Regelmäßig in vertrauter Atmosphäre zusammen mit einem Erwachsenen ein Buch lesen, dabei teils selbst vorlesen und teils vorgelesen bekommen, anschließend über das Gelesene sprechen – für viele von uns ist das ein selbstverständlicher Bestandteil unserer Kindheit, der uns das Lesenlernen sehr erleichtert und beim Einen oder Anderen auf Dauer die Freude an Büchern geweckt hat.

Hannes und seine Leselernhelferin Barbara beginnen ein neues Buch.

Hannes und seine Leselernhelferin Barbara beginnen ein neues Buch.[media-credit name="Doris Schütt" align="aligncenter" width="640"]


Doch nicht alle Kinder haben einen derart leichten Weg zum Lesen und die Folgen für diejenigen, die Probleme damit haben, aber keine ausreichende Unterstützung bekommen, sind absehbar: schlechte Noten in der Schule, eingeschränkte Möglichkeiten bei der Berufswahl, Ausgrenzung, wenn über die Inhalte komplexer Texte gesprochen wird.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, gibt es den Verein „MENTOR – Die Leselernhelfer Lübeck e.V.“, der Kinder mit Leseschwierigkeiten und Erwachsene, die ihre Freude am Lesen teilen und den Kindern helfen wollen, zusammenführt. Doris Schütt, selbst ehrenamtliche Leselernhelferin und für die Öffentlichkeitsarbeit bei MENTOR verantwortlich, betrachtet sich als „Zeitschenker“ und erklärt, was es damit auf sich hat: Außerhalb der Schulferien treffen sich Mentor und Lesekind einmal pro Woche in der Schule des Kindes, um gemeinsam eine Stunde mit Lesen und dem spielerischen Umgang mit Sprache zu verbringen. Mit dabei sind – abhängig von den Lesefähigkeiten des Kindes – Bücher mit besonders vielen Bildern, farblich markierten Silben oder auch Arbeitshefte mit Fragen zum Buch, die beispielsweise mit einem LÜK-Kasten bearbeitet werden können. Ein geduldiger, zuverlässiger Mentor, der sich mit dem Kind auch über kleine Fortschritte freut, ist dabei ganz wichtig. Denn die Stunde mit dem Leselernhelfer soll keine zusätzliche Deutschstunde sein, sondern es steht vielmehr im Vordergrund, dass das Kind Spaß daran hat, ohne den Druck aus dem Unterricht mit Sprache umzugehen und beispielsweise auch einfach mal ein Bild zu einem Kapitel malen zu dürfen – einen festgelegten Lernplan gibt es nicht. Diese Möglichkeit mitzubestimmen, die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mentors und das Gefühl, wegen Schwächen nicht ausgelacht zu werden, tragen dazu bei, dass die Kinder nicht nur beim Lesen Selbstvertrauen entwickeln.

Mittlerweile werden 322 Kinder an den 42 Grund- und Gemeinschaftsschulen Lübecks sowie an zwei weiteren Schulen in der Umgebung von den Leselernhelfern unterstützt, der Bedarf steigt weiter. Um möglichst vielen Kindern die Chance zu geben, in einer Eins-zu-eins-Betreuungssituation an ihren Fähigkeiten zu arbeiten, werden ständig neue Mentoren gesucht. Viele der Leselernhelfer sind in Teilzeit Berufstätige oder Rentner, sodass Studierende eine „Bereicherung im Altersgefüge der Mentorenlandschaft“ darstellen, so Doris Schütt. Denn es gibt zwar bereits Studierende, die Leselernhelfer sind, doch gerade für Schüler der fünften bis siebten Klasse, denen ein Leselernhelfer im Alter ihrer Eltern oder Großeltern eher uncool erscheint, wären Studenten ideal geeignet: Sie können üblicherweise mehr damit anfangen als Senioren, wenn ein Kind von Mangas oder Animes erzählt– beste Voraussetzungen dafür, dass ein Kind seinen Mentor als eine Person, die es auch auf Fehler aufmerksam machen darf, akzeptiert. Zusätzlich zu den wöchentlichen Lesestunden bietet MENTOR für Leselernhelfer und Lesekinder kostenlos noch einiges an freiwilligen Gemeinschaftsaktionen und Ausflügen an, darunter beispielsweise Besuche des Figurentheaters. Dabei stellen die Kinder fest, dass sie nicht die einzigen sind, die einen Leselernhelfer haben, und auch die Mentoren kommen miteinander ins Gespräch. Für diese werden darüber hinaus auch Fortbildungen zu Themen wie Sprachspielen oder Gedächtnistraining für Kinder angeboten. Finanziert werden all diese Angebote und Übungsmaterialien durch Spenden. Auch die 3000 Euro, die der Verein im Juni mit der Verleihung des Generationenpreises des KIWANIS Club erhalten hat, werden sicherlich wieder in Lesefutter investiert.

Wer gerne selbst aktiv werden möchte, kann entweder den Verein finanziell unterstützen oder aber Leselernhelfer werden: Voraussetzungen für die Mentorentätigkeit sind lediglich die – für Studenten kostenlose – Mitgliedschaft im MENTOR-Verein sowie das Vorlegen eines erweiterten Führungszeugnisses, das für ein Ehrenamt umsonst angefordert werden kann. Es folgen eine Einführung für neue Mentoren – die nächsten finden am 10. September und am 12. November statt – und das Kennenlernen des Lesekindes. Für den Anfang und auch bei sich später ergebenden Fragen stehen den neuen Leselernhelfern jederzeit erfahrene Mentoren zur Seite – auch ein Leselernhelfer bekommt also Unterstützung.

Aktuelle Informationen und Erfahrungsberichte von Leselernhelfern gibt es für alle Neugierigen im Internet unter http://www.mentor-luebeck.de oder bei einem Besuch im MENTOR-Büro in der Innenstadt.

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