissen die Briten von schweizerischen Informanten über die Vorgänge in der Lübecker Bucht Bescheid, es gelingt ihnen jedoch nicht, die Royal Air Force zurückzubeordern. Die 200 Kampfflugzeuge versenken insgesamt 23 Schiffe in der Ostsee und beschädigen über 100 weitere. Während die SS sich zum größten Teil von Bord retten kann, werden die Gefangenen weiter unter Deck festgehalten. Die beiden Schiffe sinken innerhalb von einer Viertelstunde. Wer nicht zu den knapp 400 Überlebenden gehört, ertrinkt oder stirbt in den Flammen.

Es gibt mehrere Spekulationen darüber, warum die KZ-Häftlinge auf die Schiffe gebracht wurden. Die am häufigsten angenommene ist, dass es sich um eine geplante Massentötung der Gefangenen in der Ostsee handelte. Die Schiffe wurden bewusst so präpariert, dass sie nicht von den echten Kriegsschiffen unterscheidbar waren. Es wurden keine weißen Fahnen gehisst und die Treibstoffmenge reichte nur zur Brandbeschleunigung aus. Laut Wilhelm Lange, dem Stadtarchivar Neustadts, stellten die Nationalsozialisten den Briten letztendlich eine Falle zur geplanten Vernichtung der Gefangenen ohne eigenes Zutun. Diese scheinbare Schuldlosigkeit führten die SS-Anführer später auch in Verhören an. Ihnen zufolge sollte die „Cap Arcona“ nach Schweden übersetzen. Auf Grund ihrer technischen Defekte wäre sie dazu jedoch wohl nicht in der Lage gewesen.

Juristisch wurde die Tatverantwortlichkeit am Untergang der KZ-Schiffe nie aufgearbeitet. Die Schiffe wurden erst Jahre später Stück für Stück geborgen, bis weit in die 60er-Jahre fanden Strandurlauber angespülte Überreste der Opfer. Noch immer ruht etwa die Hälfte der Opfer unbestattet in der Ostsee. Die übrigen liegen in Massengräbern entlang der Ostseeküste. Einer der bedeutendsten Gedenkfriedhöfe liegt in Neustadt nahe der Schön-Klinik. Noch immer finden hier jährlich am 3. Mai Gedenkveranstaltungen statt.

Wer mehr über die Tragödie erfahren möchte, dem sei das „Museum Cap Arcona“ in Neustadt ans Herz gelegt. Detailliertere Berichte über die Geschehnisse sowie Biografien einzelner Inhaftierter findet ihr außerdem in einem Artikel unserer Vorgängerzeitung, der „Bauchpresse“ vom Juli 1999 in unserem Online-Archiv.

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Geschichten, die die Uni schreibt https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:17:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212608 Berufsverbote und Ordnungsverfahren gegen Medizinstudenten, Morddrohungen wegen des Einsatzes für einen Gedenkstein, unglaubliche Solidarität zwischen Studierenden, die leidigen Baustellen, die wilden Partys und riesige Demos. Wenn die Universität dieser Tage auf 50 Jahre zurückblickt, gibt es viele Geschichten zu erzählen. So viele Geschichten, dass wir in der StudentenPACK-Ausgabe einige wenige Momentaufnahmen machen mussten, um das Thema überhaupt bewältigen zu können.

Weil auf diesem Blog die Artikel nicht wie im Heft gebunden daherkommen, möchten wir euch in diesem Text einen kurzen Überblick verschaffen. Alle unsere Texte zum 50. Jubiläum der Universität (darunter einige exklusiv auf der Website und nicht im Heft) sind in diesem Text verlinkt.

Demonstration in den Siebzigern

Demonstration in den Siebzigern.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="1011"]

Wie viele besondere Geschichten es in diesen 50 Jahren zu erleben gab, lässt vielleicht der Artikel „Dat erzähl ich meine Enkel!“ erahnen, in welchem wir einige der Anekdoten, die uns in den zahlreichen Interviews, die wir zu dieser Ausgabe geführt haben, zusammenfassen. In diesem wie in allen anderen Texten sind die Interviews in voller Länge verlinkt, wenn die Namen der Gesprächspartner wie Eckart de Bary, Johannes Hoffmann oder auch Dr. Reinhard Eggers, der sowohl in Lübeck studierte als auch bis heute hier lehrt, auftauchen.

1942

Die Jahre 1964 bis 2014, in denen die Uni Lübeck unter verschiedenen Namen existierte, schweben nicht in einem Vakuum, sondern haben sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Zukunft. Für eine vernünftige Würdigung ist es nötig, beide zu betrachten. Großes Glück hatte unser Autor Johannes Zanken, als er bei seiner Famulatur Jutta Nunn kennenlernte. Die 87-Jährige war 1942 Patientin in der Heilanstalt Strecksitz (heute der Campus der Uni Lübeck) und erlebte, wie Patienten von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Ihre Geschichte und die Geschichte der mühsamen Aufarbeitung der Campus-Geschichte durch Studenten wie Peter Delius in den 80er Jahren erzählt der Artikel Vergangen und Vergessen?

1964

Die Universität wird 1964 als „Medizinische Akademie“ gegründet und gehört erstmal zur Uni Kiel. Aus gesammelten Artikeln der Lübecker Nachrichten und der ersten Studierendenzeitung, dem „provisorium“ erfahren wir, was es hieß in den 60ern Die Anfänge der Uni Lübeck mit zu gestalten.

1977

Die Jahre, in denen die heutige Uni gegründet wurde und wuchs waren politische Jahre und so waren auch die Themen, mit denen sich die Studenten beschäftigten oft politisch. 1977 streikten Studenten gegen die Einführung des Praktischen Jahres und der damalige AStA-Vorsitzende Sebastian Stierl wurde von der Hochschulleitung mit einem Ordnungsverfahren belegt. Von Solidarität und sich wehrenden Studenten erzählen unser Artikel und das Interview mit Sebastian Stierl.

1981

Nicht nur an der Uni Lübeck ging man in den 70er- und 80er-Jahren nicht zimperlich mit Andersdenkenden um – Berufsverbote für Mitglieder linker politischer Gruppen waren ein heißes Thema in der ganzen BRD und auch in der Lübecker Studierendenzeitung „Der Springende Punkt“. Wer sich vor der Einstellung „Sind sie ein Verfassungsfeind?“ fragen lassen muss, fühlt sich vielleicht wenig willkommen. Dr. Reinhard Fröschlin, heute Oberarzt, berichtet von seinen damaligen Erlebnissen.

1989

Manches ist in 50 Jahren studentischer Pressearbeit in Lübeck einfach verloren gegangen. In den letzten Monaten haben wir versucht, ein möglichst vollständiges Archiv der Studentenzeitungen auf dieser Website zu erstellen. Längst nicht alle Zeitungen sind erhalten (Über Hinweise, wo wir weitere Ausgaben finden könnten wären wir sehr dankbar). Doch die über 100 Studierendenzeitungen, welche wir nun ins Archiv stellen konnten, haben nicht nur die Themenfindung für diese Ausgabe geprägt – sie haben uns auch die eine oder andere Detektivaufgabe aufgegeben. Da waren die Fotos von Ute Pastor, die sie 1998 an die damalige Studentenzeitung „Bauchpresse“ verliehen hatte, oder die zwei Teile einer dreiteiligen Geschichte.

