Gesundheitspoltik – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Tue, 04 Dec 2018 16:02:04 +0000 de-DE hourly 1 Deine Organe, deine Entscheidung! https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/deine-organe-deine-entscheidung/ https://www.studentenpack.de/index.php/2018/12/deine-organe-deine-entscheidung/#respond Mon, 10 Dec 2018 09:00:59 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=399603 Das Treffen der Lokalgruppenleiter der AGs aus ganz Deutschland fand vom 19. bis zum 21. Oktober in Köln statt. Das Programm beinhaltete Seminare, Vorträge und Workshops. Zunächst wurden wir von den Bundeskoordinatoren begrüßt und über neue Projekte und Ideen informiert. Besonders hervorzuheben ist eine Zusammenarbeit mit Dr. Eckart von Hirschhausen, der uns im Rahmen seiner Tour durch Deutschland als studentische Initiative einbauen möchte.

Im Anschluss sprach Prof. Stippel über Organvergabeskandale in Deutschland und über den Ablauf beziehungsweise das generelle System der Organvergabe. Es ging auch darum, wie das Vergabesystem funktioniert und wie es kontrolliert wird.

Als nächstes stand eine mögliche Kooperation mit einer Organisation mit dem Namen „Über Leben“, die ebenfalls Aufklärung über Organspende leistet, auf dem Programm. Diese Organisation möchte jeder Lokalgruppe einen, von ihr entwickelten, Ausweisspender kostenlos zur Verfügung stellen. Es handelt sich hierbei um eine Halterung – ähnlich dem Stiftspender von Ikea -, die Organspendeausweise enthält und jedem somit einen Ausweis spontan zur Verfügung stellt. Wir persönlich sind sehr begeistert von dieser Idee und haben direkt einen Spender bestellt. Fraglich ist dennoch, ob eine Kooperation mit der Organistaion zustande kommen wird, da von „Über Leben“ Werbeaktionen geplant sind, die die Neutralität unseres Projekts gefährden könnten. Beispielsweise ist momentan eine Kampagne namens „unverkäuflich“ in Arbeit. Im Rahmen dieser Kampagne sollen demnächst in Web Market Places Organe neben den regulären Produkten erscheinen, die anstatt mit einem Preis mit dem Wort „unverkäuflich“ gekennzeichnet sind. Diese Aktion soll das Interesse der Kunden wecken und es wird des Weiteren erwartet, dass jene dann über das Anklicken der Organe auf eine Aufklärungsseite zur Organspende weitergeleitet werden. Auf dieser Seite können sie sich dann kostenlos einen Ausweis nach Hause liefern lassen.

Fokus Universität und Schule

Die im Anschluss folgenden Workshops befassten sich mit „Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen“ und „Finanzierung und Social Media“. Die Workshops waren für unsere Gruppe, die sich ja momentan noch im Aufbauprozess befindet, enorm hilfreich. Zum einen wurde uns das nötige Know-How an die Hand gegeben, zum anderen gab es einen großen Ideenaustausch. Im Gespräch ist zum Beispiel eine deutschlandweite Umfrage (erstmal nur) unter Medizinern, inwieweit sie sich gegen Ende des Studiums mit dem Thema Organspende auskennen beziehungsweise ob sie sich hinreichend informiert fühlen. Ziel ist es, bei entsprechendem Ergebnis dieser Umfrage, an die Universitäten heranzutreten, um das Thema in das Curriculum aufzunehmen. Andere Ideen waren Wahlfächer an den Unis, der Einbau von Organspende in eine OSCE-Prüfung und auch die Erstellung von Kurzfilmen über Organspende. Außerdem entwickelten wir zahlreiche Ideen für künftige Schulbesuche und Workshops. Ein gutes Beispiel ist zum Beispiel das Organ-Memory. Hier werden Bilder eines Organs in gesundem und krankem Zustand ausgedruckt und laminiert, außerdem gibt es zu jedem Organ eine Funktionskarte. Jeder Schüler erhält eine dieser laminierten Karten und muss sich mit den passenden Partnern zusammenfinden. Ganz grundlegend wurde zudem auch darüber geredet, wie man überhaupt den Kontakt zu Schulen herstellt und dass eventuell auch Fortbildungen für Lehrer angedacht sind. Hierzu wird versucht mit Lehramtsstudenten in Kontakt zu kommen, um didaktisch sinnvolle Konzepte zu erarbeiten, wie man Schülern das Thema Organspende am besten näherbringt. Außerdem wurden Listen mit Heimatschulen der AG-Mitglieder erstellt, um den Ortsgruppen über bestehende Kontakte einen Einstieg in die Schulwelt zu ermöglichen.

Im Workshop „Finanzen und Social Media“ wurden zuerst einmal Möglichkeiten gesammelt, wie sich eine Lokalgruppe finanzielle Unterstützung für Werbemittel und Projekte beschaffen kann. Außerdem hatten wir das Glück, dass ein Finanzassistent des bvmd vor Ort war, der Fragen zu Themen wie Konten, Spendenquittungen und Ablauf eines Antrags zur Kostenerstattung beim bvmd persönlich beantworten konnte. Danach folgte das wichtige Thema Social Media. Durch die sozialen Medien hat man die Möglichkeit mit wenig Aufwand und geringen Kosten sehr viele Personen zu erreichen und aufzuklären. Das möchte sich unsere Initiative zunutze machen, um eine noch größere Reichweite zu erzielen, sowohl regional in den Lokalgruppen, als auch überregional durch die Bundesinitiative. Es wurden Techniken der Informationsverbreitung und die gemeinsame Betreuung eines Instagram-Profils besprochen.

Bitte Ausfüllen!Magnus Bender | StudentenPACK.

Bitte Ausfüllen!

Nieren- und Hornhauttransplantationen

Im Anschluss folgten die Seminare zu Pädiatrischen Nephropathien und Hornhauttransplantation. Professor Dr. Weber aus der pädiatrischen Nephrologie des Universitätsklinikums Köln berichtete über diverse Erkrankungen, die zur Zieltherapie Nierentransplantation führen. Außerdem zeigte er die Grenzen des bestehenden Vergabeverfahrens auf: Die Wartezeit der Kinder, die sich vor Vollendung des 18. Lebensjahres auf der Warteliste für ein Organ befinden, wird mit Eintritt ins Erwachsenenalter auf Null gesetzt. Das heißt, dass die Wartezeit jener Kinder nicht berücksichtigt wird und sie ihre bisher gesammelte Wartezeit verlieren. Dies kommt für einige einem Todesurteil gleich. Hinzu kamen auch wichtige Fakten wie zum Beispiel die Lebenserwartung eines Erwachsenen über 65 Jahren an der Dialyse ohne Organspende – erschreckende vier Jahre! Zusammenfassend kann man sagen, dass die Relevanz des Themas unterstrichen wurde und die Motivation, diesen betroffenen Menschen zu helfen, durch die Darstellung von Prof. Weber deutlich zugenommen hat.

Isabella Modhiri aus der universitären Augenklinik gab uns einen Einblick in die Thematik der Hornhauttransplantation. Bei dieser Transplantation handelt es sich um die älteste Form der Transplantation und auch um die in Deutschland am häufigsten durchgeführte. Die Hornhautspende ist eine Gewebespende, die auch 36 Stunden nach dem Tod noch möglich ist, jedoch nur mit Zustimmung der Angehörigen. Durch diese Spende ist es möglich, Personen, die beispielsweise durch Infektionen, Traumata oder angeborene Fehlbildungen ihre Sehkraft verloren haben, ihr Augenlicht wieder zu schenken.

Im Mai 2019 findet dann das Bundestreffen der Initiativen in Mainz statt, an welchem wir sehr gerne teilnehmen würden!

Das Leitertreffen war eine enorme Bereicherung für unsere Ortsgruppe Lübeck, die uns in unserem Vorhaben bestärkt, noch mehr motiviert und grundlegend informiert hat!

Welche Projekte stehen in Zukunft an?

Als nächstes steht ein Schulbesuch im Johanneum in Lübeck an, bei dem unsere AG die Transplantationsbeauftragten des UKSH zu ihrem Vortrag über Organspende begleiten darf. Im Feburar des nächsten Jahres findet die Tour von Dr. Eckart von Hirschhausen statt, auf der wir als AG anwesend sein werden. Eine gute Gelegenheit, außerhalb von Schulen und der Uni Menschen zu erreichen und über Organspende aufzuklären! Des Weiteren ist für die Erstsemester des Studienganges Medizin der Einbau des Themas Organspende in eine der wöchentlich stattfindenden Klinikervorlesungen geplant, diesbezüglich befinden wir uns schon im Gespräch mit Prof. Westermann.

Wir freuen uns immer über neue Mitglieder, deshalb meldet euch bei Interesse gerne unter ag-aufklaerung-organspende@asta.uni-luebeck.de!

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Masterplan Medizinstudium 2020 https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/masterplan-medizinstudium-2020/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/masterplan-medizinstudium-2020/#respond Mon, 03 Apr 2017 07:45:48 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=273455
Das Medizinstudium soll reformiert werden: „Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf.“ Albina Schütz | StudentenPACK.

Das Medizinstudium soll reformiert werden: „Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf.“

Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf. Sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden im Fach Medizin wünschen sich seit langer Zeit, dass endlich eine Reform des Medizinstudiums beschlossen und dass diese dann zügig umgesetzt wird. Die damalige Bundesregierung hatte schon vor 2010 mit orientierenden Planungen begonnen und vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2013 eine Reform des Medizinstudiums. Als drei Hauptziele wurden

  • eine praxisorientierte Ausbildung,
  • die Stärkung der Allgemeinmedizin und eine
  • Änderung der Zulassungsmodalitäten durch die Einführung geeigneter Auswahlverfahren gefordert.

