Annette Schavan – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 02 Jun 2014 09:19:26 +0000 de-DE hourly 1 Alles richtig gemacht? https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/#respond Mon, 05 May 2014 11:40:00 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=210936 Lübeck, Anfang April 2014. Wieder einmal ist Jahresempfang der Universität, mit grauem Himmel, Reden und Häppchen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Vor dem Audimax steht eine NDR-Reporterin für eine Live-Übertragung auf einer Fußbank. Ein Baum wird gepflanzt. Eine Katze läuft durch’s Bild. Ein Polizeiwagen hat gut sichtbar auf dem Platz neben dem Audimax geparkt. Ob es hier heute gefährlich würde? Der Beamte verneint, man sei gebeten worden, heute hier zu sein. Hat diese Bitte womöglich mit dem Schild „Dr. h.c. Annette Schavan“ auf einem Platz in der ersten Reihe zu tun? Wahrscheinlich schon. Wir haben uns anlässlich dieser sehr umstrittenen Verleihung der Ehrendoktorwürde jedenfalls mit ins Getümmel aus ARD, ZDF und Spiegel TV gestürzt und auch mit Annette Schavan gesprochen. Hier nun das von ihr autorisierte Interview.

„Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.“ Annette Schavan nach der Verleihung.

“Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.” Annette Schavan nach der Verleihung.[media-credit id=51 align="aligncenter" width="625"]

StudentenPACK: Wenn es um die Uni-Rettung geht, fällt meist im gleichen Atemzug Ihr Name. Haben Sie die Uni gerettet?

ANNETTE SCHAVAN: Ich war jedenfalls dabei. Eigentlich darf sich eine Bundesministerin darum ja gar nicht kümmern, weil der Föderalismus vorsieht, dass es allein Sache des Landes ist. Es gab einen so beeindruckenden Einsatz aller hier in Lübeck, dass ich aber fand, wir müssen gemeinsam einen unkonventionellen Weg finden. Das haben wir geschafft.

PACK: Wir haben gerade in der Laudatio gehört, wofür Ihnen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Welche dieser Punkte würden Sie besonders hervorheben, welche sind Ihnen besonders wichtig?

SCHAVAN: Der Punkt, der mir am wichtigsten ist, war die Stärkung der medizinischen Forschung in Deutschland: Die Gründung der Gesundheitsforschungszentren zu den sogenannten Volkskrankheiten. Wir sind eine Gesellschaft des langen Lebens. Das fordert die Medizin mehr denn je. Deshalb war mir wichtig in der medizinischen Forschung die Kräfte zu bündeln, die Finanzinvestitionen deutlich zu steigern und mit den Zentren die internationale Präsenz der medizinischen Forschung zu stärken. Deshalb fand ich auch, dass es nicht in die Zeit passt, wenn dann an einer Stelle Studienplätze wegfallen. Denn vor der medizinischen Forschung steht das Interesse am Studium der Medizin.

PACK: Wo Sie gerade die Forschungszentren so betonen: War es dann Zufall, dass Ihnen gerade von der Uni, in deren Rettung Sie involviert waren, die Ehrendoktorwürde verliehen wurde?

SCHAVAN: Das ist sicher kein Zufall. Diese Universität ist an den Gesundheitsforschungszentren beteiligt. Sie ist ein leistungsfähiger Standort. Sie setzt mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde ein öffentliches Zeichen für die medizinische Forschung.

PACK: Nicht alle waren damals schon hier an der Uni. Würden Sie bitte noch einmal kurz zusammenfassen, was 2010 passiert ist, das dazu beigetragen hat, dass wieder Geld für die Uni zur Verfügung stand?

SCHAVAN: Der Bund darf kein Geld an eine Universität geben. Der Bund darf auch nicht einfach Geld für eine Universität an das Land geben. Deshalb brauchten wir ein kreatives Konzept. Es gab ein Institut, das Alfred-Wegener-Institut für Meeresforschung, das bereits in der Helmholtz-Gemeinschaft war. Also haben wir überlegt, ein anderes Institut für die Ozeanforschung, GEOMAR, auch in die Hände der Helmholtz-Gesellschaft zu geben. Und damit hat sich die Kostenaufteilung zwischen Schleswig-Holstein und dem Bund zugunsten des Landes verändert. Das schöne ist: Der Steuerzahler muss nicht mehr zahlen, sondern das Budget ist anders verteilt. Und das Geld ist nicht vom Bund hierher gekommen, sondern es hat innerhalb von Schleswig-Holstein dann Freiräume gegeben. In solchen Situationen muss man unkonventionell reagieren, man braucht kreative Konzepte und sollte nicht einfach Geld hin- und herschieben. Dafür gibt es noch andere Beispiele, aber das hier ist ein besonders bekanntes.