1993

Die Uni Lübeck ändert sich mit der Gründung des Informatikstudiums im Jahre 1993 grundlegend. Zum ersten Mal in fast 30 Jahren studieren nicht nur Mediziner auf dem Campus. Die Anzahl der MINT-Studiengänge (obwohl dies ein viel neuerer Begriff ist) stieg Von Null auf Eins. Dabei waren damals der Professor Volker Linnemann und der Student Helge Illig. Sie haben uns erzählt, wie der neue Studiengang sein thematisches und räumliches Zuhause gefunden hat.

Nachdem die Informatik gegründet war ging alles relativ schnell: Es folgte die Computational Life Science, die MLS und dann bald MIW und bis heute werden links und rechts Studiengänge gegründet. Wo soll das noch hinführen? Die Mathematik hat eine Antwort, ob es die richtige Antwort ist, wird die Zukunft zeigen.

2010

Der nächste Einschnitt in die Geschichte der Uni Lübeck ist das Jahr 2010. Der schwarz-gelbe Protestsommer ist ein inzwischen fast mystisch verklärtes Ereignis, dass einem Neuankömmling seltsam und rätselhaft erscheinen mag. Annika Steinmeier ist gerade als Studentin in Lübeck angekommen und hat sich die Frage gestellt: Warum kämpfte Lübeck für seine Uni?

2015

Diese Ausgabe beendet ihren Rundgang durch die 50 Jahre Uni Lübeck mit einem Blick in die Zukunft. Ab Januar 2015 ist die Uni Lübeck eine Stiftungsuni. Und dann? Was können wir erwarten und was sollten wir nicht erwarten?

Wir hoffen, diese Ausgabe ist für euch ein unterhaltsamer Rundgang durch die Geschichte der Universität zu Lübeck. Wenn ihr möchtet, steht euch das Online-Archiv aller Ausgaben der Studierendenzeitungen auf dieser Website zur Verfügung um einen tieferen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wenn ihr über eure Fundstücke in diesem Archiv berichten möchtet, freuen wir uns natürlich auch in zukünftigen Ausgaben über die Vergangenheit unserer Universität zu berichten. Schreibt uns doch einfach eine Mail.

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Lübeck kämpfte für seine Uni https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/lubeck-kampfte-fur-seine-uni/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/lubeck-kampfte-fur-seine-uni/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:10:18 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212584 „Eine Stadt sieht gelb“ – überall steht es: auf Plakaten in und vor den Hörsälen, aufgeklebt auf Laptops älterer Studenten, im Klinikum an der Tür und man kann sogar eine Vitrine im Vorklinikum entdecken, die ganz in Gelb gestaltet ist. Schaut man genauer hin, entdeckt man immer wieder den Slogan „Lübeck kämpft für seine Uni“. Scheinbar jeder hier auf dem Campus weiß darüber Bescheid – na ja, nicht ganz. Wir „Erstis“ haben davon eher weniger Ahnung.

Tausende Protestanten durchziehen die Kieler Innenstadt

“Tausende Protestanten durchziehen die Kieler Innenstadt”[media-credit name="Thorsten Biet" align="aligncenter" width="640"]


Gerade neu angekommen an der Universität zu Lübeck und in der Stadt Lübeck selber, kenne ich zwar Lübeck nach ein paar Wochen schon relativ gut und finde mich in der Uni schon erstaunlich gut zurecht, aber mit der Geschichte der Uni habe ich mich natürlich noch nicht detailliert befassen können.

Diese Sache macht mich neugierig. Schon in unserer Vorwoche erzählen immer wieder Professoren und Studenten höherer Semester davon, wie toll Lübecks Uni ist und dass wir Glück haben, dass sie 2010 nicht geschlossen wurde. Wenn ich Studenten danach frage, was die Plakate denn zu bedeuten haben, erlebe ich die unterschiedlichsten Reaktionen. Die einen sind total genervt – „Nicht schon wieder. Langsam hängt mir das Thema echt zum Halse raus“ – und andere erzählen mir, dass die Uni Lübeck von der Regierung geschlossen werden sollte und Studenten, Professoren, Ärzte und sogar viele Bewohner Lübecks demonstriert hätten. Es scheint wohl eine große Aktion gewesen zu sein, aber so ganz genau kann ich mir immer noch nicht vorstellen, was da passiert ist.

Als ich das nächste Mal an der Vitrine vor V1 vorbeikomme, werfe ich mal einen Blick hinein. Ich muss schon zugeben, die Fotos beeindrucken mich. Studenten, so weit das Auge reicht, alle in gelb, alle haben T-Shirts an mit der Aufschrift „Ich kämpfe für die Uni Lübeck“. Plakate werden in die Höhe gehalten, große Banner und Luftballons. Die Atmosphäre ist sogar allein anhand der Fotos zu spüren, die Gemeinschaft, die von diesen Menschen ausgestrahlt wird.

Im Internet werde ich weiter fündig. Nicht nur bei Facebook finde ich die Gruppe „Lübeck kämpft für seine Uni“, sondern stoße bei Google sogar auf eine eigene Webseite: www.luebeck-kaempft.de. Die schaue ich mir erstmal genauer an und werde mit Informationen überhäuft. Im Mai 2010 verkündete die damalige Landesregierung in Kiel die Schließung des Medizinstudiengangs an der Universität zu Lübeck. Ohne den Medizinstudiengang hätte aber wohl die ganze Universität schließen müssen.

Bereits fünf Jahre zuvor war der Regierung die Idee gekommen, die Universitäten Kiel, Lübeck und Flensburg aus finanziellen Gründen zusammenzulegen, woraufhin Univorsitzende, Bürgermeister und viele mehr Widerstand ankündigten und die Studenten der Fachhochschule, Musikhochschule und der Uni einen Demonstrationszug durch die Stadt machten. Zu diesem Anlass entstand auch die eigene Webseite luebeck-kaempft.de. Kurze Zeit später wurden die Pläne der Zusammenlegung damals jedoch niedergelegt und es wurde versichert, dass die Universitäten selbstständig bleiben würden.

Am 25. Mai 2010 wurde die Uni dann erneut bedroht. Aus finanziellen Gründen sollten der Medizinstudiengang geschlossen und dafür der mathematisch-naturwissenschaftliche Zweig der Universität gestärkt werden. Es hieß, schon ab dem Wintersemester 2011/12 würden keine Medizinstudenten im ersten Semester mehr in Lübeck immatrikuliert werden.

Nachdem der erste Schock für die Studenten und Professoren der Uni überwunden war, wurde sofort gehandelt. Der AStA organisierte Versammlungen und die Widerstandsbewegung wurde immer weiter ins Rollen gebracht. Plakate wurden überall in der Stadt verteilt, Professoren hielten ihre Vorlesungen außerhalb Lübecks ab, um das Zeichen zu setzen: Wenn ihr uns nicht haben wollt, gehen wir eben woanders hin. Weitere Protestveranstaltungen aller Art – ob Sommerfest, Blutspenden oder Mediziner-Party, alles stand unter dem Motto: Lübeck kämpft für seine Uni. Wir kämpfen für unsere Uni.

