Reinhard Eggers – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Wed, 07 Dec 2016 05:45:52 +0000 de-DE hourly 1 „Ich wollte ihn damals als Vorlesegroßvater adoptieren“ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/ich-wollte-ihn-damals-als-vorlesegrossvater-adoptieren/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/ich-wollte-ihn-damals-als-vorlesegrossvater-adoptieren/#respond Mon, 12 Dec 2016 07:31:00 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=252536
Als beliebter Vorleser füllte Dr. Eggers mit seiner Märchenlesung auch bei der Lesewoche 2014 den Saal.Eva Westermann

Als beliebter Vorleser füllte Dr. Eggers mit seiner Märchenlesung auch bei der Lesewoche 2014 den Saal.

Generationen von Medizinstudierenden kennen ihn inzwischen als den Dozenten, der sie bei ihrem ersten Gang in den Präpariersaal begleitet hat, dort barfuß in Birkenstock-Sandalen herumläuft und in der Neuroanatomie-Vorlesung aus „Das Parfum“ vorliest. Vor mittlerweile einem Jahr ist Dr. Reinhard Eggers in Rente gegangen, nachdem er der Universität jahrzehntelang die Treue gehalten hat – 1974 kam er als Student nach Lübeck, seit 1979 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Anatomie tätig.

Was ist den Studierenden aus dieser Zeit im Gedächtnis geblieben, was fällt ihnen ein, wenn sie auf ihren ehemaligen Anatomiedozenten angesprochen werden? Ein paar dieser Erinnerungen haben wir zusammengetragen und möchten sie Dr. Eggers – und allen, die manchmal voller Sehnsucht zurück an die Vorklinik denken – nicht vorenthalten.

„Unvergesslich, wie er aus dem Parfum vorgelesen hat! Ich wollte ihn damals adoptieren, als Vorlesegroßvater für meine noch nicht existenten Kinder“, erinnert sich Susi an die Neuroanatomie-Vorlesung zurück. Sie ist nicht die einzige, die sich von Dr. Eggers gerne hat vorlesen lassen: Etliche Anatomie-Tutoren und Demopräparatoren schwärmen davon, wie er bei der Weihnachtsfeier in der Anatomie aus der Feuerzangenbowle vorgelesen hat, mit Zylinder und weißem Schal, bevor er im Anschluss daran die Zubereitung des gleichnamigen Getränks zelebrierte. Und auch als er im Rahmen der Lesewoche 2014 bei Rotwein und Kerzenlicht Märchen vorlas, fanden sich zahlreiche begeisterte Zuhörer.

Denkwürdige Testate

Doch nicht nur fürs Vorlesen ist Dr. Eggers unter den Studierenden bekannt geworden. Berühmt-berüchtigt war er auch für seine Testate, die regelmäßig länger dauerten als an den von anderen Dozenten geprüften Tischen, was sicher nicht nur an der Vorbereitung der Prüflinge lag. Vom ersten Testat an stellte er Fragen, mit denen keiner gerechnet hatte: „Seine scheinbar banalen Fragen wie ‚Was ist ein Muskel?‘ haben uns beim ersten Testat zunächst völlig aus dem Konzept gebracht. Wir hatten uns auf viel speziellere Fragen vorbereitet…“, erinnert sich eine Studentin und einer anderen blieb die Frage “Sagen Sie mal, warum heißt der Atlas eigentlich Atlas?” im Gedächtnis. Auf die Frage folgte die für Eggers‘ Testate nicht unübliche „Stille von gefühlt kosmischer Länge“ vonseiten der Gefragten, bevor sie fragend antwortete, ob das vielleicht mit der griechischen Mythologie zu tun habe. – „Ja aber natürlich!” Auch ich selbst erinnere mich noch gut an mein erstes Testat und die Frage „Kennen Sie einen Bruch, der keine Fraktur ist?“ Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er auf den Genickbruch hinauswollte, darauf, dass dabei „nur“ die Bänder, die den Dens axis an Ort und Stelle halten, reißen und so zu einer Dislokation führen. Fragen wie diese haben sicherlich viele Studierende verflucht und sich darüber geärgert, nicht das gefragt zu werden, was sie eine ganze Woche lang gelernt hatten – aber durch die um die Ecke gestellten Fragen und die Geduld, die Dr. Eggers im Testat hatte, hatte man nach dem Testat meist noch etwas dazugelernt, worüber man sich sonst keine Gedanken gemacht hätte. Auch aus Anatomie am Lebenden gibt es solche Geschichten. So erzählt Martti von einer dreiviertelstündigen Diskussion darüber, was bei einem Motoneuron im Rückenmark Axon und was Dendrit ist, was ein dendritisches Axon ist und warum es keine axonischen Dendriten gibt. Sein Fazit? „Herrlich war das. Das war noch Philosophie!“

