Gesellschaft – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Wed, 14 Dec 2016 23:56:19 +0000 de-DE hourly 1 Nur ein Wort https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/nur-ein-wort/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/12/nur-ein-wort/#respond Fri, 09 Dec 2016 07:00:00 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=252101
All die schönen BuchstabenLukas Ruge | StudentenPACK.

All die schönen Buchstaben

Update am Ende des Textes.

Ab dem 1. Januar kommt auf Studierende vielleicht eine neue Belastung zu: Wer sich bisher beim Lernen auf im Moodle zur Verfügung gestellte Artikel und Buchausschnitte verlassen hat, wird sich andernorts danach umsehen müssen. In fast allen Bundesländern weigern sich die Universitäten, dem neuen Rahmenvertrag mit der Verwertungsgesellschaft Wort (kurz VG Wort) beizutreten. Doch ohne Rahmenvertrag können Studierenden kaum noch Materialien zur Verfügung gestellt werden.

Die VG Wort ist sozusagen die GEMA für Sprachwerke, also Bücher, Paper, Blog-Einträge, Drehbücher und Ähnliches. Sie vertritt die Urheber solcher Werke, was sowohl die Autoren als auch Übersetzer sein können, die einen Text schreiben. Wird der Text irgendwo genutzt, so soll der Autor dafür Geld erhalten. Dieses Geld sammelt die VG Wort zentral, behält einen Verwaltungsaufwand und leitet den Rest weiter. Dies entlastet Autoren und Verlage, welche sich sonst bei jedem einzelnen Werk überall wo es genutzt wird darum kümmern müssten, dass die Autoren die Tantiemen, die ihnen rechtlich zustehen, erhalten.

Der Status quo

Dass es überhaupt möglich ist, kostenlos im Intranet – an der Uni Lübeck also im Moodle, an der FH der FH-Lernraum – Studierenden und Schülern Auszüge aus Büchern zur Verfügung zu stellen, verdanken wir einer Reform des Urheberrechts im Jahr 2003. Dort erlaubt nun Paragraph 52a, dass “veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen [und] Hochschulen.” genutzt werden dürfen. Es heißt aber weiter: “Für die öffentliche Zugänglichmachung […] ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.” Als diese Verwertungsgesellschaft sieht sich die VG Wort.

Nach juristischem Ringen, darunter gegen die Fernuniversität Hagen, konnten Gerichte dann auch etablieren, wie genau diese Regelung zu verstehen sei, und die Verwertungsgesellschaft konnte mit den Ländern einen Vertrag darüber abschließen, wie es möglich sein sollte, dass Verlage und Autoren an das ihnen zustehende Geld kommen. Dabei gab es allerdings bereits reihenweise Beschränkungen, so durften niemals mehr als hundert Seiten eines Werkes zur Verfügung gestellt werden und zudem niemals mehr als zwölf Prozent. Gesamtwerke durften nur zur Verfügung gestellt werden, wenn sie unter 26 Seiten lang waren.

Dafür, dass in Online-Plattformen wie dem Moodle Auszüge aus Büchern und Zeitschriften zur Verfügung gestellt wurden, zahlten Universitäten einen Pauschalbeitrag. Die VG Wort verteilte diesen nach Gutdünken, denn es war nicht nachvollziehbar, welche Werke von den Unis wie genutzt werden und in wie großen Veranstaltungen. Es könnte diese, für Rechteinhaber unzufriedenstellende, Lösung gewesen sein, die die VG Wort dazu brachte, diesen Lösungsweg anzuzweifeln.

Die VG Wort klagt.

Insbesondere, so ließ man seitens der VG Wort wissen, fehle die Nachvollziehbarkeit, welche Werke tatsächlich zum Einsatz kämen, denn es wurden ja keine Lehrbücher verkauft. Am Absatz eines Buches, das vielleicht nur einmal in der Universität vorhanden war, konnte die VG Wort nicht nachvollziehen, ob hunderte Studierende es jedes Jahr lesen mussten, während andere Bücher im Regal verstaubten. Die Urheber konnten also nicht für die Verwertung ihrer Werke belohnt werden. So klagte die VG Wort vor dem Oberlandesgericht München und bekam 2013 recht. Es sei den Universitäten zuzumuten, die genutzten Werke einzeln zu melden. Ab dem 1. Januar 2017 sollen die Universitäten nun angeben wie viele Seiten aus welchem Werk sie nutzen und wie viele Teilnehmer die Veranstaltung hat, in welchem die Werke genutzt werden. So spezifiziert es der neue Rahmenvertrag, ausgehandelt zwischen der Verwertungsgesellschaft und der Kultusministerkonferenz.

Abgerechnet werden soll zukünftig nach dem Schlüssel “Seiten x Teilnehmerzahl x 0,8 Cent”. Es würde also bei einem Seminar mit 20 Teilnehmern 1,28 Euro pro Semester kosten, ein acht Seiten langes Paper zu veröffentlichen. Will ein Dozent 100 Seiten aus einem Standardwerk allen seinen Studierenden in der 350 Personen starken Grundlagenvorlesung mitgeben, so kommen auf die Universität Kosten in Höhe von 280 Euro zu. Die Summen sind also überschaubar und das waren sie auch schon vorher. Im Vertrag zwischen den Ländern und der VG Wort für das Jahr 2016 wurde festgelegt, dass alle Länder gemeinsam der VG Wort für das gesamte Jahr 2.175.000 Euro überweisen, also weniger als einen Euro pro Student.

Um die neuen Verfahren zu testen, hat die VG Wort zusammen mit der Uni Osnabrück im Wintersemester 2014/2015 einen Testbetrieb durchgeführt. Dort kam man kam zu dem Ergebnis, dass es für Dozierende je nach Menge der Unterlagen bis zu zwei Stunden pro Woche dauern könnte, die verlangten Informationen über die von der VG Wort zur Verfügung gestellte Maske einzugeben. Dieser Mehraufwand sei nicht akzeptabel. So seien, weil Dozenten das Verfahren entweder nicht verstanden hätten oder nicht mitmachen wollten, auch die Menge an Materialen im Intranet deutlich gesunken. Dies ist natürlich weder im Sinne der Studierenden, die die Materialen benötigen, noch im Sinne der VG Wort, welche weniger Einnahmen erhält. Die VG Wort gab gewisse Unzulänglichkeiten in der Pilotstudie zu, argumentierte aber auch, mit Verbesserungen der Eingabemaske und mehr Routine bei den Dozenten würde der Zeitaufwand deutlich sinken. Zudem, so argumentierte Rainer Just, Geschäftsführer der VG Wort, im Campusradio Hertz 87.9 aus Bielefeld, erhalten die Dozenten für ihren Aufwand eine Gegenleistung: Nämlich das Recht, Werke legal Studierenden zu Unterrichtszwecken zur Verfügung stellen zu können.

Doch die Hochschulrektoren finden diese Argumentation nicht zufriedenstellend. Es müsse einen Mittelweg geben, der mit weniger Aufwand für Dozierende verbunden sei. Sie schlagen anstelle der Einzelmeldung jedes Werkes vor, stichprobenartig durch die VG Wort überprüfen zu lassen, welche Werke genutzt werden. Nun ist High-Noon zwischen VG Wort und den Universitäten. Die Verwertungsgesellschaft beharrt auf dem ausgehandelten Rahmenvertrag, da die Zumutbarkeit der Einzelmeldung ja auch gerichtlich bestätigt wurde. Die Universitäten hingegen, auch die Uni Lübeck, weigern sich dem Rahmenvertrag beizutreten.

Alles löschen

Wenn sich die beiden Gruppen nicht noch kurzfristig einigen, dürfte die Nutzbarkeit von Werken nach Paragraph 52a Urhebergesetz mit dem neuen Jahr enden. Das gilt auch für alle Unterlagen, die bereits jetzt online sind. Alles was bisher aufgrund dieses Paragraphen online sein durfte, muss aus dem Moodle gelöscht werden. Es empfiehlt sich also bereits jetzt, alle Unterlagen zu den Fächern, die man hört, herunterzuladen. Diese Dateien dürften demnächst verschwinden. Dies wird verschiedene Vorlesungen betreffen: Von Medizin über Mathematik bis zur Informatik gibt es Vorlesungen und Seminare, in denen Paper und Buchausschnitte über das Moodle Teil der Lehre sind.

Weiterhin verfügbar werden Vorlesungsfolien mit Bildern und Zitaten aus fremden Werken sein, da dies unter das Zitatrecht fällt. Genausowenig betrifft das Auslaufen des Rahmenvertrags die Nutzung von Medien innerhalb der Vorlesung selbst, wie das Vorspielen kurzer Film- oder Audioschnipsel.

Eine plötzliche, unerwartete Chance für ihre Sache sehen Organisationen wie das Bündnis freie Bildung, die sich dafür einsetzen Lehrbücher, insbesondere wenn die Autoren im öffentlichen Dienst stehen, unter sogenannten “Open Access”-Lizenzen zu veröffentlichen. Denn für solche Werke gelten die Bedingungen aus Paragraph 52a nicht, sie können jederzeit, überall, zur Verfügung gestellt werden.

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Falschgeld im Portemonnaie https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/falschgeld-im-portemonnaie/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/falschgeld-im-portemonnaie/#respond Mon, 18 Jan 2016 08:00:05 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=234070
Sieht fast aus wie echtes Geld. Selbst die gelben Sterne verhindern das Scannen und Kopieren des Scheins mit modernen GerätenFabian Schwarze | StudentenPACK.

Sieht fast aus wie echtes Geld. Selbst die gelben Sterne verhindern das Scannen und Kopieren des Scheins mit modernen Geräten

Die Ersti-Woche ist bereits seit Längerem vorbei und die neuen Erstsemester bereiten sich auf die erste Klausurenphase vor. Viele von ihnen werden – mehr oder weniger – neue Zwanzig-Euro-Scheine im Portemonnaie haben. Es ist allgemein bekannt, dass diese eingeführt worden sind, um Geldfälschern die Arbeit zu erschweren, die mit jedem vergehenden Jahr mehr falsche Scheine auf den Markt bringen können. Der weltweit beliebteste Euroschein dafür ist der Zwanziger. Ein solcher Schein geriet während der Ersti-Party auch in die Kasse des AStA.

Auf den ersten Blick wie ein normaler Zwanzig-Euro-Schein aussehend landete der Schein im abgedunkelten Raum in einer der Kassen. Ein genauer Blick verrät jedoch: Der Glanzstreifen wirkt rau und hat nicht einmal die gleiche Form wie der Standardschein. Auch das Wasserzeichen ist verändert. Das Papier wirkt starr, wie Druckerpapier. Dennoch ist nicht zu bezweifeln, dass mit diesem Schein in so gut wie jedem Geschäft bezahlt werden könnte. Nur einer Bank würde wahrscheinlich der Unterschied auffallen.

Doch was ist zu tun, wenn sich plötzlich ein falscher Schein im Portemonnaie aufhält? Darf ich das Geld zu einer Bank bringen ohne einer Täterschaft angeklagt zu werden? Werde ich für das Geld entschädigt, welches ich möglicherweise als Rückgeld für mein echtes Geld erhalten habe? Die Falschgeldstelle der deutschen Bundesbank weiß Antworten:

Am Telefon erklärt der Falschgeldexperte, dass jedes als falsch erkannte Geld entweder bei der Polizei oder einer Geschäftsbank abgegeben werden kann. Es existierte auch einmal eine Falschgeldstelle in Lübeck, die jedoch wegen der geringen Auslastung geschlossen wurde. Grundsätzlich gilt: Das als falsch erkannte Geld sollte nicht eingezahlt werden. Jeder Versuch das Geld weiterzuverwenden gilt als Straftatbestand. Daher sollte das Geld entweder in einer Geschäftsbank – mit der Anmerkung, dass es sich um Falschgeld handelt – oder direkt bei der Polizei abgegeben werden. Beide Stellen stehen im Kontakt mit der Bundesbank und leiten die Banknote an die Falschgeldstelle in Mainz weiter.

Wer sich erhofft für sein Geld entschädigt oder sogar entlohnt zu werden liegt jedoch leider falsch. Die Annahme eines falschen Geldscheins ist zwar bei Unwissen nicht strafbar, aber auch der falsche Schein wurde als Gegenleistung akzeptiert. Daher ist ein falscher Schein in der Tasche als Verlust anzusehen. Auch ein Zurückhalten der falschen Banknoten, auch von gekennzeichneten und nicht benutzten, kann als Tatbestand ausgelegt werden.

Auf der Webseite der Bundesbank heißt es: „Bei der Weiter- oder Rückgabe von Falschgeld können Sie sich genau wie bei der Herstellung von Falschgeld strafbar machen. Für Falschgeld gibt es keinen Ersatz! Daher sollten Sie auch die Ware nicht vor Bezahlung mit gültigem Geld herausgeben.“

Die Bundesbank versucht sofort nach Erhalt der falschen Banknote eine Fälscherhandschrift zu erkennen und mögliche Wiedertäter aufzuspüren. Ein falscher Schein wird daraufhin als Beweismittel angesehen und für mindestens 20 Jahre aufbewahrt, bis er schließlich vernichtet wird. Auch echtes Geld kann als falsch erkannt werden. Die Einzahlungsautomaten der lokalen Banken überprüfen das Geld nach bestimmten Kriterien. Dabei kann ein Schein aufgrund von Knicken oder Wasserschäden als falsch erkannt werden. Dieses Geld wird daraufhin im Automaten verschlossen und nicht auf das Konto überschrieben. Daraufhin wird das Geld vom Fachmann überprüft. Meist stellt sich das Geld jedoch als echt heraus, wie mir der Mitarbeiter der Bundesbank anvertraut. Der Betrag wird daraufhin schnellstmöglich überwiesen.

Mit den neuen Scheinen soll die Geldfälscherei jedoch verhindert werden. Vor allem die Hologrammfenster der neuen Zwanziger stellen Geldfälscher vor Schwierigkeiten. Ein normaler Farbkopierer stößt hier an seine Grenzen. Solange wir jedoch noch auf den neuen Fünfzig-Euro-Schein warten, werden sich die deutschen Fälscher jedoch nicht aufhalten lassen. Anders als weltweit ist in Deutschland die häufigste gefälschte Banknote der Fünfzig-Euro-Schein.

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Wir sind alle keine Rassisten, aber… https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/wir-sind-alle-keine-rassisten-aber/ https://www.studentenpack.de/index.php/2016/01/wir-sind-alle-keine-rassisten-aber/#respond Wed, 13 Jan 2016 21:00:00 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=234063 23889573479_9de4f33837_oLukas Ruge

Wir haben an unserer Uni ein Problem. Ein Problem, das viele von uns womöglich gar nicht wahrnehmen, weil sie das Glück haben, dass man es ihnen ansieht, in einem der wohlhabendsten und freiesten Länder der Welt geboren worden zu sein. Ein Umfrage im Sommer vergangenen Jahres, durchgeführt in Zusammenarbeit verschiedener Institutionen der Universität hatte das Ziel, die Ergebnisse einer früheren Erhebung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes zu überprüfen. Leider mit ernüchterndem Ergebnis. Die Studie des DAAD von 2014 hatte ergeben, dass es in Lübeck überdurchschnittlich häufig zu schweren verbalen und physischen Attacken gegen ausländische Studierende oder solche mit Migrationshintergrund kommt. 15% aller ausländischen Studierenden oder Studierender mit Migrationshintergrund haben bereits schwere verbale Angriffe am eigenen Leib erfahren, 8% sogar physische. Die Resultate der jüngsten Umfrage bestätigen dies. Bundesweit sind es im Vergleich 8%, die verbale, und 3%, die physische Attacken erlebt haben. Auch das ist noch immer zu viel, im Vergleich zu Lübeck jedoch deutlich weniger. All diese Zahlen sind übrigens in den veröffentlichten Umfrageergebnissen nachzulesen.

Rassismus als Alltag

Auch die übrigen Zahlen sind erschreckend. 69% der insgesamt 115 befragten Studierenden mit Migrationshintergrund oder ausländischen Studierenden geben an, dass sie das Gefühl haben, dass ihnen wegen ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Religion bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, und noch immer die Hälfte fühlt sich aufgrund dessen anders behandelt als Studierende ohne Migrationshintergrund. Das bedauerliche hieran ist, dass solche Dinge oft nicht böse gemeint sind und häufig sogar unabsichtlich geschehen. Aber auch wenn man in einer Unterhaltung überlegt, ob man bestimmte Themen aus Rücksicht lieber vermeidet oder anders anspricht, ist dies noch immer durch ein Vorurteil bestimmt und wirkt auf das Gegenüber womöglich diskriminierend. Ein Klassiker ist auch die Frage „Wo kommt deine Familie eigentlich wirklich her?“. Viele Studierende beklagen auch, von ihren Kommilitonen gemieden zu werden und bei Gruppenarbeiten wegen ihrer vermeintlich schlechten Sprachkenntnisse nur schlecht Anschluss zu finden. Und manchmal sind es sogar positive Klischees, wie das des disziplinierten Chinesen oder des überpünktlichen Deutschen, die am meisten stören. Auch wenn diese gut oder scherzhaft gemeint sind, reduzieren sie die Betroffenen doch auf ihre Herkunft und Abstammung. Nicht jede Art des Rassismus ist aggressiv oder abweisend – ist und bleibt aber trotzdem rassistisch. Dies mag jetzt nach übermäßiger politischer Korrektheit klingen, aber oft sind es eben die kleinen Dinge, die den größten Ausschlag geben. Andere Formen des Alltagsrassismus sind wesentlich signifikanter. So berichten 38% der ausländischen Studierenden und 12% der deutschen Studierenden mit Migrationshintergrund von Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund ist es dagegen nur 1%. Einige dieser Fälle mögen auch auf rechtliche Unsicherheit zurückzuführen sein, weil beispielsweise unklar ist, wie das mit der Bürgschaft funktioniert. Allerdings sollte man die Situation nicht verharmlosen. So berichtet ein Studierender beispielsweise, dass eine potentielle Nachmieterin allein wegen ihres Nachnamens gar nicht erst zur Wohnungsbesichtigung geladen wurde. Einem anderen wurde aufgrund seiner Hautfarbe eine Wohnung verweigert und stattdessen eine in einem anderen Stadtteil angeboten. Dies passt zu Berichten, dass ausländische Studierende in Wohnheimen gezielt in dieselben WGs gesteckt werden. Auf diese Weise wird eine gute Integration kaum gelingen. Selbstverständlich sind die erschütternden Ergebnisse der Umfragen nicht ausschließlich auf diese Arten des Alltagsrassismus zurückzuführen, sonst würden kaum so viele von massiven verbalen oder gar physischen Attacken berichten. Die verbalen Angriffe reichen hierbei von flüchtigen Bemerkungen hin zu offenen Beschimpfungen und dem Beklagen mangelnder „Rassenreinheit“. Und nicht selten genug enden solche Konflikte dann in physischer Gewalt.

Nicht wegsehen!

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie sich deutsche Studierende ohne Migrationshintergrund verhalten, wenn sie Zeugen solcher Ereignisse werden. 27% gaben an, diese Arten der offenen Diskriminierung bereits beobachtet zu haben, davon haben sich nur 43%, also weniger als die Hälfte, eingemischt. Die meisten davon haben versucht, verbal zu schlichten und die Situation zu deeskalieren, andere holten die Polizei und setzten die Täter sogar fest, bis diese eingetroffen ist. Mehr als die Hälfte der Befragten tat jedoch gar nichts. Sie ignorierten die Situation vollkommen oder gingen eilig weiter. Einige gaben an, dass die Situation nicht bedrohlich genug gewesen sei, um eine Einmischung nötig zu machen, oder dass es sich um eine Lappalie handelte. Aber selbst oder gerade dann ist es wichtig, sich deutlich zu positionieren und ein Signal zu senden, dass man so etwas nicht duldet. Einerseits, um das Opfer zu unterstützen, andererseits, damit der Täter das nächste Mal vielleicht besser überlegt, ob seine Äußerungen angebracht sind oder nicht. Die meisten, die nicht halfen, taten dies jedoch aus Angst. Aus Angst davor, selbst in den Fokus der Täter zu geraten oder physisch angegriffen zu werden. Dies mag in einigen Situationen ein gültiges Argument sein, zum Beispiel wenn man allein einer Gruppe gegenübersteht. Doch selbst dann könnte man noch immer die Polizei rufen. Im normalen Alltag jedoch, wenn ein Fahrgast den schwarzen Busfahrer beschimpft, ein Freund nicht in den Club gelassen oder ein Mensch mit Migrationshintergrund auf offener Straße beleidigt wird, gibt es kaum eine Entschuldigung, sich nicht einzumischen. Wenn wir in diesen Momenten nicht klar Stellung beziehen und den Opfern helfen, gibt es wenig Hoffnung, dass sich in naher Zukunft etwas bessern wird. Jeder sollte sich einmal selbst fragen, wie er oder sie in solchen Situationen handeln würde. Und dann überlegen, ob man mit der Antwort zufrieden ist.

Von Niedergeschlagenheit bis zum Studienabbruch

Studierende, die Opfer von solchen Attacken werden, sprechen nur selten darüber mit denjenigen, deren Aufgabe es wäre, dagegen vorzugehen. Nur etwas mehr als die Hälfte hat überhaupt mit jemandem über diese Erfahrungen gesprochen und dann meist mit Kommilitonen oder Freunden außerhalb der Uni und der Familie. Von den Befragten wandte sich keiner an das Dezernat für Chancengleichheit und Familie, die Studiengangsleitung, ihre Mentoren oder den Psychosozialen Dienst. Einer der Gründe hierfür ist wohl, dass viele dieser Einrichtungen undter den Studierenden kaum bekannt sind. Und bei den bekannten ist es zum Teil offenbar nicht klar, ob und wie diese helfen können. Hier ist ganz eindeutig die Uni gefragt, aktiv auf die Studierendenschaft zuzugehen und sich als Ansprechpartner anzubieten. Unabhängig davon, ob die Opfer über ihre Erlebnisse sprachen, haben diese jedoch oft unmittelbare Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden und sogar ihre Studienleistungen. Weit über die Hälfte, 64,9% gibt an, dass sich rassistische Erfahrungen auf ihr Befinden und Verhalten ausgewirkt haben. Die meisten grübelten viel über das Erlebte nach und fühlten sich niedergeschlagen. Andere vermieden bestimmte Orte und Situationen oder änderten ihre Lebensführung, womit der Rassismus, dem sie ausgesetzt waren, also direkt ihr freies Leben in unserem hoch geschätzten Land beeinträchtigt hat. Ein Teil fürchtete sogar massiv um die eigene Sicherheit. Weniger, aber noch immer ein knappes Drittel der Befragten, erzählt von negativen Folgen auf das eigene Studium. Aufgrund von Niedergeschlagenheit und Konzentrationsschwierigkeiten oder weil sie sogar bestimmte Lehrveranstaltungen gemieden haben, hat sich bei vielen die Leistung verschlechtert oder das Studium verzögert. Eine Person hat wegen ihrer negativen Erfahrungen sogar das Studienfach gewechselt. Auch hier ist es die Aufgabe der Universität und der Lehrenden, solche Probleme zu erkennen und ihnen rechtzeitig entgegenzuwirken. Aber nicht nur. Vor allem liegt es auch bei den Kommilitonen und Kommilitoninnen, ihren Mitstudierenden zu helfen und ihnen beizustehen, wenn sie bemerken, dass etwas nicht stimmt. An dieser Stelle sollte man sich erneut fragen, ob man mit seinem eigenen Verhalten uneingeschränkt zufrieden sein kann.

Ein einsamer Abend der Vielfalt

Welche Lehren wird die Universität aus all dem ziehen? Dass etwas getan werden muss, darin sind sich alle einig. Auch Präsident Hendrik Lehnert sieht den Handlungsbedarf groß. Erste Maßnahme war der Abend der Vielfalt am 2. Dezember letzten Jahres. Als ein Abend, der die breite Masse auf das Problem aufmerksam machen und zur Diskussion anregen sollte, hat dieser aber leider versagt. Der Hörsaal eins des Audimax war nicht einmal zur Hälfte gefüllt, und einen Großteil der studentischen Zuhörerschaft machte der Unichor aus. Das ist sehr schade, da der Vortrag von Hauptrednerin Noah Sow durchaus sehr interessant war und einige Aspekte angesprochen hat, über die bisher wohl nur die wenigsten nachgedacht hatten. Man kann der Uni auch nicht vorwerfen, zu wenig Werbung für diesen Abend gemacht zu haben. Vielmehr wäre ein wenig mehr Interesse und Engagement der Studierendenschaft wünschenswert gewesen. Aber auch die Universität macht in dieser Sache sicherlich noch nicht alles richtig. Unter anderem sprach Noah Sow von Signalen, die eine Institution wie eine Universität auch unterschwellig an ausländische Studenten oder solche mit Migrationshintergrund senden kann. Was für ein Signal beispielsweise ein Honorarprofessor sendet, der sich offen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ausspricht, den Sturz der Bundeskanzlerin fordert und ob der gestiegenen Zuwanderung die Verdrängung der christlich-abendländischen Kultur prophezeit kann sich einmal jeder selbst überlegen. Weitere von der Universität geplante Maßnahmen sind unter anderem ein neues Merkblatt für Erstsemester in dem beschrieben wird, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten sollte und an wen man sich wenden kann, Kurse zu interkulturellem Training und inter- und transkulturellem Lehren, sowie weitere Schritte, die derzeit noch dabei sind Gestalt anzunehmen. All das sind Schritte in die richtige Richtung, aber trotzdem darf man sich weder darauf ausruhen, noch die Verantwortung allein bei der Universitätsverwaltung sehen. Letztlich muss sich jeder selbst fragen, wie er oder sie zu einer Verbesserung der Situation beitragen kann. Dass über das Problem Rassismus offen gesprochen wird, ist dabei nur der erste Schritt.

