Das Medizinstudium soll reformiert werden: „Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf.“ Albina Schütz | StudentenPACK.

Das Medizinstudium soll reformiert werden: „Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf.“

Alle Beteiligten sehen einen dringenden Handlungsbedarf. Sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden im Fach Medizin wünschen sich seit langer Zeit, dass endlich eine Reform des Medizinstudiums beschlossen und dass diese dann zügig umgesetzt wird. Die damalige Bundesregierung hatte schon vor 2010 mit orientierenden Planungen begonnen und vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2013 eine Reform des Medizinstudiums. Als drei Hauptziele wurden

  • eine praxisorientierte Ausbildung,
  • die Stärkung der Allgemeinmedizin und eine
  • Änderung der Zulassungsmodalitäten durch die Einführung geeigneter Auswahlverfahren gefordert.

Schon in 2016 sollte ein entsprechender Gesetzesentwurf verabschiedet werden. Wie immer bei der Einbeziehung verschiedener Interessengruppen zieht sich die Konsentierung dann über eine längere Zeit hin. Was als Entwurf zurzeit (Ende 2016/Anfang 2017) bekannt wurde, sind mehr oder minder „Eckpunkte“, aber noch kein bis in die Einzelheiten ausformuliertes Papier. Der Beschluss der Gesundheitsminister im Februar über diesen Masterplan gibt allerdings Grund zur Hoffnung, dass noch im laufenden Jahr mit seiner Umsetzung begonnen werden wird.

Hier die bisher bekannten Eckpunkte für die drei Hauptziele:

Patientenbezogene und praxisorientierte Ausbildung

  • Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs (NKLM)
  • Einrichtung von Kommissionen zur Ermittlung von finanziellen Auswirkungen der Reform
  • Überarbeitung des Gegenstandskatalogs des zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung durch das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP)
  • Gemeinsame Lehrveranstaltungen mit anderen Gesundheitsfachberufen
  • Stärkung der wissenschaftlichen Kompetenz der Studierenden
  • frühe Verknüpfung klinischer und vorklinischer Inhalte
  • neue kompetenzorientierte Lehr- und Prüfungsformate

Stärkung der Allgemeinmedizin, Förderung der Versorgung der ländlichen Räume

  • Quartalisierung des Praktischen Jahres (PJ)
  • Einführung eines Pflichtquartals im ambulanten vertragsärztlichen Bereich
  • Rekrutierung neuer Lehrpraxen und deren Qualifizierung
  • Pflichtprüfung Allgemeinmedizin im Staatsexamen
  • Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen Hochschulstandorten
  • mehr Lehrkrankenhäuser im ländlichen Raum
  • eine länderspezifische Landarztquote

Änderung der Auswahlkriterien für das Medizinstudium

  • Verwendung von weiteren Auswahlkriterien neben der Abiturnote
  • Förderung der Begleitforschung bei kompetenzbezogenen Auswahlverfahren

Eigentlich hat sich seit dem Sommer 2016, als sich die Gesundheitsminister der Länder auf diese Positionen geeinigt hatten, nicht viel geändert. In unserem föderalen System sind für die Bildung und Ausbildung allerdings nicht die Gesundheitsminister, sondern die Kultusminister der Länder die Geldgeber für das Studium und die Universitäten, also müssen sie den Plänen zustimmen. Im Laufe des Monats März könnte die abschließende Verständigung mit den Kultusministern der Bundesländer stattfinden.

Die Vertreter der verschiedenen beteiligten Verbände sehen die kommenden Veränderungen naturgemäß unterschiedlich. Während die Vertreter der Studenten (bvmd) vor allem mehr Transparenz einfordern und für bessere Lern- und Arbeitsbedingungen im Praktischen Jahr kämpfen, sind die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) mehrheitlich für diese bisher konsentierten Eckpunkte. Allerdings fordern beide Gremien eine Präzisierung ein.

Vor allem auf der Kostenseite haben die Fakultäten berechtigte Sorgen, dass Änderungen gefordert und beschlossen werden, ohne den Fakultäten die daraus folgenden Kosten zu finanzieren.

  • Auswahlgremien sind zeit- und damit kostenintensiv, welche die Gremien (bestehend aus Professoren, Assistenten und Studierenden) einige Tage ganztags pro Semester bindet.
  • Die Bezahlung der Studierenden im PJ, aber auch die Honorierung der PJ-Praxen bei flächendeckender Ausbildung im ambulanten Bereich muss definiert und sichergestellt sein.
  • Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im PJ wird ohne eine Aufstockung der finanziellen Mittel für das PJ nicht zu machen sein.
  • Und – last but not least – eine Umstrukturierung der Lehrpläne auf die modifizierten Lehr- und Lernziele geschieht nicht von selbst und muss zudem auch wissenschaftlich begleitet werden.