Schon in 2016 sollte ein entsprechender Gesetzesentwurf verabschiedet werden. Wie immer bei der Einbeziehung verschiedener Interessengruppen zieht sich die Konsentierung dann über eine längere Zeit hin. Was als Entwurf zurzeit (Ende 2016/Anfang 2017) bekannt wurde, sind mehr oder minder „Eckpunkte“, aber noch kein bis in die Einzelheiten ausformuliertes Papier. Der Beschluss der Gesundheitsminister im Februar über diesen Masterplan gibt allerdings Grund zur Hoffnung, dass noch im laufenden Jahr mit seiner Umsetzung begonnen werden wird.

Hier die bisher bekannten Eckpunkte für die drei Hauptziele:

Patientenbezogene und praxisorientierte Ausbildung

  • Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs (NKLM)
  • Einrichtung von Kommissionen zur Ermittlung von finanziellen Auswirkungen der Reform
  • Überarbeitung des Gegenstandskatalogs des zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung durch das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP)
  • Gemeinsame Lehrveranstaltungen mit anderen Gesundheitsfachberufen
  • Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenz der Studierenden
  • frühe Verknüpfung klinischer und vorklinischer Inhalte
  • neue kompetenzorientierte Lehr- und Prüfungsformate

Stärkung der Allgemeinmedizin, Förderung der Versorgung der ländlichen Räume

  • Quartalisierung des Praktischen Jahres (PJ)
  • Einführung eines Pflichtquartals im ambulanten vertragsärztlichen Bereich
  • Rekrutierung neuer Lehrpraxen und deren Qualifizierung
  • Pflichtprüfung Allgemeinmedizin im Staatsexamen
  • Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen Hochschulstandorten
  • mehr Lehrkrankenhäuser im ländlichen Raum
  • eine länderspezifische Landarztquote

Änderung der Auswahlkriterien für das Medizinstudium

  • Verwendung von weiteren Auswahlkriterien neben der Abiturnote
  • Förderung der Begleitforschung bei kompetenzbezogenen Auswahlverfahren

Eigentlich hat sich seit dem Sommer 2016, als sich die Gesundheitsminister der Länder auf diese Positionen geeinigt hatten, nicht viel geändert. In unserem föderalen System sind für die Bildung und Ausbildung allerdings nicht die Gesundheitsminister, sondern die Kultusminister der Länder die Geldgeber für das Studium und die Universitäten, also müssen sie den Plänen zustimmen. Im Laufe des Monats März könnte die abschließende Verständigung mit den Kultusministern der Bundesländer stattfinden.

Die Vertreter der verschiedenen beteiligten Verbände sehen die kommenden Veränderungen naturgemäß unterschiedlich. Während die Vertreter der Studenten (bvmd) vor allem mehr Transparenz einfordern und für bessere Lern- und Arbeitsbedingungen im Praktischen Jahr kämpfen, sind die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) mehrheitlich für diese bisher konsentierten Eckpunkte. Allerdings fordern beide Gremien eine Präzisierung ein.

Vor allem auf der Kostenseite haben die Fakultäten berechtigte Sorgen, dass Änderungen gefordert und beschlossen werden, ohne den Fakultäten die daraus folgenden Kosten zu finanzieren.

  • Auswahlgremien sind zeit- und damit kostenintensiv, welche die Gremien (bestehend aus Professoren, Assistenten und Studierenden) einige Tage ganztags pro Semester bindet.
  • Die Bezahlung der Studierenden im PJ, aber auch die Honorierung der PJ-Praxen bei flächendeckender Ausbildung im ambulanten Bereich muss definiert und sichergestellt sein.
  • Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im PJ wird ohne eine Aufstockung der finanziellen Mittel für das PJ nicht zu machen sein.
  • Und – last but not least – eine Umstrukturierung der Lehrpläne auf die modifizierten Lehr- und Lernziele geschieht nicht von selbst und muss zudem auch wissenschaftlich begleitet werden.

Alle diese Maßnahmen kosten eine größere Summe Geldes, und man sollte vor der endgültigen Verabschiedung sich über die Höhe dieser Kosten klar sein und dann auch definieren, woher dieses Geld kommen soll.

Drei Jahre sind es noch bis zum Jahr 2020.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Drei Jahre sind es noch bis zum Jahr 2020.

Situation in Lübeck

In den vergangenen elf Jahren haben wir in Lübeck jährlich über 30 Studierende im PJ der Allgemeinmedizin ausgebildet – wir haben gut trainierte Lehrpraxen, die gerne bereit sind, Studierenden bei sich aufzunehmen. Die Finanzierung steht, die Studierenden bekommen einen „Arbeitslohn“ von 1.600 Euro für vier Monate, und auch die Praxen bekommen eine Aufwandsentschädigung in ähnlicher Höhe für diese Zeit.

Für uns ist die Umstellung von einer Tertial- auf eine Quartalstruktur des PJ von großer Wichtigkeit, da wir Lehrpraxen haben, die gerne fortlaufend Studierende ausbilden. Durch die unterschiedlichen Startzeiten der Tertiale im Sommer- und Wintersemester ergeben sich jedoch immer Lücken, die dann nicht besetzt werden können. Damit ist die Zahl der möglichen Ausbildungsplätze kleiner, als sie sein könnte, wenn wir die geplante Quartalsregelung hätten. Bisher sind ca. 20 Hausarztpraxen an der Ausbildung von PJ-Studenten beteiligt. Damit schaffen wir es zurzeit problemlos, 30 Tertiale in der Allgemeinmedizin pro Jahr zu besetzen.

Mit der Quartalsregelung könnten wir, ohne weitere Praxen rekrutieren zu müssen, gewissermaßen „aus dem Stand“ bis zu 50 Quartale in Hausarztpraxen organisieren können. Hinzu kommen Praxen verschiedener Gebietsärzte (Handchirurgie, Orthopädie, Kardiologie, Dermatologie, HNO), die schon Interesse angemeldet haben, PJ-Studenten in ihren Praxen aufzunehmen. Damit hätten wir bisher ca. 100 Plätze pro Jahr abgesichert – zudem besteht immer die Möglichkeit, von den bisher akkreditierten Lehrpraxen der Allgemeinmedizin zu fragen, ob sie bereit wären, Studenten im PJ aufzunehmen.

Ein Problem – allerdings wohl ein lösbares – stellt die Änderung der Prüfungsordnung dar: Alle Studierenden sollen im STEX II (=M3) im Fach Allgemeinmedizin geprüft werden. Hatten wir bisher im Jahr ca. 30 Studierende zu prüfen, so waren das bei vier Prüfern für jeden Prüfer ein Staatsexamen im Frühjahr und eins im Herbst. Bei 200 Studenten wird das natürlich eine erheblich größere Belastung.

Wir haben mit Prüfer-Workshops vor zwei Jahren begonnen, Lehrpraxisinhaber mit langjähriger Ausbildungserfahrung für die Prüfungen zu qualifizieren. Auf dem „Tag der Allgemeinmedizin“ am 13. Mai 2017 in Kiel wird wieder ein Workshop stattfinden. Die „Prüfer-Aspiranten“ müssen dann noch einmal als Hospitant an einem Staatsexamen teilnehmen und können danach dann als Prüfer eingesetzt werden. So werden wir in Kürze zehn Prüfer haben, über längere Sicht wahrscheinlich zwanzig. Damit wäre wieder eine erträgliche Termindichte für die Prüfer zu erreichen.

Aber auch hier muss wiederum über die Finanzierung nachgedacht werden, denn die Praxisinhaber müssen ihre Praxis für zwei Nachmittage verlassen und sich zudem auch auf die Staatsexamina vorbereiten (Fragen zusammenstellen, Materialien vorbereiten). Das kann nicht unentgeltlich erfolgen, da ihre Praxis in dieser Zeit wegen der Abwesenheit des Praxisinhabers dann keinen Umsatz machen kann.

Fazit

Die Zielrichtung des Masterplans „Medizinstudium 2020“ ist gut und richtig. Die Modalitäten müssen noch deutlich klarer definiert werden. Die Finanzierung muss vor der Verabschiedung des Masterplans 2020 geklärt werden. Dann ist dieser Plan ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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When I’m twenty-five https://www.studentenpack.de/index.php/2016/04/when-im-twenty-five/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/04/when-im-twenty-five/#comments Mon, 18 Apr 2016 07:30:04 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=234520
The Cake is not a lie.Lukas Ruge | StudentenPACK.

The Cake is not a lie.

Die Lebenskerzen sind schon lange nicht mehr auf der Geburtstagstorte, es sind eh zu viele und alle auspusten wird sowieso schon schwierig. Der wahlweise Socken- oder Schachtelkranz hängt um die Haustür: das erste Vierteljahrhundert ist geschafft. Fünfundzwanzig! Eigentlich ein Grund zum Feiern – wären da nicht ein paar kleine Konsequenzen, die das Ganze nach sich zieht.

Man ist erwachsen, oder zumindest erwachsener als noch sieben Jahre zuvor. Das sieht nicht nur die Verwandtschaft so, sondern auch diverse Behörden. Wer dem Bürokratie-Apparat Deutschlands bisher noch irgendwie ausweichen konnte, wird spätestens jetzt damit konfrontiert. Das Kindergeld, wichtige Finanzierungsquelle vieler Studenten, versiegt und auf einmal klappt das auch nicht mehr so entspannt mit der gesetzlichen Familienversicherung, statt Mama und Papa muss Otto Normalstudent sich nun selbst darum kümmern. Und das nicht erst, wenn die Geburtstagstorte verspeist und der Partykater überwunden ist, sondern idealerweise schon früher.

