„Ich komme aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung.“

LINKE SH

StudentenPACK: Frau Jansen, Sie haben für die Landtagswahl kandidiert, sind aber nicht in den Landtag gekommen. Ist das richtig?

Antje Jansen: Ja, aber wir sind nicht reingekommen.

PACK: Was haben Sie seitdem gemacht? Wir haben ja zur Landtagswahl mit Ihnen gesprochen. Was ist denn seitdem passiert?

Jansen: Ich war ja immer schon, trotz meines Landtagsmandates, hier Bürgerschaftsabgeordnete. Gott sei Dank sag ich da jetzt mal, dass ich das nicht niedergelegt hatte. Wenn ich in den Landtag gekommen wäre, hätte ich mein Mandat hier niedergelegt und hätte auch nicht wieder kandidiert.

Was habe ich gemacht? Ich habe die Kommunalpolitik weitergemacht. War ja auch klar, ich bin ja hier Fraktionsvorsitzende. Die Politik hier in der Stadt geht weiter. Beruflich habe ich Übergangsgeld bekommen. Man kriegt noch 7 Monate oder 18 Monate glaube ich Übergangsgeld. Das bekomme ich noch.

PACK: Also waren Sie hauptberuflich Politikerin?

Jansen: Im Landtag ist man hauptberuflich Politiker. Hier ist es ehrenamtlich, aber im Landtag ist man hauptberuflich.

PACK: Macht Ihnen die Kommunalpolitik Spaß? Ist das schön für Sie?

Jansen: Ich habe jetzt auch die Erfahrung im Landtag gemacht. Ich finde Kommunalpolitik bringt mehr Spaß, weil man da näher am Bürger ist. Hier kann man die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hautnah vertreten. Man ist mit den Bürgerinnen und Bürgern hautnah in Kontakt. Das ist man im Landtag nicht. Da geht es mehr um größere Projekte im Landtag, dann trifft man mal einen Verein oder einen Verband, aber im Grunde genommen ist Landtagspolitik viel anonymer.

PACK: Wie soll man sich das vorstellen, wenn man in der Bürgerschaft Mitglied ist, wenn man dort gewählt ist. Was bedeutet das? Was muss man da alles tun?

Jansen: Erstmal ist einmal im Monat Bürgerschaftssitzung. Die müssen wir wahrnehmen. Darin gibt es Ausschüsse. Je nach dem, in welchem Ausschuss wir sind, müssen wir das wahrnehmen. Und dann geht es ja auch darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger vertreten. Wir werden häufig zu Vereinen, Verbänden und Initiativen eingeladen. Dann gibt es Gespräche. Es gibt Gespräche mit Personalräten. Dann gibt es Gespräche mit Vereinen, Verbänden, und dann repräsentative Sachen. Es ist schon, wenn man es ganz ernst nimmt, und alles wahrnimmt, ehrenamtlich neben der Arbeit, sind es in der Woche bestimmt 15-20 Stunden. In meiner Freizeit.

PACK: Was machen Sie beruflich?

Jansen: Ich bin Erzieherin. Ich werde ja auch wieder arbeiten. Ich bin Erzieherin und arbeite in einem Naturkindergarten.

PACK: Auch hier in Lübeck?

Jansen: Hier in Lübeck, in Kücknitz.

PACK: Was waren in den letzten fünf Jahren die großen Themen in der Bürgerschaft und worüber wurde sich am meisten gestritten?

Jansen: Am meisten gestritten wurde sich über die Finanzen. Ob man jetzt dem Konsolidierungskurs zustimmt, wo man kürzt, wo man spart, wo es Mehreinnahmen geben kann. Das war eines der größten Streitthemen. Das nächste Streitthema war Bau. Also der Bau auf den Wallanlagen. War ein großes Streitthema. Ein großes Streitthema war, dass wir 60.000 Euro bekommen haben für kostenlose Verhütungsmittel. Das war auch hier ein großes Streitthema, jedenfalls für die Opposition. Der Bau und Straßenverkehr, das sind immer die großen Streitthemen. Und dass wir die Bettensteuer eingeführt haben für die Hoteliers, das war ein großes Streitthema.