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Kein einfaches Jahr https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/kein-einfaches-jahr/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/kein-einfaches-jahr/#respond Mon, 09 Nov 2015 09:01:43 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=233709 [nextpage title=”Flucht aus Homs” desc=”Abdul Albitar* hat seinen Eltern nicht gesagt, wie klein das Schlauchboot sein würde…” img=”233717″]

Flüchtlinge vor GiechenlandFlickr Foto "p-GRC0232" von IFRC unter einer Creative Commons ( BY-NC-ND ) Lizenz

Flüchtlinge vor Griechenland

Abdul Albitar* hat seinen Eltern nicht gesagt, wie klein das Schlauchboot sein würde, mit dem er versucht, auf die griechische Insel Symi zu kommen. Der 21 Jahre alte Syrer aus Homs flieht wie so viele andere über das Mittelmeer nach Europa. Er hat lange gewartet, so lange wie er konnte, doch aus Angst, zum Militärdienst eingezogen zu werden, beginnt er im April seine Flucht.

Im September treffen wir Abdul auf der Walli. Die gelbe Warnweste weist ihn als einen der ehrenamtlichen Dolmetscher aus und als wir ihn in einer ruhigen Minute fragen, wie es dazu kam, dass er hier ist und übersetzt, erzählt er uns seine Geschichte:

Eigentlich, sagt Abdul, sei Homs immer eine eher sichere Region gewesen. Doch als er auf seinem Smartphone einen Stadtplan aufruft und mit dem Finger Linien über das Display zieht, um uns zu zeigen, was mittlerweile alles zerstört wurde, können wir nur zu gut nachvollziehen, warum er nicht dort bleiben wollte. Ganz abgesehen davon, dass er ständig mit der Angst lebte, von der syrischen Armee eingezogen zu werden.

Sein erstes Ziel auf dem Weg nach Europa ist Izmir, wo er nach einem Schlepper sucht. „Es gibt Orte in der Stadt, an denen wirst du gefragt, ob du nach Europa gehen möchtest“, erzählt er, und so kommt es, dass Abdul schon kurz darauf auf dem Weg in den Südwesten der Türkei ist. Keine zehn Kilometer Mittelmeer trennen hier stellenweise das türkische Festland von den griechischen Inseln, doch mit fünfzehn Personen in einem kleinen, wackeligen Schlauchboot ist die Überfahrt alles andere als eine lustige Kreuzfahrt. Einer der anderen Passagiere fällt in Küstennähe aus dem Boot und auf einen Stein, bricht sich aber glücklicherweise nur den Arm und kann seine Flucht fortsetzen.

Niemandsland

Als sie die kleine Insel Symi erreichen, ist die Erleichterung groß: Der gefährlichste Teil der Reise scheint geschafft zu sein und sie sind in der EU! Trotzdem empfindet Abdul erst die darauffolgenden Stunden als die schlimmsten während seiner ganzen Flucht. Denn von dem Platz im kargen, felsigen Niemandsland, an dem sie aus dem Boot klettern, ist es noch ein weiter Fußmarsch bis zum Hauptort der Insel. Dass der die Überfahrt organisierende Schlepper pro Person nur ein Gepäckstück erlaubt hatte, ist plötzlich fast eine Erleichterung. Vier Stunden lang ist die Gruppe um Abdul ohne etwas zu trinken unterwegs, bis sie ihr Ziel erreicht.

Im Hauptort der Insel warten sie anschließend drei Tage auf eine Fähre, die sie ans griechische Festland bringen soll. Bis dahin bleiben sie sich selbst überlassen, keine offizielle Organisation oder Behörde fühlt sich für die Flüchtlinge zuständig und so findet auch keine Registrierung statt. Nach der Fahrt mit der Fähre macht Abdul sich auf die Suche nach einem neuen Schlepper, um weiter in Richtung Deutschland zu kommen. Auf dem Omonia-Platz in Athen gäbe es zum Beispiel etliche Schlepper, die einen weiterbringen könnten, erzählt Abdul, doch in der Nähe dieses Platzes würden sich auch Gangs, Dealer und viele Polizisten herumtreiben, sodass er sich dort nie wohlfühlt, manchmal sogar Angst hat, in eine Auseinandersetzung zu geraten.

Parla Italiano?

Abduls Weg von Homs nach Deutschland führte ihn quer durch Europa.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Abduls Weg von Homs nach Deutschland führte ihn quer durch Europa.

Abdul möchte nicht über die Balkanroute, sondern mit dem Flugzeug weiter in Richtung Deutschland reisen. Er findet auch einen Schlepper, mit dem er sich einig wird und der ihm mit einem gefälschten italienischen Pass die Ausreise aus Griechenland ermöglichen möchte. Als Abdul auf dem Weg ins Flugzeug vom Bordpersonal auf Italienisch angesprochen wird und darauf nicht sinnvoll antworten kann, fliegt seine Täuschung auf. Statt zur Polizei wird er allerdings nur weggeschickt, sodass er erneut mit seinem Schlepper Kontakt aufnehmen kann. Der Vertrag, den die beiden miteinander geschlossen haben, sieht vor, dass der Schlepper Abdul die Ausreise und nicht bloß den Versuch der Ausreise ermöglicht. Für die 4000 Euro, die, wie Abdul betont, ein guter Preis sind, muss der Schlepper ihn seinem Ziel auch wirklich näher bringen. Mit einem weiteren gefälschten Pass, dieses Mal einem spanischen, versucht Abdul an einem anderen Flughafen noch einmal sein Glück. Dieses Mal wird er nicht angesprochen und erreicht unbehelligt Barcelona.

Von jetzt an läuft alles wie am Schnürchen: Mit dem Zug reist er nach Lyon, von dort über Paris nach Frankfurt. Am zwölften Tag seiner Odyssee durch Europa kommt Abdul schließlich in Berlin an. Hier trifft er nach sieben Jahren zum ersten Mal seine Schwester wieder, die damals zum Studieren nach Deutschland ging und ihre Familie wegen des Bürgerkriegs in Syrien nicht besuchen konnte. Abdul ist, ohne in einem anderen Land als Flüchtling registriert zu werden, an seinem Ziel angekommen. In Berlin beantragt er Asyl.

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[nextpage title=”Millionen” desc=”Im Jahr 2014 haben im Durchschnitt täglich 42.000 Menschen die Entscheidung treffen müssen…” img=”233722″]

Millionen

Plakat an der WalliFabian Schwarze | StudentenPACK.

Plakat an der Walli

Im Jahr 2014 haben im Durchschnitt täglich 42.000 Menschen die Entscheidung treffen müssen, aus ihrer Heimat zu fliehen. So waren weltweit 59,9 Millionen Menschen Flüchtlinge, dies ist die höchste jemals von der UN-Flüchtlingshilfe registrierte Zahl. 38,2 Millionen von ihnen sind Vertriebene im eigenen Land, sie flüchten aus einer Region ihres Landes vor Konflikten in eine andere, in Syrien im Jahr 2014 allein über sieben Millionen. 1,8 Millionen Menschen warten in einem Land, in dem sie angekommen sind, auf den Abschluss eines Asylverfahrens. 19,5 Millionen flüchten aus ihrem Land. Die Hälfte dieser Flüchtlinge kommt aus den Staaten Syrien, Afghanistan und Somalia. Menschen, die aus diesen Ländern flüchten müssen, finden ihre Bleibe meist nicht in Europa sondern in der Türkei, in Pakistan, Jordanien, Äthiopien, im Libanon und im Iran. Zusammen boten diese sechs Länder im Jahr 2014 sieben Millionen geflüchteten Menschen (35 Prozent aller Flüchtlinge außerhalb ihres eigenen Landes) eine Unterkunft.

Zu wenig Europa in der EU

Im Verhältnis dazu relativ wenige Flüchtlinge kamen 2014 nach Europa. 626.000 Menschen beantragten 2014 in Europa Asyl, darunter 216.000, die den gefährlichen Weg über das Mittelmeer wagten. Über 100.000 Geflüchtete kamen aus anderen Staaten Europas wie dem Kosovo, Serbien oder Albanien. Lediglich etwas mehr als der Hälfte aller Asylanträge wurden genehmigt.

Doch im Jahr 2015 eskalierte die Lage in Syrien und im Irak, die Lager in Jordanien, im Libanon und in der Türkei sind längst überfüllt. Nach aktuellen Schätzungen der UN wird die Anzahl von Flüchtlingen, die 2015 in Europa Asyl beantragen, sich mindestens verdoppeln. Demnach werden Ende des Jahres ungefähr so viele Personen über das Mittelmeer geflüchtet sein wie 2014 überhaupt in Europa ankamen. Ihnen steht dann ein Asylverfahren bevor. Wie dieses in Deutschland funktioniert haben wir in einem gesonderten Artikel beschrieben.

2015 wurde die „Flüchtlingskrise“ eines der dominierenden Themen in der Politik und den Nachrichten. Nicht nur, weil mehr Menschen denn je flüchteten, sondern insbesondere, weil wir sie nun nicht mehr ignorieren konnten. 2015 war das Jahr, in dem Politiker erfolglos um wirksame „Verteilungsschlüssel“ rangen, mit populistischen Forderungen den Stammtisch bedienten und in dem der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker resigniert feststellen musste, dass es in der Europäischen Union sowohl an Europa als auch an Union fehlt. 2015 war das Jahr, in dem tausende Freiwillige aufstanden und, weil es der Staat nicht konnte oder nicht wollte, für menschenwürdige Verhältnisse sorgten. 2015 war aber auch das Jahr, in dem sich die Anzahl flüchtlingsfeindlicher Anschläge in Deutschland drastisch erhöhte.

Am 2. Januar warfen bis heute Unbekannte eine Rauchbombe in eine Flüchtlingsunterkunft in Grabau. Im Januar schossen zudem sechs Fremdenfeinde in Porta Westfalica mit Paintball-Waffen auf eine Flüchtlingsunterkunft, in Dresden und Wasenberg wurden Flüchtlinge angegriffen. Im Februar brannten Unterkünfte in Eschenberg und Coesfeld. In Freiberg wurde ein Sprengstoffanschlag auf eine Unterkunft verübt. Der Täter in Eschenburg war geständig und wurde später zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. In den anderen Fällen sind die Täter weiterhin unbekannt.

Schon zu Beginn des Jahres war das Thema „Flüchtlinge“ genauso wenig zu ignorieren wie die Tatsache, dass die Zeiten ausländerfeindlicher Ressentiments und Bilder wie aus Lichtenhagen in den Neunzigern, doch noch nicht aus Deutschland verschwunden sind.

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[nextpage title=”Bornkamp” desc=”Land plant Erstaufnahme für Flüchtlinge im Bornkamp” img=”233738″]

Flüchtlinge im Bornkamp?

Eine geplante Erstaufnahmeeinrichtung sorgt im Bornkamp für Streit.Johann Mattutat | StudentenPACK.

Eine geplante Erstaufnahmeeinrichtung sorgt im Bornkamp für Streit.

„Land plant Erstaufnahme für Flüchtlinge im Bornkamp“ titelten die Lübecker Nachrichten am 21. April – eine unerwartete Nachricht für die Bewohner des Hochschulstadtteils und des Bornkamps. Mit den Menschen im Stadtteil hatte weder die Stadt, der die Flächen gehörten, noch das Land, welches die Einrichtung bauen wollte, die Thematik besprochen.

„Am Anfang war die große Frage erst einmal ‘Was ist eine Erstaufnahmeeinrichtung’ – und es entstand das Gefühl, nicht informiert worden zu sein“, erinnert sich die für den Hochschulstadtteil verantwortliche Pastorin Katja von Kiedrowski. Nach der anfänglichen Überraschung habe man zuerst angefangen, Antworten zu den daraus entstehenden Fragen zu recherchieren.

Der geeignete Bornkamp

Eigentlich sollte hier längst eine Erstaufnahmeeinrichtung gebaut werden...Johann Mattutat | StudentenPACK.

Eigentlich sollte hier längst eine Erstaufnahmeeinrichtung gebaut werden…

Der Bornkamp – das ist nicht nur die Endhaltestelle der Buslinie 2, sondern auch ein Wohngebiet, das seit 2007 bebaut wird. Hier leben inzwischen etwa 1700 Menschen, die meisten davon in ihren eigenen Häusern. Die angekündigte Erstaufnahmeeinrichtung sollte auf einer Wiese zwischen dem Real-Markt und dem Wohngebiet, direkt neben der Bahnhaltestelle Hochschulstadtteil, entstehen. Diese Fläche, die ursprünglich mal ein Sportplatz werden sollte, für den sich aber nie ein Sportverein gefunden hatte, lag am Eingang zur Siedlung brach. Nachdem das Land beschloss, sowohl in Flensburg und Kiel als auch in Lübeck eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Uninähe zu bauen, wurden in Lübeck 20 mögliche Bauplätze untersucht. Der Bornkamp schien am geeignetsten, auch weil das Grundstück im Besitz der Stadt war, sodass ein Verkauf schnell realisierbar schien.

Die geplante Anlage war für 600 Asylsuchende in ihren ersten sechs Wochen in Deutschland konzipiert und sollte im Frühjahr 2016 eröffnet werden. Erste Pläne waren bereits erstellt, zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht öffentlich präsentiert worden. Sie wurden lediglich im Bauausschuss der Stadt besprochen – eine Tatsache, die später von vielen kritisiert wurde.

Zeitnah nach Veröffentlichung des Zeitungsartikels kochten die Emotionen hoch. Viele Bürger seien erst einmal von der Größe der Anlage überwältigt gewesen, erinnert sich Pastorin von Kiedrowski. 600 Plätze entsprechen ungefähr dem eineinhalbfachen der Wohnheime in der Anschützstraße. Doch nicht alle lehnten das Vorhaben ab, von einigen Bewohnern des Stadtteils gab es auch klare Zustimmung. Die Skeptiker waren es jedoch, die zuerst organsiert auftraten und unter anderem im Umfeld der Schule nahe des Bornkamps dazu aufriefen, sich Freitagabends auf der vorgesehenen Wiese zu versammeln. Zu dieser Veranstaltung kam auch Silke Karmann. Karmann befürwortete den Plan, eine Erstaufnahme zu bauen und berichtet uns, wie erstaunt sie über die massive Welle an Ablehnung war, die sie unter ihren Nachbarn gar nicht vermutet hätte.

Zwei Gruppen, kein Konsens

Silke Karmann (Zweite von Rechts) engagiert sich für Flüchtlinge.Johann Mattutat | StudentenPACK.

Silke Karmann (Zweite von Rechts) engagiert sich für Flüchtlinge.

Ausgehend von diesen Treffen bildeten sich zwei Gruppen. Auf der einen Seite die Bürgerinitiative „Neue Heimat Bornkamp“, Pastorin von Kiedrowski zufolge ein Sammelbecken nicht nur für Skeptiker, sondern auch für Menschen mit klar ablehnender, von vielen auch als fremdenfeindlich verstandener, Haltung. Auf der anderen Seite fand sich die Gruppe „WiHLlkommen!“ wieder, in welcher sich auch Silke Karmann organisierte, die eine Erstaufnahmeeinrichtung im Bornkamp befürwortete. Ein Konsens zwischen beiden Gruppen erschien unrealistisch, die Grundeinstellungen waren zu verschieden.

Erst Ende Mai – also einen Monat nach Veröffentlichung der Nachricht – veranstaltete das Land Infoveranstaltungen und beantwortete Fragen zum Projekt. Die Bürgerinitiative „Neue Heimat Bornkamp“ hatte es dabei zur Grundfrage gemacht, ob es möglich sei, mehrere kleine Anlagen verteilt zu errichten. Die geplante Größe von 600 Plätzen erschreckte viele. Entsprechend erregt war die Diskussion beispielsweise bei der Veranstaltung im voll besetzten Audimax der Uni oder in der MuK. Aufgeheizt wurde die Stimmung auch durch teils fremdenfeindliche Kommentare der Fragesteller und Applaus für viele der skeptischen Wortmeldungen. Die Bürgerinitiative hatte rote Karten angefertigt, welche sie, begleitet von Buh-Rufen, bei den Redebeiträgen von Befürwortern hochhielten. Das Land wies die Gegenvorschläge der Bürgerinitiative mit der Begründung zurück, eine derartige Einrichtung müsse eine Mindestgröße von 500 Plätzen besitzen, da der Bund als Betreiber dies vorraussetzte.

Gesprächsrunde

Daneben gingen auch stadtteilinterne Gespräche weiter. Beispielsweise war ein Ergebnis der von Pastorin von Kiedrowski ins Leben gerufenen Gesprächsrunde, dass Räume zum Zusammentreffen mit Flüchtlingen fehlen – ein Missstand, den die Pastorin auch auf das gesellschaftliche Leben im Stadtteil verallgemeinert. Sie kritisiert, dass die Bürgerinitiativen keine Räume anmieten konnten, sondern auf von Privatpersonen gestellte Räume zurückgreifen mussten.

Die Fronten verhärteten sich, der Unwille der „braven Siedlungsbürger“ (Die Welt) fand überregional Aufmerksamkeit. Während sich das Land und die Stadt gegenüber der Presse genau wie bei den öffentlichen Veranstaltungen siegessicher zeigten, versagte die Lübecker Politik bei der Umsetzung des Planes in Gänze.

Nachdem eine Entscheidung über den Beschluss in den verschiedenen Ausschüssen immer wieder vertagt wurde, entschied sich die Bürgerschaft am Ende gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung. Mit Gegenstimmen von CDU, FDP, Linken, Piraten-Partei und Freien Wählern sowie der Enthaltung der Grünen wurde der Verkauf des Geländes an das Land in der letzten Juni-Woche abgelehnt. Nach dieser Entscheidung gab auch das Land seine Pläne für die Wiese am Bornkamp auf. Die Fraktion der Grünen überlegte einige Tage zu spät, dass eine Zustimmung zum Verkauf richtiger gewesen wäre – womit man grünes Licht für den Bau der Erstaufnahmeeinrichtung gegeben hätte.

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[nextpage title=”Träume vom Krieg” desc=”Im Sommer häuften sich die Anschläge auf Unterkünfte und Flüchtlinge…” img=”233726″]

Nachts träumte ich meist vom Krieg

Im Sommer häuften sich die Anschläge auf Unterkünfte und Flüchtlinge. In den Nachrichten blickten wir entsetzt nach Heidenau oder Nauen. Doch Anschläge gab es auch in Lilienthal, Hamburg, Tröglitz, Chemnitz, Berlin, Dippoldiswalde, Limburgerhof, Zossen, Hoyerswerda, Meißen und, mitten in die ohnehin aufgeheizte Stimmung, Ende Juni in Lübeck. Soweit zum Zeitpunkt des Schreibens bekannt, hat die Polizei lediglich in Zossen Tatverdächtige ermittelt. Aus München macht der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe wieder Schlagzeilen. Zschäpe, der Mittäterschaft bei zehn Morden mit rechtsextremem Hintergund zur Last gelegt wird, versuchte ihre Anwälte loszuwerden.

Zug der Hoffnung

Die Politik debattierte über sichere Herkunftsländer und europäische Solidarität. Mit Zügen kamen tausende Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland, nachdem sie in Bukarest an einem Bahnhof gestrandet waren, die Medien sprachen vom „Zug der Hoffnung“. Vom Krieg traumatisierte Familien, viele mit jungen Kindern, sollten in Deutschland nun Stabilität und Frieden finden. Wer sie aus den Zügen steigen sah, hoffte, dass sie die schlimmste Zeit hoffentlich hinter sich haben, ahnte aber auch, dass sie unvorstellbar schwere Zeiten noch vor sich haben.

Wir rufen Umes an. Umes ist Arzt im Rhön-Klinikum Bad Neustadt an der Saale und heißt eigentlich Umeswaran Arunagirinathan und wenn man ihn nach seiner Herkunft fragt, sagt er, er komme aus Hamburg. Er klingt auch so als komme er aus Hamburg. Vor neun Jahren, als er noch in Lübeck Medizin studierte, hat Umes ein Buch veröffentlicht und wer es gelesen hat, weiß, dass Umes ursprünglich aus Sri Lanka kommt. Dort wurde er geboren, von dort ist er im Alter von zwölf Jahren geflüchtet, nach dort schickt er noch immer Geld um seine Familie zu unterstützen. Vieles von dem, was wir uns nur vorstellen können, wenn wir die Flüchtlinge aus den Zügen steigen sehen, hat er selbst erlebt.

Allein auf der Flucht

Integration geglückt: Umes kam als Dreizehnjähriger nach Deutschland, inzwischen ist er Arzt.Umeswaran Arunagirinathan

Integration geglückt: Umes kam als Dreizehnjähriger nach Deutschland, inzwischen ist er Arzt.

Auch Umes ist vor Bürgerkrieg geflohen. Der Bürgerkieg im Inselstaat Sri Lanka begann 1983, da war Umes vier Jahre alt, und dauerte Jahrzehnte an. In seinem Buch „Allein auf der Flucht – Wie ein tamilischer Junge nach Deutschland kam“ beschreibt Umes auch das Leben als Kind im Krieg:

Eines Nachts weckten mich meine Eltern. Sie sagten, dass ich sofort aufstehen müsse, Soldaten kämen ins Dorf. Ich hatte große Angst. Von draußen hörte ich Geräusche, aufgeregte Stimmen und laute Schritte. Dann, weit entfernt, das Geräusch eines Hubschraubers. Das ganze Dorf war in Aufruhr. […] Wir versteckten uns im Hof hinter einem Bananenbaum. Bananenbäume haben große, palmenartige Blätter, die vor den Hubschraubern einen guten Sichtschutz bieten. Es ging das Gerücht um, dass sie durch ihren hohen Wassergehalt die Wucht einer einschlagenden Rakete abfedern könnten, aber das ist Unsinn. […] Wir legten uns flach auf den Boden, rührten uns nicht und hielten uns die Ohren zu. Es waren unzählige Einschläge zu hören und es war so laut, dass ich den Eindruck hatte, als gingen die Geschosse direkt neben uns nieder. Dann hörten wir Schreie und beteten, dass wir am Leben blieben. Nach einer Stunde flog der Hubschrauber davon und die Menschen kamen wieder aus ihren Verstecken.

Die Schreie wurden immer lauter. Die Kinder einer benachbarten Familie, die sich in ihrem Haus versteckt hatte, waren von einer Rakete getroffen worden. Mein Freund wurde am Bein verletzt, seine Schwester war sofort tot.

Im September veröffentlicht die Bundespolizei in Bayern ein Bild, welches von einem syrischen Flüchtlingskind gezeichnet wurde, es zeigt die Zerstörung im Land, die Bomben, die Angst. Wer das Buch von Umes liest, erkennt das Bild wieder. Es ist daher für den Leser leicht nachvollziehbar, wenn Umes’ Eltern in den frühen Neunzigern beschließen, ihren Sohn in Sicherheit zu bringen.

Über Afrika nach Deutschland

Umes' Flucht nach Deutschland dauerte acht Monate und war geprägt von Warten und Umwegen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Umes’ Flucht nach Deutschland dauerte acht Monate und war geprägt von Warten und Umwegen.

Seine Flucht nach Deutschland dauert acht Monate. Lange Zeit sitzt er im Togo fest, wo seine Schlepper ihn unter furchtbaren hygienischen Zuständen ausharren lassen. Er hat kaum Geld. Seinen dreizehnten Geburtstag „feiert“ er in einem fremden Land ohne seine Familie. Einige andere Tamilen, die mit ihm im Togo festsitzen, sterben bevor Umes endlich mit gefälschten Dokumenten nach Nigeria gebracht wird und von dort nach Deutschland fliegen kann. Umes gelangt nach Deutschland, doch damit ist nicht alles sofort gut, wie man in seinem Buch lesen kann:

Nachts träumte ich meist vom Krieg. Diese schrecklichen Träume, in denen ich lauter grausame Dinge sah, ließen mich nicht los. Oft wachte ich schweißgebadet auf und war erleichtert, dass ich nur geträumt hatte. Die schrecklichen Bilder ließen sich nicht vertreiben, Nacht für Nacht sah ich sie vor mir. Wenn ich an meine Eltern dachte, fing ich an zu weinen, ohne dass ich es merkte.

Umes beschreibt weiter, wie eines Tages ein Hubschrauber an dem Haus seines Onkels in Hamburg, in dem er untergekommen war, vorbeiflog. Sofort war die Angst wieder da. Umes hielt sich panisch die Ohren zu.

Er beginnt zur Schule zu gehen in eine Klasse mit anderen Kindern, die kaum oder gar kein Deutsch können. Er lernt schnell. Als seine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung ausläuft, setzen sich sein Onkel und das Kollegium der Schule für seinen Verbleib ein, damit er die Schule beenden und studieren kann. Er wird Klassensprecher, Schulsprecher und Mitglied der Landesschülervertretung. Nach seinem Abitur beginnt Umes das Medizinstudium in Lübeck und engagiert sich auch dort in der Gremienpolitik.

