Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit. Dass damit eine zweifelhafte Hypothese in den Raum gestellt wird, glaube ich eigentlich nicht. Neben dem anderen großen ökonomisch verpanschten Kulturgut „Ostern“ wird vermutlich sonst nie ein so großer Absatz mit Schokoladenprodukten in Form von Weihnachtsmännern, Schokoosterhasen (aus dem Frühjahr oder bereits im Sortiment für 2015), süßem Weihnachtsbaumschmuck und Adventskalenderinhalten erzielt wie in den Monaten November und Dezember. Auch ich stelle da keine Ausnahme dar, auch wenn ich eher zu schlichten Schokoladentafeln anstatt zu aufwendig verzierten Naschereien neige. Aber welche der vielen Tafeln soll ich nehmen?

Fairtrade-Produkte lassen sich oft anhand des Fairtrade-Siegels erkennen. Teurer als vergleichbare Discount-Produkte sind sie aber fast immer.

Fairtrade-Produkte lassen sich oft anhand des Fairtrade-Siegels erkennen. Teurer als vergleichbare Discount-Produkte sind sie aber fast immer.[media-credit id=155 align="aligncenter" width="640"]


Fairtrade ist Idee

Als Verbraucher bemerken wir den großen Unterschied zwischen zwei gleichen Produkten von verschiedenen Marken sehr unmittelbar an der Kasse. Nicht selten reicht die Preisspanne von 39 Cent hin zu Beträgen über drei Euro für eine einzelne 100g-Tafel. Selbstverständlich lässt sich einfach argumentieren, dass insbesondere Eigenmarken von Supermärkten ein zusätzliches Standbein zum Verkaufsgeschäft darstellen, wodurch die Preise im eigenen Interesse niedriger gehalten werden können, da ein Kostenfaktor in der Wertschöpfungskette wegfällt. Aber auch den sonst enthaltenen Gewinn für den Produzenten rausgerechnet ist der Preisunterschied dennoch beträchtlich. Sucht man nach Schokolade mit dem qualitativ anerkannten FAIRTRADE-Logo kann man ab einem Euro einkaufen – das sind noch immer gut 250% vom Discountpreis, aber auch nur etwa ein Drittel der über drei Euro teuren Schokolade. Aber warum? Fairtrade-Produkte zeichnen sich durch die Philosophie aus, den Preis für ein Produkt nicht anhand marktwirtschaftlicher Kalkulationen minimal zu halten oder in einem angemessenen Preisrahmen möglichst hohe Gewinne für ein Unternehmen zu erzielen, sondern bei den einzelnen Wertschöpfungsphasen eine faire Beteiligung der investierten Arbeitskraft am Verkauf der Ware zu gewährleisten. Der Begriff „fair“ umfasst hierbei nicht nur eine gerechte Bezahlung der Arbeitskräfte, sondern auch die Investition in notwendige Schutzkleidung bei gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten oder das Verbot der Kinderarbeit, welches unzähliger Hilfsbündnisse zum Trotz noch immer ein weit verbreitetes Problem in Entwicklungsländern darstellt. Diese Maßnahmen führen nicht nur bei der Schokoladenproduktion, bei der insbesondere der Kakao-Anteil oft ein problematisches Gut darstellt, sondern auch bei anderen Gütern wie Textilien zu einer Preissteigerung des Endprodukts.

