Nach jahrelanger Vorbereitung ist jetzt endlich alles in trockenen Tüchern: Mit dem ersten Januar 2015 wird die Uni Lübeck zur Stiftungsuniversität – zwei Jahre später als ursprünglich geplant, aber wen stört das schon, wenn die Aussicht auf finanzielle Unabhängigkeit winkt?

Die Uni Lübeck wird nun tatsächlich zur Stiftungsuni. Ein Grund zur Freude?

Die Uni Lübeck wird nun tatsächlich zur Stiftungsuni. Ein Grund zur Freude?[media-credit id=1 align="aligncenter" width="640"]


Gute Aussichten für die studentische Mitbestimmung

Über das für die Umwandlung notwendige Gesetz über die Stiftungsuniversität wurde am 12. September im schleswig-holsteinischen Landtag abgestimmt. Und mit dem verabschiedeten Ergebnis können wir Studenten durchaus zufrieden sein:

Im Stiftungsrat, dem zentralen Organ der Stiftungsuniversität mit weitreichenden Befugnissen, werden Studierende genauso stark vertreten sein wie die anderen Mitgliedergruppen der Universität. Zusammensetzen wird sich der Stiftungsrat nämlich aus acht stimmberechtigten Personen, darunter vier hochschulinterne und vier externe Mitglieder. Aus jeder Statusgruppe – Professoren, Studierende, wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter – ist ein Vertreter dabei. Auch an der Auswahl der externen Mitglieder sind alle Gruppen dadurch gleichermaßen beteiligt, dass sie jeweils ein Senatsmitglied für den sogenannten „Findungsausschuss“ benennen; komplettiert wird dieser durch den Präsidenten.

Außerdem vorgesehen ist eine beratende Stimme im Stiftungsrat für den Präsidenten, die Gleichstellungsbeauftragte und einen gemeinsamen, von den Personalräten der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Beschäftigten benannten Vertreter.

Über die Zusammensetzung des Stiftungsrates wurde lange und bis zuletzt heftig diskutiert, doch auch ohne den erhofften Sitz für einen beratenden Studierendenvertreter sind wir Studenten – verglichen mit anderen Stiftungsuniversitäten – außergewöhnlich gut vertreten. Dass diese viertelparitätische Besetzung des Stiftungsrates nicht selbstverständlich ist, zeigen das niedersächsische und das hessische Hochschulgesetz: Im Stiftungs- beziehungsweise Hochschulrat sitzt ein oder gar kein hochschulinternes Mitglied und Studierendenvertreter sind nicht vorgesehen – kein Wunder also, dass das Fazit des Göttinger AStA nach zehn Jahren Stiftungsuni eher negativ ausfällt: „Echte Teilhabe und Einfluss auf die Entscheidungen an der Universität“ müssten wieder allen Statusgruppen ermöglicht werden, hieß es deswegen vergangenes Jahr.

Doch der Stiftungsrat ist nicht das einzige wichtige Gremium: Senat und Präsidium bleiben bestehen, neu hinzu kommt das Stiftungskuratorium, das sich aus Freunden und Förderern der Universität zusammensetzt, die sich besonders um diese verdient gemacht haben. Das Kuratorium soll die Stiftungsuniversität in Fragen ihrer weiteren Entwicklung beraten.

Der Traum vom großen Geld

Darüber hinaus ändern sich vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten für unsere Universität: Den Großteil des jährlich benötigten Geldes stellt bisher das Bundesland zur Verfügung, das als Träger die Grundfinanzierung sicherstellt.

Eine Stiftung hingegen verfolgt ihren Stiftungszweck – sei es die Vergabe von Nobelpreisen oder die Unterhaltung einer Universität – eigentlich nur mit den Erträgen ihres Vermögens, also beispielsweise Zins- und Mieteinnahmen. Zur dauerhaften Finanzierung einer Uni ist folglich ein sehr, sehr großes Vermögen notwendig, das sich nicht innerhalb weniger Jahre einwerben lässt. Das Ausgangsvermögen setzt sich dem Stiftungsgesetz zufolge zusammen aus dem bestehenden Körperschaftsvermögen der Universität, neu vom Land auf die Stiftungsuniversität übertragenen Grundstücken und bisher genutzten „beweglichen Vermögenswerten“ wie Maschinen, Computertechnik und Fahrzeugen.

