Erinnerung – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Sat, 01 Nov 2014 17:39:48 +0000 de-DE hourly 1 Dat erzähl ich meine Enkel https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/dat-erzahl-ich-meine-enkel/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/dat-erzahl-ich-meine-enkel/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:16:31 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212464 Wenn wir mit unserem Studium fertig sind – woran werden wir uns erinnern? 
Sicher werden die großen politischen Ereignisse, die unsere Uni zu unserer Studienzeit bewegt haben, einen großen Teil unserer Erinnerung einnehmen. 
Hauptsächlich werden wir uns aber an unsere persönlichen Erfahrungen erinnern.

Hinter diesem Häuschen wartet ein Obstgarten auf die Ernte.

“Gaudi-Med” – Fastnachtsparty im Zentrum in der Alfstraße.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="640"]


Wir werden uns an unsere Ankunft in Lübeck erinnern: An unsere Vorwoche und die Wohnungssuche – unzählige WG-Castings, Stress mit dem Studentenwohnheim und endlose Renovierungsarbeiten. 
Auch Johannes Hoffmann, der 1973 für den klinischen Abschnitt seines Medizinstudiums von Mainz nach Lübeck kam, erinnert sich an Wohnungsprobleme: “Einige von uns Neuen sind dann in Räumlichkeiten des damaligen Lysia-Hotels untergekommen. Aber als wir dort dann anfingen, mit unseren Tauchsiedern auf den Tischen zu kochen, wurden wir vorsichtig hinauskomplimentiert. Für uns war das natürlich trotzdem eine tolle Unterkunft – und das kostenlos.”

“Als wir uns dann etwas anderes suchen müssten, haben wir bei einer Großfamilie mit vier Kindern und zwei Hunden gewohnt. Die Familie war finanziell in Bedrängnis geraten und musste Zimmer vermieten […]. Wir gehörten dort wirklich zur Familie. Diese sehr herzliche Aufnahme hat uns gut gefallen, das hat schon Eindruck auf uns gemacht! Die beiden Eltern gingen dann morgens früh zur Arbeit und wir haben uns um Frühstück und Schulbrote für die Kinder gekümmert, dafür hat die Mutter unsere Wäsche gewaschen. Noch dazu hatte die Familie einen Pool, das war super – besonders weil unser erster Sommer in Lübeck ein Jahrhundertsommer war. Nach dem Frühstück am Pool haben wir uns dann so gegen zwölf auf den Weg in die Mensa gemacht…”

Eckart de Bary, der gemeinsam mit Johannes Hoffmann nach Lübeck kam, erinnert sich an eine noch bemerkenswertere Wohnsituation: “Als ich nach dem Studium in der Kinderklinik gearbeitet habe, da wohnte ein junger Mann in der Neuropädiatrie. Der wohnte da – in einem Patientenzimmer. Er war der Sohn eines Lübecker Gesundheitssenators oder über andere Ecken mit diesem verbandelt; jedenfalls war er dort zur Berufsfindung aufgenommen worden. Er ging morgens weg, machte mal hier und mal dort ein Praktikum, kam abends wieder und schlief dann da. Das ging mindestens ein Dreivierteljahr so. Das muss man sich mal vorstellen.”

Wir werden uns auch an die kleinen Dinge erinnern, die uns den Uni-Alltag versüßt haben – daran, wie wir uns im Sommer immer mit einem Eis aus der Mensa, natürlich mit viel Streuseln, in den Carlebachpark gesetzt haben oder im Winter gemeinsam Kakao getrunken haben. 
Dr. Eggers, der im Oktober 1974 hierher kam, erinnert sich: “Eine Sache fand ich für uns Studenten sehr schön. Und zwar gab es in der Mensa, die damals noch in der Baracke, die jetzt gerade abgerissen worden ist, untergebracht war, zwei große Kannen mit Buttermilch zur freien Verfügung. Man konnte sich dort hinsetzen, Zeitung lesen und dazu kostenlos Buttermilch trinken. Das habe ich sehr gerne gemacht, denn Durst hatte ich immer. Ich fand es gemütlich, konnte mich dort mit den Kommilitonen treffen, in Ruhe lesen oder klönen und dazu Buttermilch trinken.”

