Diskussion und Umfrage

Diskussion und Umfrage [media-credit id=238 align="aligncenter" width="645"]


Seit einiger Zeit nun stehen wir alle einer möglichen Umbenennung unserer Universität gegenüber. Es dürfte das meist diskutierte Thema seit „Lübeck kämpft“ sein, da es uns alle irgendwie betrifft. Das Präsidium steuert nun, auf ein Ende dieser Diskussion zu. Nachdem im Mai eine Biographie von Thomas Mann präsentiert wurde,  folgt am 18. Juni die öffentliche Diskussion des Namens in St. Petri. Am Tag danach startet die unabhängige, neutral formulierte und von studentischer Seite initiierte Online-Umfrage zur Umbenennung der Universität zu Lübeck. Diese läuft bis zum 29.Juni, sodass die Ergebnisse am 30. Juni auf der Vollversammlung der Studierendenschaft und auf der Sondersitzung des Senats am 1. Juli präsentiert und diskutiert werden können. Im Anschluss an diese Veranstaltungen soll nach aktueller Planung auf der Senatssitzung am 8. Juli eine Entscheidung getroffen werden. Alle Mitglieder der Universität zu Lübeck sind zu sämtlichen Veranstaltungen herzlich eingeladen.  Sich an der Diskussion zu beteiligen ist ausdrücklich erwünscht, auch weil das Vorgehen des Präsidiums und der Ablauf der Veranstaltung durchaus kritisch betrachtet werden können.

Rückblick

Das Präsidium wünschte für die Senatssitzung am 15. April 2015 eine Stellungnahme des Senats zur Umbenennung in „Thomas Mann-Universität zu Lübeck“. Üblicherweise wird hierzu eine Beschlussvorlage mit eingereicht, die in diesem Fall bereits in der Senatsvorbesprechung abgewiesen und zur Nachbearbeitung an das Präsidium zurückgegeben wurde. In der Senatssitzung wurde der Antrag nach einer kontroversen Diskussion zurückgezogen, vermutlich um einer Ablehnung vorzubeugen.

Warum gab es vorher keine breite Befragung aller Hochschulmitglieder? Warum wurde die Frage in anderen Gremien nicht diskutiert, bevor sie in den Senat ging?

Das Verhalten ist in unseren Augen ein Versuch, die Struktur der Universität und die Meinungen aller Nichtmitglieder des Senats vorsätzlich nicht zu berücksichtigen. Der Präsident hat dies anscheinend eingesehen und vor dem Studierendenparlament eingeräumt, dass sein vorschnelles Handeln nicht optimal gewesen sei und er nun einen transparenteren, ergebnisoffenen Diskurs anstrebe.

Doch wie ergebnisoffen kann nun der Diskurs sein, wenn ihm solch ein Verhalten vorausgeht?

Trotz seiner Beteuerungen vor dem Studierendenparlament machte der Präsident im nächsten Satz deutlich, dass seiner Ansicht nach ausschließlich der Name „Thomas Mann“ in Frage komme.

Trägt dieses Verhalten zu einem offeneren Diskurs bei oder ist es ein Versuch, die Diskussion weg von allen Namensalternativen auf diesen einen Vorschlag hin zu lenken?

Falls dies die Strategie des Präsidiums ist beziehungsweise war, ist diese zumindest zum Teil aufgegangen. Es existiert wohl kaum eine Person auf unserem Campus, die nicht zumindest ein Gespräch über Thomas Mann mitbekommen hat. Zudem findet kaum eine Diskussion darüber statt, welche Namen noch in Frage kommen.

Was unternimmt das Präsidium beziehungsweise Herr Wiegand (Leiter der  Stabsstelle Kommunikation), um einen offenen Diskurs zu fördern? Gibt es Infoveranstaltungen zu möglichen Namensvorschlägen?

Jede Person, die die Veranstaltungseinladungen verfolgt hat, muss feststellen, dass keine Ergebnisoffenheit bezüglich der Namenswahl existiert. Es gibt ausschließlich Veranstaltungen zum Namen „Thomas Mann“ und als Diskussion bezeichnete Veranstaltungen, bei denen erstaunlich viel über Thomas Mann referiert wird.