Weniger Einnahmen

Aber von Anfang an. Der erste Einschnitt in den eigenen Geldbeutel ist das Ende des Kindergelds. Die knapp 190 Euro (Stand 2016), bei mehreren Geschwistern entsprechend höher, werden nur noch bis zum Monat des 25. Geburtstags gezahlt; in selbigen auch nur noch anteilig. Nur noch im (immer seltener vorkommenden) Fall, dass noch Wehr-/Zivildienst geleistet wurde gibt es die Möglichkeit die Kindergeldgrenze um die geleistete Dienstzeit zu verlängern. Doch spätestens dann ist Schluss und man muss sich vom Kindergeld verabschieden.

Immerhin fällt die bisherige Regelung weg, dass ein konsekutives Masterstudium als Zweitstudium gelte und somit nach dem Bachelor kein Kindergeldanspruch mehr bestehe. Der Bundesfinanzhof hat dies erst im November letzten Jahres beschlossen. Wird also der Master direkt nach dem Bachelor zeitlich und inhaltlich nah begonnen, so gibt es weiterhin Kindergeld. Die Altersgrenze jedoch bleibt – für die Erstis, die mit nicht mal 18 Jahren direkt nach der Schule an die Uni gehen, ist das Ganze häufig aber kein Problem: das Ende des Studiums wird meist vor der Altersgrenze erreicht. Mit etwas Verhandlungsgeschick ist es sogar möglich über den Master hinaus Kindergeld zu erhalten, wenn nämlich im direkten Anschluss eine Promotion über ein Stipendium, beispielsweise bei der hiesigen Grad-School, beginnt, bei der man weiterhin als Student eingeschrieben ist.

Mehr Ausgaben

Doch nun zum zweiten großen Problem des 25. Geburtstags. Nicht nur, dass die Einnahmen weniger werden, nein auch die Ausgaben steigen. Grund: die Krankenversicherung. Genauer die gesetzliche Familienversicherung, über die man automatisch über die eigenen Eltern mitversichert ist – und diese Möglichkeit endet mit dem 25. Lebensjahr. Aber auch hier gibt es wie beim Kindergeld die Möglichkeit der Verlängerung durch Wehr- oder Ersatzdienst.

Abhängig von verschiedenen Faktoren kommen deshalb zusätzliche Kosten durch die verpflichtende eigene Krankenversicherung dazu. Der weit häufigste Fall ist die sogenannte studentische Krankenversicherung – ein vergünstigter Tarif für Studenten.

Diesen vergünstigten Tarif können alle Studenten in Anspruch nehmen, die die folgenden Bedingungen erfüllen. Sie müssen jünger als 30 sein, weiter dürfen nicht mehr als 14 Semester in einem Studienfach studiert worden sein. Dies zählt jedoch pro Studiengang. Auch darf das monatliche Gehalt 450 Euro nicht übersteigen. Es gibt jedoch individuelle Ausnahmen, die die Grenzen der studentischen Versicherung nach hinten verschieben. Dazu gehören unter anderem Geburten und Betreuung von Kindern, eigene Behinderungen oder längere Erkrankungen, Freiwillige Soziale Jahre oder sogar Mitarbeit in Hochschulgremien. Diese werden jedoch nur nach regelmäßigen Anträgen bewilligt.

Die „Grundgebühren“ sind bei allen Krankenkassen gleich: 76,53 Euro für kinderlose Studenten beziehungsweise 75,04 Euro für Studenten mit Kindern ab 2015. Zum WS 2016/17 erhöhen sich die Beiträge auf 83,20 Euro ohne beziehungsweise 81,58 Euro mit Kindern. Sie bestehen aus Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung. Dazu kommt der Zusatzbeitrag, der sich von Kasse zu Kasse unterscheidet. Praktischerweise ist der sogenannte „GKV-Spitzenverband“ (der Verband aller gesetzlichen Krankenkassen) zur Veröffentlichung von Krankenkassenlisten verpflichtet. In dieser Liste sind auch die Zusatzbeiträge zu finden, es muss also nicht jede Kasse einzeln durchsucht werden. Auch gibt es im Internet an vielen Stellen Vergleichsrechner, die zusätzliche Bedingungen berücksichtigen. Interessant sind zuletzt BAföG-Zuschläge, die jedoch nicht gewährt werden, wenn man nur wegen der Einkommensgrenze nicht länger in der Familienversicherung bleiben kann.

Werden die obigen Bedingungen nicht mehr erfüllt, besteht nur noch die Möglichkeit der freiwilligen Krankenversicherung. Im Normalfall wechselt man vom Studententarif (teilweise mit Übergangstarifen) innerhalb der gewählten Krankenkasse automatisch. Im Übergangstarif, der nur bei einem monatlichen Einkommen bis 968,33 Euro (Stand: 2016) greift, werden dann Beiträge um 125 Euro fällig. Bei höherem Einkommen steigt das Ganze prozentual zum Einkommen; wieder kommt noch der Zusatzbeitrag hinzu. Ist die Übergangsphase (maximal sechs Monate) überschritten, bleibt die „normale“ freiwillige Versicherung. Diese kostet ab 2016 135,57 Euro plus Zusatzbeitrag, falls das Einkommen unter den erwähnten 968,33 Euro bleibt.

Natürlich ist auch immer der Wechsel zu einer privaten Krankenkasse möglich, dieser sollte aber erst nach gründlichem Informieren und einer Kosten-Nutzen Rechnung erfolgen. Bereits privat Versicherte brauchen keine Angst vor dem „bösen Geburtstag“ haben – die Tarife werden dort nach Eintrittsalter berechnet.

Die verschiedenen Krankenversicherungstarife in der Übersicht.Albert Piek | StudentenPACK.

Die verschiedenen Krankenversicherungstarife in der Übersicht.

Promotion und Versicherung

Gerade bei den immer jünger werdenden Studentengenerationen tritt noch eine weitere Problematik auf. Entscheidet man sich nach einem zügigen Studium für eine Promotion, so fällt der 25. Geburtstag mit hoher Wahrscheinlichkeit mitten in die Promotionszeit. Abhängig von der Promotionsfinanzierung hat das neue Alter auch in diesem Fall besondere Konsequenzen für den Geldbeutel.

Im Falle einer Promotion mit Gehalt, also als Angestellter in einem Institut über Landes- oder Drittmittel, ist das Gehalt normalerweise so hoch, dass der Promovend eine ganz reguläre gesetzliche Krankenversicherung abschließen muss. Anders und derweil komplizierter sieht es bei den Promotionen aus, die über ein Stipendium, beispielsweise über die Graduate School, finanziert werden. Hier sind die Regelungen von Kasse zu Kasse verschieden. Zwar zählt ein Stipendium laut Gesetz nicht als Einkommen, dennoch ist der Status nicht eindeutig. Einige Kassen erlauben die studentische Krankenversicherung unter den oben genannten Konditionen, andere jedoch nicht; in letzterem Falle bleibt nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung. Hier wird der direkte Vergleich nötig; Anfragen bei der gewünschten Krankenkasse, wie die jeweilige Handhabung ist, sind kaum vermeidbar.

Die Planungen über die eigene Krankenkassenzukunft sollten rechtzeitig begonnen werden. Insbesondere wenn man mit dem Gedanken spielt, die familiäre Krankenkasse zu wechseln, muss genügend Zeit für die Kündigung bei der bisherigen Kasse eingeplant werden. Sind diese Überlegungen getan, alle Alternativen gecheckt und die passende Krankenversicherung ausgewählt, wird es endlich Zeit doch noch die Kerzen auszupusten, den Kranz abzulaufen und die Sektkorken knallen zu lassen – immerhin wird man nur einmal 25!

 

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Land in Sicht? https://www.studentenpack.de/index.php/2011/05/land-in-sicht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2011/05/land-in-sicht/#respond Sat, 14 May 2011 08:55:45 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/wordpress/?p=271 Einige Kaffeetrinker unter euch werden diese drei Wörter in den letzten Wochen vermutlich recht häufig gelesen haben. Die Pappbecher in der Cafeteria haben ein neues Design und machen mit diesem auf eine Initiative des Landes Schleswig-Holstein aufmerksam, denn unser Land ist auf der Suche nach neuen Landärzten. Doch warum? In Deutschland gibt es zurzeit etwa 150.000 niedergelassene Ärzte. Soweit kein Problem, möchte man meinen. Für 82 Millionen wird das schon ausreichen.

Der Weg zum Landarzt (Symbolbild. Foto: Inga Stolz, Bearbeitung Albert Piek)

Der Weg zum Landarzt (Symbolbild. Foto: Inga Stolz, Bearbeitung Albert Piek)

Was die nächsten Jahre betrifft, stimmt das vermutlich sogar. Auf lange Sicht haben wir in Deutschland jedoch ein gewaltiges Problem, denn ungefähr 50% der niedergelassenen Ärzte sind bereits über 55 Jahre alt und werden somit in absehbarer Zeit in Rente gehen. Und der Nachwuchs? Nun, fragt euch selbst: Stadt oder Land?

