Tonio Trüper hat die Pläne für den Untergrabe-Umbau entworfen.Fabian Schwarze | StudentenPACK.

Tonio Trüper hat die Pläne für den Untertrave-Umbau entworfen.

In der Diskussion über den Bürgerentscheid wird viel über Pläne gesprochen. Das StudentenPACK sprach mit dem Landschaftsarchitekten Tonio Trüper, der die neue Promenade entworfen hat.

StudentenPACK: Worum geht es beim Umbau der Untertrave?

Tonio Trüper: Bei dem Projekt geht es darum, Lübeck wieder ans Wasser zu bringen. Lübeck ist mit dem Hafen groß geworden – also mit dem Handel und mit der Seefahrt. Dann haben wir nach dem zweiten Weltkrieg eine Zeit erlebt, in der die Obertrave und die Untertrave hauptsächlich als Verkehrsachse und über ihre Autostellplätze definiert wurden. An der Obertrave standen vor dem Umbau hunderte Autos und man kam gar nicht ans Wasser heran. Dieser Umbau soll jetzt an der Untertrave fortgeführt werden, beispielsweise mit Sitzmöglichkeiten und Gastronomie am Wasser.

PACK: Inwiefern haben Sie die Wünsche der Anwohner eingebunden?

Trüper: Die Wünsche sind im Wettbewerb 2003 mitberücksichtigt gewesen. Die Stadt hat einen Vorgabenkatalog gemacht und für jedes teilnehmende Architekturbüro alle Ergebnisse der Bürgerbeteiligung aufgelistet. Es haben vier Bürgerbeteiligungen stattgefunden, in denen die Wünsche der Menschen gesammelt wurden. Die Wünsche der Anwohner für die Obertrave waren beispielsweise Bäume, Bänke, ein Wasserspiel, eine Tanzfläche, ein Schachspiel, Kinderspiele. An der Untertrave Raum zum Flanieren und viele Kioske. Diesen Katalog haben wir befolgt und konnten den Wettbewerb gewinnen.

PACK: Wie hat sich die Planung seit 2003 verändert?

Trüper: Der Anlass des Projektes ist, dass die Nordtangente gebaut wurde (der Bereich um die Erik-Warburg-Brücke, Anmerkung d. Red.), also viel Verkehr aus dem altstadtnahen Bereich herausgehalten werden kann. Und die größte Änderung vom Wettbewerbsplan zu Heute ist, dass wir damals noch sehr viel mehr Stellplätze für Autos berücksichtigt haben. Das müssen wir heute nicht mehr, sondern haben statt dessen noch mehr Fläche für eine Promenade gewonnen. Hier sieht man das Lieblingsmotto unserer Arbeit, “wenn ich Autos einlade, bekomme ich Autos – wenn ich Menschen einlade, bekomme ich Menschen”.

Es gibt immer die Behauptung, dass wir den Wettbewerbsplan 2003 mit den Bestandsbäumen gezeichnet haben. Das ist nicht so. Wir haben auch damals schon – entgegen der Auslobung, das muss man zugeben – eine Planung mit neuen Bäumen abgegeben und das ist auch so an der Obertrave umgesetzt worden. Auch da wurden Bestandslinden entnommen, weil sie aus Baugründen und alterstechnisch nicht einbindbar waren und es sind neue Baumgruppen gesetzt worden — mal in Doppelreihe, mal in Päckchen. Das ist auch das Ziel für die Untertrave, mit Doppelreihen zu arbeiten, so dass man unter einem großzügigen Baumdach sitzen und liegen kann. Dazu sind große Holzpodeste von uns gedacht.

Die Bäume sollen mit der Neuplanung weiter von der Uferkante weggerückt werden. Bei einer zehn Meter breiten Promenade sollen die Bäume nicht wie im Bestand zwei Meter neben der Kaikante stehen, sodass bis zur Straße acht Meter Platz sind. Man braucht den Platz direkt am Wasser!

PACK: Aus welchem Grund haben Sie mit neuen Bäumen und nicht mit den Bestandslinden geplant?