Eine Erstaufnahme für Lübeck

Am Ende des Sommers entsteht in Lübeck die Erstaufnahmeeinrichtung, die am Bornkamp verhindert wurde. Auf dem Volksfestplatz wird ein Containerdorf errichtet. Zuerst einmal für einige Hundert Menschen, doch schnell wächst es an. Der Aufbau des Containerdorfs beginnt am 10. September, schon am 12. September kommen die ersten Busse mit Flüchtlingen an, die in den Tagen zuvor über Ungarn und Östereich mit den „Zügen der Hoffnung“ nach Deutschland gekommen waren. Noch standen nicht einmal alle Zelte, Bundeswehrsoldaten, THW-Helfer, Polizisten und Mitarbeiter des Roten Kreuzes sowie der Sicherheitsdienst B.O.B. mussten in den Folgewochen gleichzeitig eine Erstaufnahme betreiben und sie weiter aufbauen.

Eine Aufgabe war auch der Umgang mit Spendern. Im Minutentakt parkten die Autos schon am ersten Wochenende nach der Eröffnung neben dem Bauzaun, um den Rot-Kreuz-Helfern Kleidung, Essen und vieles anderes zu überreichen. In jenen Tagen mussten die Helfer meist „Nein, danke!“ sagen. Es gab keine Lagerkapazitäten. Heute werden die Spenden über die Lübecker Kleidersammlungen koordiniert.

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[nextpage title=”Festung ist offen” desc=”Am 7. September wird in Lübeck ein Zug nach Dänemark angehalten…” img=”233729″]

Die Festung ist offen

Im späten September einigen sich die Verantwortlichen in der EU 120.000 Flüchtlinge in Europa nach einem Schlüssel zu verteilen. Zu diesem Zeitpunkt des Jahres hat Nordrhein-Westfalen bereits 150.000 Flüchtlinge aufgenommen. Die Beschlüsse aus der EU kommentiert der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, im Deutschlandradio als „kläglich“. Nicht alle Flüchtlinge wollen sich verteilen lassen, sie haben Verwandte, die bereits in europäischen Ländern leben und möchten zu ihnen.

Transitzentrum Walli

Christoph Kleine im Café Brazil auf der Walli. Hier werden rund um die Uhr Flüchtlinge auf der Durchreise nach Skandinavien versorgt.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Christoph Kleine im Café Brazil auf der Walli. Hier werden rund um die Uhr Flüchtlinge auf der Durchreise nach Skandinavien versorgt.

Christoph Kleine treffen wir Anfang Oktober auf der Walli, um mit ihm über seinen September zu reden. Er ist um kurz vor vier aufgestanden, er hatte Frühschicht auf der Walli, die ungeplant und spontan eine entscheidende Rolle in der europaweiten Verteilung von Flüchtlingen übernommen hat. Nach einem ganzen Arbeitstag ist Christoph nun wieder hier und hat sich bereiterklärt, uns die Walli zu zeigen.

Am 7. September wird in Lübeck ein Zug nach Dänemark angehalten, in dem Flüchtlinge sitzen, die nach Schweden zu ihren Familien reisen wollen. Nachdem sie sich nicht in Deutschland registrieren lassen wollen, gibt die Polizei schließlich nach und lässt sie mit dem Zug nach Dänemark reisen. Die Flüchtlinge aus dem ersten Zug werden in Dänemark angehalten und setzen ihre Reise gegen den Widerstand der Behörden zu Fuß auf der Autobahn fort. Dänemark beendet für einige Tage den Zugverkehr mit Deutschland und unterbricht damit die Route für Flüchtlinge nach Schweden. Am 9. September, inmitten des Medienchaos um die Flüchtlinge in Dänemark, erhält Christoph Kleine den Anruf, mit dem alles losgeht.

„Es sind Flüchtlinge auf dem Weg nach Schweden, können wir die zu euch schicken?“ Da habe man sich entschieden, das Café aufzumachen. Seitdem hat sich vieles getan. Wo sonst politische Gruppen ihre Treffen abhalten und Punkkonzerte stattfinden, übernachten nun Flüchtlinge, werden Kleiderspenden sortiert oder Fährtickets verteilt. Letztere wollen und können die meisten selbst zahlen, aber es gibt auch Menschen, die auf der Flucht ihr letztes Geld verloren haben. In diesen Fällen zahlt der Verein „Die Alternative e.V.“ alles, die übrigen bekommen einen Pauschalpreis. Die Walli hat sich zu einem 24-Stunden-Transitzentrum für Flüchtlinge auf dem Weg nach Skandinavien gewandelt.

Ruheplätze anstatt Punkkonzerten im Treibsand.Johann Mattutat | StudentenPACK.

Ruheplätze anstatt Punkkonzerten im Treibsand.

Täglich kommen zwischen zwei- und vierhundert Flüchtlinge an, insgesamt waren es bisher etwa viertausend. Die meisten bleiben nur wenige Stunden bis die nächste Fähre ablegt, einige bleiben über Nacht. Wenn die Flüchtlinge am Lübecker Hauptbahnhof ankommen, werden sie dort von ehrenamtlichen Betreuern und Dolmetschern in Empfang genommen. Deren Einsatz und Wichtigkeit hebt Christoph besonders hervor. Auf der Walli angelangt werden sie zunächst mit dem Nötigsten versorgt, mit heißen Getränken, einer Mahlzeit und falls nötig mit warmer Kleidung. Nicht wenige, die im norddeutschen Herbst ankommen, sind mit leichter Kleidung im Sommer gestartet und so fehlt es oft an allem. Anschließend werden Fährtickets für sie gebucht und falls sie über Nacht bleiben müssen, wird ihnen ein Ruheplatz zugewiesen. All das passiert in einer bemerkenswerten Atmosphäre und allgemein ist die Stimmung sehr gut. Zwar gebe es überall, wo Menschen eng gedrängt seien mal Reibereien, aber „sonst machen wir hier Punkkonzerte, da muss man mehr dazwischen gehen“, versichert Christoph.

Ein Kommen und Gehen

24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche: Transitzentrum Walli24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche: Transitzentrum WalliFabian Schwarze | StudentenPACK.

24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche: Transitzentrum Walli

Überall auf der Walli sind Freiwillige am Putzen, Kochen, Organisieren und Bauen. Die Küche ist rund um die Uhr besetzt, weil die Flüchtlinge unregelmäßig eintreffen, gibt es auch keine festen Essenszeiten. Fast immer steht im Café Brazil ein Buffet bereit. Im Café sitzen die Menschen beisammen, unterhalten sich und lachen gemeinsam. Im Treibsand, wo sonst Konzerte stattfinden, wurden sechzig Ruheplätze geschaffen und jeder Quadratmeter, der noch frei ist, dient als Lagerplatz. Das Büro wurde zur Organisationszentrale umfunktioniert, von hier wird alles zusammengehalten. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. In den Räumen über dem Café wurde neben weiteren Schlafplätzen ein Zimmer als „Arztzimmer“ eingerichtet, wo sich kranke und verletzte Flüchtlinge unkompliziert helfen lassen können.

Mittendrin sitzt uns Christoph mit einer Tasse Kaffee auf einer Bierzeltbank gegenüber und plaudert über die Geschichte des Transitzentrums. Er lässt den Blick über die spielenden Kinder schweifen und wirkt inmitten des Trubels entspannt und zufrieden, als wäre sein Traum wahrgeworden.

Niemand hätte anfangs gedacht, dass die Sache so schnell so groß werden würde, meint Christoph rückblickend, und natürlich sei es anstrengend. Gleichzeitig sei es aber auch sehr schön. „Was man hier an Geschichten mitbekommt, wenn man Leuten helfen kann, jetzt ihre Ziele zu erreichen! Es gibt Menschen, die sich auf der Flucht verloren und hier wiedergetroffen haben, Leute kamen mit kleinsten Kindern hierher! Da ist ganz viel Ergreifendes los, was glaube ich eine ganz große Belohnung für die Helfenden ist.“ Wie lange es noch weitergehen wird? „Im Moment denken wir, hoffentlich machen wir das noch mindestens bis Weihnachten, weil man jeden Tag, den diese Grenzen offen sind, nutzen muss.“ Wenn Christoph von den offenen Grenzen redet, erkennt man, dass es auf der Walli längst nicht nur um Hilfsbereitschaft geht: Transithilfe, das ist für ihn auch ein politisches Statement. „Diese Grenzen, diese Ungleichbehandlung, dass Leute um ihren Aufenthalt bangen müssen, dass sie erstmal nicht arbeiten dürfen, dass sie mit geringsten Sozialleistungen abgespeist werden – mich hat das total krank gemacht.“ Vielleicht fühlen hier viele wie er und vielleicht beziehen sie aus diesem Gefühl ihre Energie. „Dass jetzt die Grenzen offen sind“, strahlt Christoph, „ist ja wirklich wie 1989. Die Mauern der Festung Europa sind jetzt auf. Keiner weiß wie lange. Und für mich und ich glaube für noch ganz viele hier ist das total schön. Das haben wir immer gewollt. Das ist Freiheit! Die Menschen können selber entscheiden, wo sie hingehen.“

Mehrmals am Tag fahren von der Stadt bereitgestellte Busse die Flüchtlinge von der Walli zur Fähre, der letzten Station auf ihrer Reise nach Schweden. Dorthin werden sie von Betreuern begleitet, erhalten ihr Fährticket und werden verabschiedet.

Helfer gesucht!

Nicht nur außen bunt - auf der Walli ist immer was los.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Nicht nur außen bunt – auf der Walli ist immer was los.

All das hätte „Die Alternative e.V.“ niemals allein stemmen können. Zahlreiche Freiwillige helfen, tragen sich regelmäßig in die Schichtpläne ein oder kommen spontan vorbei. Viele Menschen bringen Spenden, seien es Hygieneartikel, Kleidung oder Brötchen. Eine Justizvollzugsanstalt aus Hamburg hat Stockbetten bereitgestellt und auch auf dem Spendenkonto des Flüchtlingsforums treffen immer wieder kleinere und größere Beträge ein. Auch von offizieller Seite gibt es Unterstützung, sei es das Gebäude des Grünflächenamts, das von der Stadt zur Nutzung freigegeben wurde oder einfach nur die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, keine Anklage wegen Schlepperei erheben zu wollen. Und wird noch Hilfe gebraucht? „Wir suchen immer Leute“, stellt Christoph fest. „Jemand muss die Schichten machen, der Tresen und das Café müssen immer besetzt sein, die Bettbezüge müssen jeden Tag gewechselt werden und die Klos müssen sechs- bis achtmal am Tag geputzt werden.“

Helfer gefunden

Einer, der sich zu helfen entschlossen hat, ist Abdul. In Lübeck ist er durch Zufall gelandet: Er stellte seinen Asylantrag und wurde Schleswig-Holstein zugewiesen, nach seinem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung Neumünster teilte man ihn Lübeck zu. An der Walli engagiert er sich nun als Dolmetscher.

Auch Stephan Wolff* ist freiwilliger Helfer auf der Walli. Eigentlich studiert Stephan und arbeitet nebenher, doch seit Mitte September trifft man ihn auch öfter in der Küche des Café Brazil. Hier kocht er für die Flüchtlinge auf ihrer kurzen Pause zwischen Zugfahrt und Fähre. „Es ist eben die Frage, was einem wichtig ist“, sagt er und erzählt beispielhaft vom islamischen Opferfest, das auch auf der Walli gefeiert wurde. Viel von den Feierlichkeiten mitbekommen hat Stephan nicht – er verbrachte die meiste Zeit in der Küche, doch die Freude und Dankbarkeit der Menschen darüber, das Fest so unerwartet doch feiern zu können, kam auch bei ihm an: „Dann nimmt jemand deine Hand, schüttelt sie und lächelt – da muss man gar nicht verstehen, was jemand sagt“, erzählt er und es ist zu spüren, wie gerne er hier ist und wie viel ihm diese freiwillige Arbeit gibt.

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[nextpage title=”Herbst” desc=”Im Oktober nimmt die Gewalt gegen Flüchtlinge drastisch zu…” img=”233734″]

Deutschland im Herbst

Im Oktober nimmt die Gewalt gegen Flüchtlinge drastisch zu, während die Temperaturen sinken. 42.000 Flüchtlinge leben in Zelten. In Neubrandenburg, Rudolstadt, Krölpa, Dresden,Frankenberg, Freital, Cottbus, Sebnitz, Berlin und Stralsund werden Asylbewerber tätlich angegriffen. In Flensburg, Boizenburg, Trassenheide, Altheim, Bochum,Grimma, Weil am Rhein, Winterberg, Hohes Kreuz, Xanten, Dresden (nochmal, und nochmal), Burgkirchen, Dippoldiswalde, Friemar, Altena, Großhartmannsdorf,Landscheid, Ludwigshafen, Hagen, Teltow-Fläming, Bremen, Remseck am Neckar, Ahlbeck, Traben-Trarbach und in Lampertheim werden im Oktober Brandanschläge verübt. Die „taz“ zählt, bezieht man Stein-, Flaschen- und Böllerwürfe mit ein, im Jahr 2015 bis Ende Oktober 500 Anschläge. Rumänien schließt die Grenze zu Serbien.

Am 13. Oktober tritt Ralph Schönenborn, Bürgermeister des Reutlinger Stadtteils Oferdingen, zurück, weil seine Familie und er bedroht wurden. Vier Tage später wird in Köln die Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker niedergestochen, sie überlebt. Das Motiv war wohl ihre Flüchtlingspolitik als Sozialdezernentin der Stadt. In Freiberg geht am 19. Oktober eine Bombendrohung gegen eine Asylunterkunft ein. Einige Tage später deckt die Polizei in Bamberg eine rechtsextreme Gruppe auf, welche unter anderem Bombenanschläge auf Flüchtlinge geplant haben soll.

Keine Flüchtlinge auf Gleis 4

Umfunktioniert zur Flüchtlingshilfe - Der Hambuger HauptbahnhofFabian Schwarze | StudentenPACK.

Umfunktioniert zur Flüchtlingshilfe – Der Hambuger Hauptbahnhof

Die Hilfsbereitschaft in Deutschland nimmt, trotz all dieser schlechten Nachrichten, nicht ab. Wer in diesen Monaten den Hamburger Hauptbahnhof besucht, merkt, dass sich im Bahnhofsgebäude und in den Geschäften um einiges mehr Menschen aufhalten. Statt der üblichen Bahnmitarbeiter am Bahnsteig oder der ständigen Verspätungsmeldungen trifft man auf Menschen in Warnwesten und mit Walkie-Talkies. Nach dem Ausstieg erwarten einen Sprüche wie „Hier Gleis vier. Keine Flüchtlinge zu sehen“ oder „20 Leute unterwegs. Führe sie jetzt zu euch“.

Der meistfrequentierte Fernbahnhof mit über 480.000 Reisenden am Tag ist vom norddeutschen „Tor zur Welt“ zu einem Übergangspunkt für viele Flüchtende geworden. Als vor einigen Monaten die ersten Flüchtlinge begannen im Foyer der Wandelhalle zu übernachten, um die nächsten Züge Richtung Skandinavien nicht zu verpassen, war für viele die Situation klar: Hier musste etwas unternommen werden.

Etwa 700 Menschen sind allein am 29. Oktober am Hamburger Hauptbahnhof angekommen, erzählt Hakim Alkabi. Er war selbst Flüchtling. Jetzt arbeitet er freiwillig als Pressebeauftragter mit fast 200 freiwilligen Helfern am Hamburger Hauptbahnhof. Unter einer Rolltreppe in der Wandelhalle haben sie ihre provisorische Zentrale errichtet. Von dort aus koordinieren sie die Helfer, die im ganzen Bahnhofsgebäude verteilt arbeiten und bieten Hilfestellungen. Über 100 Dolmetscher sind darunter, meist ehemalige Flüchtlinge, die sich in Deutschland integriert haben. Sie sprechen Arabisch, Persisch, Paschto, Deutsch und Englisch. Eine Verständigung ist fast immer möglich. Die Helfer holen die Flüchtlinge von den Gleisen ab, helfen ihnen bei der Weiterreise, leiten sie zu den Versorgungszelten weiter und kooperieren mit Hilfsorganisationen in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Vom Flüchtling zum Pressebeauftragten der Flüchtlingshilfe im Hamburger Hauptbahnhof: Hakim Alkabi (rechts) bei der Arbeit.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Vom Flüchtling zum Pressebeauftragten der Flüchtlingshilfe im Hamburger Hauptbahnhof: Hakim Alkabi (rechts) bei der Arbeit.

Es geht nicht nur darum, die Flüchtlinge aufzunehmen, sondern auch darum, ihnen die Weiterreise zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass niemand auf der Straße schlafen muss. Dabei sind die Kontakte zur Caritas in Hamburg und den Aufnahmezentren in Kiel, Flensburg, Rostock und vor allem Lübeck besonders wichtig. Es ist nicht nur eine Hilfe für die Flüchtlinge, sondern auch für die Stadt Hamburg, erläutert Hakim. So viele Dolmetscher in so kurzer Zeit hätte selbst die Großstadt Hamburg nicht stellen können. Täglich kommen 200 bis 700 Flüchtlinge in Hamburg an. Viele wollen so schnell wie möglich weiter. Dass die Aufgabe, die Hakim und viele weitere meistern, auch in der Hamburger Bevölkerung sehr gut aufgenommen wird, ist spürbar. Während er erzählt, kommt eine Frau mit einer großen Tüte Brötchen auf ihn zu und bedankt sich für das freiwillige Engagement.

Noch hat die Organisation keinen Namen. Nur Schilder auf Arabisch, Persisch und Paschto deuten auf die Helfer hin. Schon jetzt werden zweimal pro Woche neue Helfer in die Arbeit eigeführt. Es ist jedoch geplant in Zukunft einen Verein zu gründen, dann auch mit passendem Namen. Auch auf dem Heidi-Kabel-Platz vor dem Bahnhofsgebäude haben sich Hilfsorganisationen aufgestellt. In den vom paritätischen Wohlfahrtsverband gestellten Zelten sind eine Versorgungsstation, eine Notkleiderkammer und eine Ruhezone für Kinder entstanden.

Das Kinderzelt, welches von den Kitas in Hamburg mitbetreut wird, bietet Müttern und deren Kinder eine Rückzugsmöglichkeit. Hier können Babys gestillt werden, Kinder spielen und alle etwas zur Ruhe kommen. Im Laufe des Tages nutzen 60 bis 70 Kinder und deren Mütter diese Möglichkeit.

Nicht genug Winterkleidung

Essensausgabe für FlüchtlingeFabian Schwarze | StudentenPACK.

Essensausgabe für Flüchtlinge

Nebenan hat sich die Notkleiderkammer aufgestellt. Die Aufgabe der freiwilligen Helfer vor Ort ist es, die Flüchtenden mit den nötigsten Kleidungsstücken auszustatten. Viele Kinder kommen in Sandalen oder tragen überhaupt keine Schuhe. Auch Babys in zu dünnen Decken sind keine Einzelfälle. Die Möglichkeit, sich im kühlen norddeutschen Klima mit der nötigen Kleidung auszustatten wird gern und häufig angenommen, doch oft reicht die Kleidung trotz der täglichen Spenden nicht aus. Vor allem der bevorstehende Winter bringt Sorgen mit sich. Die Zelte sind zwar beheizt, doch selbst jetzt, wo die meisten sich noch außerhalb der Zelte aufhalten, ist der Platz knapp. Auch die Helfer sind gestresst. Da sie sich auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof positioniert haben, kommt das eine oder andere Mal das Gefühl auf, man sei im Zoo. Die Helfer und auch viele Flüchtlinge werden beobachtet und teils von Passanten fotografiert. Um die Privatsphäre aller zu schützen, ist nicht genug Platz und es sind zu wenige Helfer vorhanden.

Dabei können auch die Mitarbeiter der Polizei und des Sicherheitsdienstes der Deutschen Bahn nicht helfen. Durch die gestiegene Zahl der Bahnhofsbesucher sind zwar mehr Beamte im Einsatz, doch alles kann nicht überwacht werden. Ein Mitarbeiter der DB-Sicherheit erzählt von gestiegenen Fallzahlen von sexueller Belästigung und Diebstählen. Er weist darauf hin, dass dies vor allem an der insgesamt höheren Anzahl an Besuchern auf dem Gelände liegen dürfte, sagt jedoch, dass schon einige Konflikte aufgrund kultureller Unterschiede entstanden seien. Vor allem Schlägereien mit alkoholisierten Obdachlosen hält er für bedenklich. Auch diese stellen sich in die Schlangen der Versorgungszelte und reagieren teils aggressiv, wenn sie abgewiesen werden.

Viele der Flüchtlinge landen auf ihrer Reise von Hamburg nach Schweden auch in Lübeck, wo sie zum Beispiel auf der Walli übernachten oder rasten. Dort werden täglich neue Flüchtlinge aus Hamburg erwartet, denen die Weiterreise ermöglicht werden soll. Auf der Walli stößt man Ende Oktober sowohl logistisch als auch finanziell an die Grenzen. Inzwischen sind über siebentausend Fährtickets vermittelt worden. Weil kein regulärer Café-Betrieb und keine Konzerte mehr stattfinden, kommt kein neues Geld rein. Um das zu ändern, muss das Treibsand dringend wieder den Betrieb aufnehmen, was aber auch bedeutet, dass etwa 60 Schlafplätze verlegt werden müssen. „Die Alternative e.V.“ steht schon eine Weile mit der Stadt über die Nutzung weiterer Gebäude des Grünflächenamts in Verhandlung, bisher leider ohne Ergebnis. Man entschließt sich daher zu einem radikalen Schritt und setzt der Stadt ein Ultimatum. Am 17. Oktober wird schließlich zur Besetzung der Gebäude aufgerufen.

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[nextpage title=”Perspektive” desc=”Vieles war schlecht in diesem Jahr, doch Viele haben unsere Bewunderung verdient …” img=”233210″]

Perspektive

Abdul hofft, im Oktober 2016, wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist, sein Informatikstudium wieder aufnehmen zu können, das er in Syrien nach einem Jahr abbrechen musste. Bis es so weit ist verbringt er seine Zeit zum Beispiel mit Dolmetschen auf der Walli. Schon jetzt ist es für Flüchtlinge möglich, an der Uni Lübeck Vorlesungen als Gasthörer beizuwohnen, sie können sich jedoch nicht regulär immatrikulieren und somit auch nicht wirklich studieren.

Am Bornkamp hat sich die zwischenzeitlich aufgeheizte Stimmung nach Ansicht von Pastorin von Kiedrowski wieder beruhigt. Silke Karmann, die vor einem halben Jahr in der Gruppe „WiHLlkommen!“ aktiv war und sich aktuell auf der Walli und in den Kleiderkammern engagiert, zieht aber auch das Résumé, dass „man jetzt mit der damals investierten Energie deutlich hilfreichere Sachen hätte machen können“.

Im Oktober kauft das Land ein privates Gelände an der Kronsforder Landstraße, um nun dort eine permanente Erstaufnahmeeinrichtung zu bauen. Sofort nach der Bekanntgabe formierte sich eine Bürgerinitiative dagegen. Die Wiese am Bornkamp ist als Standort für ein zweites Containerdorf im Gespräch.

Umes ist inzwischen Deutscher, manchmal sogar ein richtig typischer Deutscher: Über Unpünktlichkeit ärgert er sich zum Beispiel. „Ich hatte nicht nur das Ziel und den Ehrgeiz, sondern habe auch viel Glück gehabt“, sagt er und weiß natürlich, dass nicht alle Flüchtlinge so viel Unterstützung erfahren wie er. Dennoch meint er, man könne auch etwas von Flüchtlingen einfordern, Integrationswille müsse von beiden Seiten kommen. Man müsse den Flüchtlingen die Möglichkeit geben, schnell Deutsch zu lernen, dann müssten diese sich aber auch selbst einbringen, sich gesellschaftlich und politisch engagieren in dem Land, in dem sie nun seien. Er könne sich durchaus vorstellen, dass dies sogar verpflichtend gemacht werden könnte, wie ja auch bei Stipendien: Wer auf Kosten Deutschlands Sprachkurse und eine Ausbildung erhält, verpflichtet sich zur späteren Arbeit in diesem Beruf, sei es als Pfleger, als Arzt oder etwas anderes. Umes selbst ist der Beweis dafür, wie gut das nicht nur für den geflüchteten Menschen sein kann, sondern auch für das Land, in dem er angekommen ist.

Die Walli hat inzwischen nach der symbolischen, pressewirksamen Hausbesetzung zusätzliche Gebäude von der Stadt Lübeck erhalten. Ihr Ruf als solidarischer Helfer in der Not hat sich über ganz Europa verbreitet, aus Ungarn kommen Flüchtlinge gezielt zur Walli. Dank der neuen Räume können die Betten bald aus dem Zuschauerraum des Treibsands verschwinden, und wenn das turbulente Jahr 2015 zu Ende geht, soll der Punk zurückkehren.

Vieles war schlecht in diesem Jahr, doch Viele haben unsere Bewunderung verdient für ihren Einsatz, für Zivilcourage und für ihre Menschlichkeit. 2016 wird ihre Arbeit weitergehen und wir alle können dabei helfen.

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https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/kein-einfaches-jahr/feed/ 0
Eine Begriffsklärung https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/eine-begriffsklaerung/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/eine-begriffsklaerung/#respond Mon, 09 Nov 2015 09:00:12 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=233650 [nextpage title=”Eine Begriffsklärung” img=”233688″]Jeden Januar stellt die Fraktion der Linken eine kleine Anfrage mit dem Titel „Zahlen in der Bundesrepublik Deutschland lebender Flüchtlinge“. Einen Monat später erhält sie eine ausführliche Antwort. Im Februar 2015 war die Antwort 52 Seiten lang und nicht einfach zu lesen. Es gibt eben nicht die eine „Zahl der Flüchtlinge“, es sind viele Zahlen vieler unterschiedlich erfasster und bürokratisch kategorisierter Flüchtlinge. Auch sonst ist, rechtlich und behördlich, das Thema Flucht sehr kompliziert. Eine Komplexität, die gerade von konservativen und rechtspopulistischen Politikern ignoriert wird, wenn sie mit ihren Forderungen auf Stimmenfang gehen. Eine Komplexität, die aber auch in der medialen Diskussion oft weggekürzt wird. Wir wollten aber dennoch die Details wissen. Vielleicht ist es wichtig zu erwähnen, dass dieser Text keine Rechtsberatung darstellt. Wir haben uns bemüht die korrekten Fakten zusammenzutragen, können aber Fehler nicht ausschließen.

