provisorium – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 29 Sep 2014 19:55:49 +0000 de-DE hourly 1 Ein Mensch https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/ein-mensch/ https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/ein-mensch/#respond Mon, 01 Jan 1968 13:20:36 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212415 Ein Mensch, der ausgehaucht sein Leben,
ist bestenfalls, so gerade eben,
nochmals ein Anlass für die Erben
Sich um den Nachlass zu bewerben.
Man tragt sich schwarz, bestellt den Kranz,
zerdrückt auch Tränen und tut ganz
als wäre nun mit ihm hienieden
ein Mittelpunkt der Welt verschieden.
Am Grabe schon, vielleicht im Jahr,
ist alles wieder, wie es war.
Ein Grabstein dreißig Jahr verkündet,
daß sich hier Würmerfutter findet.-
Wie eindrucksvoller sind doch Leichen,
die nie ein Gräberfeld erreichen.
Als Menschen nahm man sie nicht wichtig,
ihr Leben war zumeist auch nichtig.
Doch nun als Leichen kern die Wendung,
denn es begann für sie die “Sendung”,
All, was das Leben nicht entboten,
die Ehrung, ward den Leichentoten.
Man hegte sie und pflegte sie
als Fall für die Anatomie.
Anstelle schwarz trägt man jetzt weiß
und in der stud. med. scheuen Kreis
erscheint voll Würde ein Professor
mit Gummihandschuh und mit Messer
und spricht vor der erblassten Schar
von dem, was hier ein Mensch einst war.
Die Luft ist gerade nicht erfreulich,
es stinkt sehr penetrant abscheulich.
Und ob es auch zunächst geniert,
der Mensch wird Stück für Stück seziert,
und dieses Spiel man weiter treibt,
bis nichts vom Menschen übrigbleibt.
So kommt der Mensch nun doch zu Ruhm
und nicht erträumtem Ehrentum,
verkehrt nur noch mit Hochschullehrern,
mit Assistenten und mit Hörern.

So bleibt jedwedem noch der Trost,
daß er seziert wird — na, denn Prost!

(Einem cand. med. von seinem Onkel zum Physikum).

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Anno Barnardi 911 (A.D. 2878) https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/anno-barnardi-911-a-d-2878/ https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/anno-barnardi-911-a-d-2878/#respond Mon, 01 Jan 1968 13:02:39 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212408 Nach Ableistung von 1009 Jahren Leben nahm Karl Behrhof eine fortschreitende Schwäche und damit die Möglichkeit seines Todes wahr.

Er dachte daran, daß es eigentlich schon vor 879 Jahren soweit gewesen wäre. Da er jedoch einer der ersten wurde, für die die Todesamnestie in Kraft trat, kam er trotz eines akuten Nierenversagens nicht mehr in den Genuss eines Lebensendes.

Die Gesundheitsbehörde hatte ihn wie alle anderen registriert, sein Wohlergehen ständig überwacht und war mit zwei neuen Nieren sofort zu seiner Rettung erscheinen.

Diese Nieren hatte er sich schon vorher neben den übrigen Organen an Hand eines Kataloges bestellen müssen. Da er die Farbe türkis gern leiden mochte – seine Großtochter hatte ihr Besucher-WC in diesem Ton kacheln lassen – wählte er die Spares (engl. am. Ersatzteile, sprich: Spärs) in dieser Ausführung.

Man hatte ihn also gerettet. So ganz recht war es ihm nicht gewesen. Da er konservativ erzogen worden war, vertrat er noch die Auffassung: “Nach Leben Tod”, die er im Sinne “Nach Regen Sonnenschein” verstand.

Er hatte sich in den Nmstand eines verlängerten Lebens gefügt, die Sahara in ein ertragreiches Marmeladenbrot – Anbaugebiet verwandelt, Arktis und Antarktis vom Permafrost befreit (was ihm von Väterchen Prost eine Beleidigungsklage einbrachte), viel gelesen und seiner Freundin im Pferderennen ein moderneres Innenohr erwettet.