Johannes Hoffmann erzählt zu seinem Studentenausweis: "Ich hielt mich damals in Istanbul auf (daher der türkische Studentenausweis) und war unterwegs nach Indien. Die Haar- und Bartpracht war durchaus von Vorteil, im Nahen und Mittleren Osten fiel ich nicht als Ausländer auf."

Johannes Hoffmann erzählt zu seinem Studentenausweis: “Ich hielt mich damals in Istanbul auf (daher der türkische Studentenausweis) und war unterwegs nach Indien. Die Haar- und Bartpracht war durchaus von Vorteil, im Nahen und Mittleren Osten fiel ich nicht als Ausländer auf.”[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="640"]


Dass wirklich immer Durst da war, kann Johannes Hoffmann nachvollziehen: “Oh ja, im Zolln, da waren wir immer nach dem Sport. Direkt gegenüber ist ja die Turnhalle – und im Zolln konnte man danach die verlorene Flüssigkeit wieder auffüllen. Das war damals schon ein wichtiger Ort der Kommunikation.” Zu seiner Zeit gab es in der Innenstadt auch noch einen anderen studentischen Kommunikationsort. De Bary erzählt: “Das Zentrum war ein Studentenzentrum in der Alfstraße, finanziert von den Freunden und Förderern der MAL. Im Grunde war es eine kaum genutzte Kneipe mit einer kleinen Küche und einem Probenraum zum Musikmachen. Als wir `73 gekommen sind, hieß es, das Zentrum solle zugemacht werden, weil es zu teuer sei. Der Besitzer hatte wohl die Miete erhöht, das war alles ziemlich undurchsichtig. Das Studentenwerk kam schließlich mit ins Boot und hat die Nebenkosten übernommen, die höhere Miete sollte dadurch wieder reinkommen, dass wir mehr Leute auf das Zentrum aufmerksam machten, die dort hinkommen sollten. Wir haben dann auch an der Fachhochschule und der Musikhochschule Reklame gemacht, damit das Zentrum kein ‘elitärer Medizinerclub‘ war, sondern ein wirklich breites Besucherspektrum hatte. Freitags und samstags spielten dort Bands, dann wurde es richtig voll. Manchmal gab es auch Events wie das ‘Gaudi-Met‘, das Fastnachtsfest. Das ging von Freitag Abend bis Montag Früh – es war durchgehend geöffnet. Da war es wirklich so, dass, wenn neue Leute ins Gebäude wollten, woanders vorher welche rausgehen mussten. Beim ersten Mal, als wir das richtig groß aufgezogen haben, da mussten wir Sonntag Morgen noch losfahren, unseren Bierlieferanten rausklingeln und noch ein paar Fässer Bier nachholen. Das war das Zentrum. Als wir 76 mit dem Studium aufgehört haben, lief das noch ein, zwei Jahre weiter, doch dann wurde es dichtgemacht.”

Heute haben wir ja zum Glück den ,Engel‘ mit mindestens genau so gut besuchten Konzerten wie damals im Zentrum. Nach langen Semesterferien außerhalb von Lübeck treffen wir dort unsere Kommilitonen wieder, tauschen Praktikums- und Urlaubserfahrungen aus und trinken literweise Mexikaner.