Förderung von Medizinstudenten

Seit etwa zwei Jahren ist auch der Regierung klar, dass sie gegen den zunehmenden Mangel an Landärzten etwas unternehmen muss. Mehr oder weniger ausgefeilte Projekte, die nicht nur von der Regierung, sondern teilweise auch von den betroffenen Gemeinden selbst stammen, zielen darauf ab, die Mediziner für die „Landarbeit“ zu begeistern. Doch wer dachte, dass man als Medizinstudent diesem Thema frühestens nach dem 2. Stattsexamen begegnet, der hat weit gefehlt. Zunehmend sind es die Studienanfänger, an die appelliert wird. Vor etwas mehr als einem Jahr hat unser Gesundheitsminister Philipp Rösler die Einführung der so genannten „Landarztquote“ ins Gespräch gebracht. Zusätzlich soll auch der NC für das Medizinstudium ganz abgeschafft oder wenigstens individuelle Auswahlgespräche mit den Bewerbern deutlich stärker bewertet werden. Seitdem diskutiert unsere Regierung fleißig, doch die Koalition unterstützt den Vorschlag einer „Landarztquote“ und somit könnte es schon bald dazu kommen, dass etwa 20-30% der Medizinstudienplätze für zukünftige Landärzte reserviert werden. Der Vertrag, den man zu Beginn seines Studiums allerdings unterzeichnen muss, erinnert doch sehr an eine Verpflichtung bei der Bundeswehr. Konkrete Angaben für die Zeitspanne der Verpflichtung findet man zurzeit nicht, doch die Formulierung „für mehrere Jahre“ lässt Zweifel aufkommen, ob man nach zwei, drei Jahren seinen Teil des Vertrages bereits erfüllt hat. Natürlich will man den Medizinstudenten auch die Möglichkeit bieten, sich von ihren Verträgen im Fall aller Fälle freizukaufen, doch die Betroffenen müssen unter diesen Bedingungen damit rechnen, eine beträchtliche Summe der Studienkosten zurückzuzahlen. Diese beläuft sich angeblich auf bis zu 250.000 Euro.

Doch während unsere Bundesregierung noch diskutiert, finden in einigen Bundesländern ganz ähnliche Konzepte bereits heute schon ihre Anwendung. In Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es spezielle Stipendienprogrammen, die auf genau so eine vertragliche Bindung zu Beginn des Medinzinstudiums abzielen. Aus ganz Deutschland wollen diese Bundesländer Medizinstudenten aus allen Fachrichtungen als potentielle Landärzte für ihre „unterversorgten Regionen“ rekrutieren. Doch verlassen sich diese Länder nicht alleine darauf, dass ein Studienplatz für Medizin selbst attraktiv genug ist, um sich für mindestens zwei Jahre als Landarzt zu verpflichten. Stattdessen locken sie mit einer Förderung während des Studiums. Diese beläuft sich auf 300 bis zu 700 Euro. Pro Monat! Dennoch lässt der Erfolg dieser Projekte zurzeit noch auf sich warten. In Sachsen-Anhalt konnten trotz der hohen monatlichen Förderungen während des Studiums gerade einmal sechs Verträge in den vier Monaten abgeschlossen werden, seit denen das Projekt gestartet wurde.

Ein attraktives Leben als Landarzt?

Aber sind solche Projekte, die Ärzte für einen begrenzten Zeitraum zwanghaft an die „Landarbeit“ binden wollen, die mit attraktiven Förderungsprojekten Medizinstudenten ködern wollen, auf lange Sicht wirklich ein sinnvoller Schritt gegen den drohenden Landarztmangel?

Daran zweifelt auch die KVSH, die Kassenärztliche-Vereinigung Schleswig-Holstein, die eine Bindung zu Beginn des Medizinstudiums für zu früh hält. Stattdessen unterstützen sie eine so genannte „Landeskinderquote“. Dabei geht es darum, dass gebürtige Schleswig-Holsteiner, die in Lübeck oder Kiel Medizin studieren, häufig aufgrund ihrer Verwurzelung hier im Norden, auch nach dem Studium, bleiben und nicht in Großstädte wie Hamburg ziehen. Diese „Landeskinderquote“ beabsichtigt deshalb etwa 15% der Medizinstudienplätze für die gebürtigen Nordlichter unter euch zu reservieren, in der Hoffnung, dass ihr unserem Bundesland später einmal als Landärzte erhalten bleibt.

Weiterhin hat die KVSH jedoch auch die Kampagne „Land in Sicht!“ ins Leben gerufen. Mit unterschiedlichen Aktionen soll diese euch für das Landarzt-Thema sensibilisieren. Über das ganze Jahr verteilt gibt es Workshops und Infomärkte in Lübeck und Kiel, die sich allerdings größtenteils an bereits ausgebildete Ärzte richten und über beispielsweise die Existenzgründung, Honorare und Abrechnungen informieren. Aber auch für angehende Ärzte hat die KVSH etwas zu bieten. Auf ihrer Homepage zeigen sich die Perspektiven als Landarzt zwischen Rapsfeldern und grünen Wiesen besonders idyllisch. Speziell die sozialen Aspekte werden hier hervorgehoben, denn neben viel Platz für die eigene Familie soll der Job als Landarzt auch eine besonders angesehene Stellung in der Gemeinde bieten. In den „Landarzt-Geschichten“ kann man die Erfolgsgeschichten einiger niedergelassener Ärzte nachlesen. Und wer zu diesem Zeitpunkt als Medizinstudent immer noch Zweifel haben sollte, was seine Zukunft betrifft, dem hilft bestimmt der „Typ-O-Med“. Dabei handelt es sich um einen Fragebogen, der einen letztendlich erneut davon überzeugen soll, dass es kaum etwas Schöneres gibt, als später einmal Landarzt zu werden. Vorausgesetzt, man schläft gerne bei offenem Fenster und würde auch gerne alle seine Nachbarn beim Namen kennen.

Allein mit schönen Bildern und Geschichten möchte jedoch auch die KVSH die Ärzte nicht in die ländlichen Regionen von Schleswig-Holstein locken. Für die Zeit der Famulatur lässt sich ein Taschengeld in Höhe von 400 Euro für zwei Monate beantragen. Weiterhin existiert ein Förderungsprojekt in Kooperation mit den Krankenkassen, das die Weiterbildung von Ärzten zu Allgemeinmedizinern in Arztpraxen fördert. Der Zuschuss beträgt pro Monat 3.500 Euro. Zusätzlich gibt es von der KVSH aber auch noch ein spezielles Projekt zur „strukturellen Weiterbildung“ von Praxen in ländlichen Gebieten. Doch neben dieser finanziellen Unterstützung bietet sich die KVSH auch konkret an, individuelle Beratungsgespräche mit interessierten Ärzten zu führen. Diese können auf Hilfe bei der Führung einer Arztpraxis hoffen, was die finanziellen Aspekte betrifft. Und für die Studenten wird es im Herbst 2011 bei uns an der Uni eine Woche lang eine „Uni-Sprechstunde“ geben, bei der jeder von euch seine Fragen und Bedenken zum Landarztleben loswerden kann.

Das Land ist noch kein Paradies

So hübsch und idyllisch man das Leben als Landarzt jedoch darstellt, so großzügig und verlockend die Förderungen während des Studiums auch erscheinen, es genügt nicht, um die eigentlichen, zweifelsohne existierenden Nachteile verschwinden zu lassen, die das Leben als Landarzt mit sich bringt. Besonders die Abrechnung stellt ein großes Problem dar. Es kommt nicht selten vor, dass das Quartalsbudget bereits nach der Hälfte der Zeit erschöpft ist. Bei der Überschreitung einer bestimmten Patientenzahl bekommen Ärzte alle weiteren Leistungen nur noch gestaffelt vergütet. Kurz gesagt also: Viel Arbeit, wenig Geld. Mit den vielen Patienten, die eine Landarztpraxis besuchen, gehen natürlich auch Überstunden einher. Die regulären Sprechzeiten können nur selten eingehalten werden. Kann die Arbeit als Arzt auf dem Land dann überhaupt noch so viel besser und entspannter sein als die in einem Krankenhaus? Denn auch der Bereitschaftsdienst ist auf dem Land weit verbreitet. Nicht selten ist eine Gemeinde auf einen einzigen Arzt angewiesen. Für den Notfall muss dieser dann zur Verfügung stehen. Und das auch mitten in der Nacht. Und wo bleibt dann die eigene Familie?

Wie also schafft man es, klare Anreize zu setzen, die den Beruf des Landarztes auch für junge Menschen langfristig attraktiv machen? Die Einführung der „Landarztquote“ beseitigt nicht das eigentliche Problem. In einem Interview für die Passauer Neue Presse macht SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach deutlich, dass seiner Meinung nach „auch neue Auswahlverfahren und Quoten nichts [nützen,] wenn der Facharzt in der Stadt mehr verdient als der Hausarzt auf dem Land“. Da neben der Opposition auch die KVen diese Meinung unterstützen, gibt es daher konkrete Pläne die Arbeitsbedingungen als Landarzt vom Grunde her zu verbessen.

Die Honorarregelung soll komplett umgestaltet werden. Normalerweise wird Ärzten ein von den Krankenkassen festgesetztes Budget zur Verfügung gestellt wird, entsprechend der Fachrichtung des Arztes, der Anzahl der Patienten und deren Alter. Wird dieses überschritten, muss der entsprechende Arzt im Rahmen einer Regress-Zahlung die überzogenen Kosten an die Krankenkassen zurückbezahlen. Von genau diesen Einbußen sollen Landärzte allerdings künftig ausgenommen werden. Doch während die Diskussionen in Berlin noch geführt werden, hat man in Schleswig-Holstein selber erste Schritte unternommen und bereits eine „Honorarvereinbarung“ unterzeichnet. Darin wurde das Gesamthonorar für dieses Jahr auf 1,1 Mrd. Euro angehoben, 44 Mio. mehr als im letzten Jahr. Weiterhin gibt es einen Strukturfond für die landärztliche Versorgung, der für die Jahre 2011 und 2012 bestehen soll. Krankenkassen und die Kassenärztliche-Vereinigung Schleswig-Holstein zahlen dort jährlich zu gleichen Teilen Geld ein. Pro Jahr enthält der Fond bis zu 2 Millionen Euro und wird von der KV an Landarztpraxen verteilt, um somit zur Qualitätssicherung beizutragen.