Zitate aus Interviews über "Lübeck kämpft"

Zitate aus Interviews über “Lübeck kämpft”[media-credit id=155 align="aligncenter" width="640"]


Der Höhepunkt der Protestbewegung war die Demonstration in Kiel, von der auch die meisten Bilder zu finden sind. Am 16. Juni kamen geschätzt 14.000 Menschen vor das Kieler Landeshaus, um gegen die Schließung der Uni zu demonstrieren. Ein Sonderzug aus Lübeck brachte Studenten, Professoren, Beschäftigte der Universität und viele Bewohner Lübecks nach Kiel. Auch aus den umliegenden Regionen wie Hamburg, Flensburg und Lüneburg kamen Demonstranten um gemeinsam friedlich zu protestieren und den Reden zuzuhören, die dort gehalten wurden.

Daraufhin gab es in den folgenden Tagen immer wieder Konferenzen beispielsweise mit dem damaligen Wirtschaftsminister Jost de Jager und Podiumsdiskussionen zwischen dem Univorsitz und der Regierung. Viele Politiker und Bürger sprachen sich offen gegen die Schließung des Medizinstudiengangs aus und auch Unternehmen aus Lübeck und Umgebung warnten vor der Schwächung ihrer finanziellen Lage durch die Schließung. Am 25. Juni 2010 legte die Universität der Landesregierung ein alternatives Sparkonzept vor, das daraufhin auch bei einer Pressekonferenz besprochen wurde.

Die Proteste wurden mit der Zeit auch über die Region Schleswig-Holsteins hinaus bekannt – so etwas wie hier gab es bisher wahrscheinlich in keiner deutschen Stadt. So gelangte die Nachricht auch bis nach Berlin, wo zuvor auch schon eine Vorlesung abgehalten worden war. Und aus Berlin kam schließlich die Rettung: Bundesforschungsministerin Anette Schavan, die sich schon früher gegen die Schließung der Uni Lübeck ausgesprochen hatte, ermöglichte es, dass das damalige Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar, heute ein Helmholtz-Institut, bundesfinanziert wurde. Dadurch hat das Land Schleswig-Holstein eine Menge Geld gespart, das dann nach Lübeck in die Universität fließen konnte. Mit dieser Lösung umging man legal und einfach das Finanzierungsprogramm und die Universität wurde nicht geschlossen oder privatisiert – die Universität zu Lübeck behielt ihre Selbstständigkeit.

Nachdem ich jetzt so viel darüber erfahren habe, aus dem Internet, alten Zeitungsartikeln, von Fotos und nicht zu vergessen dem Buch „Eine Stadt sieht Gelb – Wie Lübeck seine Uni rettet“ kann ich nur sagen: Wir Erstis haben, ohne es gewusst zu haben, Glück gehabt, dass wir heute an dieser wunderbaren Uni Medizin studieren dürfen. Nachdem ich die Bedeutung der gelben Plakate und Erinnerungsbilder so genau kenne, weiß ich es umso mehr zu schätzen und kann verstehen, dass auch jetzt noch so viel davon berichtet wird.

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Von Null auf Eins https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-null-auf-eins/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-null-auf-eins/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:00:42 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212563 Nachdem in Lübeck fast 30 Jahre lang nur die Medizin gelehrt wurde, wurde an der Medizinischen Universität zu Lübeck ein weiteres Fachgebiet in die Hochschullehre integriert, welches vor einem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiern konnte. Mit der Informatik begann der Aufbau eines neuen, naturwissenschaftlichen Studienbereichs in Lübeck, der sich als Muster für viele weitere Studiengänge etablieren konnte. Wie alles andere in der Welt geschieht eine solche Entwicklung aber nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt.

Die Gründung

Den ersten Schritt tat Professor Pöppl, als er den Diplomstudiengang Informatik mit Nebenfach Medizinische Informatik zum Wintersemester 1993/1994 ins Leben rief. Prof. Volker Linnemann, der bis zum April dieses Jahres Leiter des Instituts für Informationssysteme war, erinnert sich: „Ich war damals der einzige Rufinhaber, der bereits im Wintersemester 1993/1994 seine Tätigkeit an der Universität in Lübeck begonnen hat, zeitgleich mit den ersten Informatik-Studierenden.“ Als Student hatte er bereits 1972 die Einführung eines neuen Studienganges direkt miterlebt. „Jetzt hatte ich die Möglichkeit, den Start eines Informatikstudienganges aus Professorensicht zu erleben. Deshalb war es mir wichtig, von Anfang an dabei zu sein.“. Trotz anfänglicher Provisorien wie der Unterbringung in der alten Seefahrtsschule gelang es, einen Vorlesungsplan mit Linearer Algebra, Analysis und medizinischen Transferbereichen auf die Beine zu stellen. Um sich untereinander abzusprechen, gab es monatliche Professorentreffen: „Diese Treffen fanden zunächst immer in einem China-Restaurant in der Nähe des damaligen Informatik- und Mathematikstandortes ehemalige Seefahrtschule statt. Da es manchmal etwas hoch herging, wurden die Treffen dann in die Universität verlegt.“.

Mit der Vorlesung „Einführung Informatik I“ begann schließlich an einem Donnerstag die erste Informatik-Veranstaltung. Im Beamer-losen Hörsaal H1 traten sich Linnemann und etwa 20 Studenten gegenüber. Doch auch ohne solche Präsentationsmittel lassen sich gute Vorlesungen halten: „Die Vorlesungen selbst waren sehr gut und genau auf uns Informatikstudierende abgestimmt“, erinnert sich Helge Illig, der damals als erster Informatikstudent im Hörsaal saß und bis heute die Universität als Betriebsleiter des IT-Service Centers begleitet. „Wenn wir etwas nicht verstanden haben, wurde das in der Vorlesung sofort geändert.“

Nicht zuletzt von den Studenten gab es in diesen ersten Jahren eine Menge zu tun. „Als ich anfing war das Meiste Aufbauarbeit.“, so Illig. Er gründete mit einigen Kommilitonen die erste Informatik-Fachschaft und engagierte sich im Konvent und den Berufungskommissionen. „Es war nicht zuletzt auch recht lustig, mal nicht von den Professoren bewertet zu werden, sondern stattdessen ihre Bewerbungen an der Universität entgegen zu nehmen. Zur Abwechslung wollten die dann einmal was von uns!“ Auch an die Reaktion der Medizinstudenten auf „die Neuen“ erinnert er sich: „Die Reaktion war eher: Was sind denn das für komische Leute, die nur am Computer sitzen?“ Da auch die Seefahrtsschule nur einen begrenzten Raum für die wachsende Anzahl an Instituten bieten konnte, war sie bereits durch das Institut für Informationssysteme, das Institut für Mathematik und das Institut für Theoretische Informatik unter der Leitung von Herrn Professor Reischuk gut gefüllt, woraufhin sich die Uni noch weiter verteilte. So siedelten sich die Softwaretechnik und das Institut für Multimediale und Interaktive Systeme im Technikzentrum auch fernab des Campus an, während andere Institute hinter der damals noch vorhandenen Herrenbrücke angesiedelt waren. Für alle Beteiligten bedeutete dies jedes Mal einen zusätzlichen Aufwand, um zu einem der insgesamt vier verschiedenen Standorte der Mathematik und Informatik zu gelangen. Ein Gebäude für alle auf dem Campus musste her.