PACK: Sie finden also eigentlich nicht, dass es Aufgabe einer Bundesbildungs- und Forschungsministerin ist, sich für eine Landessache so einzusetzen?

SCHAVAN: Doch. Ich persönlich finde, dass es eine Sache der Bundesministerin ist. Deswegen habe ich mich auch darum bemüht, eine Lockerung des Föderalismus zu schaffen, damit so etwas künftig immer möglich ist. Darüber gibt es bisher aber keinen politischen Konsens.

PACK: Es wurde acht „Kämpferwochen“ lang demonstriert. Wenn Sie schon damals meinten, dass die Uni Lübeck definitiv rettenswert ist – warum hat das dann so lange gedauert?

SCHAVAN: In meinen Augen sind wir, als der Bund eingeschaltet war, schnell zu einer Lösung gekommen. Aber die Voraussetzung ist natürlich, dass sich jemand an mich wendet. Im Nachhinein zählt nicht, wie lange es gedauert hat, sondern ob die Lösung, die gefunden wurde, tragfähig ist.

PACK: Hat es denn sehr lange gedauert, bis bei Ihnen in Berlin angekommen war, dass die Rettung der Universität wirklich nötig ist?

SCHAVAN: Die zeitlichen Abläufe habe ich so gar nicht mehr im Kopf, das ist jetzt irgendwie zu lange her. Ich weiß nur: nachdem der Präsident mich angerufen hat, haben wir zügig ein Konzept erarbeitet. Letztlich wäre das ohne die damalige Landesregierung und ohne die Uni nicht möglich gewesen. Das hat dazu geführt, dass wir wirklich ein Konzept gefunden haben, das nicht nur ein oder zwei Jahre hält, sondern einen dauerhaften Erhalt der Universität ermöglicht.

PACK: Es geht ja nicht nur um 2010. Momentan wird auch Ihre Doktorarbeit diskutiert. Was ist da schiefgelaufen?

SCHAVAN: Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen. Zu dieser Dissertation gibt es diametral entgegengesetzte Bewertungen in der Wissenschaft. Die zuständige Fakultät sagt, nach 34 Jahren übrigens, die Arbeit sei eine Täuschung. Andere Wissenschaftler, deren Gutachten ich vorgelegt habe, sagen die Angabe der Quellen ist angemessen. Damit muss ich jetzt leben. Ich sage aber auch mit Blick auf diese Zeit damals: Das war für mich eine wichtige Zeit. Ich habe aus dieser Arbeit viel gelernt, ich habe mich mit Gewissen beschäftigt, und ich habe mich in meinem ganzen beruflichen und öffentlichen Leben immer um Gewissenhaftigkeit bemüht und werde das auch in Zukunft tun. Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland eine wissenschaftsethische Diskussion geben wird: Was sind die Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit im Umgang mit Plagiatsvorwürfen? Wie kann erreicht werden, dass die Verfahren an allen Universitäten vergleichbar sind?

PACK: Können Sie momentan Promovierenden irgendeinen Tipp geben, worauf man ganz besonders achten sollte, um nicht irgendwann vor Gericht zu stehen und zu hoffen, dass man seinen Doktortitel nicht verliert?

SCHAVAN: Schreiben sie ihre Dissertation nach bestem Wissen und Gewissen und mit Freude an der Sache. Ich bin davon überzeugt, dass die Debatten der nächsten Jahre zur Vergleichbarkeit der Verfahren an den Unis führen werden.

PACK: Können Sie die Kritiker verstehen, die Ihnen nach dem Entzug Ihres wissenschaftlichen Doktortitels eine gewisse Vorbildfunktion absprechen und Ihnen deswegen heute diesen Titel nicht gegeben hätten?

SCHAVAN: Hätte ich getäuscht wäre ich heute nicht hier. Wer lange im öffentlichen Leben steht lernt mit Kritik umzugehen. Viele Glückwünsche zeigen mir, dass es, wie so oft im Leben, unterschiedliche Meinungen gibt.