Zwischendurch hatte er sich einmal im Selbstmord versucht, indem er sich während des Sahara – Aufenthaltes im Rahmen des täglichen Stabhochspringens auf einen Haufen Marmeladenbrotformenschrott fallen ließ. Dabei verlor er seine Leber. Er hatte jedoch vorübergehend vergessen (das Klima!), daß im Kühlraum der Kantine seine türkise Spare-Leber lag.

Nun war mit dieser zunehmenden Schwäche sein Tod wieder in den Bereich des Erdenklichen gerückt.

Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, trainierte er weiter auf dem Trampolin, was ihn, wie er beglückt feststellte, immer stärker ermüdete, und nahm erfolgreich an zwei Wildwasser-Kanuregatten teil.

Danach plante er, wie er seinen Angehörigen beim Abschied sagte, die Verquickung des südamerikanischen mit dem afrikanischen Kontinent per Plugzeugschlepp.

In Wirklichkeit verkroch er sich in einer Litfaßsäule und verstarb dort.

Als er aufwachte – es roch nach Grünkohl mit Brägenwurst – erzählte ihm seine Freundin, daß ihr Schoßhund, der Pekinese Tamariske, ihn er schnüffelt, ausgegraben und nach Hause vor die Tiefkühltruhe gezogen hatte. Der Hausmeister in seiner Eigenschaft als Spare-Wart hatte dann 1. Hilfe geleistet und das türkise Herz eingeklinkt.

Beim letzten Schluck des Silvestersekts erwog Karl Behrhof resignierend seine Todeschancen für das neue Jahr 2879.

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Der Tönnies-Kreis in Lübeck https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/der-tonnies-kreis-in-lubeck/ https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/der-tonnies-kreis-in-lubeck/#respond Mon, 01 Jan 1968 12:44:24 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212401 Seit mehr als einem Jahr besteht in Lübeck der Tönnies-Kreis. Zu ihm gehören eine Gruppe an der Medizinischen Akademie, eine weitere Gruppe an der Ingenieurschule und einige Studenten der Hamburger Universität, die in Lübeck wohnen.

Der Tönnieskreis wurde in Anlehnung an den Tönnieskreis der Universität Kiel gegründet. Er gehört dem Sozialdemokratischen Hochschulbund an. Gefördert wird der Kreis wie alle politischen Hochschulgruppen einmal aus Landesmitteln, vor allem aber von der Ferdinand Tönnies-Gesellschaft. Diese Gesellschaft besteht in Kiel und hat sich zur Aufgabe gestellt, das Andenken an den Soziologen Ferdinand TÖnnies zu pflegen und Studentengruppen zu fördern, die sich vor allem mit gesellschaftlichen Problemen beschäftigen. Tönnies (1855-1936) war ein bürgerlicher Soziologe, der als bedeutender Vertreter seines Faches Präsident der Deutschen Gesellschaft für Soziologie war und in späteren Jahren in die SPD eintrat.

Diejenigen, die sich zur Gründung des Lübecker Kreises zusammenfanden, halten es für erforderlich, daß sich Studenten mit politischen Problemen auseinandersetzen. Die Erfüllung dieser Forderung ist in und mittels eines studentischen Diskussionskreises oder einer der bekannten politischen Hochschulgruppen eher möglich als im Alleingang. Die Hochschulgruppe hat vor anderen Organisationsformen den Vorteil der finanziellen Unterstützung und damit die Chance, in die Öffentlichkeit zu wirken.