PACK: Was wird jetzt in den nächsten fünf Jahren wichtig sein, also für die nächste Legislaturperiode?

Jansen: Mit Sicherheit den Konsolidierungskurs zu bestimmen. Also sie müssen jetzt wieder weiter kürzen. Ich denke mir, dass Finanzen noch eine der wichtigsten Fragen bis 2015 sein werden, weil da die nächsten Kürzungsprojekte anstehen in den nächsten Haushalten. Das wird ein großes Thema werden. Ein großes Thema wird auch sein, dass wir Lübeck als soziale Stadt erhalten.

PACK: Wären Sie dafür, dass die Bürger den Haushalt mitbestimmen dürfen?

Jansen: Also wir haben vor fünf Jahren einen Bürgerhaushalt gefordert. Wir fordern ihn immer noch. Wir haben auch einen Antrag hier in die Bürgerschaft reingetragen. Diesen Antrag in der Bürgerschaft, ein Konzept für einen Bürgerhaushalt zu erstellen, haben wir auch bekommen, aber aufgrund der ganzen Kosten hat die Mehrheit der Bürgerschaft dies abgelehnt. Wir sind immer noch für einen Bürgerhaushalt. Ich finde das immer noch sinnvoll. Man hat ja auch gesehen, dass Bürgerinnen und Bürger hier Vorschläge gemacht haben für den Haushalt, die dann hinterher im Finanzausschuss debattiert wurden, die aber gar nicht ernstgenommen wurden. Es gibt schon andere Kommunen, die bereits Bürgerhaushalte haben. Und dann müsste man hier Stadtteilkonferenzen machen, man müsste das ganz anders aufziehen, als zu sagen liebe Bürgerinnen und Bürger, über Internet dürft ihr jetzt ein paar Vorschläge machen und die Vorschläge werden dann hinterher von uns mal angeschaut oder abgestimmt. Das ist keine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Ich hoffe, dass wir es in der nächsten Legislaturperiode schaffen, wenn auch die Piraten mit hineinkommen, dass wir dann eine größere, stärkere Macht sind und den Bürgerhaushalt durchsetzen können.

PACK: Haben Sie das Gefühl, dass die Bevölkerung weiß, was im Rathaus passiert?

Jansen: Diejenigen, die Zeitung lesen, diejenigen, die das über Internet oder den offenen Kanal verfolgen. Aber ich glaube, der Rest der Bürgerinnen und Bürger bekommt es gar nicht mit, was im Rathaus los ist. Die Ausschüsse sind ja öffentlich, aber so viel Publikum kommt da gar nicht. Die Bürgerschaftssitzungen sind auch öffentlich, aber dann kann man da oben sitzen und zuhören und sich nicht beteiligen. Ich denke mir auch, es kommt ja immer sehr viel Protest, wenn es um Kürzungsgeschichten geht, wie Privatisierung oder sowas, dann gibt es immer einen großen Protest vor dem Rathaus. Oder als die Feuerwehrleute einen höheren Etat wollten. Dann kriegt man das ein bisschen mit. Wenn jetzt irgendwo was gebaut wird oder ein Baum gefällt wird, dann kriegen die Bürgerinnen und Bürger das mit, aber ansonsten nicht. Und deshalb fordern wir auch Ortsbeiräte. Wir fordern die schon von Anfang an, da hatten wir auch einen Antrag in der Bürgerschaft. Ich bin zum Beispiel Kielerin, ich weiß, wie das ist. Ich komm aus Kiel und da gibt es ja schon immer Ortsbeiräte und ich weiß, dass durch die Ortsbeiräte in den einzelnen Stadtteilen die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden. Ich denke mir, dann erst werden die Bürgerinnen und Bürger auch mitkriegen, was in der Bürgerschaft los ist.

PACK: Wie viel Entscheidungskompetenz würde so ein Ortsbeirat haben?

