Prof. Enno Hartmann ist Vizepräsident der Universität und für die Campusentwicklung verantwortlich. Das Interview führte Fabian Schwarze.
StudentenPACK: An was für einer Universität werde ich studieren, wenn ich jetzt beginne zu studieren und in fünf Jahren auf den Campus zurückblicke?
Professor Enno Hartmann: Also die Universität wird „universitärer“ und städtischer. Das heißt wir werden dichter werden in der Bebauung – und wenn es nach mir ginge auch höher. Es wird eine Verbesserung geben hinsichtlich der Infrastruktur der Forschung und Lehre. Fünf Jahre sind nicht viel, in 15 Jahren wird wohl der Plan im Wesentlichen umgesetzt sein. In fünf Jahren wird man eher noch die Baustelle sehen. Wenn Sie sich den Campus vor zehn Jahren angesehen hätten, würden Sie die Entwicklungstendenz schon jetzt bemerken. Es wird weniger kuschelig oder dörflich und dafür quirliger, lebendiger, weil es alles dichter bebaut wird und es mehr Studenten geben wird. Und es wird hoffentlich in fünf Jahren sichtbar, wo das Zentrum der Uni ist.
Die Forschung konzentriert sich auf den Bereich um die Mensa und das Vorklinikum bis zum AStA. Das ist der Teil des Campus, der zur Stiftungsuniversität gehört. Dort wird es noch zwei neue Gebäude, eine Erweiterung des Isotopenlabors und des geplanten Zentrums für Medizinische Struktur- und Zellbiologie (ZMSZ), geben. Gleichzeitig – sowie ein Sponsor für die Gestaltung eines Grünbereichs und für ein Parkhaus gefunden ist – werden wir auch versuchen, den Parkplatz wegzukriegen, sodass dort in der Mitte ein grüner Campus entsteht. Spätestens wenn sich das Fraunhofer-Institut erweitert kommt auch alles um die Baracke des Asta weg.
PACK: Bis wann ist das alles umgesetzt?
Hartmann: Dieses ganze Projekt wird dauern. Denken sie an das CBBM (Center of Brain, Behavior and Metabolism) – das brauchte etwa fünf Jahre vom Planungsbeginn bis zur Fertigstellung. Das heißt also in fünf Jahren wird es immer noch eine Baustelle sein und es wird immer noch Container geben, um die Hochschulpakt III-Probleme, also genügend Raum fürs Studieren bei zeitlich befristetem Studentenzuwachs, zu lösen. Aber in zehn oder 15 Jahren, da ist dann das Gesamtkonzept erlebbar. Zwischen dem im Bau befindlichen Gebäude für Biomedizinische Forschung (BMF) und dem ZMSZ im Südosten, der Mensa im Südwesten, dem Gebäude der Fraunhofer-Einrichtung Marine Biotechnologie im Nordwesten und dem zum Didaktikum umzubauenden Haus zwölf im Nordosten entsteht der schon erwähnte grüne Campus wie in Harvard oder Yale. Aktuell erstellen wir einen Bebauungs-Plan, sodass wir auch die Fläche südlich der Informatik bebauen dürfen – zum Beispiel mit einem Gebäude für die Medizintechnik. Und wenn es gelingt Geld heranzuschaffen, gibt es dann die Möglichkeit zum Beispiel an die beiden Hörsäle der Vorklinik weitere Hörsäle anzubauen. Für 1,6 Millionen könnten wir letzteres sofort umsetzen.
PACK: Auf wie viele Studenten kann der Campus dann anwachsen?
Hartmann:Ich glaube dieser Campus, so wie wir ihn jetzt planen, verträgt 5000 Studierende. Mehr wäre nicht gut.
PACK: Wann und wo kommen die Container auf dem Gelände?
Hartmann: Wir werden jetzt welche aufbauen, die ersten sollen noch dieses Jahr in Betrieb genommen werden. Die werden dort aufgestellt werden wo Platz ist. Irgendwo, wo noch Rasen ist. Wir haben ein paar Ideen. Vielleicht einige am Haus zwölf, einen irgendwo gegenüber der Mensa, den wir dann zum Lernen ausstatten, der könnte dann von der Bibliothek bewirtschaftet werden. Aber nur durch Bauen wird das Problem der Selbststudienflächen nicht zu lösen sein. Ich kann immer nur appellieren, nicht stoßzulernen! Es kann keiner finanziell gegenüber dem Steuerzahler verantworten, wenn wir Flächen bauen, die nur zwei Monate im Jahr genutzt werden. Nämlich genau die beiden Monate vor den Prüfungen. Wir müssen also einen Rhythmus finden, sodass alles (auch Bücher!) gleichmäßig über das ganze Jahr hinweg genutzt wird. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Wenn die Leute drei Monate vor den Prüfungen sagen, dass sie keinen Platz finden, dann machen wir etwas falsch. Wenn die Leute 14 Tage vor den Prüfungen sagen, dass sie keinen Platz finden… Das wird immer so sein.