Beschlossen ist auch schon jetzt ein Gesetz, das im Januar 2012 in Kraft treten wird. Dieses zielt auf eine langfristige Umstrukturierung der Verteilung von Arztpraxen in Deutschland ab. Die Kassenärztlichen-Vereinigungen bekommen die Macht, Ärzte finanziell stark zu unterstützen, die ihre Praxen in medizinisch überversorgten Ballungsgebieten schließen. Weiterhin haben die KVen das Vorkaufsrecht auf Praxen in diesen Ballungsgebieten, die eigentlich zu einer Neubesetzung ausgeschrieben sind. Erfolgt der Verkauf an die verantwortliche KV, können diese die Praxis schließen. Junge Ärzte, die eine Praxis in der Stadt übernehmen wollten, sollen dadurch zu einer Niederlassung in einer ländlichen Region ermutigt werden, denn wie Marco Dethlefsen betont, „werden in den nächsten Jahren viele lukrative Praxen frei“. Es käme nur darauf an, die derzeitige Generation von Medizinstudenten von den Vorurteilen über das Leben als Landarzt zu befreien.
Letztlich versucht unsere Regierung die generelle medizinische Versorgung des Landes nicht nur durch eine Netto-Zunahme von Arztpraxen in den unterversorgten Gebieten zu verbessern, sondern auch die Vernetzung der ganzen Regionen zu fördern. Die Verteilung von Ärzten in den Landkreisen soll nicht länger starren Regelungen folgen, sondern flexibel gehandhabt werden. Dazu kommen noch so genannte „Ambulante Spezialisten“ zum Einsatz. Diese sollen, wie es der Name nahelegt, auf bestimmte seltene Erkrankungen spezialisiert sein und die Möglichkeit zur Verfügung stellen, ambulante Operationen durchzuführen. Letztlich wird dadurch angestrebt, dass die Krankenhäuser immer stärker mit den Facharztpraxen verschmelzen und es nicht länger eine klare Separierung gibt. Insgesamt sollen durch diese Maßnahmen auch die teilweise sehr langen Wegstrecken, die ein Landarzt bei Hausbesuchen zurücklegen muss, verringert werden. Um weiterhin die Landärzte auch von den ungeliebten Nachtschichten zu entlasten, hat die KVSH speziell für Schleswig-Holstein eine Umstellung des Bereitschaftsdienstes initiiert. Das Übernehmen von solchen Diensten soll auf freiwilliger Basis laufen. Insgesamt werden somit auf lange Sicht eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und mehr Familienfreundlichkeit im Beruf eines Landarztes angestrebt. Doch ob und welche Konzepte und Projekte in der Zukunft erfolgreich sein werden, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen.

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Privatsphäre war gestern https://www.studentenpack.de/index.php/2009/12/privatsphare-war-gestern/ https://www.studentenpack.de/index.php/2009/12/privatsphare-war-gestern/#respond Mon, 07 Dec 2009 10:00:33 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=110587 Nach Massenvideoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und PC-Durchsuchung ist jetzt der nächste Coup zum Schutze des gemeinen Bürgers vor möglichen und unmöglichen Gefahren in Arbeit: Das Gesundheitsministerium plant die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte, kurz eGK oder in Österreich auch eCard. Das StudentenPACK informiert euch über die Details.

Bei der eGK handelt es sich um eine normale Krankenkassenkarte plus Passfoto. Noch ganz einleuchtend: Otto klaut nicht mehr Opas Herztabletten, weil Otto eben nicht aussieht wie Opa. Man zieht die eGK durch einen Scanner und erhält via PIN-Eingabe Zugang zu einem Zentralcomputer. Datenschutz und so. Auf diesem Rechner können dann die Krankendaten des Patienten gespeichert werden. Arzneimittelrezepte speichert man auch über ihn und lässt sie dann – kinderleicht – vom Apotheker lesen und bearbeiten. Hört sich auch gut an. Um den Zentralrechner zu erreichen, braucht man natürlich eine stabile Internetverbindung. Aha. Logisch. Oder vielleicht doch nicht?

Noch mal von vorne: Karte plus Passbild, Scanner mit Pin, Zentralrechner mit meinen Daten.

Welche Daten genau speichert so ein Zentralrechner?

Da unterteilt man in zwei Kategorien: 1. Pflichtangaben: Dabei handelt es sich um das erwähnte Foto des Versicherten, administrative Angaben wie Name, Geburtstag, Versicherungsnummer et cetera und schließlich das sogenannte eRezept. Das eRezept enthält Angaben über die verschriebenen Medikamente des Arztes und ersetzt das herkömmliche Papierrezept.

2. Freiwillige Angaben: Da darf man ganz allein bestimmen, ob und wie viele der freiwilligen Angaben gespeichert werden sollen. Hierzu gehören zum Ersten der elektronische Arztbrief mit Diagnosen, OPs, Überweisungen und so weiter. Erspart dem Facharzt die Telefonate beim Hausarzt von Ottos Opa, dessen Demenz wieder zugeschlagen hat.

Zweitens gibt es noch den Notfalldatensatz mit wichtigen Erstinfos wie etwa Grunderkrankungen, Allergien und Medikation. Dieses ist gedacht für den Notarzt, der erstmal ratlos vor Ottos ohnmächtig gewordenem Opa steht. Findet der Arzt Opas elektronischen Gesundheitskarte, kann er als Notarzt auch ohne PIN-Eingabe die Karte benutzen und den Notfalldatensatz abrufen, wo steht, dass Ottos Opa ganz doll verkalkte Herzkranzgefäße hat. Arzt behandelt, Opa gerettet, alle froh. Schön, schön. Wenn wirklich nur der Notarzt die Notfalldaten abrufen kann und der Rettungsdienst und das medizinische Krankenhauspersonal und… Aber wir wollen ja nichts unterstellen.

Weiter: Da ist noch eine separate Arzneimitteldokumentation. Stehen alle Pillen drin, klar. Und zum Schluß die elektronische Patientenakte: Einfach gesagt: die komplette Krankengeschichte eines Menschen. Wenn man will (Ärzte raten natürlich zur Speicherung dieser Daten, weil sich lästiger Papierkram vermeiden lässt).

Die eGK erhält jeder Bürger Deutschlands; man kann sich nicht verweigern. Ärzte, Apotheker, und Zahnärzte bekommen zusätzlich einen speziellen „Heilberufsausweis“, mit dem sie die Zugriffsberechtigung auf den Zentralrechner erhalten. Und den Notfalldatensatz, wie bei Opas Notarzt. Bisher ungeklärt und stark diskutiert ist der Zugriff durch Physiotherapeuten, Hebammen, Augenoptiker und Ähnliche.

Man muss zugeben: Der Grundgedanke der elektronischen Gesundheitskarte ist nicht schlecht. Wenn Patientendaten nur einmal erhoben werden müssen, erspart man sich viel Bürokratie und verbessert Kommunikation und Qualität der Behandlung. Papierkram verleidet jedem Arzt täglich Stunden seiner Arbeitszeit, die für Behandlungen genutzt werden könnten (und sollten). Doppeluntersuchungen, ständige Aufnahmegespräche und Fehlmedikationen werden vermieden und dadurch Zeit und Geld gespart. Viel Geld, sagen die Befürworter. Die Gegner sagen: Tatsächliche Nutznießer sind die Krankenkassen; noch nach 5 Jahren eGK-Einsatz liegen Krankenhäuser, Apotheken und Privatpraxen bei einem Minus von bis zu 1.400 Mio Euro. So steht es im Kostenvoranschlag der Betreibergesellschaft gematik. Der Betreibergesellschaft, wohl gemerkt, nicht der eGK-Gegner. Die kritisieren die gesamte Kostenberechnung: Während etwa gematik und Gesundheitsministerium Erstinstallationkosten von 1,4 Mrd. Euro nennen, gehen unabhängige Schätzungen

durch Booz Allen Hamilton oder Financial Times Deutschland von 2,0 bis 3,0 Mrd. Euro aus. Der Chaos Computer Club hält die eGK-Infrastruktur insgesamt für wirtschaftlich nicht sinnvoll. Doch was gehen uns diese unfassbaren Summen an? Ach natürlich, wir sind ja alle Steuerzahler…
Trotzdem: Der Ansatz ist gut. Punkt.

Ein Konzept mit vielen Haken.

Beginnen wir bei dem eRezept: Allein das Erstellen dauert 11-mal länger als das des bisherigen Papierrezeptes – folglich mehr Zeit- und Arbeitsaufwand für den Arzt und längere Wartezeiten für den Patienten.

Weiter: Bleibt es bei der freiwilligen Angabe des heiklen Grunddatensatzes, kann sich der behandelnde Arzt nie sicher sein, alle Infos über den Patienten zu besitzen, also muss er trotzdem ein vollständiges Erstgespräch führen, um kein Risiko einzugehen. Bedeutet, dass Opas Notarzt nicht sicher sein kann, ob Opas Herz tatsächlich versagt hat oder Opa nur vergessen hat, sich gegen seinen Diabetes zu spritzen. Darüber steht nämlich leider nichts im Notfalldatensatz. Bedeutet wiederum: Ist das Konzept der elektronischen Gesundheitskarte dann noch sinnvoll?