Themenkomplex FluchtLukas Ruge | StudentenPACK.

Themenkomplex Flucht

Vom Grundrecht auf Asyl

Alles beginnt 1949 mit dem Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats, der die Aufgabe hat, Deutschland eine Verfassung zu geben. Geprägt durch die Erfahrungen des zweiten Weltkrieges gibt sich Deutschland eine einfache Regelung, nach welcher Asyl zu gewähren ist: Artikel 16a lautet, in Gänze, „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Eine Einschränkung, von manchen gefordert, wird damals mit dem Argument „ein Asylrecht mit Voraussetzungen, mit Bedingungen, […] wäre in meinen Augen der Beginn des Endes des Prinzips des Asylrechts.“ vom Abgeordneten Wagner zurückgewiesen.

Die nächste wichtige rechtliche Vereinbarung wird 1951 in Genf getroffen. Das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ wird beschlossen und tritt drei Jahre später in Kraft. 1967 wird das Abkommen erweitert, 147 Staaten haben es unterzeichnet. Hier wird der Begriff des Flüchtlings definiert als jener, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes Schutz in Anspruch nehmen muss. Damit geht die Definition weit über die deutsche Definition hinaus. Gleichzeitig erlaubt das internationale Abkommen viele Einschränkungen, die die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt für politisch Verfolgte nicht machte.

Für die BRD allerdings ergab sich mit dem Beitritt zum Genfer Abkommen 1953 eine bis heute andauernde Begriffsverwirrung. Das Grundgesetz erlaubt Asyl nur für Politisch verfolgte, Flüchtlingsschutz muss jedoch jeder erhalten können, der unter die Definition des Abkommens fällt. So erhalten die Menschen, die wegen Nationalität, Religion oder Rasse in ihrer Heimat verfolgt werden, in Deutschland technisch kein Asyl, sie erhalten aber Flüchtlingsschutz. Eine Unterscheidung ohne wirklichen Unterschied, die rechtlichen Konsequenzen und Prüfverfahren sind praktisch identisch.

Flüchtlinge haben aus unterschiedlichen gründen ein Recht in Deutschland zu leben.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Flüchtlinge haben aus unterschiedlichen gründen ein Recht in Deutschland zu leben.

Aufweichung des Asyls in Deutschland

Was im Parlamentarischen Rat 1949 noch als das drohende „Ende des Prinzips des Asylrechts“ abgeschmettert wurde, nämlich eine Einschränkung des Asylrechtes nach §16a des Grundgesetzes, ist inzwischen Realität. Mit vier weiteren Absätzen sowie dem Asylverfahrensgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 das Asylrecht im Grundgesetz modifiziert. So wurde das Konzept vom sicheren Drittstaat, das Konzept vom sicheren Herkunftsland und das Flughafenverfahren erfunden. Als sichere Herkunftsländer werden jene Länder bezeichnet, aus denen Menschen fliehen, wenn sie in den Augen der Bundesregierung für ihre Bewohner als sicher gelten. Ein sicheres Drittland ist ein Land, durch welches eine Person flüchtet, welches in den Augen der Bundesregierung für jenen Flüchtling ein sicheres Land gewesen wäre, soll heißen, in diesem Land findet das Genfer Abkommen Anwendung.

Seitdem gilt: wer als Flüchtling aus einem sicheren Herkunftsland kommt, wird üblicherweise keine Aufenthaltserlaubnis oder Asyl in Deutschland erhalten können. Wer auf seiner Flucht durch ein sicheres Drittland geflüchtet ist eigentlich auch nicht. Das Asylverfahrensgesetz listet diese Staaten explizit auf: Neben der EU gelten Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal und Serbien als sichere Herkunftsstaaten. Die Schweiz und Norwegen sind, neben den EU-Staaten, sichere Drittstaaten. Unter strenger Auslegung dieser Regeln bedeutet dies, dass Flüchtlinge nur an einem Flughafen

Schon lange nicht mehr uneingeschränkt: Der grundgesetzliche AsylanspruchFabian Schwarze | StudentenPACK.

Schon lange nicht mehr uneingeschränkt: Der grundgesetzliche Asylanspruch

oder einem Nord- oder Ostseehafen ankommen können, wenn sie in Deutschland Schutz suchen. Da das Genfer Abkommen allerdings diese Begriffe der sicheren Staaten nicht kennt und Flüchtlingsschutz ein Individualrecht ist, muss allen Flüchtlingen das selbe Recht bei der Überprüfung zugestanden werden.

Die in diesem Jahr viel angesprochenen Dublin-Übereinkünfte machen es um eine weitere Dimension komplizierter. Die ursprüngliche Dublin-Übereinkunft trat 1997 in Kraft, Dublin III, das Nach-Nachfolgeabkommen, gilt seit 2014. Die drei Abkommen regeln die Asylverfahren von Flüchtlingen in der EU, darunter eine europaweite Datenbank mit Fingerabdrücken von Menschen, die einen Asylantrag stellen. Grundsätzlich gilt dabei: Da jedes EU-Land zwangsläufig als sicheres Drittland gilt, ist ein Antrag in dem Land zu stellen, in dem ein Flüchtling EU-Boden betritt. Beantragt ein Asylsuchender in einem anderen Land der EU Asyl, so kann dieses zweite Land ein sogenanntes Übernahmeersuchen an das erste Land richten, also eine Bitte den Asylsuchenden zu übernehmen. Stimmt das erste Land zu, darf der Flüchtling „überstellt“ werden. Verzichtet das zweite Land länger als sechs Monate darauf, den Flüchtling zu überstellen, ist es nun selbst das zuständige Land.

Seit 2004 gibt es in Deutschland zudem das Aufenthaltsgesetz, welches Menschen mit einem so genannten subsidiären Schutzstatus definiert: dies sind Menschen bei denen in der Heimat die Einhaltung der Menschenrechte ihnen gegenüber nicht gesichert werden kann. Sie erfüllen nicht die „Flüchtlingseigenschaft“, da ihnen keine Verfolgung wegen Nationalität, Religion oder einem der anderen Gründe droht, doch ihnen droht „Gefahr für Leib und Leben in Form von Folter, der Todesstrafe oder einem bewaffneten Konflikt im Heimatland“. Sie erhalten meist vorübergehende Aufenthaltserlaubnisse.

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Zahlen in der BRD lebender Flüchtlinge

Es sind Menschen in all diesen unterschiedlichen Umständen, die vereinfacht in der öffentlichen Diskussion unter dem Begriff Flüchtlinge zusammengefasst werden. Die anfangs erwähnte Anfrage der Linken differenziert, und so lässt sich erfahren, dass Ende 2014 109.219 Personen in Deutschland lebten, die Flüchtlingsschutz nach dem Genfer Abkommen erhalten haben. Die meisten dieser Menschen kamen aus dem Irak, Syrien, Afghanistan, dem Iran aber auch zum Beispiel Eritrea oder Somalia.

38.301 Menschen erhielten Asyl nach der Definition in Artikel 16a, die größte Gruppe darunter stammt aus der Türkei. Bei Menschen, die ein politisches Asyl erhalten, ist der Anteil derer, die unbefristet in Deutschland bleiben dürfen höher als bei den Flüchtlingen, er liegt bei 85,8 Prozent. 50.629 Menschen hatten Ende 2014 einen subsidiären Schutzstatus nach Aufenthaltsgesetz inne, Syrer und Afghanen stellen hier die größte Gruppe. 113.221 Menschen lebten in Duldung. Dazu kommen dutzende weitere kleinere Gruppen von Menschen, die durch unterschiedlichste Gesetze definiert werden. Insgesamt lebten Ende 2014 etwa 744.000 Menschen in Deutschland als Schutzsuchende mit unterschiedlichem Status, einige seit über 20 Jahren.

Es ist dabei wichtig, diese Zahlen von der Anzahl der Antragsteller zu trennen, die man meist in den Medien findet: Die Anzahl der Menschen, die einen Asylantrag stellen ist natürlich nicht gleichzusetzen mit der Anzahl von Menschen, die derzeit als Flüchtling unter einer der vielen verschiedenen Regelungen in Deutschland sind. Im Jahr 2014 wurden 173.072 Asylanträge in Deutschland gestellt, berichtet „Pro-Asyl“ in der Jahreszuammenfassung „Zahlen und Fakten 2014“, in gut 130.000 Fällen wurde eine Entscheidung getroffen. In etwa 35% der Fälle zog das Asylbundesamt die Dublin-Karte und schickte Flüchtende in ein Drittland zurück. Von den Verbleibenden wurden ungefähr die Hälfte als Schutzbedürftige anerkannt, die meisten erhielten ein Flüchtlingsanerkennung nach dem Genfer Abkommen. Flüchtlinge aus Syrien stellten mit etwa 23 Prozent die größte Gruppe, ignoriert man jene Fälle, in denen die Geflüchteten wegen Dublin III ihren Antrag in einem anderen EU-Land stellen mussten, ist die Bewilligungsquote bei syrischen Flüchtlingen praktisch bei hundert Prozent. Gegenteilig ist es bei den Asylsuchenden aus den Balkanstaaten, Pro-Asyl zieht in ihrer Zusammenfassung das Fazit: „Die Chance auf eine Asyl-Anerkennung vor dem Hintergrund gruppenweiser Asyl-Schnellverfahren [liegt] nahe Null.“

Ablauf eines Asylverfahrens

Eigentlich, so definiert es ja seit den Neunzigern das Gesetz, kann ein Flüchtling nur mit dem Flugzeug kommen, denn um Deutschland herum gibt es ja nichts als sichere Staaten. Tatsächlich, so konnte man auch 2015 sehen, ist das aber nicht so. Flüchtende kamen per Bus, Auto, zu Fuß und insbesondere mit der Bahn in die Bundesrepublik. Für viele das Ende einer sehr langen, teuren und beschwerlichen Reise durch verschiedene Länder des nahen Ostens oder Afrikas, mit überfüllten Booten im Mittelmeer, harschen Grenzkontrollen und überfüllten Lagern. Tatsächlich wäre ein Flug oft günstiger gewesen. Warum also fliegen Flüchtlinge nicht nach Deutschland?

2001 beschloss die EU die Richtlinie 2001/51/EC. Sie macht Fluglinien finanziell verantwortlich, wenn sie Personen in die EU transportieren, die wieder abgeschoben werden müssen. Soll heißen, um sich selbst vor zusätzlichen Kosten zu schützen, stellen Fluglinien sicher, dass niemand ohne Visum in die EU fliegt. Überprüft ein Unternehmen nicht wirksam, so ist es „den Mitgliedstaaten […] unbenommen […], zusätzliche Maßnahmen oder Sanktionen gegen die Beförderungsunternehmen […] einzuführen“. Wer Flüchtlingsschutz beantragen will, hat üblicherweise kein Visum und wird somit spätestens am Gate im Flughafen aufgehalten. Nicht direkt von den Staaten sondern, durch finanzielle Anreize, von den Beförderungsunternehmen. Ein Problem, das sich manchmal nur mit gefälschten Dokumenten umgehen lässt. Die EU-Richtline erwähnt, dass „diese Richtlinie […] nicht die Verpflichtungen aus dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951“ beeinträchtigt, aber damit Staaten jenen Verpflichtungen nachkommen können, müssen Menschen natürlich überhaupt in die EU gelangen, denn Asyl in Deutschland kann nach aktuellem Recht nur in Deutschland beantragt werden.

Im „Rekordjahr“ 2015 wurde das Flughafenverfahren am Flughafen München genau einmal angewandt, wie die Süddeutsche Zeitung im Oktober aufdeckt. An anderen Flughäfen allerdings häufiger. Das Flughafenverfahren nach §18a Asylverfahrensgesetz wird an Flughäfen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und München angewandt. Dabei können Grenzbeamte am Flughafen bereits feststellen, ob ein Flüchtender aus einem sicheren Herkunftsland stammt oder mit gefälschten Papieren reist, und den Flüchtling aufhalten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann dann innerhalb von zwei Tagen eine Entscheidung über die Zurückweisung des Asylantrages aussprechen. Der Flüchtling muss dann nicht ausgewiesen werden, sondern er hat, rechtlich, Deutschland gar nicht betreten.

Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Volksfestplatz in LübeckLukas Ruge | StudentenPACK.

Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Volksfestplatz in Lübeck

Erste Anlaufstelle: BAMF

Gelingt es einem Schutzsuchenden trotzdem nach Deutschland zu kommen, so kann er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag stellen. Tatsächlich, so beschreibt es Edith Avram von der Pressestelle des BAMF auf Anfrage, kann der Erstkontakt mit den deutschen Behörden an verschiedenen Orten sein. Der „Asylbegehrende“ kann sich „bei der Bundespolizei, der Landespolizei oder bei den Ausländerbehörden (also in Rathäusern, Kreisverwaltungen oder Landratsämtern etc. ) als asylsuchend melden und wird dann gegebenenfalls an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung verwiesen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wird die BÜMA, die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender, erstellt und dem Asylsuchenden ausgehändigt. Die persönliche Antragstellung erfolgt beim Bundesamt.“

Die persönliche Antragstellung geschieht meist mit Hilfe eines Übersetzers. Es wird ein Datensatz angelegt, und, sofern der Flüchtende über 14 Jahre alt ist, ein Foto gemacht und Fingerabdrücke genommen. Diese wandern in die europäische Datenbank und sollen dabei helfen festzustellen, ob eventuell durch das Dublin-Abkommen ein anderes Land zuständig ist. Der Antragsteller erhält dann die sogenannte Aufenthaltsgestattung, die nun gegenüber den deutschen Behörden sein Ausweisdokument darstellt. Eine solche Aufenthaltsgestattung gibt dem Flüchtling jedoch nur sehr begrenzte Rechte, er muss sich beispielsweise in dem Bezirk aufhalten, in welchem seine Ausländerbehörde sich befindet. Die Dauer ist üblicherweise auf drei oder sechs Monate beschränkt und wird gegebenenfalls verlängert.

In diesen Monaten wird der Antrag auf Asyl oder auf Flüchtlingsschutz durchgeführt. Dies geschieht mit einer Anhörung. Das BAMF weist dem Flüchtling einen sogenannten Entscheider zu, welcher die Gründe anhört und dann, daher der Name, eine Entscheidung darüber fällt, ob eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. In der Theorie soll ein Flüchtling so lange in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Tatsächlich ist dies nicht immer der Fall, oft sind die Erstaufnahmeeinrichtungen bereits vollständig belegt und so werden Flüchtlinge in den Kommunen untergebracht. Für die Anhörungen und andere Termine, zum Beispiel für medizinische Untersuchungen, müssen sie dennoch meist zu den zentralen Einrichtungen. Der Prozess bis zur Anerkennung oder Ablehnung dauert im Schnitt 5,3 Monate.

In dieser Zeit erhält der Schutzsuchende eine Grundsicherung. Sie ist, so hat das Verfassungsgericht entschieden, an die Grundabsicherung in Deutschland, auch bekannt als Hartz IV, gekoppelt und kann daher, egal was Politiker fordern, nicht separat davon gesenkt werden. Auch dies gründet auf dem Genfer Abkommen, welche es untersagt, dass Flüchtlinge im Bereich der öffentlichen Fürsorge anders behandelt werden als Staatsangehörige des asylgewährenden Staates. Allerdings kann die Versorgung in Anteilen nicht-finanzieller Natur sein. So wird in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Unterkunft, Kleidung, Gesundheitsbedarf und Nahrung gesorgt, es verbleiben 130 Euro des Hartz IV-Satzes pro Monat, welche dann ausgezahlt werden.

Unterbringung in der Kommune

Für die Unterbringung von Menschen mit einer Aufenthaltsgenehmigung sind anfangs die Kommunen zuständig. Diese übergibt die Aufgabe oft an Organisationen wie in Lübeck an die Diakonie. Mit dem Umzug aus der Erstaufnahmeeinrichtung in die Kommune erhalten die Geflüchteten einen größeren Anteil ihres Hartz IV-Satzes, da sie nun selbst für die meisten Kosten aufkommen müssen, lediglich Wohnung sowie Nebenkosten werden meist von den Kommunen übernommen.

Ein Recht zu arbeiten haben Menschen mit Aufenthaltserlaubnis meist nach drei Monaten, allerdings lediglich, wenn sie in der Ausländerbehörde nach einer Genehmigung fragen, welche wiederum die Agentur für Arbeit fragt. Zudem handelt es sich um einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang. Bei einem solchen Arbeitsmarktzugang muss die Agentur für Arbeit, nachdem ein Flüchtling mitgeteilt hat, dass er einen Job angeboten bekommen hat, sechs Wochen lang aktiv versuchen einen Deutschen oder einen Ausländer ohne nachrangigen Zugang zu finden, der die Stelle stattdessen annehmen kann. Nur wenn der Arbeitgeber begründen kann, warum er keinen der Bewerber nehmen konnte, kann der nachrangige Flüchtling den Arbeitsplatz erhalten. Nach drei Jahren in Deutschland erlischt die Nachrangigkeit.

Nach dem Asyl

Mit etwas Glück, endet die Zeit im Asyl so, wie es sich wohl auch die Autoren der Genfer Flüchtlingskonvention vorgestellt haben, In Kapitel 1C beschreiben sie, dass eine Person unter anderem nicht mehr unter das Asylrecht fällt „wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat“. Dies ist sicherlich auch was viele Flüchtlinge sich wünschen, doch nicht immer sind sich die Behörden und die Flüchtlinge darüber einig, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist nach Hause zurückzukehren.

Die meisten Aufenthaltserlaubnisse werden lediglich für eine begrenzte Zeit erteilt und regelmäßig überprüft. Spätestens nach drei Jahren wird zum ersten Mal durch das BAMF geprüft, ob die Gründe für den Aufenthalt noch existieren. Der Verlust einer Aufenthaltserlaubnis beginnt damit, dass das BAMF den Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung beschließt. Ein Widerruf dieser Anerkennung heißt aber noch nicht, dass der Betroffene abgeschoben wird. Im ersten Schritt besteht die Möglichkeit, gegen einen Widerruf zu klagen. Dies kann durchaus erfolgreich sein, in jedem Fall hat die Klage eine aufschiebende Wirkung: Solange das Verfahren läuft, wird keine Abschiebung durchgeführt.

Nach dem Wiederruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung überprüft die Ausländerbehörde, ob der Betroffene dennoch bleiben darf. Es kann dafür verschiedene Gründe geben, die Behörde muss die Dauer des Aufenthalts in Deutschland sowie schützenswerte Bindungen, seien diese persönlicher oder wirtschaftlicher Art, berücksichtigen. Die Ausländerbehörde trifft eine Ermessensentscheidung.

Eine andere Art wie die Zeit als Flüchtling in Deutschland endet ist die Einbürgerung. Nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts, dieser beginnt mit dem Erhalt der Aufenthaltsgestattung, hat ein Mensch einen Anspruch auf Einbürgerung. Wer Deutschkurse besucht und sich gesellschaftlich engagiert, kann diesen Zeitraum auf sechs Jahre reduzieren. Um sich einzubürgern muss man einen Einbürgerungstest absolvieren, bei dem man 17 von 33 Fragen zu Deutschland korrekt beantworten muss.

Wie geht es weiter?

Im Jahr 2015 haben insbesondere Politiker aus dem konservativen Lager Ideen hervorgebracht, welche mit dem Genfer Abkommen, das inzwischen als Menschenrecht in der EU-Grundrechtecharta festgeschrieben ist, nicht vereinbar sind und genauso wenig mit dem Grundgesetz, zu dessen Bekenntnis sie aufrufen. Doch während diese drastischen und populistischen Vorschläge keine rechtliche Konsequenz haben wird gleichzeitig, weit weniger publik, an möglichen Gesetzesänderungen gearbeitet, welche das Leben für Geflüchtete in Deutschland schwerer machen sollen. Im September legte das Innenministerium Vorschläge zur Vereinfachung von Abweisungen, einem niedrigeren finanziellen Anteil der Grundsicherung und der Übertragung von Asylverfahren an die Grenzbehörden vor. Die Forderungen von Menschenrechtsorganisationen, wie zum Beispiel die Möglichkeit Asylanträge bereits in den Fluchtländern stellen zu können um die oft tödliche Reise zu vermeiden, werden dabei ignoriert.

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Wer sich engagiert darf auch mal Hubschrauber fliegen! https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/wer-sich-engagiert-darf-auch-mal-hubschrauber-fliegen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/11/wer-sich-engagiert-darf-auch-mal-hubschrauber-fliegen/#respond Mon, 09 Nov 2015 05:00:12 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=233658 [nextpage title=”Reserveoffiziersaustausch” img=”233697″]

Steffen Drewes vor einer Boeing CH-47 ChinookSteffen Drewes | StudentenPACK.

Steffen Drewes vor einer Boeing CH-47 Chinook

Das Wichtigste vorab: Dieser Artikel soll keine Werbung für einen speziellen Dienst (zum Beispiel in der Bundeswehr) sein! Es gibt zahllose Möglichkeiten sich zu engagieren. Dies beginnt im Kleinen an der Uni im StuPa, dem AStA oder den Fachschaften, geht über die aktuell sehr wichtige freiwillige Flüchtlingshilfe bis hin zum technischen Hilfswerk, der freiwilligen Feuerwehr oder zahllosen anderen ehrenamtlichen Organisationen. Über alle Möglichkeiten kann man sich im Internet oder bei den entsprechenden Organisationen selbst informieren. Wer den Bericht über meinen Austausch nicht in Gänze lesen möchte, dem sei zumindest der letzte Absatz ans Herz gelegt.

Im Sinne meines Appells aus dem ersten Absatz ist der freiwillige Dienst bei der Bundeswehr für mich eine Art Engagement, das durchaus mit THW und freiwilliger Feuerwehr mithalten kann. Im Katastrophenfall zum Beispiel würde ich der Bundeswehr auch jederzeit zur Verfügung stehen. Auch wird die Bundeswehr im Moment personell sehr stark in die Betreuung von Flüchtlingen eingebunden.

Seitdem ich Mitte 2010 die Bundeswehr als Oberleutnant der Reserve (d.R.) verlassen habe, ist meine vorlesungsfreie Zeit fast ausschließlich in die Bundeswehr geflossen. Nachdem ich Ende 2013 zum Hauptmann d.R. befördert wurde, habe ich mich Mitte 2014 auf den Deutsch-Amerikamischen-Reserveoffiziersaustausch beworben und wurde für das Jahr 2015 auch direkt ausgewählt.
 Von diesem Austausch möchte ich hier ein wenig ausführlicher berichten.

Washington D.C. die Erste

Nach einer Informationsveranstaltung an einem Wochenende Anfang 2015 in Berlin ging es am 1. Juni 2015 nach Bonn und am 3. Juni in die USA. 
Nach dem achtstündigen Flug und einer kurzen, fast schlaflosen Nacht begannen wir mit dem typischen Touristenprogramm in Washington D.C. Vom Lincoln Memorial über das Korean War Memorial und das World War II Memorial ging es über das Washington Monument zum Weißen Haus. Hier wurden wir Zeugen einer interessanten Prozedur: Kurz bevor wir das Weiße Haus erreichten, ging in dessen Nähe eine Bombendrohung ein, woraufhin der Bereich vor dem Gebäude sofort komplett gesperrt wurde. Die temporären und die auch dauerhaften Beeinträchtigungen für die Anwohner in der Nähe des Amtssitzes des amerikanischen Präsidenten sind erheblich, werden von den Anwohnern aber scheinbar recht stoisch ertragen.

Besonders auffällig war der deutliche Unterschied im Umgang mit Uniformierten in der Öffentlichkeit. Uns wurde sehr oft für unseren Dienst gedankt und viele Menschen wollten uns die Hände schütteln oder Fotos mit uns machen. Da die Reaktion auf uniformierte Soldaten in Deutschland doch eine deutlich andere ist, war dieses eine der herausstechendsten Erfahrungen des Austausches. Obligatorisch war natürlich auch ein Besuch im Pentagon, welches als Arbeitsplatz für über 20.000 Menschen ein sehr beeindruckendes Gebäude ist und natürlich auch eine Bank, einen Juwelier und einen Starbucks beinhaltet. Im Pentagon kamen wir auch das erste Mal mit einer anderen interessanten Tradition der US-Streitkräfte in Kontakt: Den sogenannten „Coins“. Diese werden von hochrangigen Personen wie Generalen oder Zivilisten in entsprechenden Positionen vergeben. Auch vergeben Kommandeure diese Coins für Ihren Verband. Auf dem Bild am Ende des Artikels sind die Coins zu sehen, die ich auf dem Austausch erhalten habe. Diese kann man zu vielen Gelegenheiten kaufen – zum Beispiel auf Übungsplätzen – und es sind für fast alle Dienstgrade Modelle verfügbar. Unter dem Rang eines Oberstleutnants sind persönliche Coins aber nicht wirklich ernst gemeint. Diese Tradition beginnt langsam in der Bundeswehr Fuß zu fassen, ist aber noch lange nicht so verbreitet wie in den USA.