Wir werden uns nach dem Studium auch an unsere Ausflüge und Auslandserfahrungen erinnern – an Fachschaftsfahrten, Medimeisterschaften und unsere Erasmus-Zeit. Dr. Peter Delius, der 1980 für den klinischen Abschnitt seines Medizinstudiums nach Lübeck kam, erinnert sich an “eine Fahrt nach Bergen als Studienvertreter, eingeladen von der dortigen Universität im Rahmen der bestehenden Partnerschaft.” Er erzählt: “Wir waren ungefähr 20 Studierende und wurden dort empfangen wie die Könige, wie die Vertreter der Hanse in einer Hansekolonie. Wir waren sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft und all dem, was unsere Gastgeber uns geboten haben, und sehr beschämt, als sich später herausstellte, dass die norwegischen Studenten ein halbes Jahr vorher da gewesen waren und keiner sie beachtet hatte. Sie waren in einer Jugendherberge untergebracht worden und hatten große Schwierigkeiten, überhaupt Anschluss zu finden. Das spiegelte – historisch gesehen – vielleicht ein bisschen das Verhältnis von Lübeck, der Königin der Hanse, zu seiner kleinen norwegischen Kolonie in Bergen wider. Das war jedenfalls etwas, was mir bleibend in Erinnerung geblieben ist.”

Studieren war also schon immer etwas besonderes – und manchmal lernt man dabei auch was.

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Wenn’s drauf ankommt. – Ein Gespräch mit Gerrit Koch https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/wenns-drauf-ankommt-ein-gesprach-mit-gerrit-koch/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/wenns-drauf-ankommt-ein-gesprach-mit-gerrit-koch/#respond Mon, 05 May 2014 12:04:29 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=210852 „Sagen wir’s mal so…“ Gerrit Koch holt Luft und schmunzelt ein wenig. „Ich hab Schwierigkeiten damit, wenn jemand, der in der Exekutive tätig ist, für das, wofür er sehr gut bezahlt wird, auch noch eine Belohnung bekommt.“ Das Thema ist die frisch gebackene Ehrendoktorin der Uni Lübeck, Annette Schavan. „Zudem hatte Frau Schavan sicherlich nicht über Nacht einen Geistesblitz wie man die Uni retten könnte, sondern sie hat sehr schlaue Beamte in ihrem Haus, die sie darüber informiert haben, wie man das machen könnte.“

„Sagt nein. Gerrit Koch am 1. Juli 2010.“

Sagt nein. Gerrit Koch am 1. Juli 2010. [media-credit id=14 align="aligncenter" width="625"]

Gerrit Koch sitzt im obersten Stockwerk des Klingenberg-Hochhauses an seinem gläsernen Schreibtisch. Aus seinem Büro blickt man auf das Rathaus hinab, seinen ehemaligen Arbeitsplatz. Von 2008 bis 2010 war er Mitglied der Bürgerschaft. Im Herbst 2009 zog er dann als FDP-Abgeordneter in den Landtag ein, er war in der Koalition aus FDP und CDU der einzige Abgeordnete aus Lübeck. Am 25. Mai war er dabei, als im großen Sitzungssaal des Landtages die Sparkommission seiner Regierung ihre Ergebnisse vortrug: Auf der Sparliste stand auch der Lübecker Medizinstudiengang. Koch erhielt Unmengen von E-Mails aus Lübeck, viele, die ihre Hoffnung darüber zum Ausdruck bringen, dass Koch sich für die Uni einsetzen würde. Manche sind weniger höflich: Professor Hilgenfeld schrieb „Wann treten Sie zurück?“ Koch antwortete trocken, dass bei seinem Rücktritt eine Kieler Abgeordnete nachrücken würde. Würde das Lübeck helfen? Die nächsten Wochen sind in Lübeck der heiße Demo-Sommer 2010, auch Koch hat ihn intensiv in Erinnerung: „Wenn kurz nach Amtsantritt so etwas kommt, mit so einer Wucht, und man merkt, dass es auf einen ankommt, dann ist das nicht nur ein vergnügungssteuerpflichtiges Gefühl.“ Zumal die Koalition nur eine Stimme Mehrheit hat, ohne Koch kann der Sparhaushalt nicht durchs Parlament. „Man muss sich die Situation nur mal vorstellen. Sie wollen die Lübecker bestmöglich vertreten und andererseits sind Sie in Kiel gefordert, weil Sie der Mehrheitsbeschaffer sind. Viele Nächte waren sehr kurz.“

Während der öffentliche Druck wuchs blieb der interne Druck aus der FDP-Fraktion klein. „Ich war kein Aussätziger dort“, betont Koch. Wenige Tage nach dem 25. Mai habe er das Gespräch mit Wolfgang Kubicki gesucht und gesagt: „Ich kann das nicht mitmachen.“ Kubicki habe das akzeptiert. „Er sagte: ’Wir arbeiten noch an der Sache’. Aber vielleicht hat er auch nur gedacht, wenn’s drauf ankommt, stimme ich trotzdem zu.”