Große und kleine Hilfen

Nicht immer empfanden die Studierenden dabei die Eggers’schen Hilfestellungen als für den Moment hilfreich, wie sich Christopher erinnert: Nach seinen recht bescheidenen Bemühungen, den vestibulookulären Reflex zu erklären, versuchte Eggers, ihn mit dem Hinweis “Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Jäger in der Steinzeit und wollen einen Hirsch jagen, der auf einer Wiese steht” auf die richtige Fährte zu locken. Auch wenn dieser Tipp Christopher im Testat nicht weitergeholfen hat: Jahre später, gefragt nach seinen Erinnerungen an Erlebnisse mit Eggers, wusste er doch noch immer, dass es in dem Zusammenhang um die Blickstabilisierung beim Anpirschen ging.

Für einen im heutigen, alltäglichen Leben nützlichen Hinweis ist eine Studentin, die zum dritten Semester aus Süddeutschland nach Lübeck wechselte Dr. Eggers dankbar: „[Ich hatte] einen Termin bei ihm zwecks Erstellung eines Stundenplans. Er hat mir einen Stundenplan erstellt, der es mir möglich machte, trotz der zwischen den Unis unterschiedlichen Reihenfolge der Fächer alle mir fehlenden Vorklinik-Fächer in einem Jahr zu absolvieren. An anderen Unis ist man da nicht so entgegenkommend. Was mir aber vor allem in Erinnerung blieb, ist, dass ich von ihm erfuhr, dass man mit dem Studentenausweis kostenlos nach Travemünde fahren kann, weil Travemünde ein Stadtteil von Lübeck ist. Vorher kannte ich mich ‚hier oben‘ eigentlich gar nicht aus, er hat sich da sehr väterlich gekümmert.“

Noch schwieriger als der Einstieg ins Studentenleben in einer neuen Stadt sind Prüfungssituationen wie das Physikum, ganz besonders, wenn nicht alles nach Plan läuft: Ein Student, dessen Prüfungsgruppe eigentlich ein anderer Anatomie-Prüfer zugeteilt war, erinnert sich noch lebhaft an den Schreck, den er bekam, als sich herausstellte, dass ebendieser Prüfer kurzfristig ausfiel und durch Dr. Eggers vertreten werden sollte – bei wem, wenn nicht bei ihm, war mit Fragen zur Neuroanatomie zu rechnen, die beim Lernen dummerweise ein bisschen zu kurz gekommen war? Doch auch Eggers schien klar zu sein, dass ein kurzfristiger Prüferwechsel die Studierenden verunsicherte und verschonte sie nicht nur vor speziellen neuroanatomischen Fragen, sondern brachte darüber hinaus Kuchen für alle mit.

Alles für die Lehre

Ob mit Handschuh, Bettlaken oder Papierhandtüchern: Anschauliche Lehre machen, das kann Dr. Eggers. Für das Studienjahr 2005 wurde er mit dem Lehrpreis ausgezeichnetUniversität zu Lübeck

Ob mit Handschuh, Bettlaken oder Papierhandtüchern: Anschauliche Lehre machen, das kann Dr. Eggers. Für das Studienjahr 2005 wurde er mit dem Lehrpreis ausgezeichnet

