Dass das CHÉ alle Namensvorschläge objektiv gleichgewichtet, scheint nicht der Fall zu sein.Albert Piek

Dass das CHÉ alle Namensvorschläge objektiv gleichgewichtet, scheint nicht der Fall zu sein.

Das Resümee am Anfang: Die vorliegende CHE-Stellungnahme zur möglichen Umbenennung der Universität zu Lübeck ist aus verschiedenen Gründen unzureichend. Als faktische Grundlage für eine Abwägung des Themas an der Universität kann die Stellungnahme leider nichts beitragen.

In die „Diskussion“ um die Umbenennung der Universität zu Lübeck hat sich nun auf Gesuch der Universitätsleitung auch das „Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) eingeschaltet. Das Centrum hatte bereits 2014 ein Arbeitspapier mit dem Titel „Sich einen Namen machen“ vorgelegt, dessen Autoren, Ulrich Müller und Markus F. Langer, auch die Stellungnahme zur Universität zu Lübeck geschrieben haben.

Den Autoren ist zugute zu halten, dass sie eindeutig darauf hinweisen, dass „aufgrund der sehr kurzen Zeitspanne, die zur Erstellung des Gutachtens zur Verfügung stand, Imageanalysen, repräsentative Umfragen oder vertiefende biografische Studien nicht möglich waren.“ So „können diese Einschätzungen der Gutachter nicht als abschließendes Urteil mit exakten Werten angesehen werden. Sie sind vielmehr als Annäherungen [beziehungsweise] als die Diskussion strukturierendes Deutungsangebot zu verstehen.“ Die fehlende Tiefe ist bedauerlich, viel bedauerlicher ist, dass die Art der Ausarbeitung die Stellungnahme sehr voreingenommen erscheinen lässt.

Oberflächlich diskutieren die Autoren in der Stellungnahme die Vor- und Nachteile einer Umbenennung sowohl grundsätzlich als auch anhand von zehn Beispielen. Neben dem aktuellen Namen der Universität stehen auch Cornelia-Schorer-, Erich-Mühsam-, Günter-Grass-, Hanse-, Heinrich-der-Löwe-, Joachim-Jungius-, Thomas-Mann-, Willy-Brandt- und Stiftungsuniversität zu Lübeck zur Auswahl. Die Liste der Namen ist dabei ungewöhnlich lang und damit auch unübersichtlich, einige sind bisher in der Diskussion kaum vorgekommen. Mit welcher Aufmerksamkeit man dabei all jene Namen bedenkt, die nicht mit „Thomas-Mann“ beginnen, lässt sich anhand einer einfachen Aufteilung der Stellungnahme aufzeigen.

Klare Konzentration auf einen Namen

Kürzt man Tabellen, Fußnoten, Quellenangaben und Ähnliches hat die im Druck 32-seitige Stellungnahme ungefähr 63.800 Zeichen (mit Leerzeichen), davon befasst sich zu Anfang ein erheblicher Teil mit der Einleitung sowie den von Müller und Langer genutzten Kriterien zur Bewertung von Hochschulnamen, welche sie aus ihrem Arbeitspapier übernommen haben. Zudem diskutieren sie im hinteren Teil, wie die Befragung der Experten zum Namen der Lübecker Uni durchgeführt wurde (bleiben die Antworten der Befragten jedoch schuldig). Grob 27.000 Zeichen (42 %) der Stellungnahme beschäftigen sich nicht mit den konkreten Vorschlägen.

1567 Zeichen (2,4 %) sind dem aktuellen Namen gewidmet, 1170 Zeichen Cornelia Schorer (1,8 %), 1273 Zeichen (1,9 %) Erich Mühsam, 1765 Zeichen (2,7 %) Günter Grass, 2644 Zeichen (4,1 %) der Hanse-Universität, 985 Zeichen (1,5 %) Heinrich dem Löwen, 1024 Zeichen (1,6%) Joachim Jungius, 1580 Zeichen (2,4 %) der Stiftungsuniversität, 1719 (2,6%) Willy Brandt. In der Summe entfallen auf neun der zehn Vorschläge 20 % des Textes.