PACK: Wir haben am Anfang des Jahres eine Umfrage durchgeführt, bei der wir die Studierenden zur Lernplatzsituation befragt haben. Wird es bis auf die geplante Erweiterung der Bibliothek weitere Verbesserungen geben?
Hartmann: Da muss mehr kommen. Das ist Ihnen vielleicht gar nicht so bewusst. Wir haben eine ungünstige Situation. Zum einen haben wir steigende Studierendenzahlen und zum anderen ein geändertes Lernverhalten. Vor zehn bis 15 Jahren haben Studierende mehr zuhause in ihrer Studentenbude gelernt. Jetzt suchen sie verstärkt Lernräume am Campus. Das ist – so vermute ich – auf die zunehmende Digitalisierung des Privaten zurückzuführen. Da wird es einfach schwieriger, in der häuslichen Umgebung Abstand davon zu nehmen und sich dem Studium zu widmen. Früher konnte man nur mal den Fernseher einschalten, jetzt gibt es viel mehr Geräte und Möglichkeiten, die ablenken und die Leute wollen daher einfach raus aus der Alltagsumgebung und hinein in eine andere. Die Nachfrage an Lernplätzen – auch prozentual – ist größer. Die Stundenplan-bedingten Leerzeiten verstärken diesen Trend. Ein Problem ist, dass Lernplätze in diesem Umfang in den Flächenbemessungsvorschriften des Hochschulbaus nie vorgesehen waren. Dort redet man davon, wie viele Seminarräume pro Student, wie viele Hörsäle und wie viel Bibliotheksfläche – da denkt man tatsächlich vorrangig an Bücher und ihre Nutzung im Lesesaal – pro Student erforderlich sind, aber wieviel Fläche zum Selbststudium man braucht, ist in diesen Betrachtungen eigentlich nie erfasst worden. Also muss man gegenüber dem Land begründen, warum es jetzt eine neue Kategorie von Flächen geben soll, die man zusätzlich zu den anderen errichten muss. Das ist tatsächlich nicht so einfach. Von den zu errichtenden Containern soll daher einer Lernplätze enthalten.
PACK: Wissen Sie, ob dieses Problem auch in diesem Maße an anderen Universitäten besteht?
Hartmann: Das ist mit Sicherheit kein Problem, das nur die Uni Lübeck betrifft. Ich weiß aber nicht, wie Andere mit dem Problem umgehen. Andere Universitäten sind zum Beispiel fakultär aufgebaut, da ist das alles stärker dezentral. Da gehen nicht alle Studenten in die Zentralbibliothek, sondern auch an andere Orte. Andere Unis haben auch mehr Altbestände an Räumen, die sie nutzen könnten. Da gibt es unter Umständen mehr Möglichkeiten. Vielleicht aber auch nicht. Möglicherweise hat ja der Landesastenverband eine Übersicht über die Situation in Schleswig-Holstein.
PACK: Das Problem bezieht sich ja nicht nur auf Lernplätze, sondern auch auf die Labore. Wird das durch mehr Studiengänge nicht schlimmer?
Hartmann: Bei den Laboren haben wir eine gute Situation, viel besser als bei allem anderen. Bei den Laboren ist es so, dass derzeit ein neues MFC-Gebäude gebaut wird und zwar das MFC9 am Ende des Carlebach-Parks. In diesem MFC9 werden die gesamten Praktikumsräume für die Chemie untergebracht, sodass der Praktikumsraum in der Vorklinik nun ausschließlich von der Biochemie, der Zellbiologie und der Molekularbiologie genutzt werden kann. Dadurch haben wir praktisch eine Verdoppelung der Laborfläche in diesen Bereichen, sodass die Situation zu Beginn des nächsten Sommersemesters besser ist als jetzt. Diese befristete Anmietung soll in fünf Jahren durch einen im nächsten Jahr beginnenden Neubau ersetzt und die Laborfläche damit auf Dauer am Campus angesiedelt werden. Die Kursraumsituation wird sich in den nächsten zehn Jahren soweit entspannt haben, dass wir nicht nur Plätze für alle Studenten haben, sondern dass wir es uns auch leisten können, die Verteilung der Kurs- und Vorlesungszeit nur noch nach didaktischen und nicht mehr nach räumlichen Kriterien machen zu müssen.