Ein neues Heim

Die Planung für diesen ersten großen Meilenstein der Informatik in Lübeck, den Bau des Informatik-Gebäudes 64, begann tatsächlich schon weitaus früher. „Als ich 1993 angefangen habe, hieß es vom Kanzler noch: ‚Das dauert ein Jahr, dann wird gebaut.‘ Es hat dann mehr als sechs Jahre gedauert, bis im Februar 2000 der erste Spatenstich für das Gebäude vollzogen werden konnte.“ Schon zu seiner Berufung habe Linnemann Unterlagen über die Gebäudefläche erhalten. „Endlich einziehen konnten wir dann aber erst im März 2004“. Helge Illig, der für die Universität bei der Planung der Infrastruktur und des Datennetzes im Neubau mitwirkte, musste nach der Errichtung feststellen, dass bei der Planung der Neubau als Bürogebäude entworfen wurde und damit kein Platz für raumergreifende Server angedacht war. „Es ist sehr verwunderlich, wie so etwas bei der Planung einfach vergessen werden konnte.“, so Illig. Um die Infrastruktur dennoch unterbringen zu können, sind bis heute mehrere Büroräume durch Server besetzt und können nicht genutzt werden.

Ein Meilenstein der Informatik: Das Gebäude 64.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Ein Meilenstein der Informatik: Das Gebäude 64.

2009 mussten sich die Bewohner des Neubaus dann mit einem weiteren Problem auseinandersetzen. Schon bei der Entwicklung war geplant gewesen, das Gebäude aufzustocken, wenn es einmal zu klein werden würde. Linnemann sagt über die Zeit der Baumaßnahmen für das dritte Stockwerk: „Die Zeit dieser Erweiterung war für die Mitarbeiter im Gebäude 64 alles andere als schön.“ Insbesondere der Baulärm war eine Belastung, der sich die Mitarbeiter fast täglich aussetzen mussten. „Man konnte nicht telefonieren, man konnte keine Besprechungen machen, man konnte bei dem Lärm auch keine Klausuren schreiben, weil es bei dem Baulärm fast unmöglich war sein eigenes Wort zu verstehen, geschweige denn sich zu konzentrieren.“, so Illig. Entsprechend fielen die Reaktionen der Mitarbeiter im Neubau auf Präsident Dominiaks vielzitierte Aussage „Baulärm ist der schönste Lärm“ eher verhalten aus, wie Illig berichtet: „Ich habe den Spruch gehasst und da war ich auch nicht der einzige. Man kann das gut sagen, wenn man weit weg sitzt. Herr Dominiak war zuerst als Lehrstuhlinhaber in der Pharmakologie und später als Präsident im Herrenhaus oder im Haus 1 und 2 schließlich immer weit weg von der Baustelle. Ich glaube er hätte den Spruch nicht gesagt, wenn er hier im Gebäude gesessen hätte.“ Allen Widrigkeiten zum Trotz steht seit September 2011 ein Gebäude, in dem die Informatik ihren Platz gefunden hat. Und die Tatsache, dass dieses Gebäude nun steht, ist alles andere als negativ: „Es ist natürlich schön, wenn man neue Gebäude bekommt.“ Alte Gebäude besäßen zwar ihren Charme, aber wenn man einen Blick auf die Kieler Universität werfe, fiele einem schnell auf, dass neue Gebäude doch besser genutzt werden können, so Illig.

Es wird weiter wachsen

Mittlerweile zieren erneut Baustellen an vielen Stellen den Campus. Eine Entwicklung, die sich nach Ansicht Illigs fortsetzen wird: „Die Schritte für diese Erweiterungen insbesondere im Life Science Sektor werden durch die bereits vorgenommene Gründung des BioMedTec-Campus und die Kooperation mit der Fachhochschule weiter voran getrieben. Die Uni wird damit noch weiter aufblühen. Nicht zuletzt unterstützt auch die Stiftungsuni diesen Weg, indem von außen Stifter hinzukommen und Förderungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Ich denke, dass wir in Zukunft gestärkter und besser dastehen werden als heute.“ Eine Perspektive, die sich auch in den Studiengängen niederschlagen wird. So könne laut Prof. Linnemann davon ausgegangen werden, dass sich die bereits in den letzten Jahren durchgeführte Aufspaltung der Informatik in immer mehr Teildisziplinen wie die Medizinische Informatik, die Medieninformatik oder den Masterstudiengang Entrepreneurship in Digitalen Technologien fortsetzen wird: „Heute umfasst die Informatik wesentlich mehr, sodass man das nicht mehr alles in einen Studiengang packen kann. Deshalb wird diese Spezialisierung so weitergehen. Es kann sogar gut sein, dass es irgendwann keinen Kerninformatik-Studiengang sondern nur noch spezialisierte Informatikstudiengänge gibt. Das ist eine Konsequenz der immer größer werdenden Stofffülle.“

Und noch etwas konnten wir über die Uni in Erfahrung bringen: Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass das Gebäude 64 um 90 Grad gedreht gebaut werden sollte. Dieses Gerücht wurde vor allem durch die Sonnenschutzrollläden an der Außenseite genährt, die aus irgendeinem Grund Richtung Norden ausgerichtet sind. Tatsächlich steht das Gebäude aber richtig so, wie es steht. Und das Anbringen der Rollläden wurde nur nicht ganz genau durchdacht.

Man kann auf die nächsten 20 Jahre also nur gespannt sein.

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Von Solidarität und sich wehrenden Studenten https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-solidaritat-und-sich-wehrenden-studenten/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-solidaritat-und-sich-wehrenden-studenten/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:45:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212511 Bundesweite Proteste, Studenten-Streiks, Ordnungsverfahren – all das sieht man heutzutage auf dem Lübecker Campus nicht mehr. Aber das war mal anders: Die siebziger Jahre waren auch auf dem noch jungen Lübecker Campus eine allgemein- wie hochschulpolitisch lebhafte Zeit. Es ist die Zeit, in der Sebastian Stierl an der Medizinischen Hochschule Lübeck sein Studium absolviert. Zum Sommersemester 1976 wechselt er von Marburg hierher, weil er sich einen persönlicheren Kontakt mit den Lehrenden und mehr Zusammenhalt unter den Studenten wünscht. „Die Medizinische Hochschule Lübeck war gefühlt eher eine Dorfschule gegenüber der Lernfabrik in Marburg. Schließlich fand ich die alte Stadt und das nahe Meer reizvoll“, erläutert er seine Wahl. Der MHL bleibt er bis zum Abschluss seiner Promotion 1982 erhalten.

Sebastian Stierl (sitzend, 3. von rechts) war 1978 Vorsitzender des AStA.Sebastian Stier

Sebastian Stierl (sitzend, 3. von rechts) war 1978 Vorsitzender des AStA.