Dem Namensvorschlag „Thomas Mann“ wird so viel Platz eingeräumt wie allen anderen Namen zusammen. Lukas Ruge

Dem Namensvorschlag „Thomas Mann“ wird so viel Platz eingeräumt wie allen anderen Namen zusammen.

Auf zwei Abschnitte mit insgesamt 12.430 Zeichen (19,4 %) verteilt wird dem Vorschlag Thomas-Mann-Universität zu Lübeck ebenso viel Platz eingeräumt wie allen anderen Namen zusammen. Diese Diskrepanz ist natürlich nicht zu verbergen. Die Autoren erklären, eine Konzentration auf Thomas Mann sei erfolgt, da er von allen Namen am meisten diskutiert worden sei. Ein absurdes Argument: Wenn überhaupt sollte dies rechtfertigen den Namen am wenigsten zu behandeln, über die Vor- und Nachteile der meistdiskutierten Option müsste jeder bereits informiert sein. Doch wenn es für die Stellungnahme nur darum ging, „wahrscheinliche“ Namen zu analysieren, so hätte mindestens der Name „Universität zu Lübeck“ ähnliche Aufmerksamkeit verdient und man hätte die acht Feigenblätter weglassen können.

Im verbleibenden Anteil des Textes wird zusammengefasst und resümiert: „Aufgrund der positiven Strahlkraft Thomas Manns erscheint es prinzipiell gut vorstellbar und attraktiv, dass sich die UzL künftig mit seinem Namen schmückt.“ Es gilt daran zu erinnern, dass diese angebliche „positive Strahlkraft“ nicht zwangsläufig vorhanden ist, für Imageanalysen war den Verfassern zufolge keine Zeit. Der zitierte Satz taucht dennoch in Gänze gleich zweimal im Text auf.

Thomas trois points

Trotz der kurzen Zeit: Die Autoren versichern ihren durchaus wissenschaftlichen Anspruch („analytisches Vorgehensmodell“) und berufen sich auf Interviews mit Experten, darunter Mitglieder des AStA und Professoren der Uni, welche zur Bewertung der einzelnen Namen geführt haben. Unter den Experten sind weiterhin der Präsident der Thomas Mann Gesellschaft und die Leiterin des Buddenbrookhauses, nicht aber Mitglieder der Joachim Jungius-Gesellschaft, niemand vom Günter-Grass-Haus, niemand vom Willy-Brandt-Haus (aber immerhin die SPD-Mitglieder Bernd Saxe und Björn Engholm) und niemand vom Hansemuseum. Bei dieser Zusammenstellung der Expertenkommission ist es kaum ein Wunder, dass die Bewertung der Namen im Detail ebenfalls verkorkst ist.

Das liegt erst einmal daran, dass die Autoren beschließen, dass bestimmte Kriterien, darunter „Bekanntheit der Namensbestandteile“, wichtiger seien als Andere.

Die im Arbeitsblatt mit „Verdeutlichung von Kontinuität bzw. Neuorientierung“ betitelte Dimension der Bewertung wird bei der tatsächlichen Diskussion der Namensvorschläge für Lübeck zu „Verdeutlichung eines Aufbruchssignals“, bei welchem dann der alte Name natürlich nicht punkten kann. Nicht klar wird, warum Stiftungsuniversität und Thomas-Mann-Universität in dieser Kategorie 2 von 3 möglichen Punkten erhalten, die anderen erwogenen neuen Namen (und Stiftungsuniversität ist inzwischen genau genommen ein alter Name) nicht.