Anderes Problem ist die Umsetzung. In ganz Deutschland gab es bereits Testdurchläufe, wobei die eGK in Praxen und Kliniken getestet wurde. In der Testregion Flensburg musste das Projekt im März 2008 abgebrochen werden, weil 75 % der Patienten ihre PIN vergaßen oder nicht eingeben konnten. Auch 30 % der Ärzte wurden ihre Heilberufskarten gesperrt und damit arbeitsunfähig gemacht. Ich möchte betonen, dass das kein Scherz, sondern bittere Wahrheit ist. Weiterhin ungeklärt ist auch, was bei Hausbesuchen, Stromausfällen oder PC-Crashs geschehen soll.

Das größte Problem bleibt jedoch die Garantie von Sicherheit und Datenschutz.

Mittels der Personal- und Krankendaten lässt sich das Profil jedes Patienten erstellen. Sowohl Intimsphäre als auch Schweigepflicht werden dabei verletzt.

Warum die Patientendaten so sicher vor Hackern oder eben auch Mitarbeitern mit Kreditschwierigkeiten sein sollen, bleibt ungeklärt. Wissenschaftler schätzen, dass der Wert der gesamten BRD-Patientendaten auf dem freien Markt etwa 8 Mrd. Euro beträgt.

Vom Schicksal geschlagen ist Otto HIV-positiv und deswegen seit Jahren in psychatrischer Behandlung. Alles via eGK gespeichert. Und kommen diese Informationen jetzt aus Versehen über den Zentralrechner ins Netz und noch aus Versehener zu Ottos zukünftigem Arbeitgeber… Nein, soweit wollen wir lieber nicht denken. Oder vielleicht gerade doch. Denn der Missbrauch persönlicher Daten ist in Deutschland leider keine schreckliche Möglichkeit mehr, sondern seit Jahren Realität.

Nun sagen die Befürworter der eGK, mit tollen Sicherheitsfirmen garantiert man optimalen Schutz unserer Daten. Die Befürworter haben lange gesucht und sich dann für T-Systems und Atos Worldline entschieden. Toll! Leider ist TSystems verantwortlich für diverse Telefondaten- und Abhörskandale seit 2005 und unter der Aufsicht von Atos Worldline verschwanden mehrere zehntausend Daten von Berliner Bankkunden. Rätselhaft bleibt, warum die Patientendaten nicht direkt auf der eGK gespeichert werden. Diese Idee, aufgebracht vom Chaos Computer Club, wird bis jetzt als zu „unsicher“ abgewehrt.

Und plötzlich erscheinen einem die entsetzten Einwände des Chaos Computer Clubs, diverser    Ärztevereinigungen    wie    dem Bundesverband Deutscher Ärztegenossenschaften, der Deutschen Aids-Hilfe e.V. und vieler (wirklich vieler) anderer doch nicht mehr so sicherheitsfanatisch oder überzogen kritisch, sondern sehr verständlich.

Niemand möchte seine Krankengeschichte in den Händen Dritter sehen. Die Konsequenzen eines Datenverlustes sind unabsehbar. Warum geht man diese Risiken ein? Eine befriedigende Antwort gibt es nicht. Eine Reaktion schon: Man kann seine Unterschrift unter die von 500.000 anderen setzen und damit gegen die Einführung der eGK protestieren. Und sollte sie doch umgesetzt werden, keine freiwilligen Angaben machen! Man hat davon keine Nachteile (es bleibt eben alles wie bisher), hebelt jedoch das komplette Konzept aus, macht es unrentabel und beschleunigt damit seine Abschaffung.

Natürlich gilt: Selber informieren. Und vielleicht trifft man sich ja demnächst – beim Protest gegen einen der unglaublichsten Datendelikte seit Neugründung der BRD. Otto ist auch dabei.

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AIDS und Recht https://www.studentenpack.de/index.php/1990/06/aids-und-recht/ https://www.studentenpack.de/index.php/1990/06/aids-und-recht/#respond Fri, 01 Jun 1990 16:33:41 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=211656 Wie auch über andere Themen, die die Bereiche Leben und Tod, Sexualität und damit verbundene Ängste ansprechen, wird über den Umgang mit AIDS sehr kontrovers diskutiert. Die Diskussionen berühren oft grundlegende Werte der Diskutierenden. Dies mag die Heftigkeit und manchmal unerwartete Position mancher Aussage erklären. Ein »Schlachtfeld« ist die Diskussion um rechtliche Maßnahmen. Im folgenden sollen einige juristische Begriffe und Argumentationen dargestellt werden. Die Schwerpunkte liegen auf dem Bundesseuchengesetz, dem HIV-Test und dem Strafrecht. Die Grundlage für den Artikel bildet das Buch “Rechtsratgeber AIDS” von Jürgen Wolff, Sabine Mehlem und Stefan Reiß (rororo aktuell 12471) sowie der Vortrag von Stefan Reiß im Rahmen der Ringvorlesung AIDS. Aspekte des Arbeitsrechtes und des Sozialrechtes werden bei Interesse in der nächsten Ausgabe beleuchtet.

Geschlechtskrankheitengesetz

Aufgrund der Übertragungswege kann AIDS als eine Geschlechtskrankheit angesehen werden. Das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gilt dennoch nicht für AIDS, da es in § 1 heißt: »Geschlechtskrankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind (1) Syphilis, (2) Tripper, (3) Weicher Schanker, (4) Venerische Lymphknotenentzündung.«

Bundesseuchengesetz

Das Bundesseuchengesetz wird von vielen als die Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen die Ausbreitung der HIV-Infektion gesehen. In der Tat weist AIDS die Definitionsmerkmale des § 1 des BSeuchG auf: »Übertragbare Krankheiten im Sinne des Gesetzes sind durch Krankheitserreger verursachte Krankheiten, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden können« Das BSeuchG kann, muß aber nicht angewendet werden, denn AIDS wird im Gesetzestext nirgends namentlich erwähnt.

Drei Kriterien schränken die Artwendung des Seuchenrechts im konkreten Krankheitsfall ein: Die übertragbare Krankheit muß schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen, es muß eine allgemeine Ansteckungsgefahr bestehen, und die Ausbreitung darf nicht durch Einhaltung einfacher hygienischer Maßnahmen vermeidbar sein. Für AIDS trifft nur das erste Kriterium zu. Fazit: Nur in ganz bestimmten Fällen ist das BSeuchG auf HIV-Infisierte und AIDS-Kranke anwendbar. Das BSeuchG dient der Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten. Es darf kein anderer Zweck damit verbunden werden, und die Maßnahmen dürfen nicht kontraproduktiv sein. Das Gesundheitsamt kann Verdächtige vorladen und Gelegenheit zur- Stellungnahme geben. Nur wenn auch nach einer Beratung eine konkrete Gefahr besteht (Ansteckungsverdacht + Verdächtiger kündigt Verhalten an, das eine Infektionsgefahr für die Allgemeinheit bedeutet), kann das Amt einen HIV-Test anordnen. Hier zeigt sich die Absurdität des Verfahrens, denn ein negatives Testereebnis kann den Ansteckungsverdacht nicht klären, und der Test ist damit eigentlich eine ungeeignete Ermittlungsmaßnahme. Bei »Unbeiehrbaren« könnte das Gesundheitsamt den Test anordnen, um die Grundlage für die Anordnung von Schutzmaßnahmen zu ermitteln. Doch wie könnten die aussehen? Ein positives Testergebnis reicht für eine Zwangsisolierung nicht aus. Die Anschlußmaßnahmen müssen jedoch vor dem Test benannt werden um die 2 Zumutbarkeit überprüfen zu können.

Wie im Strafrecht (s.u.) stellt sich die Frage, wer eigentlich verantwortlich handelt, denn der Partner, der sich nicht schützt, setzt sich bewußt einem Infektionsrisiko aus. In den Begriffen des Polizei- und Ordnungsrecht (worunter das Seuchenrecht fällt) bedeutet das den Unterschied zwischen Störer und Nichtstörer. Störer ist nur derjenige, der eine konkrete Gefahr hervorruft. Von einem HIV-Infizierten geht aber keine unmittelbare Gefahr aus. Erst beim ungeschütztem Sex mit jemanden veranlaßt der Infizierte durch die gemeinsame Handlungvielleicht eine Gesundheitsstörung. Der Infizierte ist somit nicht Störer, sondern Veranlasser einer Störung, die durch, einen anderen ausgeführt wird, und damit grundsätzlich Nichtstörer: Gegen ihn darf mit Mitteln des Seuchenrechts nicht ohne weiteres vorgegangen werden.

Der HIV-Test

Einige kurze Anmerkungen zum Test vorweg. Mit dem ELISA-Verfahren werden Antikörper gegen das HIV-1 nachgewiesen. Der hohe Anteil von falsch positiven Resultaten macht einen Referenz-

Test nötig: Western Blot oder Immunofluoreszenz-Verfahren. Falsch negative Ergebnisse des ELISA werden nicht verhindert. HIV-2 wird nicht erfaßt, aber bisher waren fast alle mit HIV-2 Infizierte auch mit HIV-1 infiziert. In der Regel sind die Antikörper 2-3 Monate nach Infektion nachweisbar, der Zeitraum kann aber erheblich länger sein. Bei einigen der Virustragenden Patienten lassen sich keine Antikörper nachweisen, auch wenn manche schon Krankheitssymptome haben.