Fairtrade ist Strategie

Eine Gleichbehandlung der Produktionsbeteiligten einer Schokoladentafel ist keine Selbstverständlichkeit. Lohndumping und riskante Arbeitsbedingungen verschaffen Konzernen auf dem nach immer billigeren Preisen verlangenden Konsumentenmarkt eine Gewinnspanne, die sich in Ausnahmefällen in Menschenleben niederschlägt. Das Geld diktiert die Arbeitsbedingungen. Das gilt heute für Kakaoplantagen in Nicaragua und galt auch schon vor einem Jahr im April in einer Textilfabrik in Bangladesch. Die wachsende Beachtung des Themas in der Bevölkerung führte daraufhin kurzzeitig zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und gleichzeitig zu einem Druck auf betroffene Unternehmen. Die Reaktionen waren entschieden – augenscheinlich. Heute finden sich jede Menge unterschiedlicher Fairtrade-Siegel auf Kleidung und Lebensmitteln, viele in grün und blau gehalten oder zumindest mit einem einprägsamen Slogan versehen. Die Kontrolle dieser Siegel erfolgt fast immer unterschiedlich. Einige entsprechen offiziellen Standards, andere sind auf Grundlage sozialer Projekte entstanden. Bei vielen Produzenten finden sich auch auf den Webseiten nach kurzer Suche eigene Fair-Agreement-Projekte, werden eigene Standards beschrieben und der große Begriff „Nachhaltigkeit“ in die Firmenpolitik übernommen – unabhängig davon ob man Informationen zu KiK oder Rewe sucht. Natürlich ist es vermessen zu sagen, der öffentlichkeitswirksame Fairtrade-Boom würde durch Katastrophen im System nach vorne katapultiert. Vielmehr sollte die Auseinandersetzung mit dem Thema auch auf der Produzentenseite geachtet und als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. In erster Linie führt es uns alle aber zu der einfachen Frage: Was ist mir wichtig? Fairtrade als Bewusstsein für die Lebens- und Arbeitsbedingungen Anderer verhält sich im Grunde nur analog zum Bio-Gedanken, dem Konsum von biologisch zertifizierten und (nach Gesetzeslage) chemiefreien Lebensmitteln. Der Gedanke impliziert nichts anderes als eine Auseinandersetzung mit dem sozialen Bewusstsein in der Gesellschaft.

Fairtrade ist Lebenseinstellung

Die Idee ist nicht neu, nicht revolutionär genug um einen gesellschaftlichen Hype auszulösen – nicht zuletzt weil Fairtrade auch immer mit der eigenen Finanzsituation zu tun hat. Aber die Idee ist es auch nicht, sich von der Idee bereden zu lassen, sondern mitzuwirken. In Deutschland engagieren sich vor allem Weltläden für das Fairtrade-System. Einer dieser etwa 469 Weltläden steht hier in Lübeck. Auf Anfrage von Lehrern organisiert das Team um die FÖJlerin Insa Errulat Stadtführungen der etwas anderen Art um Schülern und Interessierten an Beispielen in Lübeck aufzuzeigen, was alles passiert, bis eine Jeans von einem Kunden gekauft werden kann. Die Führungen tragen den Titel „Fairlaufen“ und thematisieren zwei oder drei große Bereiche wie Textil-, Kosmetik- oder Kaffeeherstellung, um so insbesondere Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren. Das Projekt wurde von der BUND-Jugend vor zwei Jahren unter dem Titel „Konsum Global“ ins Leben gerufen und läuft mittlerweile unter der Bezeichnung „WELTbewusst“ hier in Lübeck. Interessierte und Helfer bei den Führungen werden immer gesucht. Bei Interesse lohnt es sich direkt beim Weltladen in der Hüxstraße vorbeizuschauen.

Der Weltladen in der Hüxstraße ist der Treffpunkt der "Fairlaufen"-Gruppe, die konsumkritische Führungen durch die Lübecker Innenstadt veranstalten.

Der Weltladen in der Hüxstraße ist der Treffpunkt der “Fairlaufen”-Gruppe, die konsumkritische Führungen durch die Lübecker Innenstadt veranstalten.[media-credit id=155 align="aligncenter" width="640"]

Fairtrade ist nicht gleich Bio

Für viele wiegt der Bedarf an Bio-Produkten in der Gesellschaft schwerer als der Bedarf an Fairtrade-Produkten. Das ist nicht zuletzt auf unsere eigene Komfortzone in unserem Lebensstandard zurückzuführen. Für das leckere Orangenplätzchen-Rezept in diesem PACK braucht man beispielsweise die Schale von zwei Orangen – und die sind ohne Bio-Siegel auch als Fairtrade-Produkte mit Pestiziden behandelt (Ob es sich dabei dann auch um Fairtrade-Pestizide handelt, steht auf den Verpackungen übrigens nicht drauf). Eine Auseinandersetzung mit Fairtrade ist also sehr wahrscheinlich auch mit eigenen Einschränkungen verbunden, die man bereit sein muss einzugehen. Und sei es, wie kitschig es auch klingen mag, in der Weihnachtszeit.

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