PACK: Also ist das Argument, dass das CBBM keine Kursräume enthält nicht berechtigt?
Hartmann: Das CBBM darf keine Lehrräume enthalten, weil es ein Forschungsbau ist, der aus Bundesmitteln für die Forschung gefördert wird. Die Lehrräume werden daher im ZMSZ (Zentrums für medizinische Struktur- und Zellbiologie) der Sektion Naturwissenschaften realisiert. Da dieses aber erst in fünf Jahren steht, werden wir wie gesagt die Flächen im MFC9 anmieten.
PACK: Lässt sich das denn mit dem im Bau befindlichen ZIEL-Gebäude (Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung) vereinbaren?
Hartmann: Es gibt kein ZIEL-Gebäude. Es wird ein Gebäude für Biomedizinische Forschung, kurz BMF, geben, in dem auch das ZIEL Flächen bekommt. Und dieses BMF umfasst nur Flächen, die im Rahmen der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft geplante Sanierung des UKSH aufgegeben werden müssen. Im Klinikum müssen aufgrund des Umbaus alle Forschungsflächen ausgelagert werden. Auch einige Baracken werden abgerissen und was an Forschungsflächen in den Baracken ist, muss raus und auch irgendwo hin. Und das Transitorium ist baulich in einem Zustand, der nicht erhaltungswürdig ist, sodass die dortigen Laborflächen ebenfalls in ein neues Gebäude verlagert werden müssen. Das BMF ist also ein Ersatzbau ohne Nettozuwachs an Nutzfläche. Also bekomme ich auch in dieses Gebäude keine zusätzlichen Lernplätze. Vielleicht ein paar Seminarräume, die aus den Baracken verlagert werden müssen, aber mehr geht nicht rein. Der Zuwachs an Lehrflächen konzentriert sich auf die nächsten Gebäude – das ZMSZ und das Haus 12 (Didaktikum). Für das ZMSZ müsste jetzt die Ausschreibung für die Architekturleistung getätigt werden. Dann haben wir frühestens in einem Jahr einen Plan, in 1,5 Jahren ist dann hoffentlich Spatenstich.
PACK: Also sehen die Erstsemester des Jahres 2016 wie ein Gebäude wächst, aber sie werden möglicherweise nicht mehr darin studieren?
Hartmann: Das stimmt, aber vieles, was wir in diesem Gebäude haben werden, ziehen wir vor – das ermöglichen uns die Hochschulpaktmittel. Dadurch, dass wir jetzt Räume im Gebäude MFC9 anmieten, können wir die Kursräume und eine ganze Etage mit 400m² Seminarräumen für fünf Jahre im Voraus nutzen.
PACK: Eine kurzfristige Entspannung der Raumproblematik könnte auch die Erweiterung der Studienzeiten mit Zeitslots von 18:00 bis 20:00 Uhr sein. Ist das realistisch?
Hartmann: Mit Sicherheit. Was wir hoffentlich nicht erreichen, ist der anderswo übliche Sonnabendsunterricht, aber wir werden in jedem Fall mehr in die Abendstunden gehen und da schließe ich 18:00-20:00 Uhr oder 20:00-22:00 Uhr in schlimmen Fällen nicht aus. Nach vorne werde ich auf jeden Fall nicht rausgehen, denn ich weiß, mit Zeiten vor 8:00 Uhr haben viele Studenten ein Problem. Was auch nicht zu halten ist, ist der immer noch veranstaltungsarme Mittwochnachmittag. Es wird insgesamt in den Räumen voller werden und es kann währen der Phase des doppelten Abiturjahrgangs durchaus möglich sein, dass Leute in den ersten Vorlesungen auf den Treppen sitzen müssen. Andererseits kann man auch hier die Investition in neue, größere Hörsäle nicht gut vertreten. Nach wenigen Wochen sitzen oft nur 30-70 Prozent der Studierenden in den Vorlesungen. Und da der Gesetzgeber nun auch noch beschlossen hat, dass Studierende bei den Vorlesungen nicht mehr anwesend sein müssen, sind nur in der ersten Vorlesung überfüllte Hörsäle kein Argument für eine Vergrößerung. Wir werden uns natürlich darum bemühen, dass solche Überfüllungen nur punktuell auftreten. Ich gehe davon aus, dass das nicht allzu viele Veranstaltungen betreffen wird. Viel kritischer ist die Seminarraumsituation und die Situation für die Computer-Cluster. Auch da könnten die Container eine Übergangslösung sein. Aber: Das nächste Semester wird nicht besonders schlimm. Da gibt es nur ein paar Anfänger mehr.