Der HIV-Test bzw. die Blutabnahme stellt eine Körperverletzung dar (§ 223 des StGB). Die Körperverletzung ist legal, wenn eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt – und der Eingriff nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 226 StGB). Zudem hat der Patient das Recht zu bestimmen, welche Untersuchungen mit dem entnommenen Blut gemacht werden dürfen.

Zivilrechtlich gesehen schließt der hilfesuchende Patient mit dem Arzt einen Vertrag ab. Das ärztliche Handeln muß drei Grundvoraussetzungen genügen: Der Eingriff muß einen Nutzen für den Patienten Zumindestens erhoffen lassen, das Einverständnis des aufgeklärten Patienten muß vorliegen, und der Arzt muß die erforderliche Sorgfalt walten lassen.

Es sind drei Fälle denkbar, bei denen ein Arzt eine stillschweigende Einwilligung des Patienten in den HIV-Test vorraussetzen kann.

Beim »Check up« verlangt der Patient eine allgemeine Gesundheitsüberprüfung, in der nach allgemeiner juristischer Sicht auch die Einwilligung in erförderliche Laboruntersuchungen inklusive dem HIV-Test enthalten ist.

Wünscht ein Patient die Ursache für unklare Symptome zu erfahren, so sei die Einwilligung zum HIV-Test nach Meinung vieler Juristen gegeben. Unklar ist jedoch, welche Symptome vorliegen müssen, um einen HIV-Test zu veranlassen. Ein einfacher Schnupfen reicht jedenfalls nicht. Im dritten Fall ist an eine mutmaßliche Einwilligung im Notfall zu denken. Allerdings darf der Arzt den HIV-Test nur dann machen, wenn er in den unterstellten Untersuchungsauftrag fällt, was kaum jemals der Fall sein dürfte. Ist bekannt, daß der Patient die Untersuchung ablehnen würde, ist eine mutmaßliche Einwilligung ausgeschlossen. Die allgemeine Einwilligung eines in ein Krankenhaus aufgenommenen Patienten in alle von Ärzten erforderlich gehaltene Untersuchungen schließt den HIV-Test nicht ein. Es gibt auch keine rechtfertigen Notstand für das Personal, da das Infektionsrisiko nicht über das übliche Maß hinausgeht.

HIV-Tests werden in der Regel kostenlos und anonym von Gesundheitsämtern vorgenommen, auch ohne diagnostische Notwendigkeit. Niedergelassene Ärzte können nach der Reichsversicherungsordnung den relativ teuren Test nur bei Verdacht auf eine AIDS-Erkrankung abrechnen, mit Ausnahme in Bayern, dort muß kein Verdacht vorliegen. Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung bezahlen die Krankenkassen den Test. Ansonsten besteht eine Leistungspflicht der Krankenkassen nur, wenn AIDS-verdächtige Symptome vorhanden sind.

Vor dem Test muß eine ausführliche Beratung stehen (s.a. unten). Sie gehört zu den Pflichten des Arztes. Erfüllt der’ Arzt diese Pflicht nicht angemessen, muß er eventuell für die olgen (z.B, Invalidität nach Selbstmordversuch) haften. Zu den Pflichten des Arztes gehört es auch, das Ergebnis eines HIV- Testes mitzuteilen, unabhängig davon, ob er nun positiv oder negativ ausgefallen, legal oder illegal gemacht worden ist.

Blutspende

Jede Spende wird unter anderem auch auf HIV-Antikörper untersucht. In dem Fragebogen, den der Spender auszufüllen hat, wird darauf hingewiesen, daß etwaige vom Normalen abweichende

Befunde dem Arzt mitgeteilt werden, der die Befunde dem Spender mitteilen muß. Hier fehlt die vörherige Beratung,

 Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung

Im August 1987 wurde ein freiwilliger HIV-Test in die Mutterschaftsrichtlinien der Krankenkassen aufgenommen. Der Test soll erst nach ausführlicher Beratung erfolgen. Weder Beratung noch ein etwaiger Test sollen im Mutterpaß dokumentiert werden. Bei einer HIV- Infektion ist die medizinisch-soziale und die eugenische Indikation zum Abbruch gegeben.

Sich testen lassen?

Die Frage läßt sich nicht einfach mit »Ja« oder »Nein« beantworten, auch wenn das viele glauben machen wollen. Der medizinische Nutzen des Testergebnisses ist sehr fraglich, eine kausale Behandlung gibt es ja (noch) nicht. Und kann und sollte man sich und andere mit dem Testergebnis »positiv« besser schützen als ohne Test oder dem Ergebnis »negativ«?

Auf jeden Fall gilt: Diese Frage sollte nur in einem Gespräch mit einem kompetenten Berater entschieden werden, denn die Konsequenzen, die sich aus dem Testergebnis ergeben (könnten), müssen bedacht werden. Die Entscheidung hängt jedenfalls stark von der jeweiligen Lebenssituation dessen, der sich testen lassen möchte, ab.

Straf recht

Dies ist wohl der umstrittenste juristische Bereich. Um das Durcheinander möglichst klein zu halten, werde ich von einem juristischen Begriff zum nächsten gehen.

Handlung. 

Nach deutschem Rechtsverständnis kann jemand nur für eine Tat, nicht für den Gedanken bestraft werden. Die Tat muß willentlich gesteuert sein. Geschlechtsverkehr ist in diesem Sinne eine Handlung.

Erfolg. 

Neben der Handlung an sich ist der mögliche Erfolg von Bedeutung, bei AIDS die Ansteckung (was nicht alle als Tatbestand der Gesundheitsbeschädigung ansehen) und der eventuell folgende Tod. Desweiteren spielt eine Rolle, wer »Schuld« am riskierten oder eingetretenen Erfolg ist, der Täter oder das Opfer.

Handeln auf eigenes Risiko. 

Weiß ein Partner um die HIV-Infektion des anderen und geht ein Infektionsrisiko ein, handelt er auf eigenes Risiko. Die Handlung des »Positiven« ist nicht strafbar. Die Staatsanwaltschaft in Kempten sah zwar Anfang 1988 in dem Wunsch einer 17 jährigen Schülerin, mit ihrem 29jährigen HlV-infizierten Freund ohne Kondom schlafen zu wollen, keine Rechtfertigung für den Freund, da die Körperverletzung sittenwidrig sei. Der Richter befand jedoch, daß der Grundsatz des Handelns auf eigene Gefahr nicht einfach durch Anwendung des § 226a in diesem Bereich ausgeschaltet werden könne.

Wissen beide Partner nicht, ob sie HlV-infiziert sind, handeln beide auf eigene Gefahr. Problematisch wird es, wenn sich einer durch Risikoverhalten einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt hat und es dem Partner nicht sagt. Entscheidend dafür, ob damit der ungeschützte Geschlechtsverkehr einen Tatbestand darstellt, ist, ob sich der Partner in Kenntnis der Vorgeschichte vielleicht anders entschieden hätte.

Die Dinge liegen anders, wenn beide um das Risikoverhalten des anderen wissen. Schlägt ein Stricher seinem Freier vor, safer Sex zu machen und der lehnt ab und zahlt 50,- DM mehr für »ohne«, so liegt aus juristischer Sicht kein Tatbestand der Gefährdung des anderen Gesundheit vor: Beide kennen das Risiko des anderen.

Überlegenes Sachwissen. 

Lebt ein Paar in einer Beziehung, in der Treue selbstverständlich ist, zusammen und geht einer doch mal fremd, infiziert sich, läßt sich testen und ist HIV-positiv, hat derjenige ein überlegenes Sachwissen, denn nur er kennt das Risiko. Zumindest nach reiner (Rechts-)Lehre macht sich eine Prostituierte nicht dadurch strafbar, daß sie einem Freier ihren »positiven« Status verschweigt. Oft wird aber (auch von Gerichten) argumentiert, daß auch eine Prostituierte, die um ihre HIV-Infektion weiß, damit ein überlegenes Sachwissen habe und mit dem Verschweigen den Freier über die Höhe des Risikos einer Ansteckung täusche. Grundsätzlich müsse jeder, der weiß, daß er mit HIV infiziert ist, seinen Partner über das Risiko aufklären und sich auf safer Sex beschränken, ansonsten mache er sich strafbar. Aus juristischer Sicht kann es also von Vorteil sein, seinen seropositiven Status nicht zu kennen.

Vorsatz. 

Nur dem, der mit Wissen und Wollen (vorsätzlich) handelt, droht Strafe. Daneben stellt sich noch die Frage, ob das Opfer auf eigene Gefahr gehandelt hat (s.o.).

Bedingter Vorsatz.

Im Fall eines Mordes oder Totschlages (in den Augen einiger Richter zählt dazu schon ungeschützter Geschlechtsverkehr) genügt für die Strafbarkeit ein bedingter Vorsatz. Der liegt vor, wenn der Täter die Konsequenzen seines Handelns billigend, d.h. bewußt in Kauf nimmt.

Bewußte Fahrlässigkeit. 

Darunter fällt z.B. das unverantwortliche Vertrauen darauf, daß es nicht zur Ansteckung kommen wird. Bewußte Fahrlässigkeit schließt die Strafbarkeit wegen Vorsatz und damit wegen Totschlags aus.

Versuchter Totschlag. 

Da kaum zu beweisen sein wird, daß genau der fragliche Geschlechtsverkehr zur Infektion geführt hat (was aber die Voraussetzung zum Schuldspruch wegen Totschlags ist), bleibt sozusagen als »Ausweg« der strafbare Versuch. Wie beim Totschlag auch kann aber aus dem Wissen um die Gefahr nicht auf das Wollen einer Infektion geschlossen werden. Bestehen Zweifel am bösen Willen des Täters, fehlt es am Tötungsvorsatz.