Eine weitere der zehn Skalen, auf denen mögliche Uni-Namen von den Autoren mit null bis drei bewertet werden, ist die „Kennzeichnung des fachlichen Profils“, also die Frage, wie sehr ein Namensgeber das wissenschaftliche Profil der Uni repräsentiert. Joachim Jungius, Professor für Medizin, Professor für Mathematik sowie Mitbegründer der modernen Chemie erhält hier einen der drei möglichen Punkte. Es ist wohl nicht zu verzeihen, dass er vor 400 Jahren nicht auch eine Professur in Informatik innehatte. Die Argumentation ist klar: Eine Person kann ein Profil nicht kennzeichnen, wenn die Person unbekannt ist. Doch die Bekanntheit der Namensbestandteile ist eine eigene, weitere, Dimension des Graphen. Dieselbe Bewertung (1 von 3) erhält in diesen Bereichen die Ärztin Cornelia Schorer, die lebenslang sowohl als Medizinerin als auch in der Pflege gearbeitet hat.

Ebenso ist die Auslegung bei anderen Bewertungskriterien sonderbar: Die Tatsache, dass sowohl Grass, Mühsam als auch Brandt politische Namen sind, schädige potentiell die „positive Konnotation“ des Namens. Als könne eine Hochschule mit ihrem Namen nicht auch politisch Stellung beziehen (Was das CHE wohl zur Umbenennung der Universität Oldenburg gesagt hätte?). Thomas Manns Name ist natürlich auch politisch belegt, dies stärkt allerdings die „positive Konnotation“. Brandts Verbindung zu seiner Geburtsstadt Lübeck sei weniger klar, schätzen die Autoren, er würde eher mit seiner Wirkungsstätte Berlin assoziiert. Thomas Mann hingegen würde mit seiner Geburtsstadt, nicht mit den Orten seines Wirkens in Verbindung gebracht. Das mag stimmen, aber für mehr als anekdotische Hinweise auf die Rede zum 50. Todestag von Thomas Mann reicht es nicht. Brandt und Mann haben etwa im selben Alter Lübeck verlassen.

TMUzL, TMUL, TMU, UzL™?

Ein perfides Detail ist, dass die natürlich im Lesefluss hinderliche Abkürzung „UzL“ knapp 100-mal in dem nur 30-seitigen Text benutzt wird, aber Thomas-Mann-Universität zu Lübeck nie gekürzt wird. Dabei werden mögliche Abkürzungen für jeden Namensvorschlag explizit diskutiert, die von den Autoren bevorzugte Abkürzung für eine nach Thomas Mann benannte Universität ist dem Leser also bekannt. Dass diese nicht verwendet wird, ist besonders auffällig, da die vorgeschlagene Abkürzung „TMU“ als einzige Abkürzung von den Autoren positiv bewertet wird. Auch diese Bewertung erfolgt nicht basierend auf Marktanalysen oder repräsentativen Befragungen, sondern die Autoren beschließen, dass TMU „eingängig“ klingt. Die Ähnlichkeit zu bereits genutzten Kürzeln zweier Münchner Universitäten (TUM und LMU) sei eher positiv. Anscheinend glauben die Autoren nicht, dass es für die kleine Uni Lübeck tatsächlich hilfreich sei, als sie selbst gesehen zu werden, mit etablierten süddeutschen Universitäten verwechselt zu werden würde uns eher helfen. TMU ist aber natürlich, wie die meisten anderen vorgeschlagenen Kürzel, falsch, wahrscheinlich würde „zL“ nicht entfallen und die Abkürzung wäre „TMUzL“ oder eventuell „TMUL“ – der Bericht selbst erwähnt, dass es in jedem Fall sinnvoll ist den Namen der Stadt im Namen zu belassen. Ob man für „TMUzL“ auch drei von drei Punkten auf der Skala für gute Kurzformen bekommt?

Insgesamt ist der Umgang mit Kurzformen unnötig fantasielos. Eine Cornelia-Schorer-Universität zu Lübeck müsste sich nicht als „CSU“ abkürzen, Namen von Patronen können auf Nachnamen gekürzt oder an andere Positionen verschoben werden. So wäre die „Lübsche Schorer Universität“ (LSU), „Universität Lübeck – Cornelia Schorer“ (ULCS oder auch UzLCS) oder „Lübsche Universität Cornelia Schorer“ (LUCS) möglich. Die genauso fantasielosen Kürzel für Joachim-Jungius-Universität (JJU) und Günter-Grass-Universität (GGU) werden wegen der Buchstabendoppelung heruntergestuft – man möchte die Studenten und Mitarbeiter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fragen, wie sehr sie darunter leiden. Auch könnte eine Jungius-Universität Lübeck komplett auf die Abkürzung als Kurzform verzichten und einfach die „Junge Universität“ sein. Welcher Name klingt jetzt mehr nach Aufbruch? Da die Autoren auf Seite fünf der Stellungnahme über diese unterschiedlichen Konstruktionsformen für Universitätsnamen referieren ist es schluderig von ihnen, sie im späteren Abschnitt gänzlich unbeachtet zu lassen.