PACK: Trotz des Raumbedarfs durch neue Studiengänge?
Hartmann: Ja, der höchste Raumbedarf ist nicht im nächsten Semester. Die höchste Zahl der Studierenden werden wir auch in ungefähr drei Jahren haben, wenn der Zuwachs durch die doppelten Abiturjahrgänge und die neuen Studiengänge in allen drei Bachelorstudienjahren angekommen ist. Danach wird es wieder absinken, weil der Mehrbedarf der doppelten Abiturjahrgänge absinkt. Wir gehen davon aus, dass wir in zwei bis drei Jahren mit dem stärksten Mehrbedarf an Lernflächen rechnen müssen. Dann sind aber alle Container betriebsbereit, alle angemieteten Flächen ausgestattet und die Umbaumaßnahmen innerhalb bestehender Räume, wie größere Bestuhlung, fertiggestellt.
PACK: Durch die neuen Studiengänge kommen dann auch weitere Gelder aus dem Hochschulpakt rein. Wofür wird dieses Geld eingeplant?
Hartmann: Das Geld brauchen wir, um alles anzumieten. Die Ausrüstung der Container muss aus Hochschulpaktmitteln bezahlt werden. Darüber hinaus sind weitere Investitionen erforderlich. Wir werden Geld in die Hand nehmen müssen, um den Buchbestand in der Bibliothek aufzustocken. In Richtung Wirth-Center werden wir auch noch Räume für die Physiotherapie anmieten und wir müssen die Gerätschaften der existierenden Kursräume und zukünftigen Anmietungen erneuern beziehungsweise anschaffen.
PACK: Also wird die Situation für die Studierenden, die das Geld an die Universität bringen, nur nicht schlechter als zuvor?
Hartmann: Ich würde eher sagen, dass es anders wird. In bestimmten Punkten wird es besser. Wir werden mehr Platz und neuere Geräte haben, aber in bestimmten Punkten wird es auch schlechter, weil zum Beispiel mehr Randzeiten genutzt werden müssen. Vielleicht gibt es auch mehr Leerlaufzeiten und ein paar etwas vollere Hörsäle und Seminarräume. Schlechter wird es nicht, aber auch nicht exorbitant besser. Ich sage mal: es wird anders. Das Entscheidende ist, wie man mit den Veränderungen umgeht. Studierende sind in der Regel jung genug, um Veränderungen positiv aufzunehmen. Wichtig ist, dass wir möglichst jede Information bekommen, wenn es nicht passt. Natürlich können wir nicht alles abstellen, aber auch wenn wir nur jedes zehnte Problem lösen können, ist es wichtig zu allen zehn Informationen zu bekommen. Ich appelliere also an die Studierenden, ihre Probleme an ihre Vertreter zu melden, die das dann in den entsprechenden Gremien an uns weiterleiten können. Erst dann kann überhaupt eine Problemlösungsstrategie entwickelt werden.
PACK: Sehen Sie denn Kontraste zwischen dem CHE-Ranking von vor wenigen Wochen und der realen Situation an der Universität?
Hartmann: Bei dem CHE-Ranking ist es immer wichtig zu wissen, wer gerade befragt wurde. Studierende, die die Situation bei einer Universität mit normaler Größe kennen und dann an die Uni Lübeck kommen, werden immer sagen, dass hier alles ganz toll ist. Wir haben immer noch im Vergleich zu den großen Universitäten eine sehr günstige Situation. Bei uns gibt es keine Platzvergabe in den Praktika. Bei uns muss man sich nicht für Seminarplätze um Mitternacht online anmelden. Es wird in bestimmten Segmenten aber auch enger werden. Besonders harte Engpässe können aber immer gelöst werden, wenn wir rechtzeitig davon wissen, am besten über die studentischen Vertreter im Ausschuss Lehre. Wenn diese es in die große Runde transportieren, wäre das der ideale Weg.