Warum sollte Thomas Mann der einzig wahre Namenspatron sein?

Thomas Mann ist für die meisten Personen in erster Linie Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger. Seine oft angesprochene Kritik am nationalsozialistischen Regime wird selbst in einschlägigen Onlinelexika erst im Nachsatz erwähnt.

Wurde der Name Thomas Mann schon immer so hoch in der universitätsinternen Debatte gehandelt? Diskutieren wir also deswegen gerade nur auf Basis dieses einen Namens?

Der Konvent der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Medizinischen Universität zu Lübeck, vergleichbar mit dem heutigen Senatsausschuss MINT, hat im November 2000 zur Namensgebung der Universität ein Meinungsbild erstellt. Jedes Mitglied hatte dabei zwei Stimmen zur Verfügung – auf Thomas Mann entfielen null Stimmen. Dass Thomas Mann schon lange als guter Namenspatron betrachtet wird, lässt sich also nicht sagen.

Was hat sich in der Universität zu Lübeck an der Wahrnehmung von Thomas Mann geändert? Wollen wir nicht auch über andere Namen diskutieren? Sollte die Präsentation von Namensvorschlägen nicht vielfältiger und ausgewogener sein?

Ausblick

Wie offen wird die Diskussionsveranstaltung am 18. Juni 2015 um 19 Uhr in St. Petri werden? Kann sie offen sein, wenn nur ein Name auf der Agenda steht?

Zu Beginn wird das CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) eine Stellungnahme zur Namensänderung der Universität abgeben. Die Datengrundlage dieser Stellungnahme ist in unseren Augen zumindest diskutabel. Für diese Stellungnahme wurden sechs Professoren, zwei Studierende, die zwei Personalräte, fünf weitere Universitätsangehörige und fünf bekannte Persönlichkeiten aus der Stadt befragt. In Summe sind das zwanzig Personen.

Findet ihr das ausreichend? Wäre nicht eine breitere Datenerhebung eventuell auch von Personen, die nicht der Universität angehören sinnvoll? Wie wäre es zum Beispiel gewesen Lübecker auf der Straße dazu zu befragen?

Beim nächsten Programmpunkt werden Dr. Birte Lipinski (Leiterin des Buddenbrookhauses) und Professor Hans Wißkirchen (Vorsitzender der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, Honorarprofessor der Uni Lübeck) vorstellen, wofür Thomas Mann steht.

Inwiefern sind zwei Personen, die sich hauptberuflich mit der Person Thomas Mann beschäftigen, dafür geeignet? Haben diese nicht aufgrund der vorherrschenden Verbundenheit eine ganz andere Sicht auf Thomas Mann, als der Durchschnitt der Bevölkerung? Warum geht es darum, wie er von Experten wahrgenommen wird und nicht darum, wie er in der Öffentlichkeit betrachtet wird? Warum gibt es also an dieser Stelle keine breite Befragung der Lübecker Bürger oder der vermeintlichen Stifterszene?

Zudem werden wichtige Personen aus Stadt und Region ihre Meinung zu diesem Thema äußern. Namentlich sind dies Kristin Alheit (Landesministerin unter anderem für Wissenschaft) und Bernd Saxe (Bürgermeister von Lübeck). Weitere Redner dieses Blocks sind Renate Menken, die als Geschäftsführerin der Possehl-Stiftung sowohl der Universität als auch der Studierendenschaft viele Projekte finanziert hat. Hinzu kommt Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer der IHK in Lübeck.

Was genau verbindet Herrn Schöning denn so stark mit der Universität, dass er als Redner eingeladen wurde? Wenn wir schon dabei sind, Unterstützer der Universität einzuladen, warum sagen die Sparkassen-Stiftung oder die Parcham´sche Stiftung  nichts zur Umbenennung?

