Prof. Hartman: „Dadurch dass Sie hier sind, kriegt auch die Internationalisierung unserer Universität ganz andere Impulse.“Lukas Ruge | StudentenPACK.

Prof. Hartman: „Dadurch dass Sie hier sind, kriegt auch die Internationalisierung unserer Universität ganz andere Impulse.“

„Das tut der Universität gut, mehr ausländische Gesichter zu haben, ganz egal auf welchem Weg sie hier hergekommen sind“, begrüßt Prof. Enno Hartmann für das Präsidium die 20 Flüchtlinge und ein gutes Dutzend Gäste und Lehrbeauftragte am 4. Mai im alten Posthof. Hier wird das Propädeutikum aus der Taufe gehoben, der etwas sperrig benannte Vorbereitungskurs für Flüchtlinge auf ein Studium in Lübeck. Hartmann macht gleich klar, dies ist kein karitativer Akt: Die Uni profitiert von den neuen Studenten, ihrer Qualifikation und der resultierenden Vielfalt: „Dadurch dass Sie hier sind, kriegt auch die Internationalisierung unserer Universität ganz andere Impulse.“

Bedenkt man, wie langsam die Mühlen größerer Organisationen mahlen, so ist der Vorbereitungskurs an der Uni Lübeck beindruckend schnell zusammengekommen. Das liegt ganz offensichtlich an Dr. Sabine Voigt, was auch Hartmann nicht vergisst zu erwähnen: „Ihre Initiative war maßgeblich, dass wir überhaupt so weit gekommen sind.“

„Wir legen jetzt einfach mal los!“, scheint Voigts Motto zu sein und sowohl die Lehrbeauftragten als auch die Teilnehmer des Propädeutikums scheinen diesen Schwung mit Freude aufzugreifen. Die Räume sind an den Vortagen der Eröffnung überhaupt erst fertig geworden, Ikea-Anleitungen liegen noch auf den Fensterbänken, die letzte Tafel wird vor der Veranstaltung noch schnell zusammengeschraubt. Zu Kaffee und Kuchen wird noch eifrig über die Struktur der Informatik-Kurse, die in der nächsten Woche losgehen, diskutiert. „Wird in Java oder C++ programmiert?“, fragt einer, „Wer kennt Python? Keiner? Dann ist es es immerhin für alle gleich schwer“, ist die halb scherzhafte Antwort.

Neben Informatik werden Kurse in Mathematik, Biologie und Chemie gehalten, unterstützt von erfahrenen Dozenten geben hauptsächlich Studenten die Kurse. Davon sollen auch die Teilnehmer profitieren: Sie erhalten direkten Kontakt zu Studenten und ins Studentenleben.

Für die Informatikkurse wird es Laptops geben, allerdings nur zehn Stück, an welche sich jeweils zwei Teilnehmer setzen. Alle Kurse werden auf Deutsch gehalten. Zu den fachlichen Kursen gibt es reichlich Deutschunterricht, der wöchentliche Kursplan ist mit 24 Stunden die Woche gut gefüllt. Das Niveau, so erklärt Voigt, soll zwischen Abitur und erstem Uni-Semester liegen. Recht hoch, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Teilnehmer parallel erst Deutsch lernen.

Neben den Deutschkursen bildet sich Hassan mit Videos am Smartphone weiter.Lukas Ruge | StudentenPACK.

Neben den Deutschkursen bildet sich Hassan mit Videos am Smartphone weiter.

„Ich habe Deutschunterricht seit Januar“, erzählt Hassan, der zukünftig im Propädeutikum die Schulbank drücken wird. Wir reden problemlos auf Deutsch miteinander, obwohl Hassan auch Englisch kann. Überhaupt reden viele hier Deutsch miteinander, auch wenn sie eine andere, gemeinsame Muttersprache haben. Hassan kommt aus Aleppo. In Syrien hat er Jura studiert, musste aber vor seinem Abschluss flüchten. Seit sieben Monaten ist er in Deutschland. Neben den Deutschkursen bildet er sich mit Videos am Smartphone weiter. Wie viele hier scheint auch Hassan hoch motiviert zu sein das Propädeutikum zu schaffen, um danach ein Informatikstudium zu beginnen.

Die Erwartungen an das Propädeutikum sind hoch: Eifrig informieren sich die Teilnehmer über die verschiedenen Fächer, die sie hoffen, an der Uni studieren zu können. Für die meisten geht es um Informatik. Wer nach den vier Monaten des Propädeutikums eine „Eingangsprüfung“ besteht, kann schon vor Abschluss des Asylverfahrens ein nicht zulassungsbeschränktes Studium in Lübeck beginnen.

Sabine Voigt rechnet nicht damit, dass dies vielen gelingen wird. In ihrer kurzen Ansprache an die Teilnehmer bemerkt sie: „Ich weiß, dass viele von euch, die jetzt teilnehmen, noch nicht genug Deutsch können, um dieses Propädeutikum zu schaffen. Das macht aber nichts! Wir werden euch hinterher Workshops anbieten, wo ihr das Gelernte nochmal vertiefen könnt, mehr Deutsch lernen könnt, und dann macht ihr es im nächsten Jahr einfach nochmal.“ Sie schätzt, dass ungefähr 30 Prozent die Prüfung dieses Jahr tatsächlich bestehen werden.

„Die Situation mit den Menschen, die jetzt hier hergekommen sind – als Migranten oder als Flüchtlinge -, ist für uns nicht nur eine Forderung, sondern auch eine Inspiration“, bemerkt Hartmann, „Ohne dies hätten wir vielleicht das Sprachzentrum gar nicht erweitert, obwohl wir das müssen und ohne diese Situation hätten wir auch nicht über ein Propädeutikum nachgedacht, das mittelfristig auch für die nationalen Studenten notwendig sein wird!“ Der Übergang von der Schule zum Studium gestalte sich als immer schwieriger. Ab dem nächsten Jahr möchte man auf ein Buddy System setzen, 15 Menschen, die in Deutschland ihren Schulabschluss gemacht haben und sich inhaltlich auf das Studium vorbereiten möchten und 15 Flüchtlinge.

In den Gesprächen mit den Geflüchteten hat man das Gefühl, dass hier welche angetreten sind, die Erwartungen zu übertreffen. Das Propädeutikum soll ab jetzt jährlich angeboten werden. Die Finanzierung über den Deutschen Akademischen Austauschdienst und den Bund ist bis 2019 gesichert. Es besteht aber die Hoffnung, das Angebot viel länger zu halten.

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