Die Frage, sich hochschulpolitisch zu engagieren, stellte sich für Sebastian Stierl gar nicht erst: „Für mich war es die Fortsetzung einer schon als Schüler politisch engagierten Haltung. Ein prägendes Erlebnis waren die Aktionen gegen BILD und den Springer-Verlag nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke Ostern 1968, an denen ich als 16-jähriger Schüler in Essen teilgenommen habe. Bis heute bin ich davon überzeugt, dass dieses Land die Katastrophe des Nationalsozialismus nicht verstanden hat. Die notwendigen Konsequenzen wurden unter dem Wiedererstarken des Kapitals erstickt, statt Bildung und Gerechtigkeit haben sich das Recht des Stärkeren und ein Raubbau an den Ressourcen ausgebreitet.“

Im Sommer 1977 führt er als AStA-Vorsitzender einen etwa 50 Studenten umfassenden Streik im Rahmen der bundesweiten Proteste gegen die Einführung des Praktischen Jahres als „Beschaffungsmaßnahme billiger Arbeitskräfte“ an, was für ihn nicht ohne Konsequenzen bleibt: Er wird als Rädelsführer ausgemacht und gegen ihn wird, um ein Exempel zu statuieren, das erste Ordnungsverfahren der Hochschule eingeleitet. Er berichtet: „In der auf Harmonie getrimmten Atmosphäre der MHL war der erstaunlich geschlossene Protest der Studenten eine Ungeheuerlichkeit. Dabei wurde ich vom Ordinarius der Orthopädie und Reserveoffizier Professor Henßge als Rädelsführer ausgemacht. Er veranlasste die Einleitung eines Ordnungsverfahrens, das immerhin die Relegation (Anm. d. Red.: Ausschluss vom Hochschulstudium) als stärkste Sanktion vorsah. Die Disziplinierungsaktion nach außen wurde parallel mit einem Stellenangebot nach dem Studium in seiner Orthopädischen Klinik verbunden(!). Letztlich ging es um Spaltung. Erreicht hat er damit das Gegenteil: als ihrem AStA-Vorsitzenden haben sich die Kommilitoninnen und Kommilitonen demonstrativ hinter mich gestellt. Letztlich musste ich das Ordnungsverfahren aber durch zwei Instanzen gegen die MHL juristisch ‚niederringen‘. Insgesamt eine aufregende Zeit, die mich besonders die Bedeutung von Solidarität gelehrt hat. Dabei war die Hochschulleitung keinesfalls ein geschlossener Block. Das Angebot einer Doktorarbeit durch Professor Horst Dilling war zum Beispiel eine demonstrative Sympathiebekundung.“

Es passt in eine Zeit, in der es auf dem Lübecker Campus sehr viel politischer als heute zuging. „Tatsächlich war die Zeit damals für Lübecker Verhältnisse recht lebhaft. Im Vergleich zu den wochenlangen Besetzungen des AStA-Büros an der Uni Marburg mit Polizeieinsätzen und großen Demonstrationen wirkte die MHL allerdings geradezu idyllisch. Aber immerhin: Ein neues Hochschulrahmengesetz wurde verabschiedet, das wir als massiven Angriff auf die Verfasste Studentenschaft mit ihren Organen Vollversammlung und Urabstimmung verstanden haben. Und immer wieder ging es um das ‚Politische Mandat‘ also die Möglichkeit, aus der Studentenschaft heraus auch allgemeinpolitische Stellungnahmen abzugeben, zum Beispiel zur Kernenergie oder zum Einfluss der Industrie auf die Wissenschaft durch die anwachsende Drittmittelforschung. […] Tatsächlich haben wir uns intensiv mit solchen hochschulpolitischen Fragen beschäftigt, endlose Debatten in den verschiedenen Gremien geführt und Wandzeitungen und Flugblätter verfasst. Das Ganze hat aber auch deshalb erstaunliche Kräfte freigesetzt, weil es in der Verbindung von Politik und Studium auch noch eine Kultur des Zusammenhalts gab, die sich zum Beispiel in tollen AStA-Feten ausdrückte.“

Sebastian Stierl sieht darin auch einen nachhaltigen Effekt: „Rückblickend habe ich schon den Eindruck, dass in der damaligen Ärztegeneration ein kritischeres Bewusstsein von der eigenen gesellschaftlichen Rolle entstanden ist. Bei dem einen oder anderen mag es dazu beigetragen haben, dass er sich später beruflich stärker politisch engagiert hat und die Verbindung von gesellschaftlichen Verhältnissen und Gesundheit etwas tiefgehender durchdrungen hat.“

Heute ist er ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik Lüneburg.Sebastian Stierl | StudentenPACK.

Heute ist er ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik Lüneburg.

Zu dieser nicht nur hochschulpolitisch brisanten Zeit bedeutete ein Studium in Lübeck gleichzeitig auch ein Studium an der innerdeutschen Grenze. Die DDR habe im alltäglichen Leben keine besondere Rolle gespielt, berichtet Stierl. Dennoch: „Beim Segeln auf dem Ratzeburger See waren einige Uferabschnitte tunlichst zu meiden! Der große Informationsmangel über die konkreten Lebensbedingungen in der DDR hat uns als Medizinstudenten besonders neugierig gemacht. Mit einigen Kommilitonen aus Lübeck und Kiel habe ich an einer mehrtägigen Exkursion des MSB-Spartakus (Anm. d. Red.: Marxistischer Studentenbund Spartakus) nach Neubrandenburg teilgenommen, bei der wir medizinische Einrichtungen besichtigten. Die größte Angst hatten wir damals bei der Rückkehr vor einem möglichen Berufsverbot in der BRD!“

Heute ist Sebastian Stierl Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik Lüneburg. Ab und zu kann man ihn aber noch immer in Veranstaltungen der Klinik für Psychiatrie als Gasthörer antreffen. Sein Fazit fällt ernüchternd aus: „Hier hat sich die Bedeutung des Sozialen spürbar verringert. Wissenschaftliche Fragestellungen, wie z. B. nach der Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen für schwerstkranke Patienten, der Gewaltvermeidung, der Reduzierung von Psychopharmaka oder der Stärkung der Psychotherapie bei der Behandlung von Schwerstkranken spielen aus meiner Sicht keine Rolle.“

Neben vielen Erinnerungen erhält er aber auch alte Bande aufrecht: „Zu einigen Kommilitonen habe ich heute noch einen guten Kontakt, eine Mitstreiterin aus AStA und StuPa sitzt jeden Morgen in der Frühkonferenz neben mir, wenn wir gemeinsam versuchen, die Psychiatrische Klinik in Lüneburg zu einem besseren Krankenhaus zu machen.“

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Die Anfänge der Uni Lübeck https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/die-anfange-der-uni-lubeck/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/die-anfange-der-uni-lubeck/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:40:58 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212500
Ein Gebäude für alles: Haus 21 war das Logo des "Provisoriums", Lübecks erster Studentenzeitung,außerdem beherbergte es in den 60er Jahren Mensa und Asta der Medizinischen Akademie Lübeck.