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[nextpage title=”Hubschrauberfliegen” img =”233699″]

Fort McCoy – Irgendwo im Nirgendwo Hubschrauber fliegen

Nach zwei Tagen in Washington D.C. ging es dann nach Fort McCoy, Wisconsin, in die Einheit der US-Streitkräfte, die uns für den Großteil des Austausches beherbergen sollte. Bei mir war dies das „75th Training Command“, das bei der Übung „Global Lightning“ die Rolle des Schiedsrichters und Ausbilders innehatte.

Steffen Drewes und Captain LampSteffen Drewes | StudentenPACK.

Steffen Drewes und Captain Lamp

Meine persönliche Betreuung übernahm Captain Taylor. Unsere Aufgabe war es, den Stab eines Logistikbataillons zu coachen. Als deutscher Soldat war ich auf dieser Übung, an der in mehreren US-Bundesstaaten insgesamt rund 12.000 US-Reservisten teilnahmen, ein echter Exot. Lockere Gespräche mit Soldaten aller Dienstgradgruppen waren hier an der Tagesordnung und ich wurde oft gebeten, mich mit den Soldaten fotografieren zu lassen. Auch habe ich erfahren, dass viele US-Soldaten von Deutschland nur Ramstein (die Luftwaffenbasis, nicht die Band) und den Ort Grafenwöhr kennen. Lübeck sagt den meisten gar nichts. Erstaunlicherweise hat die Kommandeurin des Logistikbataillons, in dem ich die meiste Zeit verbracht habe, in ihrer Kindheit ein Jahr in Deutschland verbracht und eine Lübecker Schule besucht. Um auch mal einen Einblick auf einer anderen Ebene zu erhalten, habe ich zwei Tage lang auf Kompanieebene gecoacht. Diese Aufgabe hat die „78th Training Division“ übernommen. Hierbei hatte ich die Gelegenheit Captain Lamp kennenzulernen und auch mal im Humvee mitzufahren. Ich kann sagen die geländegängigen Kraftfahrzeuge der Bundeswehr, in dieser Größenordnung die Mercedes Benz G-Klasse, sind deutlich komfortabler.

Das absolute Highlight des Austausches wurde am vorletzten Tag für mich organisiert. Ich durfte eine Runde in der „Boeing CH-47 Chinook“ mitfliegen. Dieser Helikopter wird von den US-Streitkräften schon seit dem Vietnamkrieg zum Truppentransport eingesetzt. Wir sind mit zwei dieser Maschinen zu einem ungefähr eine Stunde entfernten Flugplatz geflogen, um weitere Teilnehmer der Übung abzuholen.

Da Captain Taylor nicht wollte, dass ich die gesamten 16 Tage nur Wisconsin sehe, sind wir die letzten viert Tage nach Houston, Texas geflogen. Auf dem Flug wurde ich übrigens in die Premium Economy hochgebucht und bekam sogar ein Essen der ersten Klasse. In den USA kann es sich durchaus auszahlen in Uniform zu reisen. In Houston hatte ich die Gelegenheit Captain Taylor`s Dienststelle zu sehen, konnte mir aber auch einige Sehenswürdigkeiten ansehen.

Steffen Drewes und Captain TaylorSteffen Drewes | StudentenPACK.

Steffen Drewes und Captain Taylor

Besonders interessant fand ich das „Georg Bush Presidential Library and Museum“. Seit Calvin Coolidge, dem 30. US-Präsidenten, hat sich jeder Präsident eine eigene Bibliothek mit angeschlossenem Museum einrichten lassen, in dem Andenken seiner Amtszeit ausgestellt werden. Die Gelder werden von Privatpersonen zur Verfügung gestellt und von Stiftungen gesammelt und verwaltet.

Neben dem Besuch von zwei Brauereien konnte ich eine Blick aus dem 60. Stock des „JP Morgan Chase Towers“ über Houston werfen.

Washington D.C. die Zweite

Zurück in Washington D.C. begannen die letzten drei Tage des Austausches. Neben einer Abschlussbesprechung im „Bundeswehrkommando USA und Kanada“ und Reston und einem Besuch auf dem Nationalfriedhof Arlington bekamen wir eine Führung über die Schlachtfelder von Gettysburg mit anschließendem BBQ auf der Ranch eines ehemaligen Colonels der US-Streitkräfte.

Es ist ein wirklich schöner Austausch gewesen, der mich nicht nur dienstlich, sondern vor allem persönlich weitergebracht hat. Neben sehr viel Praxis der englischen Sprache habe ich Bekanntschaften geschlossen, die ich auch heute noch pflege. Bei einem Gegenbesuch von CPT Taylor im September hatte ich die Gelegenheit, ihr Norddeutschland ein wenig näher zu bringen. Vor allem konnte ich ihr in Bremen mal eine etwas größere Brauerei sowie das neue Hansemuseum in Lübeck zeigen.

Die Moral

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man vielleicht nicht in jeder Organisation, in der man sich freiwillig engagiert irgendwann mal Hubschrauber fliegen darf oder drei Wochen USA bezahlt bekommt, aber neue Kontakte zu pflegen, sich einzubringen und neue Erfahrungen zu sammeln, ist eigentlich überall möglich.

In diesem Sinne sei mir am Ende meines Artikels ein persönlicher Appell an den geneigten Leser gestattet:
 „Bring dich ein. Such dir eine Tätigkeit, die dir Spaß macht und dich auch persönlich nach vorne bringt. Wenn es dir dann noch möglich ist, den ein oder anderen (Soft-)Skill zu verbessern, umso besser!“

Sammel sie alle. Coins.Steffen Drewes | StudentenPACK.

Sammel sie alle. Coins.

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Jetzt nicht zögern https://www.studentenpack.de/index.php/2015/10/jetzt-nicht-zoegern/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/10/jetzt-nicht-zoegern/#respond Wed, 21 Oct 2015 19:30:38 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=233205 [nextpage title=”Medibüro” img=”171960″]

Jeder hilft auf seine Art und so viel er kann. Das gilt sowieso und es gilt natürlich auch jetzt. Doch nicht jeder hat viel Zeit und nicht jeder weiß, wo er anfangen soll und so versuchen wir einen kleinen Anstoß zu geben. Wo kann man sofort anfangen Flüchtlinge zu unterstützen und wie? Einige Vorschläge.

Helfen!Johann Mattutat | StudentenPACK.

Helfen!

Medibüro Lübeck

Ob sie noch Leute brauchen? „Auf jeden Fall!“, antwortet Maren vom Lübecker Medibüro, das Menschen hilft, die keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Anonym und kostenfrei vermitteln sie diese dann zum Beispiel an eine Praxis, die bereit ist, die Patienten ohne Krankenversicherung zu behandeln – oft sogar kostenlos!

Um mitzumachen bräuchte man für die reguläre Sprechstunde (Montags, 15:00 – 16:30 Uhr) nicht unbedingt einen medizinischen Hintergrund, da dort die Arzttermine organisiert werden und keine Untersuchungen stattfinden. Anders sei dies bei der Sprechstunde auf der Walli, für die man eine abgeschlossene Ausbildung im medizinischen Bereich oder acht Semester Medizin studiert haben sollte. Hier biete der Helfer allein eine Sprechstunde an, wobei auch hier im Hintergrund ärztliches Personal agiert. Jeden Tag nähmen ungefähr 30 bis 40 Personen die Hilfe des Medibüros in Anspruch. Weitere Aufgaben dieses Netzwerkes aus Studierenden und anderen Freiwilligen seien das Beschaffen von Medikamenten und eine Rund-um-die-Uhr-Hotline für medizinische Notfälle.

Das Team vom Lübecker MedibüroTim Jelonnek

Das Team vom Lübecker Medibüro

Die Sprechstunde auf der Walli ist dabei als Reaktion auf die aktuellen Ereignisse entstanden: „Schon in den letzten Monaten hat sich unsere Arbeit sehr in Richtung Asylbewerberinnen und Asylbewerber verschoben. Obwohl es ja eigentlich ein Anrecht auf eine Gesundheitsversorgung gibt, umfasst der Leistungskatalog für Geflüchtete nur Behandlungen bei akuter Lebensgefahr oder akuten Schmerzzuständen. Daher kommen zunehmend auch Menschen aus dieser Gruppe in unsere Sprechstunde und seitdem das Zentrum für Geflüchtete im Transit auf der Walli entstanden ist, konzentriert sich unsere Arbeit vor allem dort“, so Maren vom Medibüro. Um diese Arbeit möglichst lange aufrechterhalten zu können, würden dringend helfende Hände und weitere Spenden (siehe Infobox) gebraucht.

Gut angenommen wird das Engagement in jedem Fall: „Die Menschen sind nach dem langen Weg ihrer Flucht natürlich glücklich, dass es auch ein medizinisches Angebot auf der Walli gibt. Viele Menschen mit medizinischem Hintergrund melden sich bei uns und wollen mithelfen oder Medikamente spenden. Das was momentan dort auf der Walli passiert ist einzigartig und ein großartiges Zeichen der Solidarität!“

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[nextpage title=”UKSH hilft”  img=”233788″]

Bei Untersuchungen in Erstaufnahmeeinrichtungen mithelfen

Eine für Medizinstudenten interessante Möglichkeit aktiv zu werden ist die Flüchtlingshilfe-Aktion des UKSH. Gemeinsam mit freiwilligen Ärzten und Pflegekräften sorgen derzeit vorwiegend Kieler Studenten dafür, dass die gesetzlich vorgeschriebenen medizinischen Erstaufnahme-Untersuchungen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster zügig über die Bühne gehen. Mit derzeit etwa 20 medizinisch ausgebildeten Helfern am Tag werden, aufgeteilt auf zwei „Untersuchungs-Straßen“, ungefähr 300 Untersuchungen am Tag durchgeführt.

Neben administrativen Aufgaben wie der Erfassung der Personendaten und der Asylverfahrensnummer gehören dazu auch die Messung von Temperatur und Blutdruck, eine Blutentnahme und eine orientierende körperliche Untersuchung. Bei allen über 15 Jahren folgt zudem als Screening auf Tuberkulose eine Röntgenaufnahme des Thoraxes. Des Weiteren werden Impfungen durchgeführt.

Hierbei können sich auch Medizinstudierende ab dem fünften Semester ehrenamtlich beteiligen und arbeiten dann, ähnlich wie bei einer Famulatur, mit den Ärzten in einem Team. Seit dem 1. November besteht zusätzlich die Möglichkeit, diese Tätigkeit als studentische Hilfskraft durchzuführen. Die Vergütung richtet sich dabei nach dem Vergütungssatz für studentische Hilfskräfte.

„Der Fokus liegt hier auf der Suche nach Infektionskrankheiten wie Masern, Windpocken oder Polio“, erklärt Dr. Jan Wnent vom UKSH. Die meisten Untersuchten seien zwar junge Gesunde, es gebe aber auch etliche interessante Befunde zu sehen, denen man im deutschen Krankenhaus-Alltag nicht mehr begegne. Weil die Dienstpläne nur für eine Woche im Voraus erstellt werden, ist auch ein kurzfristiges Einsteigen problemlos möglich. Ganz besonders freut sich das Team um Jan Wnent natürlich über „Wiederholungstäter“, also Freiwillige, die gleich an mehr als einem Tag mithelfen wollen! Bei Interesse schreibt einfach an fluechtlingshilfe@uksh.de oder ruft die Telefonnummer 0431/597-31577 an.

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[nextpage title=”Kleiderkammern”  img=”233740″]

Kleiderkammern

An verschiedenen Orten in Lübeck werden Kleider und andere Sachspenden gesammelt, für Flüchtlinge aber natürlich auch für andere bedürftige Gruppen. Eine der größten Sammelstellen in Lübeck ist die Brockensammlung. „Wir brauchen eigentlich alles“, sagt Sonja Lengen von der Brockensammlung, „aber am häufigsten Kleidung in den Größen S und M.“

Kleiderkammer in der Sana KlinikJohann Mattutat | StudentenPACK.

Kleiderkammer in der Sana Klinik

Der Bedarf an Kleidung ist nach wie vor groß: Was reinkommt gehe auch schnell wieder raus, betont Lengen und jetzt wo der Winter kommt, werden natürlich warme Kleidung, gutes Schuhwerk und gute Unterwäsche dringend gebraucht. Natürlich auch Decken oder Schlafsäcke. Wichtig dabei ist: Kleidersammlungen sind nicht zum ausmisten da! Die gespendete Kleidung sollte von guter Qualität sein.

Sie erwähnt auch, dass die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung auch zu Problemen führt. Es sei sehr schade, wenn überall Menschen eine eigene Kleidersammlung organisieren und sich nicht mit den bestehenden Organisationen koordinieren, leider landen die gesammelten Kleidungsstücke dann am Ende häufig im Abfall. Stattdessen weist Lengen auf weniger bekannte Organisationen hin, die aktuell viel zu wenig Kleidung erhalten, darunter die Kleiderstelle der Gemeinnützigen Lübeck in der St. Annen Straße 10.

Gerade bei den größeren Organisationen wie der Vorwerker Diakonie oder der Brockensammlung geht der Bedarf auch über Kleidung hinaus: Betten, Matratzen, Möbel und, besonders beliebt, Fahrräder werden benötigt. Für mehr und mehr Flüchtlinge werden inzwischen Wohnungen gefunden und diese müssen eingerichtet werden.

Besonders einfach ist es für diejenigen, die für die durchreisenden Flüchtlinge auf der Walli spenden wollen: Auf der Facebook-Seite des Flüchtlingsforums werden immer aktuell die Bedürfnisse vor Ort mitgeteilt.

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[nextpage title=”Einkaufen für Flüchtlinge” img=”233735″]

Einkaufen für Flüchtlinge

Wer gerne mit Sachspenden helfen möchte, aber keine Zeit hat selbst zu den Unterkünften zu gehen, kann sich überlegen ein Angebot der Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowski zu nutzen. So wie in allen Märkten in Hamburg stehen auch in den beiden Shops in Lübeck (Ziegelstraße und Heiligen-Geist-Kamp) hinter der Kasse Kartons, in die Sachspenden eingeworfen werden können. Wer also einfach anstelle eines Shampoos zwei aus dem Regal nimmt, kann ohne großen Aufwand helfen. Die gesammelten Spenden gehen an Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg.

Wer in einen anderen Supermarkt geht, aber etwas für Flüchtlinge kaufen will, sollte die Facebook-Seite des Flüchtlingsforums ansehen (sie ist auch für die sichtbar, die keinen Facebook Account haben). Auf der Walli werden eigentlich täglich Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel benötigt.

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Sprachpartner

Jeden Mittwoch wird der Blaue Engel zum Café Welcome. Flüchtlinge können dort an einem Deutschkurs teilnehmen und es gibt für sie kostenlos Getränke. Das Café ist aber nicht nur für Flüchtlinge gedacht, ganz explizit beschreiben die Initiatoren die Idee auf der Facebookseite als „einen Raum […], in dem sich die Welt der Geflüchteten mit denen der Lübecker überschneidet.“ Jeder ist willkommen in der Clemensstraße 8 vorbeizuschauen, ein Bier zu trinken und sich zu unterhalten. Jetzt folgt der nächste Schritt und aus einfachen Unterhaltungen sollen Sprachpaten werden. So sollen die Flüchtlinge auch außerhalb des Deutschkurses jemanden haben, mit dem sie sich auf Deutsch austauschen können. Das Ganze, so erklärt Anna Bienert vom Helferteam des Deutschkurses im Engel, funktioniert natürlich auch als Sprachtandem, so könnte der Flüchtling wiederum behilflich dabei sein Arabisch zu lernen.

Wie die genaue Ausprägung einer Sprachpatenschaft aussieht liegt bei denen, die sich als Paten finden. Der erste Schritt ist es, am Mittwoch in den Engel zu gehen. Formulare für Sprachpartnerschaften finden sich an der Theke. Und worüber man dann reden möchte, sagt Anna, „kann man ja der Situation anpassen“.

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FLOW

Das Projekt FLOW (Für Flüchtlinge! Orientierung und Willkommenskultur) ist ein Mentoring-Programm der Lübecker Gemeindediakonie, das sich mit der Zielsetzung an junge Flüchtlinge richtet, ihre Integration zu verbessern. Um das zu erreichen werden Tandems aus jeweils einem Mentor und einem Flüchtling, dem sogenannten Mentee, gebildet.

Laut Gabriele Sester, die zusammen mit Maryam Gardisi das FLOW-Projekt leitet, können auch Studierende Mentor werden – und viele sind es bereits, was die Gemeindediakonie sehr freut. Hierbei kann das Engagement als Mentor sehr flexibel gestaltet werden und ist damit durchaus studentenfreundlich. Dies gelingt durch das „Matching“ von Mentoren und Mentees nach ihren jeweiligen zeitlichen Kapazitäten beziehungsweise Bedürfnissen. So träfen sich beispielsweise vollberufstätige Mentoren an einem Tag in der Woche nach Feierabend.

Wie lange ein solches Tandem zusammenbleibt, hänge von der individuellen Zielsetzung ab. Die ersten der im Moment dreißig Teams begannen im Sommer, eines ist bereits wieder beendet – weil der Mentor einen Job für seinen Mentee in Stuttgart organisierte. Weitere beliebte Zielsetzungen seien die Begleitung bei Behördengängen und Wohnungsbesichtigungen oder Unterstützung beim Deutschlernen. Viele Flüchtlinge wünschen sich dabei ausdrücklich junge Mentoren, mit denen sie abends auf Parties gehen können und die vielleicht ihre Interessen teilen. So finden die jungen Mentees auch schnell Anschluss in Lübeck.

Harte Einstellungskriterien gäbe es dabei nicht, so Frau Sester. Natürlich ist eine positive Einstellung gegenüber Flüchtlingen und dem Ehrenamt Voraussetzung. Darüber hinaus sind Mehrsprachigkeit, interkulturelle Ehrfahrung sowie eine gewisse Lebenserfahrung, um bei Behördengängen helfen zu können, wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Ins kalte Wasser geschmissen wird man dabei nicht. Ein Vorbereitungskurs über drei Nachmittage hilft bei der interkulturellen Sensibilisierung und der Kommunikation mit den Mentees. Auch gibt es hier Anregungen, wo sich die Tandems treffen können und welche Möglichkeiten ihnen bei Problemen zur Verfügung stehen. So ein Tandem hat aber auch Grenzen: Weder sollten die Mentoren versuchen, ihren Mentee zu missionieren noch sollten sie eventuelle Traumatisierungen auf eigene Faust zu therapieren versuchen.

Das FLOW-Projekt ist sehr beliebt, sodass die Anzahl der Bewerber momentan die der benötigen Mentoren übersteigt. Ab Anfang des kommenden Jahres könnten sich aber wieder engagierte Lübecker bei der Gemeindediakonie melden.

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Freifunker werden

Die Initiative Freifunk möchte ein offenes WLAN aufbauen, über das Menschen auch ohne Anmeldung ins Internet gehen können. Das ist gut für alle, aber für Flüchtlinge hat es besondere Vorteile: Zwar verfügen viele Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, über ein Smartphone, aber es kostet viel Geld sich Verträge zu besorgen, mit welchen man online gehen kann. Wenn an vielen Orten in LübeckFreifunk zur Verfügung gestellt wird heißt das auch: Flüchtlinge können dort kostenlos mit ihren Freunden und Familien kommunizieren, Nachrichten lesen, Apps runterladen und mehr.

Freifunk an der Ertaufnahmeeinrichtung auf dem VolksfestplatzLukas Ruge | StudentenPACK.

Freifunk an der Ertaufnahmeeinrichtung auf dem Volksfestplatz

Um selbst Teil des Freifunk-Netzes zu werden und Menschen einen Teil der eigenen Internetkapazität zur Verfügung zu stellen, braucht man nur einen der auf luebeck-freifunk.net aufgelisteten Router, die es ab 18 Euro zu kaufen gibt. Die folgenden Schritte sind ganz einfach und detailliert auf der Website beschrieben – und schon ist man dabei.

Aktuell arbeitet die Freifunk-Initiative auch daran, das Netz direkt in die Unterbringungen zu bringen. Wer sich beteiligen möchte ist eingeladen immer am Mittwoch Abend in den Nobreakspace des Chaotikum e.V. (Mengstraße 6, Eingang im Durchgang zum Parkplatz) zu kommen und sich dort mit anderen Freifunkern zu unterhalten.

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Spenden für Flüchtlinge in Lübeck

Offiziell zuständig für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Lübeck sind verschiedene Einrichtungen wie die Gemeindediakonie Lübeck, die Vorwerker Diakonie und das Deutsche Rote Kreuz. Sie alle sind gemeinnützige Vereine und Spenden können von der Steuer abgesetzt werden. Ebenfalls ein gemeinnütziger Verein ist das Lübecker Flüchtlingsforum. Es ist besonders aktiv bei der Unterstützung des Transitzentrums auf der Walli.

Die Kontonummern für diese Organsisationen findet ihr am Ende des Artikels in der Infobox.

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Etwas auf den Gipfel treiben… https://www.studentenpack.de/index.php/2015/02/etwas-auf-den-gipfel-treiben/ https://www.studentenpack.de/index.php/2015/02/etwas-auf-den-gipfel-treiben/#respond Mon, 02 Feb 2015 09:00:26 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=213087 Nach Heiligendamm 2007 findet nun Anfang Juni, etwa 8 Jahre später, mit dem G7-Gipfel in Elmau ein weiteres, internationales Treffen hochrangiger Politiker auf deutschem Boden statt. Neben dem Hauptgipfel, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs zusammenfinden, gibt es im gleichen Jahr auch einen Gipfel der G7-Außenminister, der im April stattfindet – und zwar in Lübeck. Genauer gesagt im neuen Hansemuseum, das gerade am Nordzipfel der Altstadtinsel gebaut wird. Pünktlich fertig wird es zwar nicht, aber das ist für das Gipfeltreffen auch nicht von Relevanz, da ein Diskurs über die Geschichte der Hanse überraschenderweise ohnehin nicht auf dem Programm steht.

2013 trafen sich in London noch die Großen 8: Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien, Deutschland, Russland und Japan. In diesem Jahr wurde Russland ausgeladen.

2013 trafen sich in London noch die Großen 8: Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien, Deutschland, Russland und Japan. In diesem Jahr wurde Russland ausgeladen.[media-credit name="Auswärtiges Amt, Copyright: Photothek / Th. Imo" align="aligncenter" width="640"]

Ein teures Vergnügen

Wer schon mal ein Meeting organisiert hat, weiß, welche Kosten bei so einem Ereignis auf die Organisatoren zukommen. Für Raummiete, Getränke, Unterkunft und Häppchen sind da schnell mal ein paar Euro weg. Und zählt man noch den Polizeieinsatz dazu, kommen da meistens noch kleinere Zuschläge von 30 bis 60 Millionen Euro drauf – aber manchmal muss das eben sein. 2007, so kann man der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums entnehmen, kostete der G8-Gipfel der Regierungschefs in Heiligendamm insgesamt etwa 81 Millionen Euro, für den G7-Gipfel in Elmau gehen verschiedene Schätzungen bereits jetzt von dreistelligen Millionenbeträgen aus. Mecklenburg-Vorpommern hatte für Heiligendamm über 20 Millionen Euro selbst zu tragen, da die Ausgleichszahlung des Bundes nur knapp die Hälfte der für das Land entstandenen Kosten deckte.

Kann man auf dieser Grundlage eine Schätzung für die Kosten des Außenministertreffens in Lübeck ableiten? Um das zu beantworten reicht schon ein kleiner Blick in die regionale Presse: Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag spricht von 4500 Polizisten, die während des Treffens für die Sicherheit sorgen werden. Für Außenminister der großen Sieben wird nämlich, und insbesondere bei den Vereinigten Staaten von Amerika führt das zu einer signifikanten Aufwandserhöhung, die höchste „Sicherheitsstufe“ angesetzt. Außenminister John Kerry wird demnach genauso gut bewacht wie Präsident Obama persönlich. Zudem gibt es bereits Pläne der US-Delegation sich für die Dauer des Gipfels in Travemünde einzuquartieren. Also muss auch die Sicherung der Route zwischen Lübeck und Travemünde eingeplant werden. Damit es für die Veranstalter nicht langweilig wird, wurden zudem bereits erste Demonstrationen gegen den Gipfel angekündigt, die zwischen dem 14. und 15. April Protest gegen G7 an den Tag bringen wollen. Die Innenstadt zu sichern versteht sich von selbst und um die Luftsicherung zu gewährleisten scheint auch der Einsatz von Eurofightern nicht abwegig (2007 entstanden alleine dafür Kosten in Höhe von 328.000 Euro). Schließlich handelt es sich hier nicht um ein verhältnismäßig kleines Seebad oder ein Schloss im Bayrischen Wald, sondern um die zweitbevölkerungsreichste Stadt Schleswig-Holsteins. Für Lübeck und das Land ist eine finanzielle Belastung in einer ähnlichen Höhe wie 2007 für Mecklenburg-Vorpommern also nicht unbedingt auszuschließen.