Jansen: Die Bürgerschaft müsste das entscheiden. Ein Ortsbeirat kostet ja auch Geld, ca. 220.000 Euro im Jahr. Für alle Ortsbeiräte, nicht nur für Travemünde, aber für Demokratie muss man auch Geld ausgeben. Man merkt auch, der Schulgarten soll verkauft werden, privatisiert werden und schwupps kommen Bürgerinnen und Bürger und sammeln Unterschriften. Oder mit der Brücke Reecke: Es gibt Proteste. Wenn es Proteste gibt, dann reagiert die Politik erst und ich denke mir, wenn man die Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligt, dass man dann auch mehr Transparenz und Bürgernähe hat.

PACK: In der letzten Legislaturperiode waren glaube ich zehn verschiedene Fraktionen in der Bürgerschaft. Haben Sie das Gefühl, dass dies kontraproduktiv für die Entscheidungsfindung war oder dass dadurch mehr Meinungen auftreten konnten?

Jansen: In der Öffentlichkeit wird dies ja immer als sehr negativ beurteilt. Wir haben aber keine Fünfprozenthürde mehr. Weil wir keine Fünfprozenthürde mehr haben, und das finde ich auch gut so, kommen natürlich auch mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch engagieren wollen. Man kann ja nur eine Partei oder Wählergemeinschaft gründen, um überhaupt hier hereinzukommen. Ich finde das eigentlich ganz gut, dass nicht die großen Volksparteien, die immer schon hier drin gewesen sind, dass die immer die Platzhirsche sind und wieder reingewählt werden und kein anderer hat eine Chance hereingewählt zu werden. Das hat auch ein Stück Demokratieverständnis, wenn eine Wählergemeinschaft sagt, mir gefällt die Politik der CDU nicht, das ist uns zu mittelständisch, zu rechtslastig oder zu bürgerlich. Wir würden den Mittelweg finden, sind aber bei den Linken oder Grünen oder der SPD auch nicht so richtig aufgehoben. Das finde ich eigentlich ganz gut. Eigentlich, muss ich jetzt mal sagen, hat das auch gar nicht gestört. Ich finde, dadurch ist das Parlament auch ein bisschen lebendiger geworden. Ich war ja auch schon einmal für die Grünen in der Bürgerschaft. Da saßen nur CDU, SPD und die Grünen in der Bürgerschaft, drei Parteien. Da war das natürlich alles wesentlich schneller abgehandelt. Da gab es nicht so einen großen Meinungsaustausch. Die Alteingesessenen meinen immer, dann müsste es immer die Mehrheiten geben und dann müsste man immer eine feste Kooperation machen, die haben wir hier auch zweieinhalb Jahre gemacht. Aber wir sind vor fünf Jahren auch einmal angetreten mit wechselnden Mehrheiten, wie wir es jetzt bei der Sporthalle in Travemünde gemacht haben. Da gab es Mehrheiten von CDU, FDP, Wählergemeinschaften, Linken und Grünen für den Bau einer Turnhalle in Travemünde. Das hat natürlich die SPD gestört. Die haben herumgewettert, weil sie nicht diejenigen waren, die entschieden haben, aber ich finde, wir müssen uns auch in unserem Politikverständnis ein bisschen verändern, dass auch andere, auch kleinere Wählergemeinschaften oder Einzelpersonen nachher in der Bürgerschaftssitzung ihre Meinung sagen können. Das finde ich ganz gut.

PACK: Was motiviert Sie, Politik zu machen?