Ein Gebäude für alles: Haus 21 war das Logo des “Provisoriums”, Lübecks erster Studentenzeitung,außerdem beherbergte es in den 60er Jahren Mensa und Asta der Medizinischen Akademie Lübeck.[media-credit name="Provisorium" align="aligncenter" width="640"]


„In einer würdigen Feierstunde, an der rund 250 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen, wurde gestern im Audienzsaal des Lübecker Rathauses die in Gründung befindliche Medizinische Akademie Lübeck offiziell eröffnet“, heißt es am 4. November 1964 in den Lübecker Nachrichten. Ministerpräsident, Staatsrat und Kultusminister Schleswig-Holsteins, der gesamte Lehrkörper der Universität Kiel mitsamt neuer Lübecker Kollegen sind am 3. November 1964 nach Lübeck gekommen, um in einem Festakt die Geburtsstunde einer Universität zu begehen, deren Gründung den „Beginn eines neuen Kapitels der Lübecker Geschichte“ markiert, wie Stadtpräsident Gaul es 1964 formuliert. Wie sich die medizinische Akademie, liebevoll aber bestimmt „Tochter“ der Christian-Albrechts-Universität Kiel genannt, entwickeln wird, weiß zu diesem Zeitpunkt keiner der Anwesenden. Nach viereinhalb Jahren umfangreicher Vorbereitungen, die nicht zuletzt als reich an Auseinandersetzungen über die Finanzierung und – vor allem – den Status der Hochschule beschrieben werden, blicken die Redner in stolzer Erwartung auf die Entwicklung des „jüngsten Kindes der CAU” und hoffen, es “möge einst eine strahlende Tochter werden“, lautet es weiter in den Lübecker Nachrichten vom 4. November 1964. Man beglückwünscht sich, den „Standort Lübeck mit Geschick ausgesucht zu haben, zumal diese Stadt eine große Tradition und ein wertvolles kulturelles Erbe aufzuweisen habe.“

Kiel und Lübeck – Alte Liebe

Die Kieler Einwände sind allerdings nicht zu überhören: Wie die Lübecker Nachrichten weiter schreiben, betont der Rektor der CAU Kiel, Prof. Hoffmann, „der Weg zur Gründung sei dornenreich gewesen. Auch in Kiel habe man oftmals gezweifelt, ob er der richtige sei. Nun, da die Würfel gefallen seien, erkenne man es aber an.” Der Kieler Rektor kommt nicht umhin, mit leisem Widerwillen zu bemerken: „Eine gewisse Eigenständigkeit der Lübecker Anstalt sei unverkennbar zu spüren“. Wer hätte gedacht, dass das “jüngste Kind“ der Kieler Universität sich als so eigenständig erweisen würde? Nicht einmal zehn Jahre nach ihrer Gründung wird die “Zweite medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel” zur “Medizinischen Hochschule Lübeck.” Innerhalb der ersten zwanzig Jahre vervierzigfacht sich die Studentenzahl. Nach weiteren zehn Jahren wird die Universität um den Fachbereich Informatik erweitert. Seitdem wachsen Studenten- und Studiengangszahlen exponentiell. Spätestens mit “Lübeck Kämpft” behauptet sich die Universität 2010 entgültig gegenüber der Uni Kiel.

Früher war alles anders

Für die 14 Medizinstudenten, die sich im Wintersemester 64/65 zur klinischen Ausbildung nach Lübeck wagten, ging mit den Eröffnungsfeierlichkeiten das Abenteuer erst richtig los. Wie studierte es sich an einer neugegründeten Universität in den 60ern? Wenn auch provisorisch eingerichtet: die Mensa bot dem guten Dutzend Neuankömmlingen mit 110 Sitzgelegenheiten wesentlich mehr Platz, als die heutige Mensa uns 3704 Studenten plus Fachhochschülern bietet. Das Essen kam vorerst aus der Krankenhausküche. Für den AStA wurden ein Arbeits- und ein Besprechungsraum eingerichtet. Bis 1965 das Jugenddorf Anschützstraße gebaut wurde, fanden die ersten Lübecker Medizinstudenten ein eigens für sie reserviertes Zimmer im Wohnheim der staatlichen Ingenieurschule. Wesentlicher Bestandteil des neuen Lübecker Ausbildungskonzeptes war der Unterricht am Krankenbett. Die Dauer der praktischen Ausbildung während der Semesterferien belief sich auf vier Wochen. Außerdem sollten Arbeitsgemeinschaften aus Studenten und Dozenten gebildet werden – was in Anbetracht der Tatsache, dass es wesentlich mehr Lehrende als Studierende gab, ein Leichtes war. Wer im Klinischen Abschnitt die Fächer der Vorklinik vermisste, der konnte sich darüber freuen, dass die „Fortsetzung der physikalisch-chemischen Ausbildung über das Physikum hinaus“ fest im Curriculum verankert war. Vorlesungen fanden sowohl im damaligen Krankenhaus Süd als auch Ost statt. Innerhalb der 15-minütigen Pausen zwischen den Vorlesungen vom einen Krankenhaus zum anderen zu gelangen, war eine echte Herausforderung. Bis ein Shuttle-Bus der Stadtwerke eingerichtet wurde, nahmen Dozenten die Studenten nicht selten einfach im eigenen Auto mit.

In den letzten 50 Jahren hat sich auf dem Campus Lübeck also einiges getan. Nur der Grundgedanke, den Lübecks Stadtpräsident am 3. November 1964 im Audienzsaal des Rathauses formulierte, ist hoffentlich der gleiche geblieben: „Mögen die jungen Menschen hier in Lübeck erfüllt werden von hoher beruflicher Auffassung und ausgezeichnetem Können und von der schlichten Menschlichkeit zugleich, die sich im Helfen und Dienen an den Mitbürgern erfüllt.”

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Die alte Seefahrtschule https://www.studentenpack.de/index.php/2012/01/die-alte-seefahrtschule/ https://www.studentenpack.de/index.php/2012/01/die-alte-seefahrtschule/#comments Mon, 16 Jan 2012 10:55:59 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=2188 unbekannter Fotograf

„Wie kommt man denn zur alten Seefahrtschule?“, war häufig die Frage der Erstsemester, wenn in den Mathematik-Vorlesungen die Übungsgruppen bekannt gegeben wurden, denn die meisten Übungen und vertiefenden mathematischen Veranstaltungen fanden bis zum Wintersemester 2010/2011 dort statt. Bereits seit dem Sommersemester finden die meisten Übungen nun allerdings in den Seminarräumen auf dem Campus statt und in diesem Semester wurde nur noch eine Vorlesung in den Hörsälen der Seefahrtschule gehalten. Die größeren Vorlesungen, also Analysis und Lineare Algebra, finden schon lange auf dem Campus statt, denn in der Seefahrtschule sind lediglich drei kleine Hörsäle untergebracht. Sie liegt in den südlichen Wallanlagen der Altstadtinsel zwischen dem Mühlenteich und dem Elbe-Lübeck-Kanal. Die Auffahrt zur Seefahrtschule versteckt sich zwischen der Mühlenbrücke und der Wallstraße und führt hinauf auf die Wallanlagen.

Geht man am Kanal zu Fuß entlang, so erblickt man erst das Kaisertor, auf dem die alte Seefahrtschule erbaut worden ist. Dieses stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist eines der kleineren Tore zur Stadt gewesen, welches wahrscheinlich nach seinem Erbauer benannt ist. Es wurde jedoch im 16. Jahrhundert zugeschüttet und darauf Wallanlagen errichtet. Wesentlicher Zugang zur Stadt ist zu der Zeit das nahegelegene Mühlentor gewesen, das ebenso wie das Holstentor aus 3 Toren bestand und dessen inneres Tor etwa auf der Höhe des alten Zolln stand. Auf den Grundmauern des zum Teil abgetragenen Kaiserturms wurde 1826 das „Gebäude zur Lehranstalt für die Schifffahrtskunde“ errichtet und die 1808 gegründete Navigationsschule zog dort ein. Der heutige Bau stammt etwa aus dem Jahr 1900. Während der Bauarbeiten am Elbe-Lübeck-Kanal, in den 3 Jahren davor, wurde das Kaisertor wieder freigelegt. Als Durchgang zur Wallstraße wurde das Kaisertor auch für die Festlichkeiten zur Eröffnung des Kanals genutzt. In der Seefahrtschule wurden Seeleute und Steuermänner, Kapitäne und Piloten sowie Seefunker und Maschinisten ausgebildet, wobei während des zweiten Weltkriegs die letzten beiden Studiengänge eingestellt waren. 1969 erfolgte eine Teilung der Seefahrtschule, da der Fachbereich Seefahrt an der im selben Jahr gegründeten Fachhochschule einen Teil der Studiengänge übernahm. Schließlich wurde die Seefahrtschule Lübeck 1993 nach Flensburg verlegt.