Der perfekte Standort

„Ich bin mir sicher, dass die schöne Altstadt mit der Backsteingotik eine ganz besondere Tagungsatmosphäre für unser Treffen schafft, die man für gute Gespräche braucht“, antwortete Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Interview mit den Lübecker Nachrichten im September 2014 auf die Frage, warum er das G7-Außenministertreffen in Lübeck veranstalten will. Auf eine Nachfrage beim Auswärtigen Amt, ob das das einzige Entscheidungskriterium bei der Festlegung des Tagungsortes war, kam bis Redaktionsschluss keine Antwort. Ruft man sich die finanzielle Situation Schleswig-Holsteins ins Gedächtnis, kann einem bei dem Gedanken, für ein Meeting von sieben Personen gegebenenfalls 20 Millionen Euro zahlen zu müssen, schon ein wenig flau im Magen werden. Im Dezember zogen über 2500 Studenten aus dem ganzen Land gegen die Unterfinanzierung der Hochschulen zum Landtag, um dort auf die teilweise desolaten Zustände aufmerksam zu machen. Dies betrifft im Moment noch hauptsächlich die Christian-Albrechts-Universität in Kiel, bei der einige Gebäude schon zeitweise nicht mehr nutzbar sind, da die Beschädigungen zu Sicherheitsrisiken für die Studenten führen könnten. Aber spätestens beim Thema Investitionsstaus bei der Sanierung des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist auch wieder Lübeck im Mittelpunkt finanzieller Probleme.

Es bleibt also die Frage, ob Backsteingotik wirklich einen derartigen Eingriff in den Landeshaushalt rechtfertigen sollte. Fakt ist, dass der Landtag das Abhalten des Gipfeltreffens in Lübeck nicht selber entschieden hat. Naheliegend ist jedoch, dass derartige Pläne von der Bundesebene an die Landesregierung und die Stadtverwaltung entsprechend kommuniziert werden mussten. Wahrscheinlich besitzt der G7-Gipfel der Außenminister eine Notwendigkeit und vielleicht, wenn man das so denken darf, gibt es auch einen Grund dafür, das Treffen nicht einfach auch im abgelegenen Schloss Elmau gleichzeitig mit dem Treffen der Regierungschefs abzuhalten. Irgendwer weiß, warum das alles so sein muss, warum sich Lübeck nur für Außenminister eignet und Elmau nur für Regierungschefs verwendet werden kann. Und irgendwer muss am Ende schließlich auch „Ja“ zur Ausrichtung des Gipfeltreffens in Lübeck gesagt haben – wegen des Tourismus, der Popularität, des Renommees, eines politischen Statements, wirtschaftlicher Abwägungen, einer privaten Willensentscheidung oder aus welchen komplizierten Gründen auch immer…

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Die Antischnäppchenschlacht https://www.studentenpack.de/index.php/2014/12/die-antischnappchenschlacht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/12/die-antischnappchenschlacht/#respond Mon, 01 Dec 2014 09:00:30 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212862 Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit. Dass damit eine zweifelhafte Hypothese in den Raum gestellt wird, glaube ich eigentlich nicht. Neben dem anderen großen ökonomisch verpanschten Kulturgut „Ostern“ wird vermutlich sonst nie ein so großer Absatz mit Schokoladenprodukten in Form von Weihnachtsmännern, Schokoosterhasen (aus dem Frühjahr oder bereits im Sortiment für 2015), süßem Weihnachtsbaumschmuck und Adventskalenderinhalten erzielt wie in den Monaten November und Dezember. Auch ich stelle da keine Ausnahme dar, auch wenn ich eher zu schlichten Schokoladentafeln anstatt zu aufwendig verzierten Naschereien neige. Aber welche der vielen Tafeln soll ich nehmen?
Fairtrade-Produkte lassen sich oft anhand des Fairtrade-Siegels erkennen. Teurer als vergleichbare Discount-Produkte sind sie aber fast immer.

Fairtrade-Produkte lassen sich oft anhand des Fairtrade-Siegels erkennen. Teurer als vergleichbare Discount-Produkte sind sie aber fast immer.[media-credit id=155 align="aligncenter" width="640"]


Fairtrade ist Idee

Als Verbraucher bemerken wir den großen Unterschied zwischen zwei gleichen Produkten von verschiedenen Marken sehr unmittelbar an der Kasse. Nicht selten reicht die Preisspanne von 39 Cent hin zu Beträgen über drei Euro für eine einzelne 100g-Tafel. Selbstverständlich lässt sich einfach argumentieren, dass insbesondere Eigenmarken von Supermärkten ein zusätzliches Standbein zum Verkaufsgeschäft darstellen, wodurch die Preise im eigenen Interesse niedriger gehalten werden können, da ein Kostenfaktor in der Wertschöpfungskette wegfällt. Aber auch den sonst enthaltenen Gewinn für den Produzenten rausgerechnet ist der Preisunterschied dennoch beträchtlich. Sucht man nach Schokolade mit dem qualitativ anerkannten FAIRTRADE-Logo kann man ab einem Euro einkaufen – das sind noch immer gut 250% vom Discountpreis, aber auch nur etwa ein Drittel der über drei Euro teuren Schokolade. Aber warum? Fairtrade-Produkte zeichnen sich durch die Philosophie aus, den Preis für ein Produkt nicht anhand marktwirtschaftlicher Kalkulationen minimal zu halten oder in einem angemessenen Preisrahmen möglichst hohe Gewinne für ein Unternehmen zu erzielen, sondern bei den einzelnen Wertschöpfungsphasen eine faire Beteiligung der investierten Arbeitskraft am Verkauf der Ware zu gewährleisten. Der Begriff „fair“ umfasst hierbei nicht nur eine gerechte Bezahlung der Arbeitskräfte, sondern auch die Investition in notwendige Schutzkleidung bei gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten oder das Verbot der Kinderarbeit, welches unzähliger Hilfsbündnisse zum Trotz noch immer ein weit verbreitetes Problem in Entwicklungsländern darstellt. Diese Maßnahmen führen nicht nur bei der Schokoladenproduktion, bei der insbesondere der Kakao-Anteil oft ein problematisches Gut darstellt, sondern auch bei anderen Gütern wie Textilien zu einer Preissteigerung des Endprodukts.

Fairtrade ist Strategie

Eine Gleichbehandlung der Produktionsbeteiligten einer Schokoladentafel ist keine Selbstverständlichkeit. Lohndumping und riskante Arbeitsbedingungen verschaffen Konzernen auf dem nach immer billigeren Preisen verlangenden Konsumentenmarkt eine Gewinnspanne, die sich in Ausnahmefällen in Menschenleben niederschlägt. Das Geld diktiert die Arbeitsbedingungen. Das gilt heute für Kakaoplantagen in Nicaragua und galt auch schon vor einem Jahr im April in einer Textilfabrik in Bangladesch. Die wachsende Beachtung des Themas in der Bevölkerung führte daraufhin kurzzeitig zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und gleichzeitig zu einem Druck auf betroffene Unternehmen. Die Reaktionen waren entschieden – augenscheinlich. Heute finden sich jede Menge unterschiedlicher Fairtrade-Siegel auf Kleidung und Lebensmitteln, viele in grün und blau gehalten oder zumindest mit einem einprägsamen Slogan versehen. Die Kontrolle dieser Siegel erfolgt fast immer unterschiedlich. Einige entsprechen offiziellen Standards, andere sind auf Grundlage sozialer Projekte entstanden. Bei vielen Produzenten finden sich auch auf den Webseiten nach kurzer Suche eigene Fair-Agreement-Projekte, werden eigene Standards beschrieben und der große Begriff „Nachhaltigkeit“ in die Firmenpolitik übernommen – unabhängig davon ob man Informationen zu KiK oder Rewe sucht. Natürlich ist es vermessen zu sagen, der öffentlichkeitswirksame Fairtrade-Boom würde durch Katastrophen im System nach vorne katapultiert. Vielmehr sollte die Auseinandersetzung mit dem Thema auch auf der Produzentenseite geachtet und als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. In erster Linie führt es uns alle aber zu der einfachen Frage: Was ist mir wichtig? Fairtrade als Bewusstsein für die Lebens- und Arbeitsbedingungen Anderer verhält sich im Grunde nur analog zum Bio-Gedanken, dem Konsum von biologisch zertifizierten und (nach Gesetzeslage) chemiefreien Lebensmitteln. Der Gedanke impliziert nichts anderes als eine Auseinandersetzung mit dem sozialen Bewusstsein in der Gesellschaft.

Fairtrade ist Lebenseinstellung

Die Idee ist nicht neu, nicht revolutionär genug um einen gesellschaftlichen Hype auszulösen – nicht zuletzt weil Fairtrade auch immer mit der eigenen Finanzsituation zu tun hat. Aber die Idee ist es auch nicht, sich von der Idee bereden zu lassen, sondern mitzuwirken. In Deutschland engagieren sich vor allem Weltläden für das Fairtrade-System. Einer dieser etwa 469 Weltläden steht hier in Lübeck. Auf Anfrage von Lehrern organisiert das Team um die FÖJlerin Insa Errulat Stadtführungen der etwas anderen Art um Schülern und Interessierten an Beispielen in Lübeck aufzuzeigen, was alles passiert, bis eine Jeans von einem Kunden gekauft werden kann. Die Führungen tragen den Titel „Fairlaufen“ und thematisieren zwei oder drei große Bereiche wie Textil-, Kosmetik- oder Kaffeeherstellung, um so insbesondere Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren. Das Projekt wurde von der BUND-Jugend vor zwei Jahren unter dem Titel „Konsum Global“ ins Leben gerufen und läuft mittlerweile unter der Bezeichnung „WELTbewusst“ hier in Lübeck. Interessierte und Helfer bei den Führungen werden immer gesucht. Bei Interesse lohnt es sich direkt beim Weltladen in der Hüxstraße vorbeizuschauen.

Der Weltladen in der Hüxstraße ist der Treffpunkt der "Fairlaufen"-Gruppe, die konsumkritische Führungen durch die Lübecker Innenstadt veranstalten.

Der Weltladen in der Hüxstraße ist der Treffpunkt der “Fairlaufen”-Gruppe, die konsumkritische Führungen durch die Lübecker Innenstadt veranstalten.[media-credit id=155 align="aligncenter" width="640"]

Fairtrade ist nicht gleich Bio

Für viele wiegt der Bedarf an Bio-Produkten in der Gesellschaft schwerer als der Bedarf an Fairtrade-Produkten. Das ist nicht zuletzt auf unsere eigene Komfortzone in unserem Lebensstandard zurückzuführen. Für das leckere Orangenplätzchen-Rezept in diesem PACK braucht man beispielsweise die Schale von zwei Orangen – und die sind ohne Bio-Siegel auch als Fairtrade-Produkte mit Pestiziden behandelt (Ob es sich dabei dann auch um Fairtrade-Pestizide handelt, steht auf den Verpackungen übrigens nicht drauf). Eine Auseinandersetzung mit Fairtrade ist also sehr wahrscheinlich auch mit eigenen Einschränkungen verbunden, die man bereit sein muss einzugehen. Und sei es, wie kitschig es auch klingen mag, in der Weihnachtszeit.

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Alles richtig gemacht? https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/05/alles-richtig-gemacht/#respond Mon, 05 May 2014 11:40:00 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=210936 Lübeck, Anfang April 2014. Wieder einmal ist Jahresempfang der Universität, mit grauem Himmel, Reden und Häppchen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Vor dem Audimax steht eine NDR-Reporterin für eine Live-Übertragung auf einer Fußbank. Ein Baum wird gepflanzt. Eine Katze läuft durch’s Bild. Ein Polizeiwagen hat gut sichtbar auf dem Platz neben dem Audimax geparkt. Ob es hier heute gefährlich würde? Der Beamte verneint, man sei gebeten worden, heute hier zu sein. Hat diese Bitte womöglich mit dem Schild „Dr. h.c. Annette Schavan“ auf einem Platz in der ersten Reihe zu tun? Wahrscheinlich schon. Wir haben uns anlässlich dieser sehr umstrittenen Verleihung der Ehrendoktorwürde jedenfalls mit ins Getümmel aus ARD, ZDF und Spiegel TV gestürzt und auch mit Annette Schavan gesprochen. Hier nun das von ihr autorisierte Interview.

„Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.“ Annette Schavan nach der Verleihung.

“Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen.” Annette Schavan nach der Verleihung.[media-credit id=51 align="aligncenter" width="625"]

StudentenPACK: Wenn es um die Uni-Rettung geht, fällt meist im gleichen Atemzug Ihr Name. Haben Sie die Uni gerettet?

ANNETTE SCHAVAN: Ich war jedenfalls dabei. Eigentlich darf sich eine Bundesministerin darum ja gar nicht kümmern, weil der Föderalismus vorsieht, dass es allein Sache des Landes ist. Es gab einen so beeindruckenden Einsatz aller hier in Lübeck, dass ich aber fand, wir müssen gemeinsam einen unkonventionellen Weg finden. Das haben wir geschafft.

PACK: Wir haben gerade in der Laudatio gehört, wofür Ihnen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Welche dieser Punkte würden Sie besonders hervorheben, welche sind Ihnen besonders wichtig?

SCHAVAN: Der Punkt, der mir am wichtigsten ist, war die Stärkung der medizinischen Forschung in Deutschland: Die Gründung der Gesundheitsforschungszentren zu den sogenannten Volkskrankheiten. Wir sind eine Gesellschaft des langen Lebens. Das fordert die Medizin mehr denn je. Deshalb war mir wichtig in der medizinischen Forschung die Kräfte zu bündeln, die Finanzinvestitionen deutlich zu steigern und mit den Zentren die internationale Präsenz der medizinischen Forschung zu stärken. Deshalb fand ich auch, dass es nicht in die Zeit passt, wenn dann an einer Stelle Studienplätze wegfallen. Denn vor der medizinischen Forschung steht das Interesse am Studium der Medizin.

PACK: Wo Sie gerade die Forschungszentren so betonen: War es dann Zufall, dass Ihnen gerade von der Uni, in deren Rettung Sie involviert waren, die Ehrendoktorwürde verliehen wurde?

SCHAVAN: Das ist sicher kein Zufall. Diese Universität ist an den Gesundheitsforschungszentren beteiligt. Sie ist ein leistungsfähiger Standort. Sie setzt mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde ein öffentliches Zeichen für die medizinische Forschung.

PACK: Nicht alle waren damals schon hier an der Uni. Würden Sie bitte noch einmal kurz zusammenfassen, was 2010 passiert ist, das dazu beigetragen hat, dass wieder Geld für die Uni zur Verfügung stand?

SCHAVAN: Der Bund darf kein Geld an eine Universität geben. Der Bund darf auch nicht einfach Geld für eine Universität an das Land geben. Deshalb brauchten wir ein kreatives Konzept. Es gab ein Institut, das Alfred-Wegener-Institut für Meeresforschung, das bereits in der Helmholtz-Gemeinschaft war. Also haben wir überlegt, ein anderes Institut für die Ozeanforschung, GEOMAR, auch in die Hände der Helmholtz-Gesellschaft zu geben. Und damit hat sich die Kostenaufteilung zwischen Schleswig-Holstein und dem Bund zugunsten des Landes verändert. Das schöne ist: Der Steuerzahler muss nicht mehr zahlen, sondern das Budget ist anders verteilt. Und das Geld ist nicht vom Bund hierher gekommen, sondern es hat innerhalb von Schleswig-Holstein dann Freiräume gegeben. In solchen Situationen muss man unkonventionell reagieren, man braucht kreative Konzepte und sollte nicht einfach Geld hin- und herschieben. Dafür gibt es noch andere Beispiele, aber das hier ist ein besonders bekanntes.

PACK: Sie finden also eigentlich nicht, dass es Aufgabe einer Bundesbildungs- und Forschungsministerin ist, sich für eine Landessache so einzusetzen?

SCHAVAN: Doch. Ich persönlich finde, dass es eine Sache der Bundesministerin ist. Deswegen habe ich mich auch darum bemüht, eine Lockerung des Föderalismus zu schaffen, damit so etwas künftig immer möglich ist. Darüber gibt es bisher aber keinen politischen Konsens.

PACK: Es wurde acht „Kämpferwochen“ lang demonstriert. Wenn Sie schon damals meinten, dass die Uni Lübeck definitiv rettenswert ist – warum hat das dann so lange gedauert?

SCHAVAN: In meinen Augen sind wir, als der Bund eingeschaltet war, schnell zu einer Lösung gekommen. Aber die Voraussetzung ist natürlich, dass sich jemand an mich wendet. Im Nachhinein zählt nicht, wie lange es gedauert hat, sondern ob die Lösung, die gefunden wurde, tragfähig ist.

PACK: Hat es denn sehr lange gedauert, bis bei Ihnen in Berlin angekommen war, dass die Rettung der Universität wirklich nötig ist?

SCHAVAN: Die zeitlichen Abläufe habe ich so gar nicht mehr im Kopf, das ist jetzt irgendwie zu lange her. Ich weiß nur: nachdem der Präsident mich angerufen hat, haben wir zügig ein Konzept erarbeitet. Letztlich wäre das ohne die damalige Landesregierung und ohne die Uni nicht möglich gewesen. Das hat dazu geführt, dass wir wirklich ein Konzept gefunden haben, das nicht nur ein oder zwei Jahre hält, sondern einen dauerhaften Erhalt der Universität ermöglicht.

PACK: Es geht ja nicht nur um 2010. Momentan wird auch Ihre Doktorarbeit diskutiert. Was ist da schiefgelaufen?

SCHAVAN: Wenn ich getäuscht hätte, dann hätte ich heute keinen Ehrendoktor entgegengenommen. Zu dieser Dissertation gibt es diametral entgegengesetzte Bewertungen in der Wissenschaft. Die zuständige Fakultät sagt, nach 34 Jahren übrigens, die Arbeit sei eine Täuschung. Andere Wissenschaftler, deren Gutachten ich vorgelegt habe, sagen die Angabe der Quellen ist angemessen. Damit muss ich jetzt leben. Ich sage aber auch mit Blick auf diese Zeit damals: Das war für mich eine wichtige Zeit. Ich habe aus dieser Arbeit viel gelernt, ich habe mich mit Gewissen beschäftigt, und ich habe mich in meinem ganzen beruflichen und öffentlichen Leben immer um Gewissenhaftigkeit bemüht und werde das auch in Zukunft tun. Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland eine wissenschaftsethische Diskussion geben wird: Was sind die Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit im Umgang mit Plagiatsvorwürfen? Wie kann erreicht werden, dass die Verfahren an allen Universitäten vergleichbar sind?

PACK: Können Sie momentan Promovierenden irgendeinen Tipp geben, worauf man ganz besonders achten sollte, um nicht irgendwann vor Gericht zu stehen und zu hoffen, dass man seinen Doktortitel nicht verliert?

SCHAVAN: Schreiben sie ihre Dissertation nach bestem Wissen und Gewissen und mit Freude an der Sache. Ich bin davon überzeugt, dass die Debatten der nächsten Jahre zur Vergleichbarkeit der Verfahren an den Unis führen werden.

PACK: Können Sie die Kritiker verstehen, die Ihnen nach dem Entzug Ihres wissenschaftlichen Doktortitels eine gewisse Vorbildfunktion absprechen und Ihnen deswegen heute diesen Titel nicht gegeben hätten?

SCHAVAN: Hätte ich getäuscht wäre ich heute nicht hier. Wer lange im öffentlichen Leben steht lernt mit Kritik umzugehen. Viele Glückwünsche zeigen mir, dass es, wie so oft im Leben, unterschiedliche Meinungen gibt.

PACK: Werden Sie den Dr. h.c. der Universität zu Lübeck in Zukunft führen?

SCHAVAN: Der Lübecker Ehrendoktortitel gehört zu meiner Vita, aber ich habe mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob ich künftig Titel vor meinem Namen trage – ich vermute eher nicht.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch!

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Deutliche BAföG-Verzögerungen befürchtet https://www.studentenpack.de/index.php/2013/07/deutliche-bafog-verzogerungen-befurchtet/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/07/deutliche-bafog-verzogerungen-befurchtet/#respond Sun, 21 Jul 2013 14:13:47 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=158749 Seit Jahren ist bekannt, dass im bargeldlosen Zahlungsverkehr ab Anfang 2014 anstelle der alten Kontodaten das SEPA-Verfahren eingesetzt werden muss. Für Behörden und Organisationen heißt dies, dass sie ihre Systeme umstellen müssen. Auch für BAföG gilt dies. Doch so wie es aussieht, scheint die Software nicht rechtzeitig zu kommen, oder sogar wenn sie kommt, nicht wirklich zu funktionieren.

Für Studierende bedeutet dies potentiell größere Verzögerungen bei der Überweisung ihres Geldes. Schon jetzt sind laut Landes Asten Konferenz (LAK) bei der Bearbeitung von Anträgen manchmal Wartezeiten von drei Monaten gegeben. Dies ruft nun die Studentenwerke in den Bundesländern auf den Plan. Die Studentenwerke sind in den Bundesländern für die Bearbeitung der Anträge und die Verteilung der Gelder, also die gesamte Logistik verantwortlich. Sie befürchten im ersten Quartal 2014 nicht alle Förderungsgelder verteilen zu können. Es gibt Alternativen neben dem in Auftrag gegebenen, sich wahrscheinlich verzögernden System, doch diese müssten extra eingekauft werden. Das Studentenwerk Schleswig-Holstein favorisiert derzeit, eine alternative Software zu kaufen, doch die Landesregierung Kiel wiegelt ab. Sie hofft, dass es zu keinen Verzögerungen kommen wird. Anders hat man sich in Bayern entschieden, wo bereits eine Software eingekauft wurde.

Angesichts des inzwischen nahenden Jahreswechsel hat sich nun die LAK Schleswig-Holstein mit einer Erklärung in die Diskussion eingeschaltet. Laut verschiedener Stellen im Studentenwerk, so heißt es in der Stellungnahme „wird sich die Bearbeitung von BAföG-Anträgen deutlich verzögern, da die nötige neue Software weder fehlerfrei funktionieren soll, noch die SachbearbeiterInnen ausreichend mit ihr vertraut sind.“ Sie „fordert […] die Kieler Landesregierung auf, dem Studentenwerk Schleswig-Holstein die erforderlichen Mittel für den Erwerb einer entsprechenden Software, den zeitnahen Ausbau der SachbearbeiterInnenstellen und die notwendige Schulung des Personals zur Verfügung zu stellen oder aber Lösungen anzubieten, wie dennoch eine unbürokratische Finanzierung des Lebensunterhaltes von BAföG-AntragsstellerInnen sichergestellt werden kann.“

Neben der konkreten Frage, wie ab 2014 BAföG ausgezahlt werden soll, ist auch eine grundsätzliche Frage zu stellen: Wie kann es sein, dass eine über Jahre bekannte Umstellung nicht rechtzeitig umgesetzt werden konnte? „Für eine derart schlechte Vorbereitung auf eine seit Jahren anstehende Umsetzung der SEPA-Richtlinien fehlt uns jegliches Verständnis“, heißt es in der Erklärung der LAK. Das Studentenwerk allerdings hat keine Wahl, es ist an die Weisung des Ministeriums gebunden.

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„Auf Mensur“ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/auf-mensur/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/auf-mensur/#comments Thu, 04 Apr 2013 10:00:16 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=122222
Berlin: T. Lenz und C. Hellmers (Landsmannschaft Preußen zu Berlin), W. Wawrzyniak und A. Kliesch (Landsmannschaft Brandenburg zu Berlin) nach erfolgreichem Abschluss einer MensurLandsmannschaft Preußen zu Berlin

Berlin: T. Lenz und C. Hellmers (Landsmannschaft Preußen zu Berlin), W. Wawrzyniak und A. Kliesch (Landsmannschaft Brandenburg zu Berlin) nach erfolgreichem Abschluss einer Mensur

Denkt man an Burschenschaften, denkt man meistens an Schlagzeilen über nationalistisches Gedankengut oder Ausländerfeindlichkeit. Doch was hat es mit diesen Studentenverbindungen tatsächlich auf sich? Was tun sie? Wofür stehen sie? Wie wird man aufgenommen? Was hat man davon? Diese Fragen stellte sich auch Patrick Schacht, als er auf seiner Erstsemester-Messe an der Fachhochschule den Stand der Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck entdeckte. Er wurde eingeladen, die Burschenschaft mal zu besuchen und sich selbst ein Bild von ihr zu machen.

Doch was ist nun der Unterschied zwischen einer Studentenverbindung und einer Burschenschaft, was bedeutet es, wenn eine Verbindung schlagend oder fakultativ schlagend ist? „Studentenverbindung ist eigentlich ein Oberbegriff für alle Burschenschaften, Turnerschaften, Landsmannschaften, eben jede Studentenverbindung, die es gibt“, erklärt Marco Kinder. Der Elektrotechnikstudent entschied sich bereits bevor er sein Studium begann, dass er in der Burschenschaft Mitglied werden wollte. Bereits sein Vater war zu seinem Studium Mitglied in einer solchen Verbindung und pflegt noch immer die Kontakte dahin.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck ist in erster Linie ein Männerverein, der unabhängig vom Studienfach Studenten aufnimmt. Zur Aufnahme braucht es kein gruseliges Ritual oder irgendwelche abstrusen Tests, es beginnt mit einer beiderseitigen Probezeit. In dieser Zeit kann der Neue sich die Burschenschaft angucken und zuschauen, was so gemacht wird, und daraus entscheiden, ob es ihm gefällt. Auch die Mitglieder der Burschenschaft können in dieser Zeit dem Neuen auf den Zahn fühlen und entscheiden, ob sie ihn in ihrer Mitte aufnehmen wollen, oder ob sie der Meinung sind, dass seine Gesinnungen nicht zu denen der Burschenschaft passen. Die Nachwuchssuche ist allerdings seit der Bologna-Reform ein Problem – durch die neuen Studiengänge und die Regelstudienzeit bleibt den meisten Studenten nicht ausreichend Zeit, sich neben der Uni, den Hobbys und dem Sport in einer Studentenverbindung zu engagieren. Diejenigen, die es doch tun, arbeiten eng mit der Fachschaft der Fachhochschule zusammen und sind auf Grillfesten und der Erstsemestermesse der Fachhochschule präsent und stellen sich vor.