PACK: Werden Sie den Dr. h.c. der Universität zu Lübeck in Zukunft führen?

SCHAVAN: Der Lübecker Ehrendoktortitel gehört zu meiner Vita, aber ich habe mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob ich künftig Titel vor meinem Namen trage – ich vermute eher nicht.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch!

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Panzerschrank Potemkin https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/panzerschrank-potemkin/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/panzerschrank-potemkin/#respond Thu, 04 Apr 2013 08:00:49 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=122263 Tief in den Wäldern (naja, da ist ein Baum auf einer Wiese) hinter dem Campus der Uni Lübeck, in einem Herrenhaus, verborgen in einem Tresor, soll sie liegen. Sicher und Unantastbar: Die Ehrendoktorurkunde von Annette Schavan. Dort, so will es die Geschichte, welche man in den Lübecker Nachrichten, im Spiegel oder in der Frankfurter Allgemeinen nachlesen kann, liegt das bereits vom Präsident der Universität, Peter Dominiak, unterschriebene Stück Zeitgeschichte seit November 2011 und wartet. Wartet auf den Tag, an dem es frische Jahrestag-Luft schnappen kann und endlich übergeben wird.

Während es zwei mal Winterschlaf (und einen Sommerschlaf) hinter Schloss und Riegel verbrachte hat sich einiges geändert. Erst wurden anonyme Vorwürfe gegen Frau Schavan laut, dann Vorwürfe gegen die Uni Düsseldorf, welche diese zu prüfen versuchte. Frau Schavan beteuerte keine Fehler gemacht zu haben, dann vielleicht doch ein paar kleine Fehler. Die Uni Düsseldorf entschied sich, Schavan den akademischen Grad zu entziehen, Schavan entschied sich, zu klagen. Angela Merkel sprach der Ministerin ihr Vertrauen aus, Schavan kündigte. Die Urkunde liegt angeblich noch immer im Panzerschrank.

Wo das Dokument tatsächlich liegt ist dabei unwichtig. Der Panzerschrank ist das Symbol, welches das Präsidium insbesondere nutzen wollte, um dem Senat der Universität klar zu machen, dass eine Rücknahme des Entschlusses oder ein Entzug des noch nicht einmal verliehenen Titels nicht in Frage zu kommen habe. Eine Machtdemonstration, über welche der AStA sich aufregte, welcher die studentischen Vertreter im Senat aber dennoch zustimmten. Die Urkunde wird also übergeben! Oder vielleicht auch nicht? Denn die Urkunde ist fehlerhaft. Für sie bleibt nur ein Bestimmungsort: Der Papierkorb.

Warum kann die Urkunde, wo sie doch unterschrieben wurde, nicht übergeben werden? Warum wäre die Übergabe ein Fauxpas, eine Blöße, die sich die Uni niemals geben würde? Die Adressatin der Würde existiert nicht. Als Professor Dominiak die Urkunde unterschrieb, war Annette Schavan noch Ministerin und von Plagiatsvorwürfen hatte noch niemand etwas gesagt. Auf der Urkunde also wird „Dr. phil. Annette Schavan“ gewürdigt. Doch diesen akademischen Titel führt Frau Schavan nicht mehr.

Nun kämpft Frau Schavan zwar derzeit darum, diesen Titel behalten zu können, doch in der Presse zu lesende Einschätzungen räumen ihr dabei nur geringe Chancen ein. Annette Schavan ist nicht die erste, welche die Verwaltungsgerichte zu nutzen versucht, um einen verlorenen Doktorgrad zurückzugewinnen – bisher wurden die Entscheidungen der Universitäten grundsätzlich aufrechterhalten.

Die Uni Lübeck wiederum hat beschlossen, mit der Würdigung zu warten, bis das Verfahren beendet ist. Dann wird Professor Dominiak aller Wahrscheinlichkeit nach eine gänzlich neue Urkunde ausdrucken und unterschreiben müssen, Panzerschrank hin oder her.

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Wer hat’s gerettet? https://www.studentenpack.de/index.php/2012/02/wer-hats-gerettet/ https://www.studentenpack.de/index.php/2012/02/wer-hats-gerettet/#comments Mon, 20 Feb 2012 11:00:23 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=2490 Der Universität zu Lübeck stehen eine Vielzahl von Ehrungen und Würdigungen zur Verfügung, wenn es darum geht, einen Menschen für einen Verdienst auszuzeichnen. Da gibt es den Preis für besonderes studentisches Engagement, welcher eigentlich nur Studenten der Universität verliehen werden kann, die Universitätsehrennadel, die Universitätsmedaille, die Ehrenbürgerschaft der Universität, die Ehrenmitgliedschaft im Senat, die Ehrenprofessur und natürlich die Ehrendoktorwürde. Verdienst – und das ist vielleicht die Krux an der ganzen Angelegenheit – ist dabei ein weicher Begriff, ein dehnbares Etwas.