Ebenfalls im Jahr 1993 wurde an der Universität zu Lübeck (damals noch Medizinische Universität zu Lübeck) der Diplomstudiengang Informatik eingerichtet. Die drei ersten Institute, die nach dem Gründungsinstitut (medizinische Informatik von Prof. Dr. em. Pöppl) entstehen, ziehen in die nun leerstehende Seefahrtschule ein. So teilen sich das Institut für theoretische Informatik (Prof. Dr. Reischuk), das Institut für praktische Informatik (Prof. Dr. Linnemann) und das Institut für Mathematik (Prof. Dr. Lasser) ab 1994 die Räume der alten Seefahrtschule. In das alte Direktorenzimmer mit der Veranda zieht die Bibliothek ein und aus den drei alten Klassenzimmmern werden kleine Hörsäle. Damit ist die alte Seefahrtschule neben dem Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung (IMGWF) in der Königstraße der zweite Standort der Universität zu Lübeck in der Altstadt. Die Einrichtung der Seefahrtschule steht schon damals unter Denkmalschutz, so dass die alten Schränke mit Instrumenten nicht nur erhalten bleiben müssen, sondern an ihren ursprünglichen Plätzen bestehen bleiben. Dadurch ist etwa auf dem Flur im neueren (östlichen) Teil der Seefahrtschule ein alter Schrank mit physikalischen und chemischen Apparaturen. Auch in einigen Büros – etwa dem von PD Dr. Teichert – stehen nautische Instrumente und ein alter Schreibtisch, der trotz seines Alters weiterhin genutzt werden darf. Im kleinsten der Hörsäle, dem ebenfalls im östlichen Teil gelegenen Hörsaal 3, ist sogar noch die alte Einrichtung mit Schulbänken und einem großen Transformator vorhanden. In den Abseiten stehen außerdem alte Funkgeräte und Globen, sowie Karten, -ständer und Navigationsgeräte. Neben den drei Instituten bleibt ein Bereich der Seefahrtschule dem norddeutschen Rundfunk vorbehalten, der auf den Wallanlagen direkt neben der Seefahrtschule einen Sendemast betreibt.

Mit der Zeit entstehen weitere Institute der Informatik, die zunächst in der Seelandstraße in Kücknitz untergebracht werden. Eine Ausnahme bildet das Institut für technische Informatik, das in der alten Küche des Universitätsklinikums, dem Haus 33, unterkommt. Mit der Fertigstellung des zunächst nur 2-stöckigen Informatik-Gebäudes (Gebäude 64) auf dem Campus ziehen im Jahr 2004 sämtliche Institute der Informatik auf den Campus. In der Seefahrtschule bleibt lediglich das Institut für Mathematik. Die Grundlagenvorlesungen finden zu der Zeit schon auf dem Campus statt, denn für die etwa 200 Erstsemester der Studiengänge Informatik, CLS (heute MML) und MLS reichen selbst die dortigen Hörsäle V1 und V2 nur knapp. Nach dem Bau des Audimax von 2004 bis 2008 beginnt im Jahr 2009 die Erweiterung des Informatik-Gebäudes. Rundherum wird eine gesamte Etage auf das Gebäude gesetzt: Der Rundbogen erhält eine zweite Etage, die beiden Flügel eine Dritte. Vorgesehen war diese Etage schon 2004, doch fehlten damals die Gelder. So begleitet Baulärm bis Ende 2010 den Wissenschafts- und Lehrbetrieb im Informatikgebäude.

In der Seefahrtschule bleibt es ruhig. Zwar sind zwischenzeitig brandschutzbedingt 2008 einige Türen in den Fluren nachgerüstet worden, davon abgesehen gibt es allerdings seit einigen Jahren störende Mängel am Gebäude, wie etwa Schimmel in den Kellerwänden des östlichen Teils, wo die Toiletten untergebracht sind. Nicht nur deswegen, sondern auch, um die Wege zu verkürzen, ist einer der neuen Flügel für das Institut verplant. Im Januar 2010 wird aus der Arbeitsgruppe SAFIR um Prof. Dr. Bernd Fischer das Institute of Mathematical Image Computing (MIC). Mit den Plänen, ein Frauenhofer-Institut zu werden, und somit einigen neuen Mitarbeitern wird es zunächst eng in der Seefahrtschule. Der Plan, die gesamten Mitarbeiter in der Mathematik in einem der neuen Flügel unterzubringen, ist damit nicht mehr realisierbar. Nach einigen Verhandlungen zieht das MIC im Mai 2011 in das Multifunktions-Center (MFC) 2 am Carlebachpark nahe des Universitätscampus.

Der Umzug des Instituts für Mathematik, der eigentlich für März 2011 angedacht war, verschiebt sich, da mit der Anschaffung und Planung der neuen Möbel einige Probleme auftreten. Abgesehen von ein paar Verwirrungen bezüglich der Räume für die Übungen im Sommersemester und der häufigen Frage, wann denn nun der Umzug sei, bleibt alles wie vorher: Zu Vorlesungen und Übungen auf dem Campus muss man zwar ein wenig Zeit einplanen, dafür bleiben den Mathematikern der schöne Ausblick und die Nähe zur Altstadt.

Zum ersten Dezember 2011 ist nun das Institut für Mathematik im dritten Stock des Gebäudes 64 eingezogen und die alte Seefahrtschule steht leer. Zwischenzeitig stand der Plan im Raum, die lübsche Polizei eine Weile dort unterzubringen, um das 1. Revier in der Mengstraße zu renovieren. Auch der Verein für Denkmalschutz überlegte, die alte Seefahrtschule zu übernehmen und ein Seminargebäude daraus zu machen, in dem dann Lehrgänge zu Denkmalpflege – eventuell auch am praktischen Beispiel des Gebäudes selbst – hätten stattfinden sollen. Aktuell sucht das Land Schleswig-Holstein nach einem Interessenten und bleibt derweil Eigentümer der alten Seefahrtschule. Besitzer der Seefahrtschule ist weiterhin die Universität zu Lübeck, behält also etwa vorerst die Schlüssel und die Pflichten, die ein Gebäude so mit sich bringt.

Als ich Anfang 2009 meinen ersten Schreibtisch in der Seefahrtschule bekam, um meine Diplomarbeit dort zu schreiben, stand schon fest, dass das Institut in absehbarer Zeit aus der Seefahrtschule ausziehen wird. Damals sagte ich scherzhaft, ich würde dann eine WG dort aufmachen, denn die Lage und der Ausblick sind wirklich schön, dann noch in einem über 110 Jahre altes Gebäude – meiner Meinung nach traumhaft. Natürlich ist eine WG in der Seefahrtschule kaum realisierbar, denn mit dem Denkmalschutz wären die notwendigen Umbauten kaum vereinbar. Bleibt zu hoffen, dass sich ein Weg findet, auf dem die alte Seefahrtschule renoviert wird und weiterhin als das erhalten bleibt, was sie – beziehungsweise der vorherige Bau – über 180 Jahre nun war: ein Ort der Lehre mit altem Charme, einer schönen Wallanlage drumherum am südlichen Ende der Altstadt.