Ist ein Student neu aufgenommen in die Burschenschaft, wird er als „Fuchs“ bezeichnet. Der Fuchs bekommt dann ein sogenanntes Fuchsenband, das er auf den offiziellen Veranstaltungen über seinem Hemd trägt. Das Fuchsenband hat bei der Berolina-Mittweida die Farben schwarz-silber-schwarz. Nach den ersten zwei Semestern ist die Fuchsenzeit vorbei und der Fuchs wird zum Burschen und bekommt das Burschenband. Dieses ist schwarz-silber-rot. Einer der Burschen hat das Amt des Fuchsmajor inne, er begleitet die Füchse in ihren ersten beiden Semestern in der Burschenschaft und hilft ihnen bei Fragen weiter. Er trägt beide Bänder, über der Brust gekreuzt.

„Hoch bitte!“ – der Ablauf einer Mensur

Früher waren viele Studentenverbindungen auch „Schlagende Verbindungen“. Dies liegt daran, dass in einigen Verbindungen die Mitglieder einen Fechtkampf mit einem Mitglied aus einer anderen Verbindung austragen. Dieser Kampf wird als Mensur bezeichnet. Der Ablauf einer Mensur ist in jeder Verbindung etwas anders. Wir haben bei der Landsmannschaft Preußen Berlin nachgefragt und ein paar Details zum Ablauf einer Mensur erfahren. Es fechten immer zwei so genannte Paukanten gegeneinander. Diese kommen aus verschiedenen Verbindungen und dürfen jeweils ihr eigenes Team mitbringen. Ein Team besteht aus einem Sekundanten, einem Mensurarzt, einem Testant, einem Schlepper und einem Schreiber. Zusätzlich sind noch drei weitere Bundesbrüder jeder Partei anwesend. Für den geregelten Ablauf der Mensur sorgt ein Unparteiischer, er beantwortet Fragen und trifft die Entscheidungen.

Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist es vorgeschrieben, dass die Paukanten eine Schutzausrüstung tragen. Diese besteht aus einer Schutzbrille mit Nasenblech, einer Halsbandage, einem Plaston, einem stichfesten Kettenhemd, einem Armstulp, einem Handschuh mit Ketteneinlage und einem Tiefschutz. Beim Anlegen dieser Ausrüstung wird der Paukant von seinem Team unterstützt.

Während der Mensur ist der Paukant ausschließlich fürs Fechten zuständig. Der Sekundant stellt unsaubere Hiebe bei der Gegenseite fest und fragt diese beim Unparteiischen an. Hierzu gibt es ein Straf-System, das dem der roten und gelben Karten im Fußball ähnelt. Wird einer der Paukanten von einem Hieb getroffen und blutet, wird der Mensurarzt gerufen. Falls die Verletzung zu schlimm ist, wird abgeführt, das bedeutet, die Partie ist an dieser Stelle zu Ende.

Der eigentliche Fechtkampf folgt einem geregelten Muster. Die Paukanten stehen sich im festen Abstand, das ist die eigentliche „Mensur“, gegenüber und dürfen sich von ihrer Position nicht wegbewegen. Der Schlepper hält den Fechtarm des Paukanten etwa im rechten Winkel vom Körper weg, so muss der Paukant nicht die gesamte Zeit die Klinge halten, was einerseits anstrengend für ihn wäre, andererseits ist die Sicht der Paukanten durch die Schutzbrille eingeschränkt, was eine gewisse Verletzungsgefahr birgt. Das Fechten beginnt, mit dem Komando „Hoch bitte“, das einer der Sekundanten gibt. Daraufhin wirft der Schlepper den Arm nach oben. Dann kommt vom selben Sekundanten das Komando „Auf Mensur“, der zweite Sekundant antwortet mit „Fertig“, dann gibt der erste Sekundant das Kommando „Los“ und die Paukanten beginnen zu fechten. Hat eine Seite fünf Hiebe ausgeteilt, kommt von einem der Testanten oder einem der Sekundanten ein „Halt“. Dann springen die Sekundanten zwischen die Paukanten und beenden den Gang damit. Die Schlepper nehmen wieder den Fechtarm und der Testant reinigt mit einer Desinfektionslösung die Klinge, um eventuelle Metallspäne zu beseitigen, er richtet auch die Klinge, falls sie sich beim Fechten verbogen hat. Dieser Gang wird insgesamt 30 mal wiederholt, wobei der erste und letzte Gang sogenannte „Ehrengänge“ sind. Insgesamt dauern solche Mensuren etwa eine Viertelstunde. Das Ziel einer Mensur ist nicht, den anderen zu verletzen oder zu gewinnen, sondern unverletzt zu bleiben.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida ist eine fakultativ schlagende Verbindung. Das bedeutet, jedes der Mitglieder darf die Fechtkunst erlernen, aber muss keine Mensuren schlagen. Die Lübecker Burschen werden von einem Fechtmeister, der aus einer anderen Verbindung kommt, unterrichtet. In Lübeck wurde die letzte Mensur im Jahre 1963 geschlagen. Aktuell erlernen die Hälfte der Aktiven Lübecker Burschen die Kunst des Fechtens, aber keiner von Ihnen wird in der nächsten Zeit eine Mensur schlagen. „Wir lernen das, um die Tradition zu pflegen“, erklärt Tamás Molnár.

Alltag einer Studentenverbindung

In einer Studentenverbindung treffen Menschen aus den unterschiedlichen Generationen aufeinander. Die jungen Aktiven werden von den „Alten Herren“ bei ihren Veranstaltungen finanziell unterstützt. Die Organisation der Veranstaltungen obliegt allerdings den Aktiven. So sollen die meistens noch sehr jungen Studenten auf das Berufsleben vorbereitet werden, indem sie wissen, wie eine Veranstaltung zu organisieren und zu finanzieren ist. Die Alten Herren unterstützen sie zwar bei schwierigen Angelegenheiten und beantworten Fragen, aber die eigentliche Verantwortung liegt auf den Schultern der Aktiven.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida ist aufgebaut wie ein normaler eingetragener Verein. Es gibt also einen 1. Vorsitzenden, einen Kassenwart und verschiedene Ämter, die unter den Burschen verteilt werden. Jedes Semester wird neu gewählt. Der erste Vorsitzende wird 1X genannt, dieses Amt wird aktuell von Marco Kinder ausgeführt. Marco sagt zwar, dass es viel Arbeit ist, aber gerade weil er das Gefühl hat, dass es ihm für seine Zukunft helfen kann, macht er es sehr gerne. Patrick Schacht ist momentan der Kassenwart der Burschenschaft. Bevor er dieses Amt antrat, hatte er sich noch nicht viel mit der Finanzierung von Veranstaltungen oder mit Buchhaltung beschäftigt. Mittlerweile versteht er sehr genau, was dahinter steckt, ein Seminar oder eine Gruppenfahrt zu organisieren und zu finanzieren. Das letzte Seminar, das die Berolina-Mittweida für ihre Aktiven organisiert haben, befasste sich mit dem Thema Rhetorik. Unter dem Titel „Reden schreiben – Reden halten“ trafen sich die Aktiven mit dem Seminarleiter auf dem Museumsschiff „Passat“ in Travemünde. Bei diesen Seminaren geht es darum, dass die Aktiven immer neue „Soft Skills“ erlernen, um für ihr Berufsleben vorbereitet zu sein. Die „Alten Herren“ unterstützen sie mit ihrer Erfahrung aus ihrem alltäglichen Berufsleben und erwarten, dass die Aktiven im Gegenzug ihr Bestes geben, interessiert und engagiert sind.

Jedes Semester stellen die Burschen ein festes Programm zusammen, das aus verschiedenen Veranstaltungen besteht. Zwei bis drei Mal im Semester treffen sie sich auf einem Samstagabend in ihren Räumen im Korporationshaus Lübeck zur Kneipe. Jede Woche am Donnerstagabend treffen sich die Aktiven zum Stammtisch. Da wird dann gemeinsam Essen gekocht und die anstehenden Fahrten, Seminare und Veranstaltungen geplant. Zu den Veranstaltungen zählen auch die Partys, die jedes Semester von der Burschenschaft ausgerichtet werden. Zusätzlich machen die Aktiven im Jahr acht bis zehn Fahrten, auf denen sie andere befreundete Studentenverbindungen besuchen. Diese Fahrten gehen durch ganz Deutschland. Oder die Lübecker empfangen selbst Besucher in der Hansestadt. Auf den letzten Fahrten ging es nach Schweinfurt, Nürnberg, Duisburg und Landau. „Neben dem Kennenlernen von Studenten in anderen Städten und an anderen Hochschulen, machen diese Fahrten sehr viel Spaß“, erzählt Matthias Rothe. Der Medizinstudent ist momentan einer der wenigen Studenten der Universität zu Lübeck, der in der Burschenschaft aktiv ist. „Wir arbeiten sehr eng mit den Fachschaften der Fachhochschule zusammen, an der Uni sind wir nicht ganz so präsent“, erklärt er. Zusätzlich zu den Fahrten gibt es noch einige Convente. Ein Convent ist so etwas wie eine Vereinssitzung. Bei der Burschenschaft Berolina-Mittweida wird allerdings ein Unterschied gemacht zwischen dem Generalconvent, dem Burschenconvent und dem Aktivenconvent. Beim Generalconvent sind alle Mitglieder der Burschenschaft eingeladen, während zum Burschenconvent nur die Burschen eingeladen werden. Der Aktivenconvent besteht sowohl aus den Aktiven, als auch aus den Füchsen.

Patrick Schacht beim Rhetorik-Seminar auf der Passat in Travemünde.Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck

Patrick Schacht beim Rhetorik-Seminar auf der Passat in Travemünde.

Feindseligkeiten wegen Vorurteilen

Probleme mit Feindseligkeiten hatten die Burschen bis jetzt noch nicht allzu stark. „Es gibt viele, die erst mal skeptisch nachfragen. Wenn man dann aber die Zeit hat, kurz zu erklären, worum es hier eigentlich geht, legt sich die Skepsis relativ schnell“ berichtet Marco Kinder. Über Burschenschaften kursieren gerade im Internet viele Gerüchte und Berichte, die behaupten, dass in den Studentenverbindungen nationalistisches Gedankengut verbreitet wird und die Aufnahme von ausländisch stämmigen Studenten verweigert wird. Gerade die „Deutsche Burschenschaft“, einer der größten Dachverbände der Burschenschaften in Deutschland, bestimmt in der letzten Zeit die Berichterstattungen über Studentenverbindungen. Die Burschenschaften organisieren sich in solchen Dachverbänden um andere Verbindungen kennenzulernen und Besuche zu planen. Die Deutsche Burschenschaft ist der größte dieser Dachverbände. In den letzten Jahren ist die Deutsche Burschenschaft immer mehr in Verruf geraten, da einigen Mitgliedsverbindungen die Verbreitung von nationalistischen Material nachgewiesen werden konnte. Mittlerweile sind einige Burschenschaften aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten und distanzieren sich von diesem Verhalten.

„Es gibt überall schwarze Schafe, bei uns darf definitiv jeder eintreten, der es gerne möchte, er muss nur männlich sein und momentan an einer Lübecker Hochschule studieren“, betont Marco Kinder. Die Burschenschaft Berolina-Mittweida war nie Mitglied in der Deutschen Burschenschaft und wird auch kein Mitglied werden. „Momentan sind wir auf der Suche nach einem neuen Dachverband“, berichten die Burschen. Doch diese Suche gestaltet sich schwierig.

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Friedenstauben und Kampfjets https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/friedenstauben-und-kampfjets/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/04/friedenstauben-und-kampfjets/#respond Thu, 04 Apr 2013 09:00:19 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=122187 Pierre Teilhard de Chardin sagte, „Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ Zweifel sind dabei auch immer der eigenen Überzeugung entgegenzubringen, die es immer wieder zu überprüfen gilt, um Fehler oder Trugschlüsse zu vermeiden. Die an deutschen Hochschulen tobende Debatte um die Zivilkausel lässt solche Zweifel an der eigenen Überzeugung leider auf beiden Seiten vermissen. Denn wer sich mit der Frage beschäftigt, merkt schnell, dass es keine einfache Antwort gibt. Ein Versuch die Debatte zusammenzufassen:

Eine Zivilklausel ist entweder eine gesetzliche Verpflichtung oder eine Selbstverpflichtung einer Hochschule, keine Forschung vorzunehmen, die mit militärischem Nutzen oder Zielsetzungen verbunden ist. Aus der Friedensbewegung entstanden führen heute elf Hochschulen eine solche Klausel in ihren Satzungen, darunter die Universität Bremen, die TU Berlin, die TU Dortmund, die Universität Tübingen und die Uni Rostock. Zwischen 1993 und 2002 war die Zivilklausel im Niedersächsischen Hochschulgesetz zu finden und unterband somit theoretisch jegliche Militärforschung in dem Bundesland. Insbesondere in den letzten Jahren ist die Diskussion um die Zivilklausel an mehr und mehr Hochschulen entbrannt. Studierendengruppen, unter anderem in Köln und Augsburg, haben sich in Abstimmungen und Vollversammlungen mit dem Thema auseinandergesetzt. Doch längst nicht überall findet die Idee Unterstützer. Gerade dort, wo die Forschung direkt von Rüstungsunternehmen abhängig ist, sind auch Studierendenvertreter dagegen.

In Schleswig-Holstein gibt es derzeit keine Zivilklausel, weder an einer der Hochschulen noch im Hochschulgesetz. Das Motto der Uni Lübeck „Im Focus das Leben“ suggeriert eine grundsätzlich friedliche Einstellung, verpflichtet aber nicht dazu. An der Uni Kiel ziert man sich nicht: Immerhin an 15 wehrtechnischen Projekten, also solchen Projekten, die Ausrüstung und Waffen verbessern, wird dort gearbeitet. Die aktuelle Regierungskoalition in Schleswig-Holstein aus SPD, Grünen und SSW hat sich selbst verpflichtet, die Einführung einer Zivilklausel zu prüfen. Die viel diskutierten Fragen sind also nicht theoretisch, sie betreffen die deutsche Forschungslandschaft, sie betreffen Arbeitsplätze und sie betreffen Lübeck. Doch was sind die Argumente? Was spricht für oder gegen eine Zivilklausel?

Das gesetzliche Argument

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ (Artikel 5, Grundgesetz). So einfach argumentieren Gegner der Zivilklausel und meinen die Diskussion sei damit beendet. Schon allein deshalb, könne man keine Forschung mit militärischem Ziel verbieten, man verletze damit die Grundrechte der Forscher. Doch das Argument greift zu kurz. Schon Artikel 5, Absatz 3 schränkt die Freiheit ein, sie „entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“. Weitere Gesetze setzen enge Rahmen für die Forschung an Chemiewaffen, Atomwaffen, Streubomben und anderen geächteten Technologien. Ethikrichtlinien, mit Verweis auf die Menschen- und Tierwürde, untersagen eine große Anzahl von Experimenten. Forschung ist eben doch nicht frei, sie ist den Gesetzen und dem moralischen Konsens einer Gesellschaft unterworfen.

Was der Konsens dieser Gesellschaft sein soll, so meinen die Befürworter einer Zivilklausel, haben Vertreter der beiden deutschen Staaten 1990 zur Wiedervereinigung im Zwei-plus-Vier-Vertrag beschrieben, in dem erklärt wird, „da[ss] von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“. Ein solcher Beschluss lässt sich schwer in Einklang bringen mit Auslandseinsätzen, Waffenexporten und Forschung an Panzern und Drohnen. Darf also eine staatliche Universität in Deutschland überhaupt an Waffen arbeiten, wenn von deutschem Boden nur Frieden ausgehen soll? Zu unpraktisch, zu theoretisch, erwidern die Gegner, denn angesichts der Tatsache, dass von deutschem Boden ganz offensichtlich nicht nur Frieden ausgeht, da deutsche Soldaten im Ausland kämpfen, müssen deutsche Hochschulen da nicht unterstützend tätig werden? Ist denn Militärforschung unmoralisch, mag ihr Befürworter fragen, ist sie nicht viel mehr moralisch? Denn Deutschland leistet sich ja nicht aus Versehen eine Bundeswehr. „Die Bundeswehr ist eine Einrichtung mit Verfassungsrang. Alle wollen, dass die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft bleibt […]. Ich kann überhaupt nicht einsehen, warum die Bundeswehr nicht auch an Universitäten ihren Platz haben soll, wie andere Institutionen auch.“, meint Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Magazin UNICUM. Wenn die Bundeswehr, und damit Ihre Einsätze, zur Gesellschaft gehöre, so müsse auch die Forschung mit den Geldern aus dem Verteidigungsministerium zu dieser Gesellschaft gehören. Und wenn sie dazugehören, sind sie nicht unmoralisch und wenn sie nicht unmoralisch sind, wozu dann eine Zivilklausel?

Moralische Militärforschung?

Als bekannt wurde, dass an der Universität Tübingen, trotz einer Zivilklausel, mit Geldern der Bundeswehr geforscht wird, war die Empörung groß, doch die Rechtfertigung der Forscher folgte prompt: Das vom Verteidigungsministerium geförderte Projekt diene der Erforschung der besseren Behandlung von Patienten, die Organophosphaten ausgesetzt gewesen sind. Organophosphate kommen auch in chemischen Waffen vor, aber auch in Pestiziden. Nach Expertenschätzungen sterben jährlich 300.000 Menschen, hauptsächlich in der dritten Welt und hauptsächlich in Folge von Pestizideinsätzen, an der Vergiftung. Der zivile Nutzen verbesserter Behandlungsmethoden ist einleuchtend. Nicht jede militärische Forschung erscheint also auf den ersten Blick unmoralisch. Doch nicht für jeden heiligt der Zweck die Mittelgeber: Dietrich Schulze aus dem Beirat der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit gegenüber der TAZ: „Wenn dem Projekt ‚eine ausschließlich humanitäre Motivation‘ zugrunde liegen würde, müsste es aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums oder anderen zivilen Quellen gefördert werden.“

Doch normalerweise gibt es kein Geld vom Verteidigungsministerium sondern von Rüstungsfirmen. Das Verteidigungsministerium fördert Universitäten lediglich mit 10 Millionen Euro bundesweit, im Verhältnis zu den Investitionen der Wirtschaft fällt das nicht weiter auf. Die Förderung durch Wirtschaftsunternehmen lässt sich hingegen schwieriger schönreden, immerhin entwickeln hier Firmen Rüstungsgüter unter Zuhilfenahme staatlicher Infrastruktur, nämlich einer Uni, und wenig bezahlter Mitarbeiter, zum Beispiel Hiwis, um Produkte zu erstellen, welche sie dann an den Staat, der sie bereits subventioniert hat, weiterverkaufen, sofern dieser sich diese leisten kann. Zudem verkaufen sie diese Technik auch an andere Staaten und somit entsteht für die Bundeswehr kein technischer Vorteil. Muss man also vielleicht differenzieren zwischen Forschung für oder mit der Bundeswehr und Forschung für Rüstungsunternehmen?

Die Ausgaben der Rüstungsindustrie allerdings sind derart gigantisch, dass ein Überleben ohne sie für viele Lehrstühle oder Universitäten nicht mehr realistisch erscheint. Wer an der TU München Luft- und Raumfahrttechnik studiert, weiß, dass viel Geld von Unternehmen wie EADS kommt und in Forschungsbereiche geht, die auch militärischen Nutzen haben, so zum Beispiel der Hubschrauberbau. Würde die TU eine Zivilklausel unterschreiben, müsste man die eine oder andere Fakultät dicht machen. Auch an der Uni Kassel nimmt man Rüstungsgelder. Die Universität kooperiert in der Verfahrensoptimierung mit dem Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann, Europas größtem Panzerhersteller. Paradebeispiel ist allerdings das Massachusetts Institute of Technology: 650 Millionen Dollar, fast die Hälfte seines Forschungsetats, erhält das MIT vom Verteidigungsministerium der USA.

Realitätsferne

Kann man also ohnehin, ob man nun will oder nicht, gar nicht mehr auf Militärforschung verzichten? Ist also die Zivilklausel einfach nur realitätsfern? Denn die Rüstungsindustrie würde ihre Forschung ja nicht einstellen, sondern würde entweder hauseigene Forschungsinstitute vergrößern oder sich an nichtstaatliche Hochschulen wenden. Die Militärforschung würde dennoch stattfinden und den Unis würde das Geld fehlen. Besonders zahnlos erweist sich die Klausel schon deshalb, weil sie sogar von den Universitäten, die sie sich selbst verschrieben haben, ständig ignoriert wird. Ein Beispiel ist die Uni Bremen, Vorreiter in Sachen Zivilklausel: Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass die Universität fast eine halbe Million Euro für Forschung erhält, die militärischen Nutzen haben könne. In einer langen Debatte bekannte sich schlussendlich der Senat zur Zivilklausel. Wissenschaftler sollen nun zu Beginn ihrer Beschäftigung über die Zivilklausel informiert werden. Doch was Militärforschung und damit an Unis wie Bremen zu unterlassen ist und was nicht, müssen Forscher selbst entscheiden, und das ist gar nicht so einfach. Insbesondere dann, wenn Geld oder Know-How vom Verteidigungsministerium oder Rüstungsfirmen kommt, der Forscher aber in erster Linie einen zivilen Wissensgewinn sieht.

Im Neudeutschen hat sich der Begriff „Dual Use“ (doppelte Verwendbarkeit) eingeschlichen, um Forschung mit potentiell militärischem Nutzen zu rechtfertigen. „Dual Use“ heißt schlicht und einfach, dass das Projekt auch für zivile Zwecke nützlich sein kann. So rechtfertigt die Uni Tübingen auch ein zweites Projekt: Dabei geht es darum, Drohnen zu entwickeln, die sich eigenständig an Hindernissen vorbei bewegen können. Dabei stellen sich zahlreiche Herausforderungen, unter anderem die Verarbeitung von Videobildern, um Hindernisse zu erkennen. Partner in dem Projekt ist das Unternehmen Thales, das auch Rüstungsgüter entwickelt. Obwohl das Tübinger Projekt nicht explizit militärisch ist – Hinderniserkennung ist Grundlagenforschung und das Geld kommt von der EU – braucht es keine all zu blühende Fantasie, um zu erkennen, dass auch militärische Drohnen von den Ergebnissen profitieren können. Für Befürworter der Zivilklausel ist dies genug und „Dual Use“ ein Deckmantel.

Die Diskussion um die Vorgänge in Tübingen zeigt auf, dass die Grenzen zwischen militärischer und nicht-militärischer Forschung schwimmend sind und dass nicht immer klar ist, ob die geldgebende Organisation, die Motivation der Forscher selbst oder die anvisierte Nutzung der Ergebnisse das ausschlaggebende Argument sein soll. Das Dilemma geht noch viel weiter: Viele Erfindungen, sogar wenn sie zuerst militärischen Zweck hatten, sind heute zivil genutzte Technologien. Bei einigen, zum Beispiel dem GPS und dem Internet, kann man gar argumentieren, dass sie erheblich zur Verbesserung der Leben vieler beigetragen haben. Gleichzeitig sind Ergebnisse aus friedlicher Forschung auch immer wieder zu militärischem Nutzen gekommen. Eine Kristallkugel gibt es nicht.

Dem Gewissen verpflichtet

Der Physiker Robert Oppenheimer schrieb 1945 nach dem Test der ersten Atombombe in sein Tagebuch: „Now I am become Death, the destroyer of worlds“. In den Jahren nach dem Krieg versuchte er, bekanntermaßen erfolglos, die Ausbreitung und Weiterentwicklung von Atomwaffen zu stoppen. Es ist müßig zu diskutieren, ob er die Mitarbeit im Manhattan Project hätte verweigern sollen oder ob sein Gewissen nicht etwas spät einsetzte. Die Suche nach dem Gewissen in der Forschung und in jedem Forscher hingegen muss in der Diskussion eine stärkere Beachtung finden. Die Vorstellung, Rüstungsforschung in Deutschland zu stoppen, mag unrealistisch und trotzdem gleichzeitig erstrebenswert sein. Vielleicht ist dies eine kognitive Dissonanz, mit der wir leben lernen müssen. Von der Idee, dass Forschung lediglich die Suche nach Wahrheit ist, inhärent frei von den Fragen nach richtig und falsch, weder moralisch noch unmoralisch, kann man sich in jedem Fall verabschieden.

Wer weiterdenkt, muss sich die Frage stellen, ob es wirklich nur die Rüstungsindustrie ist, welche den Frieden bedroht. Pharmaunternehmen, Lebensmittelforschung, Saatgutunternehmen, Textilindustrie und viele mehr finanzieren Wissenschaft und sind bekanntermaßen nicht über jeden Zweifel erhaben. Die Ausbeutung der dritten Welt für billige Arbeitskraft, Monokulturen, von denen sich eine Bevölkerung nicht ernähren kann, unbezahlbare Preise für lebensrettende Medikamente… Die logische Konsequenz glauben 27 europäische Professoren gefunden zu haben: In ihrem Zürcher Apell fordern sie im März 2013 eine grundsätzliche Überprüfung nicht-staatlicher Mittel in der Forschung, eine Universitätslandschaft, die frei ist „von politischen, ideologischen oder ökonomischen Verwertungsinteressen“.

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Flucht in den Frieden https://www.studentenpack.de/index.php/2013/01/flucht-in-den-frieden/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/01/flucht-in-den-frieden/#respond Tue, 15 Jan 2013 23:00:57 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=93448
mit freundlicher Genehmigung von Flickr-Nutzer For91days

Umeswaran Arunagirinathan ist dem Bürgerkrieg auf Sri Lanka entkommen.


