Neulich in der Vorlesung LOREM IPSUM DOLOR SIT bei Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Reiner Mustermann sind mir einige fachliche Fragen nicht ganz klar geworden.

Als motivierter Student beschließe ich, in einer Email nachzufragen. Während ich abends am Computer vor dem geöffneten Fenster des Mailprogramms sitze, bereitet mir aber schon die erste Zeile Schwierigkeiten. Wie rede ich meinen Professor in einer E-Mail an? Ich möchte doch nicht gleich nach dem Lesen der Anrede im Spam landen. Kann ich irgendwie zu förmlich werden?

Immer schön alles formell halten: eine Mail an einen Prof.

Immer schön alles formell halten: eine “Mail” an einen Prof.[media-credit id=14 align="aligncenter" width="640"]

Ich beschließe, den Knigge zu fragen. Im Allgemeinen kann angenommen werden, dass für eine Email die selben Regeln wie für einen Brief gelten, welcher als offizielles Dokument streng reglementiert ist. Aus den auch in einer DIN-Norm gebündelten Vorschriften interessieren mich für meine Email vorerst aber nur eine angebrachte Anrede, ein Betreff und ein abschließender Gruß. Anstelle der restlichen Regeln beschließe ich, mich auf meine sprachliche Intuition zu verlassen und dabei in einem höflichen Tonfall zu bleiben.

Was der Knigge sagt

Der Kodex für das gute Benehmen sagt, dass der Anrede der höchste Titel voll ausgeschrieben beizufügen ist – nur der Doktortitel ist eine Ausnahme und wird abgekürzt. Untergeordnete Titel werden weggelassen. Ich verwende also „Sehr geehrter Herr Professor Mustermann“. Seine Kollegin würde man analog mit „Sehr geehrte Frau Professorin Müller“ und seinen promovierten Mitarbeiter mit „Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt“ grüßen. Die Anrede „Frau Professor“ ist veraltet, aber nicht tödlich.

So, wie es immer und überall gelehrt wird, sollte der Betreff möglichst präzise, aber noch einzeilig sein. Ich wähle beispielsweise „Frage zum Beispiel 4.2.42 aus der Vorlesung LOREM IPSUM“.

Auch der abschließende Gruß ist bekannt. Der Klassiker „Mit freundlichen Grüßen“ funktioniert immer, klingt aber in manchen Fällen steif und sehr formal. Alternativ ist die Variante „Freundliche Grüße“ möglich, die – abhängig davon, wen man fragt – modern sein oder werden soll. Jeder Student, der seine Professoren „hochachtungsvoll“ grüßen oder in den Kreis der „Lieben“ einladen möchte, sollte darüber vielleicht noch einmal nachdenken.

Die Meinung unserer Professoren

Nun kann natürlich die Frage gestellt werden, ob zwischen der Theorie und der Art und Weise, wie die Professoren an unserer Uni angeschrieben werden möchten, Unterschiede existieren. Hier lässt sich erst einmal grundsätzlich feststellen, dass es – wie es eigentlich auch zu erwarten ist – mindestens doppelt so viele Meinungen wie Professoren gibt. Während manche – besonders in einer E-Mail ohne vorherigen persönlichen Kontakt – noch ihren Titel in der Anrede erwarten, sehen andere das Thema etwas lockerer und sind auch mit einem einfachen „Sehr geehrter Herr Mustermann“ vollkommen zufrieden.

Ist ein solcher Erstkontakt erfolgt – und der Professor kann dem Namen unter der Mail vielleicht sogar eine Nase zuordnen – legen die meisten Professoren dann weniger Wert auf ihren vollen Titel. Beispielsweise schreibt Professor Lehnert, der Präsident unserer Uni, das Weglassen des Titels sei dann vollkommen in Ordnung – vor allem, wenn der Anstoß dazu vom „Titelträger“ komme. Allerdings sollte der motivierte Student bedenken, dass die meisten Professoren eher von der alten Schule sind. Daher wird eine Anrede wie „Hallo Herr Mustermann“ in einer Email eher als unhöflich empfunden. Im Gegensatz dazu wird das von uns Studenten eher selten verwendete „Lieber Herr Mustermann“ sogar mehrfach als mögliche Alternative genannt.

Wie immer bestätigen dabei Ausnahmen die Regel. So meint Professor Klinger, er sei kein Freund großer Versteifungen und die Anrede könne gerne unkompliziert gehalten werden. Die Nachfrage, welche Erfahrungen Kommilitonen in ihrer Korrespondenz mit dem Professor gemacht haben, ist also nicht unangebracht. Zusammenfassend schreibt Professor Westermann aber auch, man müsse bei Anwendung der formalen Regeln nicht fürchten, unangenehm aufzufallen. In Analogie zum ungeschriebenen Gesetz, dass es nie schadet, einen Anzug zu tragen, gilt damit auch, dass es ebenfalls nie schadet, eine formelle Anrede in einer E-Mail zu wählen. Vielleicht macht die spontane gute Laune des korrekt angeredeten Professors ja gerade den Unterschied zwischen einem kurzen förmlichen „Nein“ und einer freundlichen Antwort aus.

Noch keine Kommentare, sei der Erste!