Trüper: Als Landschaftsarchitekt ist man natürlich bemüht, gerade bestehende Bäume in die Pläne einzubinden. Wir haben in diesem Jahr einen Marktplatz bei Magdeburg neu gestaltet, dort wurden Bestandsbäume von der einen Marktplatzseite auf die andere gepflanzt. In Pinneberg bei Hamburg bauen wir gerade die Fußgängerzone und den zentralen Marktplatz um und integrieren dort große Bestandseichen. Das ist in diesen beiden Projekten möglich, hier ist es eben nicht möglich.

Für uns war es 2003 schon nicht gerechtfertigt, so einen weitgehenden Umbau zu machen und dabei mit Bäumen zu arbeiten, die ein Stadium erreicht haben, in dem sie keine lange Lebenszeit mehr haben. Und das wurde auch durch ein Gutachten der Stadt bestätigt. Da will ich mich aber nicht gänzlich drauf zurückziehen. Als Landschaftsarchitekt sehe ich das genauso. Wir haben diskutiert, mit Stahlkonstruktionen große Wurzelräume zu schaffen, sodass der Baum richtig gute Bedingungen erhält. Aber der Gutachter und auch die Baumexperten der Stadt haben festgestellt, dass das den Bäumen einen Vitalitätsschock versetzen würde. Es gibt auch das Problem, dass die Bäume so dicht an der Kaimauer stehen und die Wurzeln gar keinen ausreichenden Platz haben.

PACK: Warum sollen es nichtheimische Bäume sein?

Trüper: Die Baumfrage wurde noch einmal geändert. Wir als Landschaftsarchitekten haben den japanischen Schnurbaum vorgeschlagen. Das ist ein Baum, der für die Promenade und die dahinterliegende Fassadenreihe ein wunderbares lichtes Bild gibt. Ein Baum mit einer ganz leichten Krone mit vielen Durchblicken, mit der sich die Altstadtfassade dahinter wunderbar zeigen kann. Und gerade wenn man sich einen Sommertag vorstellt, ist eine leichte Atmosphäre mit Licht- und Schattenspiel eine schöne Vorstellung. Der Baum zählt zu den Klimabäumen, der es schafft, mit den starken Klimaschwankungen in einer Stadt zurechtzukommen. Als wir den Baum vorgeschlagen haben, war uns auch nicht so klar, was das für eine Welle hervorruft. Dass man sich so an der Baumart reibt, habe ich mir nicht vorstellen können. Es sind viele Baumarten, die bei uns heute selbstverständlich wachsen, wie beispielsweise die Kastanie, eingeführt worden. Jetzt ist es geplant, die schwedische Mehlbeere zu pflanzen.

PACK: Glauben Sie, dass der Umbau ohne die bisherigen Parkplätze zu einer autofreieren Innenstadt führen könnte?

Trüper: Davon bin ich überzeugt. Wir sollten bei der Frage der Autofreien Stadt niemals in ein Schwarz-Weiß-Denken verfallen. Ich glaube, dass man immer einen Weg finden muss, dass das Auto im Stadtbild nicht dominiert, gerade an so besonderen Flächen wie einer Hafenkante. In dem Moment, in dem ich auf solchen Flächen Raum für den Menschen schaffe, komme ich zu einem ausgewogenen Mix in einer Stadt. Ich glaube nicht, dass man das Auto aus einer Altstadt komplett verbannen sollte, man muss die richtige Abwägung finden. An der Untertrave würden weniger Autos sicherlich guttun.

PACK: Was wünschen Sie sich für die Untertrave in Zukunft?

Trüper: Ich wünsche mir, dass die Umgestaltung jetzt auch beginnen kann. Und ich glaube, dass sich der Unfrieden, der in Lübeck Einzug gehalten hat, sich auch wieder legt. Die Diskussion ist aktuell wenig sachlich und wurde fast zu einer Glaubensfrage erhoben. Es ist eine städtebauliche Veränderung, die viele Aspekte mitbringt, aber zur Zeit auf diese Baumfrage reduziert ist. Das wird der ganzen Planung nicht gerecht.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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