„Die Demo mit 14.000 Demonstranten vor dem Kieler Landtag machte machte mich stolz auf Lübeck. Nie zuvor gab es eine so große Demo vor dem Landeshaus. Der Lärm war ohrenbetäubend, aber die Botschaft kam an“, erinnerte sich Koch an den 17. Juni.

Das zentrale Datum für Gerrit Kochs Rolle in der Lübeck-kämpft-Geschichte ist der 1. Juli 2010. Die zweite Großdemo, verbunden mit einem Diskussionsforum in St. Petri ist für den Tag angesetzt. Etwa 8000 Menschen laufen im Sternmarsch durch Lübeck. Mit dabei: Gerrit Koch. Auf dem Marktplatz steht Koch dann auf der Bühne, Mikrofon in der Hand. Die Frage: „Heißt das, dass Sie gegen dieses Sparpaket stimmen werden, wenn die Uni auf der Liste ist?“, die Antwort: „Wenn die Uni in dieser Form auf der Liste ist, werde ich dagegen stimmen.“ Applaus. Nach einigen Wochen des Drucks hatte er sich eindeutig entschieden und bereits in den Lübecker Nachrichten erklärt, dass er nicht für das Sparpaket abstimmen könne.

Warum er solange gewartet hat, bis er sich öffentlich zur Entscheidung durchringen konnte, begründet Koch heute so: „Mein Ansatz war immer: Man kann einfach nur Nein sagen, aber man kann auch versuchen etwas mehr zu liefern, sicherstellen, dass es einen Gegenvorschlag gibt. Ich war unter anderem ja auch beim AStA und bei Frau Menken von der Possehl-Stiftung und habe über das Thema gesprochen. Und dann gab es ja auch einen Gegenvorschlag, den die Uni selber gemacht hat.“ Wissend, dass es einen Gegenvorschlag gab, konnte Koch am 1. Juli „Nein“ sagen. Ein CDU-Abgeordneter aus Stockelsdorf, Hartmut Hamerich, tat es ihm gleich. Die Mehrheit im Landtag war verschwunden.

Es würde noch eine Woche dauern, bis Annette Schavan aus Berlin eine Lösung vorschlägt, die es der Landesregierung ermöglicht einen Haushalt mit dem angestrebten Sparvolumen zu präsentieren ohne die Uni Lübeck zu schließen.

„Im Ergebnis hat die Uni gewonnen“, resümiert Koch heute. „Es kommt die Stiftungs-Uni, ein weiterer Angriff auf die Uni ist nicht zu erwarten, die Verankerung in der Bevölkerung ist viel besser.“

Koch ist kein Abgeordneter mehr. Vielleicht auch wegen der Ereignisse des Jahres 2010. In Lübeck hatten bei der Wahl im Jahr 2012 CDU und FDP unterdurchschnittlich abgeschnitten. Die FDP zog mit sechs Abgeordneten in den Landtag ein, Koch hatte Listenplatz 8 erhalten. Er arbeitet nun als Anwalt mit Spezialisierung für Bau- und Architektenrecht. Ist er lieber Anwalt oder Politiker? Koch muss lachen. „Beides. Jetzt mag ich die Anwaltsrolle, also nur Anwalt zu sein, sehr gerne. Ich hätte es aber auch gern weiter gemacht im Landtag. Ich bin immer Anwalt geblieben, weil ich weiß, jedes politische Amt ist ein Amt auf Zeit.“

Zum Jahresempfang der Uni Lübeck, bei dem Annette Schavan unter anderem für ihre Rolle im Jahr 2010 geehrt wurde, wurde Gerrit Koch nicht eingeladen.

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