Jansen: Ich bin ja schon ein bisschen älter. Ich bin 63 Jahre alt. Ich habe schon seit meiner frühen Jugend Politik gemacht. Ich habe in der Friedensbewegung angefangen. Ich war in der Frauenbewegung, in der Anti-AKW-Bewegung. Da bin ich auch erst so richtig motiviert gegen Atomkraftwerke aufgetreten. Vor 30 Jahren habe ich das erste Mal richtig auf der Straße gestanden. Diese ehrenamtliche Initiativarbeit in Vereinen und Verbänden oder kleinen Vereinigungen hat mich dann auch motiviert zu sagen, man muss auch einen Schritt weitergehen. Man muss dann auch sagen, ich gehe jetzt mal in die Bürgerschaft oder in einen Ausschuss, um was mitentscheiden zu können, meine Meinung zu sagen, um auch die Gesellschaft ein bisschen zu verändern. Es bringt auch Spaß, weil man gerade in der Kommunalpolitik auch Erfolge erzielen kann. Nicht so wie im Landtag, wo ganz klar ist, die und die stimmen dafür, dann gibt es eine Regierung, das ist schon total klar, die kann man gar nicht mehr umstimmen. Höchstens in einigen Nuancen kann man da was verändern. Hier in der Kommunalpolitik kann man sich mit seinen Anträgen durchsetzen. Man kann die Richtung einer Stadt mitentscheiden. Politik beginnt vor der Haustür, da kann man entscheiden, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt. Es bringt Spaß, da man Erfolge hat.

PACK: Also ist Politik Ihr Hobby oder haben Sie noch andere Freizeitbeschäftigungen?

Jansen: Ich mache noch andere Sachen. Ich gehe gerne ins Kino. Ich habe einen großen Freundeskreis. Ich stricke und nähe gerne. Ich mache gerne Gartenarbeit. Aber die Politik, die ich ehrenamtlich in meiner Freizeit mache, frisst natürlich auch viel an eigener Freizeit. Das ist schon eine Überlegung. Man muss sich dann auch ein bisschen freischaufeln, um zu sagen, ich lass den Termin jetzt mal ausfallen und gehe ins Kino oder treffe mich mit Freunden oder ich fahre jetzt mal Fahrrad am Wochenende. Das muss man irgendwie auch hinkriegen.

PACK: Was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre? Was würden Sie gerne erreichen?

Jansen: Wir wollen erreichen, dass die Bereiche Soziales, Kultur und Bildung so erhalten bleiben wie jetzt. Dass dort keine Kürzungen stattfinden, dass es weiter entwickelt wird. Ganz wichtig ist, dass wir bezahlbaren Wohnraum bekommen. Grade auch Studentenwohnungen, also das auch für die Studierenden hier gebaut wird. Aber auch für die Menschen, die wenig Geld haben oder ein mittleres Einkommen haben, dass die sich hier auch die Mieten leisten können. Wir haben in den letzten fünf Jahren fast ausschließlich Eigentumsbau, also Luxuswohnungsbau auf den Weg gebracht und es muss unbedingt auch Wohnraum geben, der bezahlt werden kann von Menschen. Das wollen wir in den nächsten fünf Jahren erreichen. Dass Lübeck noch fahrradfreundlicher wird und weniger Autos durch die Altstadt fahren. Das alles wollen wir so grob machen.

PACK: Wenn man in die Kommunalpolitik reinschaut, dann stellt man sich immer die Frage, wer dieses Ganze leitet. Liegt das bei den Politikern oder ziehen am Ende doch die Menschen aus der Verwaltung die Fäden? Wie schätzen Sie das ein?

Jansen: Ich kann jetzt auch nach den fünf Jahren sagen, dass es für uns ehrenamtliche Politiker schwer ist, die Verwaltung zu kontrollieren. Ich bin auch der Meinung, dass wir immer an unsere Grenzen stoßen, dann kommt die Verwaltung und die schlägt uns was vor und geht nicht offen mit uns um, sondern hat ihre vorgefertigten Geschichten und wir kriegen schwierig Informationen. Also grob gesagt, die Verwaltung hat hier ziemlich große Macht. Für uns ist das total schwer, das zu kontrollieren oder auch umzudrehen. Wenn wir beispielsweise in die Finanzen mal hineinschauen wollen, wird das immer gleich boykottiert. Ich finde, da muss parteiübergreifend für die nächsten fünf Jahre eine Initiative ergriffen werden, dass es einfacher wird. Gut, der Bürgermeister steht der Verwaltung vor und der muss geknackt werden. Das müsste man parteiübergreifend schaffen, dass alle Fraktionen, die in der nächsten Bürgerschaft sitzen, da an einem Strang ziehen und sagen, das wollen wir verändern. Anders geht das gar nicht. Der Bürgermeister ist jetzt von der SPD, da schützt ihn die SPD natürlich. Das ist ein großes Feld, das wir als Ehrenamtler noch beackern müssen.