Die dem Tönnies-Kreis angehörenden Medizinstudenten haben nicht einheitliche politische Meinungen; nur ein Mitglied gehört zugleich der SPD an. Zur Mitarbeit im Tönnies-Kreis sind Unabhängige, aufgeschlossene Konservative, Sozialdemokraten und Liberale aufgerufen; Nationalsozialismus, Kassismus und Kommunismus sind mit den Zielen des Kreises unvereinbar. Der SHB ist keine Gliederung der SPD und somit kein Außenposten dieser Partei an den Universitäten. Es ist bekannt, daß der Hochschulbund die Praktiken der Partei oft kritisiert und die Verwirklichung der innerparteilichen Demokratie und die Möglichkeit der ständigen Kontrolle der gewählten Repräsentanten fordert. Zwar werden auf Bundesebene die politischen Vorstellungen und Ziele des SHB in Richtlinien von Zeit zu Zeit neu festgelegt, die einzelnen Gruppen aber sind in der Gestaltung ihres Programms völlig frei. Die Formen der politischen Aktivität hängen allein ab von den Vorstellungen, der Zeit und der Einsatzbereitschaft der Mitglieder. Solche Formen können sein: Podiumsdiskussionen, öffentliche Vorträge, Informationsabende, aber auch mehr oder weniger regelmäßige “Biertischgespräche”, .In einem größeren Kreis könnten Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich nit speziellen Themen auseinandersetzen. Der Inhalt der politischen Themen wird sich hier in Lübeck den bestehenden Verhältnissen anpassen: aktuelle politische Vorgänge, vor allem aber hochschulpolitische Fragen; außerdem sozialpolitische und soziologische Probleme, denen sich der Mediziner in der Gesellschaft gegenübersieht. Während des Semesters und in den Ferien bietet der SHB zudem eine Reihe von Wochenendseminaren an (in diesem Semester u.a. über Hochschulpolitik, Deutschlandpolitik, Israel-Frage), die in Berlin und Städten der Bundesrepublik stattfinden und in der Regel gratis sind.

In den beiden letzten Semestern hat der Tönnies-Kreis u.a. folgende öffentliche Veranstaltungen durchgeführt: Eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aller Parteien vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein; einen Vortrage von Professor Nell-Breuning über wirtschaftliche Mitbestimmung; ein Informationsabend mit Berliner Studenten über die Berliner Ereignisse am 2. Juni 1967; Gespräche mit EDJ-Mitgliedern aus Schwerin; ein Vortrag mit Diskussion über Südafrika.

Die Gruppe des Tönnies-Kreises an der Akademie besteht aus 7 Mitgliedern, von denen jetzt 5 mit dem Examen beginnen; deshalb war es in diesem Semester dem Kreis nicht möglich, geeignete Kandidaten zur Pachschaftswahl aufzustellen, was sich|ändern wird, wenn sich auch Studenten der jüngeren Semester für den Kreis interessieren.

Das Programm für das Sommersemester soll am 8.2.68 in der Gaststätte “Lübecker Hanse”, Am Kolk, besprochen werden. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

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Skunky meint https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/skunky-meint/ https://www.studentenpack.de/index.php/1968/01/skunky-meint/#respond Mon, 01 Jan 1968 11:00:10 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212398 Mit Tränen in den Augen, auf Knien einherschleichend hat mich die Redaktion aus meinem Bau gelockt, damit ich ihr helfe, den Raum zwischen den Anzeigen des Sanatoriums zu füllen, eingedenk meiner Fähigkeit, Mißstände markig zu markieren. Niemand komme und sage, es habe hier vorher nicht gestunken (“Sind wir nicht ein netter kleiner Kreis!”). Gegen Freund und Feind werde ich giften, nachdem ich semesterlang meine Duftdrüse verschlossen hielt – secretum retentum venenum est.

Hurra, wir haben eine neue Regierung! Nicht sehr leicht war die Wahl. Sieben Sportreferenten und ein Reisebüroleiter kandidierten, zu 75% in elitären Männerbünden (Kandidatenvorstellung: “Ich. habe keine Führereigenschaften… ich interessiere mich überhaupt nicht für Politik… aber ich glaube, ich bin liberal”). Das Wahlsystem ist neu und sehr gut, weil man eigentlich garnicht wählen muß. Nach der Wahl gehen die Kandidaten mit Spectabilis knobeln. Die Wahlurne bleibt versiegelt und man kann sie für’s nächste Jahr weiter benutzen, Berlingeschädigte bekommen einen Platz an der Sonne.

Ich bin überzeugt, daß die neue Fachschaft genauso Hervorragendes leisten wird, wie die alte; lübkoide Ansprachen von stiller Einfalt und edler Grösse, Diskussionen wie Fortsetztngskrimis und Abstimmungsergebnisse mit mannigfachen Exegesemöglichkeiten (“Wer ist dafür?” “Wofür?” “Bitte weitere Fragen nach der Abstimmung”).