Da sich die Stellungnahme intensiv mit Thomas Mann als Namensvorschlag beschäftigt, nennt sie auch die Gründe gegen die Wahl. Diese erschöpfen sich hauptsächlich in der gänzlich fehlende Verbindung zum Fächerspektrum der Universität zu Lübeck (0 von 3 Punkten). Um auch hier die Zeichenzahl nicht schuldig zu bleiben: Etwa 1500 Zeichen lang erklären die Autoren uns, warum Thomas Mann vielleicht doch nicht als Namensgeber taugt um dann mit dem bereits genannten Satz über die positive Strahlkraft in die Zusammenfassung zu gehen. Viele Kritikpunkte an Thomas Mann als Uni-Marke, welche unter anderem im letzten StudentenPACK erwähnt wurden, bleiben unerwähnt.

Schlussendlich zeigt sich die unzureichende Bereitschaft, sich mit den Alternativen zu Thomas Mann überhaupt nur zu beschäftigen auch in der Quellenliteratur. Thomas Mann taucht als Primärquelle auf, alle anderen nicht. Schriften hinterlassen haben uns allerdings alle, die vorgestellt wurden.

Auch nur eine Meinung

Wenn man die Stellungnahme als das nimmt was sie ist, eine von vielen Meinungsäußerungen in der laufenden Meinungsfindung, so ist sie unproblematisch. Sie ist aber, und darauf muss mit aller Deutlichkeit hingewiesen werden, nicht mehr als eine Meinungsäußerung. Sie kann keinen Anspruch auf Objektivität erheben, die Gewichtung ist klar, die Schlussfolgerung ebenso. Der Fairness halber sei erwähnt, dass die Stellungnahme diesen Anspruch auch selbst nicht erhebt, es ist keine Studie, weder müssen die Aussagen aus den Experteninterviews angegeben werden noch sind eine ausführliche Literaturanalyse oder Umfragen zur tatsächlichen Bekanntheit von Namen erforderlich. Wichtig ist aber, wenn in der nachfolgenden Diskussion auf die CHE-Stellungnahme verwiesen wird, dies zu berücksichtigen.

Letztendlich erklärt die Stellungnahme allerdings gut, warum sich die ganze Diskussion ohnehin erübrigt: Ein Universitätsname, so erklären die Autoren im Rückgriff auf frühere Publikationen, sei der Kern der Marke einer Universität und diene dazu die Ziele (darunter hohe Immatrikulationszahlen, Fördergelder, Kooperation mit anderen Unis, politische Unterstützung…) positiv zu beeinflussen, sei aber alleine nicht ausschlaggebend. Liest man sich die zu erreichenden Ziele durch, so wird man erkennen, dass die Uni im Jahre 2015 bereits alle zu erfüllen scheint. Zudem ist „eine starke Marke […] im Zeitverlauf stabil“ und was wäre stabiler als „Universität zu Lübeck“.

Wichtig sei, so heißt es auf Seite sechs, die Marke als Identifikationspunkt der „Nutzer“, im Falle einer Uni also der Mitarbeiter und Studenten. In einer repräsentativen Umfrage des AStA stellte sich heraus, dass ein Großteil der Studierenden die Umbenennung aufgrund der fachlichen Entfernung Thomas Manns zur Universität ablehnt. Damit erübrigen sich die restlichen Seiten der Stellungnahme eigentlich.

Noch keine Kommentare, sei der Erste!