Wenn man aber scheinbar wahllos Leute einlädt, hätte man auch auch Dr. h.c. Schavan einladen können.
Anschließend wird es einen Block geben, in dem Professorin Dr. Gisela Gillessen-Kaesbach, Professor Dr. Cornelius Borck, Professor Dr. Jürgen Westermann und Rahel Roseland (ehemaliges Senatsmitglied für die Studierendenschaft und amtierendes Mitglied des Studierendenparlaments).  Sie sollen Sichtweisen aus der Universität liefern. Darauf folgt die eigentliche Diskussion, die in ihrer Länge auf 45min festgelegt wurde. Zudem wird es ein Schlusswort von Herrn B. Engholm (Vorsitzender der Alumni) geben.

Wo bleibt die MINT-Sektion in diesem Programmpunkt, wenn alle Personen Mediziner sind? Warum dürfen die Mitarbeiter sich nicht äußern? Sind diese kein Teil der Universität? Wer bekommt da wohl wieviel Redeanteil? Können in Anbetracht der Zeit alle Argumente vorgebracht und alle Fragen beantwortet werden? Sind auf dem Podium Kritiker und Befürworter des Namens in gleicher Zahl vertreten? Werden sich tatsächlich auch Bürger der Stadt an der Diskussion beteiligen oder hätten das Ganze auch gleich im Audimax stattfinden können?

Welche Fragen sind abgesehen von den einzelnen Teilnehmern der Diskussion noch offen:
Warum gibt es bei dieser Veranstaltung keine explizite Präsentation der „Schattenseiten“ von Thomas Mann?
Kein Namensvorschlag hat nur positive Seiten. Zur Abwägung bei einer solchen Entscheidung gehören beide Seiten und es wird sich unserer Auffassung nach sehr bemüht, nur die positiven zu beleuchten.

Warum besteht überhaupt die Notwendigkeit den Namen zu ändern? Warum wird es keine Veranstaltung zur Bewerbung des aktuellen Namens unserer Universität geben? Auch für diesen Vorschlag finden sich zahlreiche Fürsprecher. Festigt nicht das, was unsere Universität bisher mit Leben gefüllt hat, den Namen „Universität zu Lübeck“?

Es ist doch interessant, darüber zu reden, was unsere Universität ausmacht, wofür sie steht und was wir mit ihr verbinden. Viele der Universitätsmitglieder werden sich vor allem seit – „Lübeck kämpft“- mit der „Universität zu Lübeck“ stark identifizieren. Dies ist einer der Eckpfeiler unserer fünfzigjährigen Geschichte und nur ein Beispiel für viele Punkte, die in unseren Überlegungen nicht vernachlässigt werden dürfen und über die wir reden müssen, wenn wir eine Umbenennung diskutieren.

Gesetzt den Fall, dass der Senat sich am 8. Juli 2015 für eine Umbenennung ausspricht, was kommt dann auf uns zu? Was ändert sich für uns? Müssen wir uns an ein neues Corporate-Design gewöhnen? Müssen wir Abschied nehmen vom gewohnten, und von vielen gemochten, Ozeangrün?

Wünsche und Hoffnungen

Bezüglich der Planung der Veranstaltungen, die vom Präsidium ausgehen, resignieren wir und hoffen auf eine differenziertere Sondersitzung des Senats am 1. Juli 2015. Thomas Mann wird mit deutlichem Nachdruck in den Vordergrund gerückt und andere Vorschläge, wie sie zum Beispiel im vorhin erwähnten Konvent im November 2000 zur Auswahl standen und in der Umfrage nochmal auf alle zukommen, werden kleingeredet, das heißt, die Gegenvorschläge werden gezielt unterdrückt.

Trotzdem ist unser Aufruf eindeutig: Die Veranstaltungen annehmen und nutzen! Bauchgefühle sind bei einer solch weitgreifenden Entscheidung fehl am Platz: Bleibt kritisch und hinterfragt die Argumentation! Lasst euch von keiner Seite einlullen. Behaltet eure Meinung nicht für euch!

Selbst wenn es euch egal ist, wie die Universität zu Lübeck zukünftig heißen wird: Äußert eure Meinung in der Online-Umfrage vom 19. bis 29. Juni 2015! Der Link zur Online-Umfrage wird an eure neuen E-Mailadressen geschickt.

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