Nur mit Ehrfurcht erhebe ich meinen Schwanz gegen IHN, der jede Studentenversammlung zu einer Messe SEINER Divinität werden läßt (links und rechts in Amt und Würden setzt und absetzt, parzig webend) und den Weihrauch der Verehrung, den IHM die Menge ausschwitzt, gierig atmet.

Nein, es ist schon ganz schön hier. Ich freue mich auf den Frühling, wenn der Maler mit dem Eimer umhergeht und städtisch braunes Barackoko in akademisches Weiß taucht, und so den schnellen Aufbau einer modernen Akademie vorantreibt.

Hier ist es ruhig, hier läßt sich’s leben. Durch Lübeck werden Teufel und Dutschke nur im plombierten Wagon fahren. Was man so in der Zeitung liest über Deutsche Universitätsstädte, kommt die Professoren nur in Albträumen nach reichlich Labskaus am Abend an (die hiesigen Linksaußen des phthitischen Tönnchen-Kreises werden nicht zulassen, daß man ihnen die Schnitzel vom Tisch fortträgt)! Albträume :

“Auch. Lübeck hat ein Recht auf Herztransplantationen!” – “Kommt der Kritischen Gegenuniversität zuvor!” – oder : “Haut dem Lankau auf die Finger!” – Man täte Letzterem unrecht. Gerade ihm ist hohes Lob zu zollen, weil er in unermüdlichem Einsatz über die Ausschreitungen der Lübecker Studentenschaft, auch die nur möglichen, mit unglaublichem Sachverstand und gefürchteter Detailstreue Berichte schreibt, die Berichte unter einem Pseudonym verleitartikelt und die Leitartikel unter weiteren Pseudonymen mit so vielen Leserbriefen versieht, daß es nicht Wunder nimmt, wenn für eine ohnehin überflüssige Darstellung der Fachschaft kein Platz mehr da ist. Vielleicht im Anzeigenteil unter: Verloren – Gefunden. Bringt überdies noch Piepen – non olet.

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Das Provisorium https://www.studentenpack.de/index.php/1967/12/das-provisorium-1/ https://www.studentenpack.de/index.php/1967/12/das-provisorium-1/#respond Fri, 01 Dec 1967 11:00:40 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212038 Physikums -Einser, Physikums -Zweier, Physikums -Dreier , – und FREUNDE!

Folgenschwer zeigte sich die auf der 1. Vollversammlung dieses Semesters von uns aufgeworfene Frage, warum in den drei Jahren seit Eröffnung der MAL noch keine Akademiezeitung ins Leben gerufen worden sei. Der Aufforderung des Fachschaftsvorsitzenden, dies selbst nachzuholen, mußten wir wohl nachkommen, wollten wir nicht den Ruf destruktiver Kritik davontragen. Wohlan, es sollte geschehen! Außerdem, erstes Semester, also bitte!

In munterer Runde, zu später Stunde, entsprang dem Munde eines hohen Semesters der Name “Provisorium”. Wir fanden ihn ausgesprochen passend. Zu einem rechten Namen gehörte nun eine rechte Form, wie immer, auch hier; Je besser, um so teurer. Wir mußten versuchen, Lübecker Firmen für Inserate zu interessieren. Zu unserer Freude wurde dadurch die Finanzierung, zumindest für diese Ausgabe, gesichert, wofür wir den Inserenten an dieser Stelle nochmals danken. Selbstverständlich verpflichtete uns diese Tatsache, die Form mit einem entsprechenden Inhalt zu füllen, in der Hoffnung, sie zu beleben und zu gestalten. Und ohne Zweifel wird auch hier die erste Kritik ansetzen, auf die wir übrigens hoffen, und das Fortbestehen dieses Blättchens wird davon abhängig sein. Kurzum also: Von Ihnen, denn dies ist Ihre, nicht unsere Zeitung, und auch Sie sollen daher für den “Stoff” sorgen. Sie, das sind für uns alle an der MAL interessierten, Dozenten wie Studenten. Unter “Stoff” verstehen wir Jenes, was Ihrer Feder entquillt, vom Persönlichen bis zum Fachlichen, vom Lyrischen und Prosaischen bis zum Tragik- und -Komischen. Nun, wir glauben, Sie wissen schon, wie wir es meinen, also, bitte schön, lassen Sie uns nicht im Stich!