Protest gegen die Schließung der Uni in Kiel. Juli 2010.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Protest gegen die Schließung der Uni in Kiel. Juni 2010.

Mit Ehrungen, Würdigungen und Danksagungen sparte die Universität nicht, nachdem im Sommer 2010 ein Sturm an Demonstrationen, Protesten und Empörung dafür sorgte, dass die Landesregierung Schleswig-Holsteins den Plan fallen lassen musste, die Universität zu Lübeck im Rahmen der Sparbemühungen kaputt zu kürzen. Nun, zwei Jahre später, soll nach dem Willen der Universitätsleitung eine weitere Person für die Rettung der Universität geehrt werden: Die amtierende Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Fakt ist: Die Landesregierung gab ihr Vorhaben auf, nachdem Schavan grünes Licht für einen Plan gab, der das GEOMAR in Kiel von 50-prozentiger Landesfinanzierung auf eine 90-prozentige Bundesfinanzierung umstellte. Ein bisher einmaliger Prozess, der in der deutschen Medienlandschaft deswegen besondere Beachtung fand, weil er, zu einem gewissen Grad, eine Aushebelung des Kooperationsverbotes darstellte. Das Kooperationsverbot macht es eigentlich unmöglich für den Bund, die Bildung in den Ländern zu finanzieren. Doch die Schavan-Lösung umging das Problem und ließ indirekt Bundesgelder nach Lübeck fließen.

Doch was hatte Ministerin Schavan tatsächlich getan? Schon jetzt, nur wenige Jahre nach dem Protest, existieren verschiedenste Versionen der Geschichte von „Lübeck kämpft“, welche üblicherweise den Erzähler zur zentralen Figur werden lassen. Dieser Kampf begann bereits im Mai 2010, als die Absichten der Landesregierung, den Medizinstudiengang in Lübeck einzustellen und das UKSH zu privatisieren, bekannt wurden und Studenten, Professoren, Mitarbeiter und Lübecker Bürger ihre Universität in Gefahr sahen. Die zahlreichen Protestaktionen streckten sich über Monate und sind in vielen Artikeln und einem Buch beschrieben worden.

Ministerpräsident Carstensen und Ministerin Schavan hatten sich aufgrund der Proteste – unter anderem – Mitte Juni getroffen, um das Problem der Uni Lübeck zu diskutieren. In den folgenden Wochen, als die Lübecker Wutbürger lauter wurden, gab es sowohl vom Bundesbildungsministerium als auch von Seiten der Landesregierung keine Anzeichen dafür, dass eine Lösung gefunden wurde. Ganz im Gegenteil: Peter Harry Carstensen verknüpfte das Sparpaket mit seinem politischen Schicksal, drohte laut Medienberichten damit, dass er zurücktrete, würde die Ein-Mann-Mehrheit im Landtag fallen. Auch im Bund mauerte die CDU: Auf Anfragen der Opposition im Bundestag gab es keine zufriedenstellende Auskunft, obwohl von der SPD zwei Fragestunden zur Universität Lübeck einberufen wurden. Schavan persönlich habe allerdings, so schreibt das Flensburger Tageblatt, intern mitgeteilt, dass die Universität zu Lübeck erhalten bleiben müsse. Öffentlich gab es aber anscheinend keinen Grund, solche Proklamationen zu machen.