PACK: Was Ihnen immer sehr wichtig zu sein scheint ist auch die Entwicklung des studentischen Lebens auf dem Campus. Gibt es dazu weitere Vorschläge und Zukunftsperspektiven?
Hartmann: Wir haben dieses Projekt einer städtebaulichen Betrachtung des Campus unterzogen. Da gibt es eine Beteiligung von studentischen Vertretern. Im Sommer geht es in die zweite große Runde, die den derzeitigen Planungsstand diskutieren wird. Das geht natürlich über die reine Universität hinaus. Da geht es auch um die Möglichkeiten, die der Hochschulstadtteil bieten kann. Es stellt sich die Frage, was man dort anmieten oder nutzen kann. Wo sind die Wohnheimplätze? Sind die eher hier oder in der Innenstadt? Wie ist der Busverkehr bis Mitternacht? Das spielt da mit Sicherheit eine große Rolle. Ich habe aber noch keine klare Antwort bekommen, ob das eher der 8:00-20:00 Uhr-Campus sein soll oder der 24h-Campus. Da liegt mir noch kein Meinungsbild vor.
PACK: Also wissen wir nicht, ob es in fünf Jahren studentische Kneipen auf dem Campusgelände geben wird?
Hartmann: Genau. Ob so etwas sich in Campusnähe entwickelt, ist noch offen. Auf der anderen Seite könnten sich auch Studierende selbst organisieren, um eine Kneipe oder Studentenklub in irgendwelchen alten Gebäuden zu betreiben – was in den älteren Universitätsstädten auch passiert. Ob wir dazu preisgünstig vermietbare Raummöglichkeiten – vielleicht in den alten Baracken – haben, muss im Bedarfsfall geprüft werden.
PACK: Sie erwähnten doch, dass viele alte Gebäude – wie die Baracken – abgerissen werden sollen.
Hartmann: Es wird nie alles Alte abgerissen. Pläne sind zum Glück immer offen und am Ende nie so realisierbar, wie man es gerne hätte. Dann stellt man fest, dass das eine Gebäude nicht entsteht, weil das Geld fehlt und wahrscheinlich wird so etwas wie eine Kneipe oder ein Treffpunkt, der von Studenten selbst betrieben wird, in solchen Baracken immer eine Lösung auf Zeit sein, vielleicht auf zehn oder 15 Jahre. Ich will nicht ausschließen, dass sich so etwas hier entwickeln könnte. Noch ist für mich aber nicht sicher, ob dieser Bedarf hier überhaupt besteht, weil eben doch sehr viele in die Innenstadt gehen, da dort das Angebot äußerst groß ist. Auch ist von den Studierenden dieser Bedarf bis jetzt nicht geäußert worden. Wo ich deutlicher einen Bedarf sehe, sind Sport- oder Erholungsflächen. Gerade um die möglichen kommenden Leerlaufzeiten zur Entspannung zu nutzen. Insbesondere, wenn die Lernräume voll sind, gibt es dann Möglichkeiten, auch mal ein bisschen den Kopf auszuschalten. Die finanziellen Möglichkeiten, die wir da haben, sind sehr begrenzt. An irgendeinem Punkt müssen wir dann natürlich einen Stifter finden.
PACK: Besteht nicht die Gefahr, die Beziehung zwischen den Generationen auf dem Campus zu schwächen, wenn es Angebote gibt, die immer nur eine Generation von Studierenden ansprechen?
Hartmann: Ich bin mir nicht sicher, ob es jemals studentisches Leben gab, das mehr als eine Generation von Studierenden betraf. Das sind wahrscheinlich immer Projektionen. Das Wichtige ist, dass es überhaupt studentisches Leben gibt. Wenn ich die Erwartung hätte, heute an meiner ehemaligen Universität die gleichen Clubs wie früher anzutreffen, würde ich enttäuscht werden. Nein, ich würde mich freuen, wenn die Studierenden überhaupt irgendwas witziges machen. Wenn es da auch irgendwelche Freiräume gibt, so etwas zu schaffen. Ein relativ neuer und moderner und wachsender Campus ist da sicher im Nachteil.
PACK: Für solche Probleme fehlen aber aktuell auch die engagierten Studierenden. Ist das auch ein von Ihrer Seite aus spürbares Problem?