Immer wieder verwiesen Studierende auch auf die besonders anschaulichen Vorlesungen von Eggers: „Man kann alles mit einem Handschuh erklären, egal ob Hirnhäute oder Muskelbewegungen!“, schreibt uns eine Studentin und etliche andere liefern eine Vielzahl an Beispielen: Wie Eggers mit einem Stock und einem Handschuh die Funktion des Musculus psoas erklärte. Wie er die Magendrehung vorführte, bis der Handschuh zerriss. Wie er den Studierenden mit Papierhandtüchern das Darmgekröse näher brachte. Einmal, so hört man, sei sogar ein Duschkopf mit Brauseschlauch in seine Erklärungen einbezogen worden und Josephine beschreibt, wie er in der Vorlesung mit einem Bettlaken Embryologie erklärte: Er zog es sich über den Kopf und spielte mit seinen Bewegungen die Bildung der drei Keimblätter nach. „Er ist ein fantastischer Dozent und wird mit seinen Birkenstock-Sandalen im Anatomiesaal fehlen!“ Wenig überraschend also, dass Dr. Eggers für das Studienjahr 2005 mit dem Lehrpreis ausgezeichnet wurde.

Nur kurz erwähnt seien an dieser Stelle auch die von den Studierenden immer wieder genannten Bemühungen und Verdienste Eggers‘ um die behutsame Einführung in die Themen Präparierkurs, Körperspende und Tod, die nicht nur schnell Berührungsängste abbaut, sondern auch eine besondere Wertschätzung und Dankbarkeit lehrt: Von seinen einleitenden Worten vor der Präpariersaal-Führung in der Ersti-Woche bis zur Gedenkfeier im vierten Semester begleiten diese Themen die Lübecker Studierenden mit einer Selbstverständlichkeit, die sich nicht nebenbei erklären lässt.

Fest steht: Die Jahrzehnte, die Dr. Eggers an der Universität verbracht hat, haben ihre Spuren hinterlassen – ganz besonders bei den Studierenden.

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Geschichten, die die Uni schreibt https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:17:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212608 Berufsverbote und Ordnungsverfahren gegen Medizinstudenten, Morddrohungen wegen des Einsatzes für einen Gedenkstein, unglaubliche Solidarität zwischen Studierenden, die leidigen Baustellen, die wilden Partys und riesige Demos. Wenn die Universität dieser Tage auf 50 Jahre zurückblickt, gibt es viele Geschichten zu erzählen. So viele Geschichten, dass wir in der StudentenPACK-Ausgabe einige wenige Momentaufnahmen machen mussten, um das Thema überhaupt bewältigen zu können.

Weil auf diesem Blog die Artikel nicht wie im Heft gebunden daherkommen, möchten wir euch in diesem Text einen kurzen Überblick verschaffen. Alle unsere Texte zum 50. Jubiläum der Universität (darunter einige exklusiv auf der Website und nicht im Heft) sind in diesem Text verlinkt.

Demonstration in den Siebzigern

Demonstration in den Siebzigern.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="1011"]

Wie viele besondere Geschichten es in diesen 50 Jahren zu erleben gab, lässt vielleicht der Artikel „Dat erzähl ich meine Enkel!“ erahnen, in welchem wir einige der Anekdoten, die uns in den zahlreichen Interviews, die wir zu dieser Ausgabe geführt haben, zusammenfassen. In diesem wie in allen anderen Texten sind die Interviews in voller Länge verlinkt, wenn die Namen der Gesprächspartner wie Eckart de Bary, Johannes Hoffmann oder auch Dr. Reinhard Eggers, der sowohl in Lübeck studierte als auch bis heute hier lehrt, auftauchen.

1942

Die Jahre 1964 bis 2014, in denen die Uni Lübeck unter verschiedenen Namen existierte, schweben nicht in einem Vakuum, sondern haben sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Zukunft. Für eine vernünftige Würdigung ist es nötig, beide zu betrachten. Großes Glück hatte unser Autor Johannes Zanken, als er bei seiner Famulatur Jutta Nunn kennenlernte. Die 87-Jährige war 1942 Patientin in der Heilanstalt Strecksitz (heute der Campus der Uni Lübeck) und erlebte, wie Patienten von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Ihre Geschichte und die Geschichte der mühsamen Aufarbeitung der Campus-Geschichte durch Studenten wie Peter Delius in den 80er Jahren erzählt der Artikel Vergangen und Vergessen?

1964

Die Universität wird 1964 als „Medizinische Akademie“ gegründet und gehört erstmal zur Uni Kiel. Aus gesammelten Artikeln der Lübecker Nachrichten und der ersten Studierendenzeitung, dem „provisorium“ erfahren wir, was es hieß in den 60ern Die Anfänge der Uni Lübeck mit zu gestalten.