Körperverletzung. 

Die Infizierung mit HIV erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung, Erst muß jedoch geprüft werden, ob eine Strafbarkeit nicht ausgeschlossen ist, weil das Opfer auf eigenes Risiko gehandelt hat (s.o.).

Gefährliche Körperverletzung. 

Allein die Möglichkeit eines tödlichen Risikos reicht, um den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung zu erfüllen.

Schwere Körperverletzung. 

Wenn eine der in § 224 StGB aufgezählten Folgen fahrlässig oder (bedingt) vorsätzlich verursacht wurde, wird eine Körperverletzung schwer. Bei AIDS käme z.B. Siechtum, dauernde Arbeitsunfähigkeit und Geisteskrankheit in Frage.

Versuchte gefährliche Körperverletzung. 

Wegen Beweisproblemen weichen Richter und Staatsanwälte immer häufiger auf die Strafbarkeit von versuchten Delikten aus. Versuchte Körperverletzung ist nicht strafbar, versuchte gefährliche Körperverletzung wohl. Die Frage ist hier, ob eine Lebensgefahr vorlag und wie hoch das Risiko anzusetzen ist. Obwohl es nicht zur Ansteckung ihrer Freier gekommen ist, wurde z.B. eine Prostituierte in München, die mindestens viermal ohne Kondom und ohne ihre HIV-Infektion zu erwähnen mit Freiern Geschlechtsverkehr hatte, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Ganz entscheidend strafmildernd sei vor allem das hohe Maß an Leichtsinn bei den Intimpartnern gewesen.

Es drängt sich der Eindruck auf, daß die Gesetze herhalten sollen, um ein gewünschtes Verhalten zu erzwingen. Oft wird unter dem Deckmantel der Moral und des Rechts diskriminiert, ein Sündenbock geschaffen. Dieses Vorgehen ist nicht geeignet, eigen- und fremd verantwortliches Handeln zu fördern. Das – wie so oft – auch gar nicht erwünscht scheint …

Wer auch Interesse hat, sich anhand AIDS näher mit den Problemen zu befassen, rufe mich an (Tel, 68459).

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Das Vertrauen zum Arzt https://www.studentenpack.de/index.php/1983/06/das-vertrauen-zum-arzt/ https://www.studentenpack.de/index.php/1983/06/das-vertrauen-zum-arzt/#respond Wed, 01 Jun 1983 10:00:57 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=211917 Es gibt kaum ein Organ des menschlichen Körpers, für das wir heute nicht irgendeinen Spezialisten finden können. Wenn man, durch die Straßen gehend, die Schilder an den Türen liest, Augenarzt, Ohrenarzt, Arzt für Lungen-krankheiten, Spezialisten für Magenleiden und so weiter, fällt einem unwillkürlich das Scherzwort ein, mit dem ein Zahnarzt dem Kranken Hilfe verweigert: “Das ist nicht mein Fach, ich bin Speziallst für linke obere Backenzähne.”

Ist nun das immer mehr sich ausbreitende Spezialistentum für den Menschen von Vorteil oder nicht? Es läßt sich nicht leugnen, daß das Gebiet der Medizin in den letzten Jahrzehnten so angewachsen ist, daß es dem einzelnen kaum möglich ist, sämtliche Disziplinen restlos zu beherrschen. Sicher aber ist es ganz unmöglich, sich jene technischen Fähigkeiten anzueignen, die, ganz abgesehen von der Chirugie, auch auf zahlreichen anderen Spezialgebieten nötig sind. So entstand das Spezialistentum als notwendige Folge der Entwicklung der Medizin, zunächst als eine Ergänzung zu der alten Einrichtung der Hausärzte, die es bald überwucherte.

Wo sind heute, wenn man von der Kassenärzten ab – sieht, überhaupt noch die Mediziner, die sich mit dem schlichten Titel “Praktischer Arzt” begnügen? Und die wenigen sehen ihre Praxis von Tag zu Tag zusammenschrumpfen. Denn man geht heute, wenn man krank ist, nicht zum Arzt, sein Leiden feststellen lassen, die Diagnose stellt man vielmehr selbst, oder mit Hilfe der Tanten und Basen, und wenn man sich klar zu sein glaubt, daß das Körperleiden noch im Magen sitzt, geht man zum Magenspezialisten. Das Gefühl dafür, daß der Mensch ein Ganzes ist, nicht ein Konglomerat von verschiedenen Organen, die lose und unzusammenhängend nebeneinanderliegen, ist der großen Menge fast ganz verloren gegangen. Und die Ärzte tun nichts dazu, den Irrtum richtigzustellen- Der Einfluß der Täglich sich mehrenden Kurpfuscher ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß sie den schon seit Hippokrates von der Medizin vertretenen Fundamentalsatz: daß der Mensch ein unteilbares Ganzes ist und daß Störungen in einem Teile dieses komplizierten Getriebes notwendig Störungen des -Ganzen zur Folge haben, als ihre Entdeckung ausgeben.

Eines der wichtigsten und heilsamsten Güter ist bei dieser Zersplitterung der Medizin in die Brüche gegangen in das Vertrauen zum Arzt.

Natürlich hat der Kranke Vertrauen in die Kunst des Spezialisten, an den er sich wendet, aber wohl verstanden, nur in seine Kunst, nicht in seine Person, die er meist vorher nie gekannt hat. Das ist der Unterschied gegen früher: der Hausarzt war Hausfreund, das Vertrauen galt nicht nur dem Wissen, sondern auch dem Charakter. Und dieser Faktor ist nicht gering anzuschlagen. Nur zu leicht verschwindet das unpersönliche Vertrauen, wenn der Erfolg sich nicht oder nicht so schnell einstellt, wie der Kranke erwartet. Der Hausarzt von ehemals brauchte nicht zu fürchten, daß seine Kranken nach 14 Tagen zum Konkurrenten laufen, der unter Umstanden- auch solche Fälle kommen ja leider nicht allzu selten vor- mit vielsagendem Achselzucken erklärt, er könne der Auffassung des Kollegen x nicht beistimmen und halte er eine ganz andere, aber ganz andere Behandlungsmethode für angezeigt. Doktor y überlegt dabei nicht, daß er mit seinen Worten nicht nur dem Konkurrenten schadet, sondern dem ganzen Stande, und daß er, was noch schlimmer ist, dem Kranken das Vertrauen raubt. Damit begeht er aber ein unverzeiliches Verbrechen.

Was den meisten Kranken, mag ihr Leiden ernster Natur sein oder nicht, ihren Zustand zur Qual macht, sind nur in Ausnahmsfällen die besonderen Beschwerden, seien es Schmerzen oder sonstige durch die Krankheit bedingte Störungen. Viel schwerer empfinden sie das allgemeiene Krankheitsgefühl, jene unerklärliche Verschiebung der Seelenstimmung, die schlimmer als die ärgsten Schmerzenden modernen Menschen plagt, ihm beständig seinen Zustand vor Augen führt, ihn selbst in beschwerde- freien Augenblicken der Lebenslust beraubt. Jene Fülle von nervösen Auf regungszuständen und Beschwerden die bei jedem Kranken heutzutage mit Sicherheit anzutreffen sind. Vielfach, wenn das ursprüngliche Leiden geschwunden ist, bestehen die nervösen oder hypochondrischen Zustände weiter durch Jahre, durch Jahrzehnte, bis zum Tode. Man schiebt diese Erscheinungen aus die allgemeine Nervosität unserer Zeit. Das mag zum Teil richtig sein, in der Hauptsache aber ist die Ursache in dem mangelnden persönlichen Vertrauen zum behandelnden Arzte, in dem Gefühl, nicht verstanden zu werden, zu suchen. Dabei habe ich durchaus nicht jene Fälle im Auge, wo der Kranke sich sagt: der Arzt versteht mein Leiden nicht; ich meine vielmehr jene Fälle, wo das Vertrauen in die Richtigkeit der Methode und Diagnose vollkommen unerschüttert ist, wo aber das Gefühl des Unverstandenseins sich nicht auf seine Krankheit, sondern auf seinen Allgemeinzustand bezieht.

Ohne sich darüber klar zu werden, hält der Leidende diese beiden Dinge auseinander. Und wenn die Krankheit noch so fachgemäß behandelt wird, der Kranke leidet, wenn er nur den fremden Arzt vor sich sieht und nicht den Freund, der tröstet und mitfühlt. Denn ein Kranker ist wie ein Kind: er will gepflegt, bestraft und belohnt werden, er will Zeichen der persönlichen Teilnahme sehen. Dann fühlt er sich erleichtert, dann hat er die Empfindung, daß die Lastseines Zustandes nicht nur auf ihm ruht, sondern von einem anderen mitgetragen wird, dann wird er Herr über das Krankheitsgefühl. Stehen dem Kranken mitfühlende Freunde zur Seite, dann erträgt er schließlich das heutige System noch (1906!) Schlimmer aber wird es, wenn er in seiner Hot noch allein ist. Das bestehende System, mag es wissenschaftlich noch so hochwertig sein, mag es auch den Körper rasch und schnell heilen, ist auf die Dauer nicht haltbar, wenn es die seelischen Vorgänge, die mit jeder Krankheit verbunden sind, übersieht, um nicht zu sagen ungünstig beeinflußt. Das rein menschliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Kranken und dem
Arzt ist für beide Teile so wichtig, daß kein Mittel unversucht bleiben sollte, es wieder herzustellen.

Zusammen gefasst von Michael Butterwegge nach einem Aufsatz von Dr. med. Adolf Stark aus dem Jahre 1906.

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