Doch das war im Juni, die Mehrheit im Landtag stand und auf Bundesebene lag die CDU in den Umfragen klar vor der SPD. Als die Landtagsmehrheit für das Sparpaket dann am 1. Juli fiel, als der FDP-Abgeordnete Gerrit Koch erklärte, nicht für das Sparpaket zu stimmen, die Einstellung des Medizinstudienganges im Landtag also ohnehin nicht mehr durchzusetzen war, die Presseberichte immer negativer wurden und in den Sonntagsfragen zum Bund die CDU nur noch einen Prozentpunkt vor der SPD lag (die FDP war mal wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen), war von „Standfestigkeit“, „dringendem Sparwillen“, von „Griechenland-artigen Zuständen“ und „alternativlos“ (was später Unwort des Jahres wurde) nichts mehr zu hören. Plötzlich gab es eine Lösung: Die Schavan-Lösung. Ein bisher vom Bund zu 50 Prozent finanziertes Forschungszentrum sollte zukünftig zu 90 Prozent bundesfinanziert sein. Der Einspareffekt erlaubte der Landesregierung, ihr Sparziel zu erreichen und ihr Gesicht zu wahren – gleichzeitig musste die Uni Lübeck nicht geschlossen werden.

Ein Schelm wer Böses denkt. Nie hat es sich um politisches Kalkül gehandelt: Kontinuierlich, so ließen Minister de Jager und FDP-Fraktionsvorsitzender Kubicki die Öffentlichkeit wissen, habe man konstruktiv mit der Bundesbildungsministerin an einer Lösung gearbeitet, die sie zufällig nun, da ihr ursprünglicher Plan ohnehin nicht mehr durchsetzbar war, präsentieren konnten. Eigentlich hätte die Politik – nicht der Protest – die Uni gerettet, sollten wir wissen.

In Lübeck wurde dies belächelt. Uni-Retter wollten die sparwütigen Landespolitiker sein, höhnische Plakate über die Retter aus Kiel wurden in Lübeck ausgeteilt und aufgehängt. Manche hängen noch heute.

Auch Peter Dominiak, Präsident der Universität, lehnte diese Form der Geschichte ab: „Es gab seit letztem Jahr im Winter Verhandlungen in Berlin, aber ich glaube nicht bezüglich der Uni Lübeck oder sogar über GEOMAR, das hätte ich sonst sicher von Herrn Rietschel (Anm. d. Red.: ehemaliger Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, der das IFM-GEOMAR damals unterstand, und Ehrendoktor der Uni Lübeck) erfahren.“ Zudem habe er jede Woche mit Ministerin Schavan telefoniert, gab er 2010 gegenüber dem StudentenPACK zu Protokoll. Von der Retterin Schavan damals noch keine Rede.

Ähnlich analysierte die Presse die Rolle der Ministerin. Die Financial Times Deutschland schreibt am 9. Juli, dem Tag nach dem Eingreifen der Ministerin: „Der Bund übernimmt für einen zweistelligen Millionenbetrag ein Forschungsinstitut. Schwarz-Gelb sichert damit den Fortbestand der Hochschule – und das politische Überleben der Kieler Landesregierung. Die jetzt zugesagte Hilfe vom Bund ist offenbar auch eine Art Gegenleistung für die Zustimmung Schleswig-Holsteins zum ‚Wachstumsbeschleunigungsgesetz‘ Ende vergangenen Jahres.“

Wie schnell sich die Sicht auf die Geschichte verändern kann, zeigt das Universitätspräsidium, welches im Dezember 2011 einen Antrag im Senatsausschuss Medizin einbrachte: Im April 2012 sollte Annette Schavan den Ehrendoktor für ihre Leistungen im Rahmen der Rettung der Universität erhalten. Die Ehrendoktorwürde der Universität zu Lübeck muss, so sieht es die Promotionsordnung vor, von einem der zwei Senatsauschüsse – Medizin oder MINT – dem Senat vorgeschlagen werden. Dieser Vorschlag muss vier Fünftel aller Stimmen erhalten. Auch im Senat ist eine solche vier-Fünftel-Mehrheit nötig, damit die Würde erteilt werden kann.

Einladung zum Jahresempfang der Universität zu LübeckStudentenPACK | StudentenPACK.

Einladung zum Jahresempfang der Universität zu Lübeck

In dem von Professor Dominiak verfassten schriftlichen Antrag, der dem StudentenPACK vorliegt, klingt die Rolle der Bildungsministerin äußert freundlich: „Frau Prof. Schavan hat im Sommer 2010 durch schwierige aber immer entschlossene und politisch weitsichtige Verhandlungen mit der Landesregierung Schleswig-Holsteins erreicht, dass der Studiengang Medizin an unserer Universität bestehen bleibt und damit ihr Bestehen als ganzes gerettet!“, schreibt Dominiak zur Begründung. Zudem verweist der Antrag auf Schavans Unterstützung der Universität bei dem Plan, zur Stiftungsuniversität zu werden. „Die Verleihung der Ehrendoktorwürde wäre eine angemessene Würdigung der Verdienste von Frau Schavan um den Erhalt der Medizin und damit der gesamten Universität zu Lübeck.“ Der Antrag wurde im nicht öffentlichen Teil der Sitzung vorgestellt und abgestimmt, die Begründung in dieser Form an den Senat weitergeleitet.