1977

Die Jahre, in denen die heutige Uni gegründet wurde und wuchs waren politische Jahre und so waren auch die Themen, mit denen sich die Studenten beschäftigten oft politisch. 1977 streikten Studenten gegen die Einführung des Praktischen Jahres und der damalige AStA-Vorsitzende Sebastian Stierl wurde von der Hochschulleitung mit einem Ordnungsverfahren belegt. Von Solidarität und sich wehrenden Studenten erzählen unser Artikel und das Interview mit Sebastian Stierl.

1981

Nicht nur an der Uni Lübeck ging man in den 70er- und 80er-Jahren nicht zimperlich mit Andersdenkenden um – Berufsverbote für Mitglieder linker politischer Gruppen waren ein heißes Thema in der ganzen BRD und auch in der Lübecker Studierendenzeitung „Der Springende Punkt“. Wer sich vor der Einstellung „Sind sie ein Verfassungsfeind?“ fragen lassen muss, fühlt sich vielleicht wenig willkommen. Dr. Reinhard Fröschlin, heute Oberarzt, berichtet von seinen damaligen Erlebnissen.

1989

Manches ist in 50 Jahren studentischer Pressearbeit in Lübeck einfach verloren gegangen. In den letzten Monaten haben wir versucht, ein möglichst vollständiges Archiv der Studentenzeitungen auf dieser Website zu erstellen. Längst nicht alle Zeitungen sind erhalten (Über Hinweise, wo wir weitere Ausgaben finden könnten wären wir sehr dankbar). Doch die über 100 Studierendenzeitungen, welche wir nun ins Archiv stellen konnten, haben nicht nur die Themenfindung für diese Ausgabe geprägt – sie haben uns auch die eine oder andere Detektivaufgabe aufgegeben. Da waren die Fotos von Ute Pastor, die sie 1998 an die damalige Studentenzeitung „Bauchpresse“ verliehen hatte, oder die zwei Teile einer dreiteiligen Geschichte.

1993

Die Uni Lübeck ändert sich mit der Gründung des Informatikstudiums im Jahre 1993 grundlegend. Zum ersten Mal in fast 30 Jahren studieren nicht nur Mediziner auf dem Campus. Die Anzahl der MINT-Studiengänge (obwohl dies ein viel neuerer Begriff ist) stieg Von Null auf Eins. Dabei waren damals der Professor Volker Linnemann und der Student Helge Illig. Sie haben uns erzählt, wie der neue Studiengang sein thematisches und räumliches Zuhause gefunden hat.

Nachdem die Informatik gegründet war ging alles relativ schnell: Es folgte die Computational Life Science, die MLS und dann bald MIW und bis heute werden links und rechts Studiengänge gegründet. Wo soll das noch hinführen? Die Mathematik hat eine Antwort, ob es die richtige Antwort ist, wird die Zukunft zeigen.

2010

Der nächste Einschnitt in die Geschichte der Uni Lübeck ist das Jahr 2010. Der schwarz-gelbe Protestsommer ist ein inzwischen fast mystisch verklärtes Ereignis, dass einem Neuankömmling seltsam und rätselhaft erscheinen mag. Annika Steinmeier ist gerade als Studentin in Lübeck angekommen und hat sich die Frage gestellt: Warum kämpfte Lübeck für seine Uni?

2015

Diese Ausgabe beendet ihren Rundgang durch die 50 Jahre Uni Lübeck mit einem Blick in die Zukunft. Ab Januar 2015 ist die Uni Lübeck eine Stiftungsuni. Und dann? Was können wir erwarten und was sollten wir nicht erwarten?

Wir hoffen, diese Ausgabe ist für euch ein unterhaltsamer Rundgang durch die Geschichte der Universität zu Lübeck. Wenn ihr möchtet, steht euch das Online-Archiv aller Ausgaben der Studierendenzeitungen auf dieser Website zur Verfügung um einen tieferen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wenn ihr über eure Fundstücke in diesem Archiv berichten möchtet, freuen wir uns natürlich auch in zukünftigen Ausgaben über die Vergangenheit unserer Universität zu berichten. Schreibt uns doch einfach eine Mail.

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