Wenn der Tag eines zwölfjährigen Jungen mit den Worten „Umes, du fliegst heute!“ beginnt, kann das so einiges bedeuten. Für Umeswaran Arunagirinathan kündigten sie 1991 allerdings nicht den Beginn einer Klassenfahrt an, sondern den Anfang einer acht Monate langen Flucht quer über die Kontinente mit dem Ziel, in Hamburg anzukommen und dort ein friedliches Leben führen zu können.

Wie es dazu kam und wie es anschließend weiterging, davon erzählte er am 10. Dezember im Rahmen der Vortragsreihe „Einblick schafft Durchblick“ der Fachschaft Medizin einem interessierten, etwa hundertköpfigen Publikum, dem auch einige bekannte Gesichter aus seiner Zeit in Lübeck angehörten, denn: Umes hat hier in Lübeck Medizin studiert. Mitgebracht hatte er das Buch, das er über seine Erlebnisse während der Flucht aus Sri Lanka und nach seiner Ankunft in Deutschland geschrieben hat und aus dem er zwischen seinen Schilderungen auch einiges vorlas.

Der Grund für die Flucht aus Sri Lanka liegt nahe: Von 1983 bis 2009 herrschte in Sri Lanka, vor allem im Norden, Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und der tamilischen Minderheit, zu der auch Umes und seine Familie gehören. Die Kindheit des 1978 geborenen Umes war dadurch sehr von diesem Krieg geprägt. Von klein auf bekam er mit, wie Nachbarn bei Bombenangriffen ums Leben kamen, wie überlegt wurde, wie und wohin man am besten fliehen könnte und womit man noch seinen Lebensunterhalt verdienen kann, wenn es zu gefährlich wird, in die Stadt zu fahren, um dort Zwiebeln zu verkaufen. Seine Schule wurde geschlossen, die große Schwester starb an den Folgen einer bei uns problemlos behandelbaren Nierenerkrankung und die „Tamil Tigers“, eine paramilitärische, für einen unabhängigen tamilischen Staat kämpfende Gruppierung, zog durch die Lande und brachte schon Kinder dazu, sich ihnen als künftige Soldaten anzuschließen.

Zukunft? Ungewiss.

Umes’ Mutter machte sich immer größere Sorgen um das Leben und die Zukunft ihres ältesten Sohnes und fasste daher den Entschluss, ihn nach Deutschland zu einem Onkel zu schicken, der sich bereiterklärt hatte, ihn aufzunehmen und die Flucht finanziell zu unterstützen. Doch „jemanden nach Deutschland schicken“ klingt einfacher als es ist, wenn im Land Krieg herrscht und es unmöglich ist, einfach ein Visum für Deutschland zu bekommen. Die beiden reisten von Puthur im Norden Sri Lankas nach Colombo im Süden, wo Umes’ Mutter einen sogenannten Schlepper ausfindig machte, der für damals 15.000DM die illegale Reise ihres Sohnes nach Deutschland organisieren sollte. Die Schulden für seinen eigenen und den Schlepper seines jüngeren Bruders sollten Umes noch jahrelang begleiten.

Nachdem endlich diverse Formalien geregelt waren, ging für Umes am 6. Januar 1991 die turbulente Reise los: Angeblich zu einem Besuch bei Verwandten flog er zuerst nach Singapur, bevor es nach einem Zwischenstopp in Arabien weiter nach Togo ging. Hier warteten Umes und viele andere Tamilen monatelang auf die Weiterreise, immer zwischen der Hoffnung, schon bald auf dem direkten Weg nach Europa zu sein, und der sich nach Monaten ereignislosen Ausharrens breitmachenden Resignation. Was in der Heimat geschah, wusste keiner so genau: Telefonate waren sehr teuer und das alte Radio, mit dem einer der Männer Tag für Tag versuchte, Empfang zu bekommen und Nachrichten zu hören, funktionierte nur manchmal. Als Informationsquelle blieben lediglich die Neuankömmlinge aus Sri Lanka, die von immer neuen Bombenanschlägen berichteten und damit niemanden beruhigen konnten, denn die Sorge um die Verwandten war bei allen groß.

Die Versuche, Flüchtlinge über Marokko oder Benin nach Europa zu bringen, scheiterten und auch Umes musste, nachdem er sich zu Fuß inmitten einer Gruppe afrikanischer Frauen über die Grenze nach Ghana geschmuggelt hatte, nach einem weiteren Monat des Wartens entmutigt nach Togo zurückkehren. Der darauffolgende Versuch, über Benin, Nigeria und Spanien nach Deutschland zu fliegen, glückte dann aber endlich und nach nur einer Nacht in einem Heim in Frankfurt wurde Umes am 11. September 1991 von seinem Onkel abgeholt und mit nach Hamburg genommen. Dort angekommen konnte er schließlich ohne Angst vor Bomben werfenden Hubschraubern seine Jugend verbringen.

Mit Glück und sehr viel Arbeit vom sozialen Brennpunkt ins Uniklinikum

In all der Zeit hat Umes hart gearbeitet, sei es als Tellerwäscher, Putzmann oder Extrawache im Krankenhaus, um möglichst früh seine Eltern unterstützen zu können.

Doch er hat auch sehr viel Glück gehabt: Hätte er keinen Onkel in Hamburg gehabt, der seine Flucht finanziell unterstützt, wäre es ihm nicht möglich gewesen, dem Krieg zu entkommen. Wäre er während der Flucht nach Deutschland als illegaler Flüchtling geschnappt und zurückgeschickt worden, wäre er in Sri Lanka wahrscheinlich direkt im Gefängnis gelandet. Hätte er, als sein Asylantrag abgelehnt wurde, nicht die Unterstützung seiner Lehrer und vieler Eltern der Schule gehabt, die sich mit einer Petition für sein Bleiben einsetzten, hätte er nicht einmal sein Abitur in Deutschland ablegen dürfen. Nach dem Abschluss hätte Umes ohne die Hilfe des Hamburger Senats sowie eine Bürgschaft seines Patenonkels keine Aufenthaltsbewilligung für sein Medizinstudium in Lübeck bekommen und ohne Spenden, die es ihm erlaubten, eine Zeitlang nicht arbeiten zu müssen, hätte er sein Physikum im dritten und letzten Anlauf vielleicht nicht bestanden.

Ende gut, alles gut?

Letztlich ist für Umes dann doch irgendwie alles gutgegangen, immerhin arbeitet er mittlerweile als Assistenzarzt im Herzzentrum des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg, derzeit in der Kinderherzchirurge. Seinen Eltern kann er dadurch regelmäßig Geld schicken und ihnen so ein Leben im Süden Sri Lankas, in Sicherheit, finanzieren. 2008 erhielt er endlich seinen deutschen Pass und jetzt hofft er, in drei Jahren sowohl seinen Doktortitel als auch den Facharzt für Herzchirurgie in der Tasche zu haben. Bis dahin versucht Umes weiter, sich für andere einzusetzen und ihnen an seiner eigenen Biografie zu zeigen: Man kann es schaffen, als kein Wort Deutsch sprechendes Flüchtlingskind erfolgreicher Arzt zu werden, man darf nur nicht den Mut verlieren.

Vor seinem Abflug nach Singapur nahm Umes’ Mutter ihrem Sohn das Versprechen ab, bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka als Arzt zu kommen, nicht zu rauchen und nicht zu trinken. Letzteres zwang die Organisatoren dazu, die bei Präsenten nahezu obligatorische Weinflasche nach Ende der auf die Lesung folgenden Fragerunde dezent hinter dem Medientower des Audimax verschwinden zu lassen, was bei dem einen oder anderen aufmerksamen Beobachter für ein Schmunzeln sorgte.

Doch obwohl Umes mittlerweile Arzt, noch immer Nichtraucher und alkoholabstinent ist, glaubt dieser nicht, dass er je wieder nach Sri Lanka reisen wird: Sein Buch „Allein auf der Flucht – Wie ein tamilischer Junge nach Deutschland kam“ und die Tatsache, dass er illegal das Land verlassen hat, dürften ihn in Sri Lanka nicht gerade zum gern gesehenen Gast machen, sodass er voraussichtlich sicherheitshalber nicht nach Sri Lanka zurückkehren wird.

Denn obwohl sich die Verhältnisse in Sri Lanka seit Ende des Bürgerkriegs 2009 verbessert haben, traut Umes sich nicht, zurückzukehren: Noch immer werden politische Gegner ausgeschaltet und richtige Pressefreiheit gebe es auch nicht, sagt er, doch die Menschen seien dankbar, dass nun Frieden ist. So fand auch das bisher einzige Wiedersehen mit seiner Mutter 15 Jahre nach seiner Flucht nicht in Sri Lanka, sondern bei seiner Schwester in London statt, was für alle Beteiligten ein wenig seltsam war: Umes, der Hamburg mittlerweile als seine Heimat betrachtet, ist in Deutschland voll integriert, seine Schwester lebt in einem von sehr vielen Tamilen bewohnten Viertel und ihre Mutter in Sri Lanka, was durch mehr als genug Unterschiede in Lebensstil und Ansichten etliche Diskussionen über Mode und Lebensplanungen provozierte.

Wer mehr über Umeswaran Arunagirinathans Leben in Sri Lanka, seine Flucht nach Deutschland oder die Probleme, mit denen er hier zu kämpfen hatte, erfahren möchte, kann entweder bei Amazon eines der letzten Exemplare von „Auf der Flucht“ bestellen oder aber noch ein bisschen abwarten: Derzeit schreibt Umes an seinem zweiten Buch, in dem er zusätzlich beispielsweise auf seine Erfahrungen als dunkelhäutiger Arzt in Deutschland eingehen wird.

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Mölln ’92 – Gedenken und anklagen! https://www.studentenpack.de/index.php/2013/01/molln-92-gedenken-und-anklagen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/01/molln-92-gedenken-und-anklagen/#respond Mon, 14 Jan 2013 23:00:38 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=93441 „Ich kann es immer noch nicht fassen, was am 23. November 1992 mit meiner Familie geschehen ist. Es ist so schrecklich und grausam. Meine Frau Bahide ist tot, Enkelin Yeliz und Ayşe Yilmaz sind tot. Meine Schwiegertöchter sind […] behindert und haben Schmerzen, die Familie ist überhaupt nicht mehr, was sie war. Meine Frau Bahide war der Mittelpunkt meiner Familie – meines Lebens.“ (Nazim Arslan am 23. Juni 1993 vor dem II. Strafsenat, Oberlandesgericht Schleswig)

Mit diesem Zitat beginnt der Aufruf der bundesweiten Kampagne „Rassismus tötet“ zur Gedenkdemonstration anlässlich des 20. Jahrestages der rassistischen Brandanschläge mit drei Todesopfern und zahlreichen Verletzten in Mölln, Kreis Herzogtum-Lauenburg. Am Abend des 23. November 1992 werden in Mölln zwei Wohnhäuser mit Molotowcocktails attackiert. In der Ratzeburger Straße können sich die Bewohner_innen noch knapp aus dem Haus befreien, bei dem Anschlag in der Mühlenstraße ist das Vorgehen der Täter brutaler. Das Treppenhaus wird mit Benzin überkippt und entzündet, auf der Rückseite des Hauses werden die Fluchtwege gezielt mit Molotowcocktails in Brand gesetzt. In den Flammen dieses Anschlages sterben die 51-jährige Bahide Arslan, die zehnjährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayse Yilmaz. Verantwortlich für diesen Anschlag sind zwei lokale Neonazis, welche schon bei den Anschlägen in Rostock-Lichtenhagen in Erscheinung getreten waren.

Da der AStA diesen Aufruf unterstützte, trafen sich am 17. November bei klirrender Kälte elf von 3500 Studierenden der Universität zu Lübeck, um gemeinsam mit etlichen anderen jungen Lübeckern den Weg nach Mölln anzutreten. Dort angekommen versorgten wir uns erstmal am Kundgebungsort mit bereitgestellter Suppe und Kaffee, bis um 12:30 Uhr die Demonstration mit zwei Redebeiträgen vom lokalen Bündnis gegen Rassismus begann. Danach zogen die circa 600 Personen durch die Stadt zum alten Marktplatz. Hier hielt ein Mitglied der Familie Arslan eine sehr bewegende Rede. Als direkt Betroffener kritisierte er den juristischen Umgang mit der Tat, die ausbleibende Solidarität und das daraus entstehende Gefühl der Hilflosigkeit, wie auch die heutigen Zustände bezüglich der Morde der NSU und der unwürdigen Gedenktafel, die am Haus befestigt ist. Am Ende bedankte er sich bei allen Anwesenden und bekräftigte die Wichtigkeit dieses Solidaritätszuspruches – „Wir, ihr alle seid die Familie Arslan“. Viele Teilnehmer waren sichtlich bewegt von dieser Rede und so zog danach die Demonstration schweigend am damaligen Tatort vorbei. Auch diese große, ruhige Menschenmasse war sehr beeindruckend. Danach lief die Demonstration einmal quer durch Mölln, um mit einer Abschlusskundgebung vor der Stadthalle ihren Abschluss zu finden. Es folgte ein buntes Rahmenprogramm mit Informationsständen von lokalen Initiativen, Volksküche und als Highlight ein Konzert unter anderem mit Jan Delay. Insgesamt war die Veranstaltung unserer Meinung nach ein würdiges Gedenken an die Opfer, verpasste es aber auch nicht die aktuellen Missstände anzuprangern.

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Weltklimadiskussion https://www.studentenpack.de/index.php/2010/01/weltklimadiskussion/ https://www.studentenpack.de/index.php/2010/01/weltklimadiskussion/#respond Mon, 11 Jan 2010 10:00:10 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=109652
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„Wir sagen Ja zum Klimawandel.“

Extra-3 vom 13. Dezember 2009: Moderator Tobias Schlegel macht es sich mit den Slogans „Freunde des Klimawandels“ und „Wir sagen Ja zum Klimawandel“ auf dem Marktplatz von Lübeck bequem und interviewt Weihnachtsmarktbummler über ihre Meinungen zum Klimawandel.

Die Antworten: „Gegen 5 °C mehr habe ich nichts, ist doch nicht schlecht, dann kann man abends noch spazieren gehen, es ist gut für die Gesundheit und das Wasser würde wärmer.“ Auch wird für Schlegels Aufrufe „Schwimmflügel für Kinder auf den Malediven“ und „Strandkörbe für Afrikaner in Gebieten der Wüstenbildung“ fleißig gespendet.

Ich fand diese Antworten erst einmal lustig, doch beim Recherchieren wurde mir immer bewusster, dass es Einige gibt, die tatsächlich und ernsthaft so denken, die sich für dieses Thema nicht interessieren. Und dass es Öl- und Kohlekonzerne gibt, die offensichtlich aus ihrer eigenen Interessenlage heraus den Klimawandel herunterspielen oder sogar ganz in Frage stellen.

Dass im System des Weltwetters etwas faul ist, können aber selbst die hartnäckigsten „Klimaleugner“ nicht mehr schönreden, zu offensichtlich sind die Häufungen und Ausmaße von Wetterkatastrophen in den letzten Jahren geworden.

Aber die Interpretationen des „Warum?“ ebenso wie das Spektrum des „Was können wir dagegen tun?“ sind weit gefasst. Es gibt viele Meinungen darüber, wie direkt wir eigentlich betroffen sind und wie akut die momentane Entwicklung des Weltklimas überhaupt ist.

Wir an unserer naturwissenschaftlich geprägten Universität haben zwar Informationsvorteile, wissen um dem Treibhauseffekt durch Freisetzung von Methan und Kohlendioxid, lernen, wie zum Beispiel der Temperaturhaushalt von Tieren durch das Wetter beeinflusst wird und haben dazu noch eine Naturgewalt, die Ostsee, direkt vor der Haustür. Doch wissen wir tatsächlich auch besser Bescheid, interessiert es uns mehr als andere? Es geht um unsere Zukunft und wir haben eigentlich das Wissen um die Zusammenhänge, doch im Prinzip tun wir nichts, überlassen das Feld anderen. Die Atomlobby feiert ihre Kohlenstoffdioxid-freien Kernkraftwerke, wohl verschweigend, welchen jahrhundertelang strahlenden Müll sie produziert, für den es keine geeigneten Lagerplätze gibt. Auch der Abbau des Urans ist alles andere als umweltfreundlich und die Ressourcen sind begrenzt. Andere setzen auf die Verwirrtaktik und behaupten, die Natur selbst und nicht der Mensch bewirke die Klimaveränderung. Wieder andere sagen, die Temperatur auf der Welt falle seit 2002, die Eiskappen an den Polen schmelzen, nein, sie schmelzen nicht, in naher Zukunft werden wir alle in Naturkatastrophen untergehen, bald ist eine neue Eiszeit zu erwarten.

Bei diesem Informationschaos und mehr oder weniger gezielten Fehlinformationen war es meiner Meinung nach irrsinnig, zu erwarten, dass eine internationale Klimakonferenz, wie die in Kopenhagen, Erfolg haben könnte. Jeder findet die Argumente, Forschungsergebnisse und Experten für die Meinung und Zielsetzung, die für das eigene Land gewinnbringend erscheint.

Die größten Klimaskeptiker sind wohl im Heartland Institute in Chicago zu finden. Sie leugnen den Treibhauseffekt und kritisieren stattdessen die „Panikmache“ und beschworene Klimakrise. Sie sagen, die Hysterie führe zu einer schlechten Wissenschaft, die Modelle entwickle, die nicht der Realität entsprächen; das Wetter sei stabil und die Klimaschwankungen im Vergleich mit der Weltklimageschichte natürlich und nicht auffällig. Dem Institut gegenüber steht das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Hier arbeiten Wissenschaftler an so genannten Sachstandsberichten über den neuesten Wissensstand zum Thema Klimaänderung und dem Umgang damit. Diese Berichte werden wiederum von Experten aus der ganzen Welt bewertet und kontrolliert. In dem letzten Bericht dieses Instituts wird festgestellt: „Der größte Teil des Anstiegs der mittleren globalen Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts geht sehr wahrscheinlich (das bedeutet, die Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Aussage liegt oberhalb von 90 Prozent) auf die Zunahme der vom Menschen verursachten Treibhausgase in der Atmosphäre zurück.“ (IPCC 2007, S.10).

Und dann gibt es noch die, die den Klimawandel anerkennen und begrüßen.

Ein Beispiel dafür ist Russland. Hier werden die Stimmen, vor allem auch in der Regierung, lauter, die die Erwärmung dazu nutzen wollen, in Zukunft große Teile Russlands in ein landwirtschaftlich nutzbares Land zu verwandeln. Russland müsse nicht in Panik verfallen, weil die globale Erwärmung für sie keine solche Katastrophe sei wie für andere Länder. Gegenstimmen aus Regionen wie etwa in Sibirien, wo der Permafrostboden taut, oder dem Kaukasus, wo mit langen Hitzeperioden gerechnet werden muss, werden bei dieser Argumentation aber ausgeblendet. Russland hofft in diesem Zusammenhang auf ein Milliardengeschäft im Emissionshandel, um mit dem hier einzunehmenden Geld die Infrastruktur ausbauen zu können.

Ihr seht, es wird sehr viel geredet, verfasst, nieder geschrieben. Ich könnte euch mit seitenlangen Aufzählungen weiterer unterschiedlicher Meinungen und Ansichten langweilen. Aber gerade das wäre das schlechteste, denn wird ein Thema breitgetreten, hat kaum noch jemand Interesse, sich damit zu beschäftigen, selbst wenn es dabei um etwas so wichtiges, wie unsere Erde geht.

Man sollte, man muss aufschreien, wenn im Mittelpunkt unserer Gedanken nur die Wirtschaft steht und nicht auf die Ökologie geachtet wird. Wenn nur der eigene Horizont wahrgenommen wird, ganz nach dem Motto: Was interessiert es mich, wenn künftig in Afrika Kriege um Wasser und Nahrung geführt werden. Wenn irgendwelche Inseln mit Namen, die man sowieso nicht aussprechen kann, untergehen. Und die Tiere sollen sich nicht so anstellen, das ist ja natürliche Auslese; die Eisbären sind ja auch dumm, wenn sie es sich auf Eisschollen bequem machen, die abtreiben, da haben sie es auch nicht besser verdient als zu ertrinken.

In Wirklichkeit spielen wir mit dem Feuer, das Klima-System ist sehr komplex, sehr sensibel. Schnellkorrekturen gibt es nicht. Es ist kein Spiel, was einfach neu begonnen werden kann, wenn wir, auch die Weihnachtsmarktbummler und wir kleine Studierendenschaft aus Lübeck, versagen.

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Der stille Staatsstreich https://www.studentenpack.de/index.php/2010/01/der-stille-staatsstreich/ https://www.studentenpack.de/index.php/2010/01/der-stille-staatsstreich/#respond Mon, 11 Jan 2010 08:00:24 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=109218 Euer großes Interesse und Eure zahlreiche Teilnahme am Vortrag des Afghanistan-Experten Dr. Reinhard Erös – das Audimax war mit mehr als 400 Leuten fast voll besetzt – hat uns als Fachschaft Medizin dazu bewogen, eine Vortragsreihe unter dem Motto „Einblick schafft Durchblick“ zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen ins Leben zu rufen. Wir sind sehr froh und glücklich darüber, dass wir mit Harald Schumann, einem ausgewiesenen Finanzexperten, abermals einen sehr engagierten und aufrüttelnden Redner haben gewinnen können.

Harald Schumann ist Autor des Weltbestsellers „Die Globalisierungsfalle“ und warnte in seinem neuesten Werk „Der Globale Countdown“ bereits vor Ausbruch der Finanzkrise vor den riskanten Entwicklungen auf den Kapitalmärkten.

Inzwischen, so wird suggeriert, sei die Krise dank des entschlossenen politischen Handelns abgewendet. Es sei nur eine Frage der Zeit und der Maßnahmen, die zur Wachstumssteigerung ergriffen werden müssten, und der nächste Aufschwung komme bestimmt. Doch bestanden die
politischen Maßnahmen vor allem darin, dass der Staat sich in Form direkter Zahlungen und Bürgschaften in schier unvorstellbarem Ausmaß verschuldete, um Banken und Unternehmen zu retten. Und eben diesen Retter in der Not will man jetzt zur „Wachstumsbeschleunigung“ auch noch seiner Steuereinnahmen berauben.

Unabhängig davon, ob man die fromme Hoffnung teilt, die verringerten Staatseinnahmen würden mehr als ausgeglichen, wenn das Wachstum erst wieder steigt: Sind denn die Ursachen der jetzigen Krise beseitigt? Wurden Maßnahmen ergriffen, welche ein neuerliches Ereignis dieser Art verhindern? Sind die Verantwortlichen auch zur Verantwortung gezogen worden?

Nur wenige Experten auf diesem Themengebiet sind in der Lage, diese Entwicklungen in all ihren Zusammenhängen sowie wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Konsequenzen für eine breite Öffentlichkeit so verständlich zu machen wie Harald Schumann.

Der Vortrag „Angriff auf die Staatskasse – Der stille Staatsstreich der Finanzindustrie“ findet am 18. Januar um 18:30 Uhr im AM1 des Audimax statt, der Eintritt ist frei. Wir freuen uns schon auf den sicher sehr interessanten Abend mit Euch und Harald Schumann.

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5 000 000 Arbeitslose – Freude oder Trauer? https://www.studentenpack.de/index.php/1998/07/5-000-000-arbeitslose-freude-oder-trauer/ https://www.studentenpack.de/index.php/1998/07/5-000-000-arbeitslose-freude-oder-trauer/#respond Wed, 01 Jul 1998 10:00:05 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212321 Ja ja fünf Millionen Arbeitslose. Eigentlich sind es ja fast acht Millionen, die Frührentner und Umschulungen mitgerechnet. Doch woher kommen alle diese Menschen, die nichts mehr finden, wo sie beschäftigt werden könnten? Noch vor 30 Jahren waren es zu wenig Arbeitnehmer. Ein Teil der Arbeitslosen kommt sicher von der Auslagerung in Billiglohnländer, ein Teil von der Umstrukturierung von einst staatlichen Betrieben.

Nun stelle ich die Frage, wie viele Menschen wegen der Automatisierung, also der Einführung von Robotern und Computern, arbeitslos geworden sind, und vor allen Dingen, wie viele Arbeitslose wird es in der nächsten Zeit geben, wenn z.B. die Banken den allwissenden Automaten einführen!

Natürlich erschaffen wir durch das Bauen von Computern wieder neue Arbeitsplätze, doch welch Bilanz.

 

An dieser Stelle möchte ich aber auf den eigentlichen Punkt meines Anliegens aufmerksam machen.

Welches war schon immer das Ziel der Menschen? Es war nicht das Arbeiten, sondern das Genießen. Das Liegen im Garten, und eben nicht den Apfel sondern die Birne zu pflücken. Die Schaffung des Paradieses auf Erden also.

Nie werden wir dieses Ideal erreichen, immer werden einige wenige für die anderen arbeiten müssen, aber einige werden dadurch erst glücklich.

So plädiere ich also dafür, Arbeitsplätze für die kommenden Computergenerationen zu öffnen und die Arbeitnehmer in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Wenn auch endlich mal der Pflegebot, der Operateurbot und der Phychobot erschaffen worden sind, können wir auch die gesamte Belegschaft der Krankenhäuser in Urlaub schicken.

 

Also, kreative Köpfe der Computerindustrie, laßt uns einen Gang zulegen, damit auch wir noch unsere Früchte ernten können…

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