Alle diese Maßnahmen kosten eine größere Summe Geldes, und man sollte vor der endgültigen Verabschiedung sich über die Höhe dieser Kosten klar sein und dann auch definieren, woher dieses Geld kommen soll.

Drei Jahre sind es noch bis zum Jahr 2020.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Drei Jahre sind es noch bis zum Jahr 2020.

Situation in Lübeck

In den vergangenen elf Jahren haben wir in Lübeck jährlich über 30 Studierende im PJ der Allgemeinmedizin ausgebildet – wir haben gut trainierte Lehrpraxen, die gerne bereit sind, Studierenden bei sich aufzunehmen. Die Finanzierung steht, die Studierenden bekommen einen „Arbeitslohn“ von 1.600 Euro für vier Monate, und auch die Praxen bekommen eine Aufwandsentschädigung in ähnlicher Höhe für diese Zeit.

Für uns ist die Umstellung von einer Tertial- auf eine Quartalstruktur des PJ von großer Wichtigkeit, da wir Lehrpraxen haben, die gerne fortlaufend Studierende ausbilden. Durch die unterschiedlichen Startzeiten der Tertiale im Sommer- und Wintersemester ergeben sich jedoch immer Lücken, die dann nicht besetzt werden können. Damit ist die Zahl der möglichen Ausbildungsplätze kleiner, als sie sein könnte, wenn wir die geplante Quartalsregelung hätten. Bisher sind ca. 20 Hausarztpraxen an der Ausbildung von PJ-Studenten beteiligt. Damit schaffen wir es zurzeit problemlos, 30 Tertiale in der Allgemeinmedizin pro Jahr zu besetzen.

Mit der Quartalsregelung könnten wir, ohne weitere Praxen rekrutieren zu müssen, gewissermaßen „aus dem Stand“ bis zu 50 Quartale in Hausarztpraxen organisieren können. Hinzu kommen Praxen verschiedener Gebietsärzte (Handchirurgie, Orthopädie, Kardiologie, Dermatologie, HNO), die schon Interesse angemeldet haben, PJ-Studenten in ihren Praxen aufzunehmen. Damit hätten wir bisher ca. 100 Plätze pro Jahr abgesichert – zudem besteht immer die Möglichkeit, von den bisher akkreditierten Lehrpraxen der Allgemeinmedizin zu fragen, ob sie bereit wären, Studenten im PJ aufzunehmen.

Ein Problem – allerdings wohl ein lösbares – stellt die Änderung der Prüfungsordnung dar: Alle Studierenden sollen im STEX II (=M3) im Fach Allgemeinmedizin geprüft werden. Hatten wir bisher im Jahr ca. 30 Studierende zu prüfen, so waren das bei vier Prüfern für jeden Prüfer ein Staatsexamen im Frühjahr und eins im Herbst. Bei 200 Studenten wird das natürlich eine erheblich größere Belastung.

Wir haben mit Prüfer-Workshops vor zwei Jahren begonnen, Lehrpraxisinhaber mit langjähriger Ausbildungserfahrung für die Prüfungen zu qualifizieren. Auf dem „Tag der Allgemeinmedizin“ am 13. Mai 2017 in Kiel wird wieder ein Workshop stattfinden. Die „Prüfer-Aspiranten“ müssen dann noch einmal als Hospitant an einem Staatsexamen teilnehmen und können danach dann als Prüfer eingesetzt werden. So werden wir in Kürze zehn Prüfer haben, über längere Sicht wahrscheinlich zwanzig. Damit wäre wieder eine erträgliche Termindichte für die Prüfer zu erreichen.

Aber auch hier muss wiederum über die Finanzierung nachgedacht werden, denn die Praxisinhaber müssen ihre Praxis für zwei Nachmittage verlassen und sich zudem auch auf die Staatsexamina vorbereiten (Fragen zusammenstellen, Materialien vorbereiten). Das kann nicht unentgeltlich erfolgen, da ihre Praxis in dieser Zeit wegen der Abwesenheit des Praxisinhabers dann keinen Umsatz machen kann.

Fazit

Die Zielrichtung des Masterplans „Medizinstudium 2020“ ist gut und richtig. Die Modalitäten müssen noch deutlich klarer definiert werden. Die Finanzierung muss vor der Verabschiedung des Masterplans 2020 geklärt werden. Dann ist dieser Plan ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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