Im Vertrauen darauf, das dies nicht der Fall sein wird, stellen wir uns dann vor, daß “Provisorium” eine Plattform werden könnte, auf der sich vieles trifft, was sich eonst aus
dem Wege geht, Kritisches , Politisches und gar auch Polemisches. (Das kann, so meinen wir, auch auf eine nette Art geschehen).

Inzwischen wurde die Redaktion vergrößert durch die Kollegen Ulrich Giese und Wolf gang Weiss. Weitere Mitarbeiter sind uns stets willkommen. Allen denen, die uns bei der Herausgabe dieses Heftes halfen, und auf deren Unterstützung wir weiterhin bauen, danken wir sehr.

In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein in jeder Hinsicht erfolgreiches Neues Jahr.

Volker Thienemann, Anke Putska

Das Provisorium 1

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Inhalt

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Das Gute-Nacht-Märchen https://www.studentenpack.de/index.php/1967/12/das-gute-nacht-marchen/ https://www.studentenpack.de/index.php/1967/12/das-gute-nacht-marchen/#respond Fri, 01 Dec 1967 10:04:38 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212382 Es war einmal ein weites reiches Land mit vielen großen Städten, Und in vielen dieser Städte gab es sogenannte Universitäten, das waren große alte Gebäude mit Treppen (die man noch mit eigener Kraft ersteigen mußte), mit langen Fluren und engen Sälen. Dort trafen sich immer zu bestimmten Zeiten die Studenten und die Professoren. Studenten nannte man die, die auf den überfüllten Banken saßen und immer kamen, wenn es die mächtigen Professoren befahlen, die mit ihren vom Schreiben verkrüppelten Fingern auf die Tische klopften und mit ergebenen Gesichtern den Worten ihrer Professoren lauschten.

Nun, damals hatte man in jenem Land begonnen, eine Staatsform auszuüben, die sie Demokratie nannten. (Was das ist, kann ich euch auch nicht erklären). Da man es aber versäumt, dies überall in den Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen bekannt zu machen , so bemerkten das die Studenten erst nach langer, langer Zeit. Nun aber stellten sich einige vor ihre Kameraden und riefen: “Folget uns! Wir wollen die Professoren fragen, was Demokratie ist!”

Sie gingen au den Professoren. Da aber bemerkten sie, daß diese, -sie hatten vorher noch nie mit ihnen gesprochen-, nicht antworten konnten. Sie waren Automaten. So zogen die Studenten auf die Straße und begannen jederman zu fragen. Einige antworteten: “Demokratie ist, wenn man in den Sälen sitzt und den Professoren zuhört!” Da lachten die Studenten. Andere meinten: “Demokratie ist es, nicht zu fragen!” Nun wurden die Studenten unsicher, ob die anderen nicht auch Automaten wären. So begannen sie, mit Steinen und mit Eiern zu werfen, und siehe, es waren keine Automaten, denn sie wehrten sich. Die Studenten freuten sich sehr, denn sie glaubten, mit den Eiern die Automaten zum Leben erweckt zu haben. Wieder stellten sie ihre Frage, aber die Antwort war immer die gleiche, wie oft sie auch frugen.

Dies ging solange, bis auch viele Studenten Automaten waren und ihren Freunden zuriefen: “Werdet Automaten! Folget nicht den Rattenfängern, die da nach Demokratie fragen! Werdet mit uns glückliche Automaten!” Nur noch wenige murrten dagegen, denn es war jetzt unbequem.

So blieb alles wie es war. Noch immer sitzen sie in jenem Land, das nun nicht mehr reich ist, in den überfüllten Sälen der alten Häuser, mit den Treppen, die man mit eigener Kraft ersteigen muß.

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