Es ist der 19. Juni. Eine weitere Streikwelle bricht über das Land herein. Doch die Bahnen fahren und Busse treiben langsam durch volle Innenstädte. Weit über der Stadt fliegt ein einzelnes Flugzeug. Alles wirkt normal. Doch irgendetwas fehlt. Plötzlich trifft es mich wie ein Schlag. Es ist Samstagmorgen und mir ist es vergönnt auszuschlafen. Kein stürmisches Klingeln, kein Hetzen zur Tür nur um ein Paket für meine Nachbarn anzunehmen. Es ist die Post. Es muss wieder eingekauft werden. Die Innenstädte füllen sich. Vielleicht steckt hinter all dem eine Verschwörung. Die Piloten streiken und Menschen weichen in Scharen auf die Bahn aus. Die Lokführer streiken und die Fernbusse feiern Hochkonjunktur. Jetzt springen auch die Post-Mitarbeiter auf den stehenden Zug auf.

Die Innenstädte sollen neu mit Leben gefüllt werden. Der Einzelhandel wird gestärkt und der Bürger aus der Wohnung gescheucht. Doch nicht jeder ist vom Poststreik betroffen. Nicht einmal alle Bewohner desselben Hauses. Da die Hochschulwahlen anstanden freute ich mich, als endlich die Wahlunterlagen für die Senatswahl aus meinem Briefkasten ragten. Als dann eine Woche später auch die Wahlunterlagen meiner Nachbarin ankamen wurde ich stutzig. Die Deadline der Wahl wurde ein ums andere Mal verschoben und ich begann, meine Kommilitonen zu befragen. Es hatte nur ca. jeder Vierte überhaupt seine Wahlunterlagen bekommen. Das bedeutet das etwa drei Viertel aller Wahlunterlagen fest verschlossen und auf das Öffnen wartend in den ewigen Briefzentren der deutschen Post, vergraben unter Amazon-Paketen und Grußkarten, verweilen. War ich denn nun vom Streik betroffen? Ein Artikel auf Focus-Online sollte Abhilfe schaffen. Der Begriff Poststreik förderte einen Artikel hervor. Dieser versprach Klärung. Auf der Webseite der Gewerkschaft Verdi würden diejenigen Postleitzahlen aufgelistet, die in den nächsten Wochen nicht beliefert werden würden. Ich besuchte also die Webseite. Statt einer Liste sprach die Gewerkschaft von einem speziellen „Poststreiküberwachungsprogramm“. Dieses sollte von ihnen zum Download angeboten werden. Nur für den Poststreik sollte ich mir also ein spezielles „Poststreiküberwachungsprogramm“ installieren? Und wie soll dieses funktionieren? Sendet es meine eingegebene Postleitzahl an Verdi und diese sammeln die am häufigsten eingegebenen Zahlen unter „Hier ist der Streik anscheinend am schlimmsten“? Ich ließ mich von dieser Aussicht nicht abschrecken und klickte auf den Download-Button. Sofort wurde ich auf Chip.de weitergeleitet. Diese Seite forderte mich auf, ihr spezielles Downloadprogramm zu verwenden, damit ich das „Poststreiküberwachungsprogramm“ herunterladen konnte, um meine PLZ einzugeben, nur um herauszufinden, ob ich in Zukunft Post empfangen kann. Über den manuellen Download und zwei weiter Klicks auf neu eingeblendete Download-Buttons landete ich auf der offiziellen Website der deutschen Post. Kein Programm, keine Liste, aber ein Fenster zur Eingabe meiner PLZ. Hier konnte ich nun entweder meine oder die Absender-PLZ angeben. Das alles nur für die Nachricht „Zu ihrer PLZ haben wir leider keine Informationen. Bitte versuchen Sie es mit der Absender-PLZ“. Ich gab also die Adresse der Uni an und wurde in meinen Befürchtungen bestätigt: „Bitte geben Sie die Empfänger-PLZ an“. In diesem Sinne: Frohes Wählen!

Noch keine Kommentare, sei der Erste!