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Von der Neuzeit direkt ins Mittelalter https://www.studentenpack.de/index.php/2010/06/von-der-neuzeit-direkt-ins-mittelalter/ https://www.studentenpack.de/index.php/2010/06/von-der-neuzeit-direkt-ins-mittelalter/#respond Wed, 02 Jun 2010 11:43:10 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=1056
Lukas Ruge | StudentenPACK.

Grabungen in die Frühgeschichte Lübecks.

Unter dem Asphalt des ehemaligen Parkplatzes zwischen der Braunstraße und der Fischstraße beginnt das Mittelalter. Heiko Kräling zeigt auf Backsteine, die direkt unter der ehemaligen Straßendecke liegen; sie gehören zu mittelalterlichen Kellern. Zwei Gebäude haben hier gestanden, wo nun ein großes, weißes Zelt die Grabung vor Wind und Wetter schützt. Häuser aus Backstein, Hausnummer 30 und 32. Es ist das Gründerviertel von Lübeck, einige Meter nach Westen, an der Untertrave, befand sich der Hafen, den Hügel hinauf die Marienkirche, nicht in ihrer heutigen Gestalt, aber sicher schon ein imposantes Gebäude. Händler und Kaufleute wohnten hier vor 800 Jahren und haben ihre Spuren hinterlassen.

Unter den Steinmauern finden sich auch Holzwände und die Überreste eines Kellers der noch älter ist. Das Holzhaus aus dem zwölften Jahrhundert ist derzeit eine der spannendsten Entdeckungen der Forscher.

Hinter den Gebäuden finden die Archäologen Hinterhöfe, in ihnen große Steinkreise, die der Laie sofort als Brunnen identifizieren würde, tatsächlich handelt es sich um die Auffangräume mittelalterlicher Toiletten, sogenannte Kloaken. Kleine Klohäuser, gleichzeitig auch Aufbewahrungsschuppen, standen in den Hinterhöfen. Eine Toilette im Hinterhof ist eigentlich keine Sensation, wären nicht Objekte, die dort hineingeworfen wurden, durch das Versinken in den Fäkalien außergewöhnlich gut erhalten. Am Welttoilettentag, am 19. November, bieten die Archäologen Sonderführungen an. Ein solches Loch reichte dann meist für mehrere Generationen, danach wurden sie entweder entleert oder es wurde ein neues gegraben. In den Hinterhöfen finden sich eine ganze Reihe an solchen Kloaken.

Es sind nicht irgendwelche Häuser, nicht einmal irgendwelche Häuser des Lübecker Gründerviertels. Aus Versicherungspapieren und anderen Dokumenten geht hervor, dass die Grundstücke dem Vater von Hinrich Paternostermacher gehörten, der seinen Namen mit einem Aufstand 1384 gegen den Rat der Stadt Lübeck in den Geschichtsbüchern verewigte. Paternostermacher waren, wie ihr Name sagt, mit der Erstellung von Rosenkränzen beschäftigt, solche Bernsteinperlen wurden in den Toilettengruben gefunden und untermauern die Vermutung. Hinrich wird im Garten hinter diesen Häusern als Kind gespielt haben. Nach dem missglückten Aufstand wurde er nach seinem Selbstmord symbolisch hingerichtet.

Der Bereich zwischen Marienkirche und Untertrave war bei den Bombenangriffen auf Lübeck 1942 erheblich getroffen worden, so dass er in den fünfziger Jahren neu bebaut wurde. Schon lange hatte die Stadt gehofft, die dort entstandenen Schulen und Gebäude zu ersetzen, doch das Geld war knapp. Mit dem Konjunkturpaket II erhielt Lübeck 11,6 Millionen Euro für die Archäologie, von denen über neun Millionen in das Projekt Gründerviertel, welches die 9000 Quadratmeter Grabung zwischen Alfstraße und Braunstraße um das Internationale Studierendenwohnheim umfasst, fließen. Dabei sei der Abriss der zwei Schulen und der anderen Gebäude besonders teuer. Mit den verbleibenden Mitteln wollen die Archäologen nun bis in das Jahr 1143, und vielleicht sogar weiter zurück, graben.

Es ist die größte Ausgrabung in Lübecks ältestem und archäologisch bedeutsamsten Viertel, auch deshalb ein wichtiges Projekt für Lübecks obersten Archäologen Professor Dr. Manfred Gläser und seine Mitarbeiter vom Bereich Archäologie und Denkmalpflege Lübeck, die nun ein Stück UNESCO Weltkulturerbe freilegen. Denn nicht nur die gotischen Gebäude oberhalb der Straße wurden 1987 mit dem gesamten Stadtkern Lübecks mit diesem Titel belegt, auch Lübecks unterirdisches Erbe.

Um diese Arbeit erledigen zu können, wurden eine Reihe befristeter Stellen geschaffen, darunter in den Bereichen Grabungsleitung, Fotografie, Grafik, Restaurierung, Fundbergung, Inventarisierung und Archäo-Informatik.

Heiko Kräling ist ein solcher Archäoinformatiker und die detaillierte Dokumentation aller Funde und ihre Auswertung fallen in seinen Aufgabenbereich. Studiert hat er Vor- und Frühgeschichte in Marburg, ist also eigentlich Archäologe. Berührungsängste mit der Technologie hat er aber, anders als viele in seinem Fachbereich, nie gehabt. In verschiedenen Grabungen hat er sich das technische Wissen zugelegt, das ihn zum idealen Kandidaten für die Stelle in Lübeck machte. Denn erstmals wird in Lübeck diese Grabung nicht analog sondern digital vermessen und dokumentiert. Mit Hilfe von Lasermessgeräten, ähnlich denen, die jeder aus der Straßenvermessung kennt, wird die Grabung Schicht für Schicht vermessen. Detaillierte Fotos werden am Computer aneinander gefügt und mit den Messdaten verknüpft. So entsteht eine genaue Dokumentation. In einer speziell entwickelten Datenbank werden dazu alle Informationen abgespeichert. So kann jeder Fund genau einer Grabungsschicht und naheliegenden anderen Objekten zugeordnet werden.

Die Forscher werden unter den Augen der Öffentlichkeit arbeiten müssen. Das Gelände wird touristisch vermarktet. Immer Montags finden Führungen statt, für die man sich Karten im Rathaus abholen kann. Wer jetzt interessiert ist, muss sich leider gedulden: Zur Überraschung aller, auch der Archäologen, sind die Karten schon langfristig vergriffen.

2013 wird die Grabung ihr Ende finden und ein modernes Wohnviertel soll dort entstehen. Einiges mag in den Kellern erhalten bleiben, aber vieles wird verschwinden, schon deshalb ist die ausführliche Dokumentation so notwendig. Die Nachbereitung der Informationen sei noch keine beschlossene Sache. Finanzierungsanträge zur Auswertung der Grabungsergebnisse, sagt Heiko Kräling, wird es sicherlich geben, auch mit gewisser Aussicht auf Erfolg, aber immerhin wird alles dokumentiert.

 

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