Um die laufenden Kosten der Universität zu decken wirft dieses Vermögen bei Weitem nicht genug ab. Dessen ist sich auch der ehemalige Uni-Präsident Peter Dominiak bewusst: „Ich mache mir da gar nichts vor, wir werden in den nächsten 20 oder 30 Jahren noch nicht so viel Kapital haben, dass man mit den Erträgen arbeiten kann. Wir werden also nach wie vor darauf angewiesen sein, genauso behandelt zu werden wie alle anderen Hochschulen hier im Land.“ Diese Gleichbehandlung steht nun auch im Gesetz über die Stiftungsuniversität: „Die Vorschriften des Hochschulgesetzes […] gelten für die Stiftungsuniversität entsprechend, sofern dieses Gesetz keine abweichenden Regelungen trifft.“ Somit erhält auch die Stiftungsuniversität Lübeck in Zukunft Gelder vom Land, weil im Hochschulgesetz sogenannte „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ zwischen Hochschule und Land vorgeschrieben sind, welche die Aufgaben der Hochschule und die dafür bereitgestellten Landesmittel für einen Zeitraum von üblicherweise fünf Jahren festlegen. Bis 2018 sollen jährlich 25,7 Millionen Euro an die Uni Lübeck gezahlt werden.

Schöne neue Welt…

Zusätzlich zu den Landesmitteln und den anfangs eher geringen Erträgen des Stiftungsvermögens kann Geld von Dritten, beispielsweise Privatpersonen oder gemeinnützigen Stiftungen, eingeworben werden – Ziel der Uni sind dabei zehn Millionen in den ersten fünf Jahren. Ausgeschlossen ist hingegen, dass die Stiftungsuniversität bei Bedarf im Alleingang Studiengebühren erhebt.

Gehofft wird auf die spätestens seit den „Lübeck kämpft“-Aktionen 2010 große Verbundenheit zwischen Bürgern und Universität: Wer für eine Uni zum Demonstrieren auf die Straße gegangen ist, ist vielleicht ja auch bereit, für sie zu spenden. Genau darin sieht Dominiak den Vorteil und die große Sicherheit der Stiftungsuniversität: „Jeder Euro, den die Lübecker Bevölkerung einer Stiftungsuni spendet, macht die Uni sicherer. Weil keine Landesregierung sich trauen kann, eine Stiftung aufzulösen, in die so große Teile der Bevölkerung gespendet haben.“ Auch sein Nachfolger Hendrik Lehnert zeigt sich optimistisch: „Lübeck ist eine Stadt mit großer Stifterkultur und Bildungsbürgertum, da ist glaube ich viel zu machen. Wichtig ist hierbei natürlich, nicht nur Stifter in Lübeck zu finden, sondern auch darüber hinaus in der Region.“

Doch was bringt das Stiftungsgesetz außer vielleicht irgendwann einmal finanzieller Unabhängigkeit? Noch mehr Unabhängigkeit, aber auf anderen Gebieten – beispielsweise in der Personalverwaltung oder beim Wirtschaften mit den verfügbaren Finanzmitteln. Zudem bieten sich dadurch, dass die bisher von der Universität genutzten Liegenschaften in ihr Eigentum übergehen, mehr Freiheiten bei der Beeinflussung von Baumaßnahmen – sicher toll für die Uni, aber für Studierende irrelevant.

… oder auch nicht?

Trotz der lockenden Freiheiten gibt es auch skeptische Stimmen auf dem Campus, beispielsweise Volker Linnemann. Er lehrt seit 1993 an der Universität und betrachtet das Projekt Stiftungsuni zwar als sinnvoll, aber auch als gefährlich: „Ich weiß nicht, ob eine so kleine Universität dieses Risiko wirklich eingehen sollte. Ich kann nur hoffen, dass es gut geht. Es wird wahrscheinlich immer Stimmen im Ministerium geben, die sagen werden: ‚Ihr seid doch jetzt Stiftungsuni, ihr braucht kein Geld mehr‘ Durch das Stiftungsgesetz ist das Land zwar weiterhin zu entsprechenden Zuschüssen an die Universität verpflichtet, ein Gesetz zu ändern ist aber jederzeit ohne Beteiligung der Universität möglich. Wenn das Land also wieder versucht, die Uni zu schließen, wird das über den Geldweg seitens des Landes laufen. Die große Gefahr ist also, dass das Land per Gesetz die Zuschüsse für die Stiftungsuni streicht und damit die Universität austrocknet.“

Ausschließen kann solche Gesetzesänderungen, egal in wie ferner Zukunft, natürlich niemand. Bis 2018 sind die Zuwendungen festgeschrieben, für die Zeit danach werden die Ziel- und Leistungsvereinbarungen neu verhandelt. Schon zu diesem Zeitpunkt könnten dank der Schuldenbremse die Spielräume im Landeshaushalt sehr, sehr klein sein, sodass die Universität sich vielleicht mit weniger Geld zufriedengeben muss. All das wird sich zeigen – doch bis dahin arbeitet die Zeit für die Stiftungsuni. Denn mit jedem Jahr, in dem der Grundstock des Stiftungsvermögens wächst – wenn auch nur um ein paar Euro, steigen die Erträge und die Stiftungsuni wird finanziell ein kleines bisschen unabhängiger von der Landespolitik.

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