PACK: Was sind die Themen, die für uns Studenten relevant sind? Weshalb wir uns vielleicht auch in der Kommunalpolitik engagieren könnten.?

Jansen: Also junge Leute braucht die Kommunalpolitik. Es gibt auf jeden Fall zu wenig. In den einzelnen Parteien und auch in der Bürgerschaft gibt es zu wenig junge Leute, die vielleicht auch das ganze Geschehen in der Bürgerschaft umkrempeln könnten. Im Durchschnitt sitzen dort ja immer noch die Älteren. Speziell für die Studenten erst einmal bezahlbarer Wohnraum, aber auf der anderen Seite auch, um Lübeck nach außen zu repräsentieren, ist es wichtig, dass wir viele Studenten haben. Diese Unigeschichte, die Uni muss gerettet werden, das war ja schon etwas, was die Studenten hier auf den Weg gebracht haben und bravourös auf den Weg gebracht haben. Sie haben da ja schon gezeigt, Lübeck kämpft für seine Uni, dass die Studenten unglaublich gut selbst auch Politik machen können auf ihre Art und damit die ganze Stadt begeistern können und somit der Beschluss zurückgenommen wurde. Ich kann nur dafür plädieren, dass sich mehr Studenten in der Bürgerschaft engagieren und auch mehr in die Bürgerschaft einziehen und ein bisschen mehr die Stadt gestalten. Das können sie garantiert. Aus „Lübeck, rettet die Uni“ können wir nur lernen, wie das damals gemacht wurde. Tolle Ideen, tolle Sachen auf den Weg gebracht, kreativ gewesen und dem Minister und Ministerpräsidenten richtig die Kante gezeigt haben. Das war total klasse. Ich glaube, das brauchen wir mehr.

PACK: Wie würden Sie zu einem gläsernen Rathaus stehen? Wenn es wirklich in die Öffentlichkeit übertragen werden würde, was in den Sitzungen passiert?

Jansen: Ich würde es gut finden. Das fordern ja auch die Piraten. Wir haben ja jetzt den Offenen Kanal. Die Ausschüsse müssen übertragen werden. Ich finde, es ist einen Versuch wert, dies zu machen. Man muss dann mal schauen, wie viele Menschen sich das anhören, wie viele Menschen hätten Interesse, das auf dem Computer alles nachzuvollziehen. Das wäre einen Versuch wert und wir würden es auf jeden Fall unterstützen. Ich glaube, wir müssen auch heute so werden, also transparent und offen nach außen. Wir sind zu abhängig auch von den Medien. Wenn die Lübecker Nachrichten schlecht über unsere Bürgerschaftssitzung schreibt, heißt das ja noch lange nicht, dass es schlecht gewesen ist, was wir da gemacht haben. Vielleicht können Bürgerinnen und Bürger das auch mehr mitverfolgen und sich auch mehr einmischen. Das würde ich gut finden. Es kommen ja auch Menschen zu uns die sagen, ich fühle mich durch die Verwaltung nicht richtig behandelt, könnt ihr uns unterstützen. Das machen wir ja auch. Aber es kommen so einzelne, noch wenige. Wir kriegen das dann immer nur nebenher mit. Ich würde es gut finden, wenn wir es auf den Weg bringen können, dass das gläsern wird. Die Frage ist nur, wie das machbar ist. Das kostet ja auch Geld. Aber das wäre machbar.

PACK: Werden Sie häufig auf der Straße oder bei Veranstaltungen auf Themen angesprochen, die eigentlich gar nicht in den Kommunalpolitiksektor reingehören, sondern in Richtung Landespolitik oder sogar Bundespolitik gehen?