Und während diese Sicht auf die Geschichte zumindest streitbar ist, so sind andere Abschnitte des Antrags einfach nur falsch: So wird §22 Abs.1 der Universitätsverfassung zitiert: Die „Universität kann [die Ehrendoktorwürde] für besondere Verdienste um die Universität zu Lübeck“ verleihen, doch das ist so nicht richtig: Die Verleihung der Ehrendoktorwürde ist die einzige Ehrung der Universität, an deren Verleihung gewisse wissenschaftliche Voraussetzungen geknüpft sind: Sie kann für „hervorragende wissenschaftliche Leistungen oder besondere persönliche Verdienste um die von der Universität vertretenen Wissenschaften“ verliehen werden. Dies unterscheidet diese Würdigung von allen anderen von der Universität verliehenen Preisen, welche „für besondere Verdienste um die Universität“ selbst vergeben werden. Die Verdienste eines Ehrendoktors müssen also wissenschaftlicher Natur sein. So ist es vielleicht zu erklären, dass in einer Pressemitteilung der Universität die Begründung plötzlich um einen fachlichen Aspekt ergänzt wurde, der in der schriftlichen Vorlage in Ausschuss und Senat fehlte: Frau Schavan habe sich um die medizinische Wissenschaft verdient gemacht, „weil sie die Gesundheitsforschungszentren ins Leben gerufen hat, die vor allem die Defizite in der klinischen Forschung auf den Gebieten Herz, Lunge, Infektion, Diabetes und Neurologie beseitigen sollen.“

Ob Ministerin Schavan sich besonders für die Wissenschaft oder für die Universität zu Lübeck verdient gemacht hat oder lediglich um die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, wie Björn Engholm im Vorwort zum Buch „Eine Stadt sieht gelb – Wie Lübeck seine Uni rettete“ vermutet: Der Verleihung einer Ehrennadel oder Hochschulmedaille stünde sicherlich formal nichts im Weg.

Es ist nichts Neues, dass auch Ehrendoktorwürden abseits einer klar verständlichen Qualifikation vergeben werden. Universitäten schmücken sich gerne mit großen Namen und so ist auch Günter Grass ein medizinischer Ehrendoktor der Universität zu Lübeck. Was der Beitrag des Literaturnobelpreisträgers zur medizinischen Wissenschaft ist? Dass er „Deutschland und die Welt mahnt, das Humane neu zu bedenken und einzulösen.“ sagte 2003 Prof. Dr. med. Hans Arnold in seiner Laudatio.

Nicht nur Universitäten schmücken sich gerne mit großen Namen, auch Politiker schmücken sich gerne mit Titeln und Würdigungen: Anette Schavan hat bereits einen Dr. phil. an der Universität Düsseldorf erhalten, für ihre Dissertation mit dem Titel „Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ (1980) sowie eine Ehrendoktorwürde der Universität Kairo „für ihre Verdienste um die ägyptisch-deutsche Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und Forschung“ (2009), der Tongji-Universität, Pei Gang in China (2010), ein Jahr später der Hebräischen Universität Jerusalem „in Anerkennung ihrer Leistungen für die deutsch-israelische Zusammenarbeit in Forschung und Bildung“ und der Meiji-Universität in Japan als „Zeichen für den Ausbau der Partnerschaft in Forschung und Lehre mit deutschen Institutionen“. Im Jahre 2012 sollte nun Lübeck dran sein, für ihren Einsatz um den Erhalt der Universität und ihre Unterstützung des „Bestrebens, Stiftungsuniversität zu werden“. Seit dem Wintersemester 2009/2010 ist Dr. Dr. hc. mult. Schavan eine Honorarprofessorin für katholische Theologie an der Freien Universität Berlin.

Ministerin Schavan im Januar 2012 bei der Eröffnung des Wissenschaftsjahres in LübeckStudentenPACK | StudentenPACK.