Hartmann: Klar. Insbesondere Studierende für die akademische Selbstverwaltung zu finden, die zum Beispiel an den Prüfungsausschüssen teilnehmen oder in den Berufungskommissionen, ist schwierig. Das ist natürlich schade. Man kann es positiv finden, wenn bei vielen Studenten der unmittelbar gefühlte Druck, sich als Gruppe eine Stimme in den Gremien geben zu müssen, aktuell nicht besteht, da aus ihrer Sicht die Kommunikation zwischen Studenten und Dozenten hinreichend gut läuft. Auf der anderen Seite dient studentisches Engagement in universitären Belangen auch nicht nur dem Abstellen von Problemen, sondern dient auch der Mitgestaltung und der Erweiterung des eigenen Horizontes. Ich finde, studentisches Engagement sollte vielleicht in der Werbung ein wenig weggehen von dem Motto “Wenn ihr dabei seid, könnt ihr eure Interessen durchsetzen”, weil viele sich wahrscheinlich gut vertreten fühlen, sondern eher zeigen, dass jemand, der sich einbringt, spannende Dinge lernen kann. Dort kann man in Gebiete hineinschauen, in die man sonst nicht reinkommt und die sich für die Berufsentwicklung lohnen könnten. Dann bekommt man vielleicht auch ganz andere Leute, die im Normalfall sagen würden, dass sie sich auf ihr Studium konzentrieren wollen und sich keine Gedanken über Härtefälle anderer Leute machen wollen. Die BtS hat aus meiner Sicht weniger Nachwuchsprobleme, da ich denke, dass diese Gruppe Leute anspricht, die sich persönliche Entwicklung erhoffen. Auch in studentischen Gremien sollte das so sein, denn man lernt einiges dazu, wenn man zum Beispiel in einer Berufungskommission sitzt.
PACK: Also sollen die Gremien drastisch gesagt an den Egoismus der Studierenden appellieren?
Hartmann: Das ist eine gute Triebkraft. Der eigene Vorteil muss erkennbar sein. Dass man sich dabei für Andere einsetzt, ergibt sich dann zwangsläufig daraus. Im Übrigen ist mein Appell für mehr studentisches Mitarbeiten auch egoistisch – nichts bringt einen manchmal so schnell voran wie eine gute, naive und unvoreingenommene Frage.
PACK: Merkt man das auch daran, dass dieses Jahr kein Campus Open Air stattgefunden hat?
Hartmann: Gab es nicht? Das ist sehr schade, aber auch da kann man wieder sagen, dass die Leute, die einmal so eine Aufgabe übernommen haben, sehr viel über das praktische normale Leben und das Organisieren gelernt haben. Das studentische Engagement liegt mir sehr am Herzen, nicht nur weil sich dort die Leute für Andere einsetzen, sondern weil die, die sich engagieren, wesentliche Erfahrungen sammeln. Ein Festival auf die Beine zu stellen ist Projektmanagement. Die Studierenden gehen in Trockenkurse und lernen Projektmanagement und ignorieren solche Möglichkeiten, das in der Realität anzuwenden. Diese Dinge sind nicht nur ein Zusatz zum Studium und bringen dich von deinem Pfad ab, nein, da kann man Kenntnisse, die ich mir trocken irgendwo anlerne, praktisch erproben. Wir werden zwar in Zukunft mehr Studierende haben und mehr Fächer, aber was ich mir wünschen würde – und ich habe keine Idee, wie man das hinbekommt – ist, dass es weiterhin und vertieft zu einer Kommunikation zwischen den verschiedenen Studiengängen auf studentischer Ebene kommt. Ob man das im Umfang einer Lehrplanveranstaltung organisieren soll oder ob die Studenten besser aus sich heraus Formate bilden – wie im Sport – und sich in Interessengruppen zusammenfinden, die nichts mit dem Studium zu tun haben – ich weiß es nicht. Wir sind immer noch eine sehr überschaubare Universität, an der sich ortbezogen auf dem Campus und in der Stadt die Menschen begegnen. Wichtig wäre mir, dass sich die Menschen nicht nur begegnen, sondern sie auch miteinander sprechen und dabei etwas über die anderen Studiengänge lernen, sodass auch ein Mediziner am Ende des Tages sagen kann, wo die Problematik von sicheren Systemen liegt und der Informatiker weiß, warum Impfmüdigkeit schlecht ist. Da können die Studierenden auch gerne kommen und vorschlagen, wie man eine solche Atmosphäre schaffen könnte. Das wäre mein Traum vom Campus Lübeck, dass am Ende jemand vom Campus Lübeck kommt und sagt: “Ich habe Medizin studiert, aber auch Erfahrungen von Informatik bis hin zur Psychologie gesammelt.”
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