Jansen: Ja natürlich. Gerade in der Bildungspolitik ist es ganz extrem. Wir sind ja die Schulträger hier. Wir können entscheiden über das Bauwerk Schule. Wir können entscheiden, ob wir eine Gemeinschaftsschule haben wollen oder Realschulen, Regionalschulen oder Gymnasien, also die Schulart, oder wie viele Grundschulen wir haben wollen. Aber wir können nicht entscheiden, wie viele Lehrer es gibt, wie der Unterricht gestaltet wird, ob es G8 oder G9 gibt an den Gymnasien. Diese inhaltlichen Bildungsfragen können wir alle nicht entscheiden. Wir können nur über die äußere Hülle entscheiden. Da werden wir natürlich viel angesprochen. Wir können das dann in der Bürgerschaft anhand einer Resolution verabschieden, dass wir dann den Bürgermeister beauftragen, sich im Landtag oder im Bundestag für die und die Fragen einzusetzen. Aber dann schickt der Bürgermeister das an den Bundestag und dann kommt es dahin. Dann wird gesagt, sie haben es bekommen, aber sie können es nicht ändern. Das wird viel gefragt, aber die entscheidenden Fragen werden auf der Bundes- und Landesebene behandelt.

PACK: Können Sie aus Ihrer Erfahrung im Landtag sagen, ob solche Resolutionen dann wirklich beachtet werden?

Jansen: Sie werden ein bisschen in den Ausschüssen diskutiert, aber im Landtag selbst eher nicht. Vielleicht macht das die jetzige Regierung. CDU und FDP haben das damals gar nicht so richtig wahrgenommen. Die haben dann gesagt, dass es den Städtetag gibt, wo die Städte und Kreistage alle organisiert sind. Und unsere Sachen besprechen wir im Städtetag, da sind die Kommunen vertreten und deshalb müssen wir nicht unbedingt, wenn Lübeck zum Beispiel sagt, wir wollen jetzt aber da und da mitreden, das finden wir nicht gut hier in Lübeck, müssen sie es nicht haben, da sie es ja vorher schon mit dem Bürgermeister besprochen haben, im Rahmen des Städtetages.

PACK: Also kann man sagen, dass die Resolutionen manchmal ins Leere gehen.

Jansen: Ja. Die Kommune müsste eigentlich in ganz bestimmten Fragen auch viel bezahlen, z. B. Kindergartenaufbau, Krippenaufbau. Hier muss die Kommune die entscheidenden Sachen bezahlen, aber die Kommune kann überhaupt nicht entscheiden, was so passiert. Ich finde, die Kommune müsste in Fragen, auch von Naturschutz und Umweltschutz oder Finanzen mehr Mitspracherecht oder Macht haben. Bei Finanzen ist es ja auch so. Wenn wir den Haushalt verabschieden, dann muss die Kommunalaufsicht im Land das genehmigen. Der Haushalt wird immer nicht genehmigt, weil wir immer nicht genug gekürzt haben. Dann sagt das Land, ihr müsstet elf Millionen Euro an Investitionskosten einsparen. Das müssen wir auch machen. Da redet das Land rein, wie wir unsere Finanzen verteilen. Elf Millionen Investitionskosten heißt, dass Straßen hier nicht ausgebessert werden können, Schulen können nicht saniert werden, Schultoiletten können nicht saniert werden. Da finde ich muss die Kommune mehr Macht haben, ihre Finanzen selbst zu gestalten, selbstverantwortlich.

PACK: Würden Sie auch im Bundestag kandidieren wollen?

Jansen: Ich habe kandidiert. Ich bin auf Platz fünf auf der Bundesliste. Die Linken kriegen ja höchstens ein, zwei Plätze. Wir haben jetzt zwei Bundestagskandidaten gehabt und die eine ist jetzt wiedergewählt worden. Ich bin jetzt auch schon 63 Jahre alt. Jetzt muss man auch mal ein bisschen gucken, dass Jüngere nachkommen und die Sache machen. Man kann bis 70 Politik machen, aber Lust hätte ich schon, wenn ich ein bisschen jünger wäre. Ich habe auf Platz fünf kandidiert, aber wir kriegen ja keine fünf Sitze. Wir kriegen höchstens einen, oder wenn es hochkommt, zwei rein.

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