Ministerin Schavan im Januar 2012 bei der Eröffnung des Wissenschaftsjahres in Lübeck

Doch der Plan, den Preis im April 2012 zu verleihen, scheiterte an der Kritik der SPD-Fraktion im Landtag. Wie könne es sein, dass eine CDU-Ministerin so kurz vor der Wahl in Schleswig-Holstein die Würde der hochangesehenen Universität erhält? Ein Termin, der aus Sicht der Wahlkämpfer, so Martin Habersaat, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, „zu kritisieren sein könnte und den man sich merken sollte“. Weniger diplomatisch ist wie gewohnt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ralf Stegner: „Amigos im Norden“ twittert Stegner und vergleicht die Beziehung zwischen Universität und Bildungministerin mit der zwischen Landesregierung und Glücksspiel-Lobby oder dem inzwischen zurückgetretenem Bundespräsidenten Wulff und seinen Gönnern. Die Universität sieht keinen Zusammenhang: „Der Jahresempfang der Universität zu Lübeck findet bereits seit langem in jedem Jahr Mitte April“ statt, man bedaure, „dass in unsinniger Weise versucht worden ist, aus der in diesem Jahr gegebenen, zufälligen zeitlichen Nähe zur Landtagswahl am 6. Mai einen intendierten Zusammenhang zu konstruieren.“

Grundsätzlichere Probleme sieht Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Bundestag: „Es ist nicht statthaft, wenn die amtierende Ministerin für Bildung von einer deutschen Universität einen Ehrendoktor erhält.“ Er sieht darin den Anschein, man wolle das Wohlwollen der Ministerin erkaufen. Bedenkt man, dass gerade die Lübecker Universität 2005 und 2010 wegen fehlendes Wohlwollens in der Politik um ihr Überleben kämpfen musste, sind solche Anschuldigungen ernst zu nehmen. Das Bundesministerium war für eine Klärung zu Stegners Vermutungen nicht zu erreichen, genauso wenig wurde die Frage beantwortet, warum eine amtierende Ministerin eine solche Auszeichnung überhaupt angenommen hat.

Um der Kritik aus dem Weg zu gehen, wurde die Vergabe auf den April 2013 verlegt, oder wie Ralf Stegner es auf Twitter nennt: „Kurz vor der Bundestagswahl“. Bildungsministerin ist Frau Schavan dann voraussichtlich immer noch.

Hinter vorgehaltener Hand hört man auch von einigen Mitgliedern des Senats der Universität zu Lübeck, dass die Vergabe der Ehrendoktorwürde ihnen nicht wirklich gefällt, doch letztendlich haben sich im Senat wie im Senatsausschuss Medizin alle Mitglieder entschieden, für den Antrag von Professor Dominiak zu stimmen. Caroline Blaum, sie vertritt die Studierendenschaft im Senatsausschuss Medizin, betont, sie hätte nicht für den Antrag gestimmt, war aber zu der Sitzung verhindert. „Nicht allein der persönliche Einsatz von Frau Schavan hat die Uni gerettet, sondern vielmehr das Engagement der gesamten Uni Lübeck und der Lübecker Bürger hatten erheblichen Teil daran“, meint Caroline. Von daher sei die Verleihung der Ehrendoktorwürde eine unangemessen Maßnahme. Für die Vergabe im Jahr 2013 wird kein neues Votum des Senats notwendig sein.

Damit, dass die Würdigung nicht gänzlich ohne Kritik vonstatten gehen würde, dürfte Präsident Dominiak gerechnet haben. Seinen Antrag an den Senatsausschuss Medizin beendet er mit den Worten: „Da es sich um eine sensible Personalie handelt, möchten die Unterzeichner (Prof. Dominiak und Prof. Hohagen, Anm. d. Red.) herzlich darum bitten, diesen Vorgang bis zur Vorlage in den Gremien höchst diskret zu behandeln.“

So bleibt, wie man in Schavans politischer Heimat Baden-Württemberg sagt, ein Geschmäckle, wenn die Universität im April 2013, mit einem Jahr Verzögerung, zum sechzehnten Mal in fast 50 Jahren den Titel verleiht, und die Gewissheit, dass sich hier zwei mit dem Namen des Anderen schmücken. Doch vielleicht muss man all den Beigeschmack mit der Gelassenheit nehmen, mit der auch Martin Habersaat seine Stellungnahme beendet: „Die Universität zu Lübeck wurde gerettet. Wenn der Preis dafür ein Ehrendoktorhut für Frau Schavan ist, sei er ihr gegönnt. Herzlichen Glückwunsch!“

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