A_Röttger

Anette Röttger

StudentenPACK: Hallo Frau Röttger, es freut uns, dass dieser Termin so gut geklappt hat. Sie sind Kreisvorsitzende der CDU in Lübeck und bildungspolitische Sprecherin sowie Bürgerschaftsmitglied und in fünf Ausschüssen, verbringen Sie sehr viel Zeit mit Kommunalpolitik?

Anette Röttger: Als Bürgerschaftsmitglied bin ich bildungspolitische Sprecherin der CDU und habe letzten Sommer das Amt der Kreisvorsitzenden übernommen. Dadurch verbringe ich mehr Zeit mit der Kommunalpolitik und arbeite sehr stark daran, dass die Lübecker CDU wieder ein junges und frisches Bild gewinnt. Dazu gehört auch, Menschen anzusprechen, zu aktivieren und zu begeistern für Politik, Kommunalpolitik in erster Linie. Das erfordert, wenn man diese Aufgabe ernst nimmt, auch Zeit.

PACK: Was macht ein Kommunalpolitiker den ganzen Tag?

Röttger: Als Mutter von drei Söhnen bewirtschafte ich hier einen landwirtschaftlichen Betrieb. Das ist meine vorrangige Aufgabe. Kommunalpolitik ist eine ehrenamtliche Aufgabe, die ich in meiner Freizeit ausübe. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für andere Freizeitaktivitäten. Man muss das also als mein Hobby bezeichnen.

PACK: Wie viel Zeit nimmt die Politik in Anspruch?

Röttger: Das habe ich nicht direkt aufgeschrieben, aber es fordert mich schon täglich ein. Nicht nur durch die Tätigkeiten in der Bürgerschaft, sondern auch gerade im Moment zur Vorbereitung der Kommunalwahl können Sie davon ausgehen, dass ich täglich Programmpunkte habe. Das sind dann Veranstaltungen, an denen ich teilnehme, oder einfach Arbeiten vom Schreibtisch aus. Das, was wirklich Zeit kostet, ist, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, an Veranstaltungen teilzunehmen, präsent zu sein und sich auszutauschen mit anderen.

PACK: Wie kamen Sie dazu, sich für CDU und die kommunalen Themen in Lübeck zu engagieren?

Röttger: Ich gehöre zu den Menschen, die sehr verwurzelt in dieser Region sind. Wir haben eine sehr große erweiterte Familie, wir sind alle hier und haben nicht das Bestreben, hier wegzuziehen. So ein landwirtschaftlicher Betrieb bindet einen sehr stark an die Region. Dann fängt man an, darüber nachzudenken und sagt sich „Ich will das hier nicht alles laufen lassen, ich will das alles etwas mit entwickeln in dieser Region.“ Ich schätze einfach diese Stadt, die mir so am Herzen liegt, und das Umfeld der Stadt, ich spreche da speziell auch vom Süden Lübecks und den Lüb’schen Dörfern. Diese zählen alle zur Stadt hinzu und brauchen auch ein Sprachrohr im Lübecker Rathaus. Ich komme aus einem langjährigen Engagement im vorpolitischen Raum. Seit vielen Jahren bin ich in den Landfrauen aktiv und habe mich dort mit Menschen getroffen und mich ausgetauscht. Dabei dachte ich immer wieder: „Das muss politisch umgesetzt werden.“ Vor wenigen Jahren wurde ich dann aufgefordert, genau dies zu tun, unsere Wünsche politisch umzusetzen und mich für die Bürgerschaft aufstellen zu lassen. Das habe ich zur letzten Kommunalwahl 2008 getan und wurde auch in die Bürgerschaft hineingewählt und habe schwerpunktmäßig das Thema „Schule und Bildung“ gewählt. Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern bin ich in dem ganzen Prozess auch fit bin. Ich habe sogar selbst mal an Schulen unterrichtet, da ich von Beruf Ökotrophologin bin. Das alles führte dazu, dass ich immer tiefer in diese Materie hineinwuchs und immer mehr Menschen kennenlernte und ein Engagement dafür entwickelte. Ich denke, an so etwas muss man dranbleiben und eine Kontinuität herstellen, denn das ist, was Kommunalpolitik braucht in dieser Zeit. Wir brauchen keine Splitterungen oder kurzfristigen Aktionismus. Wir brauchen den weiten Blick und im Grunde genommen die längerfristigen Perspektiven. Diese müssen auch von Personen vertreten werden, die längerfristig in dieser Region bleiben wollen.

PACK: Was waren seit 2008 große Streitthemen, worüber wurde am heftigsten diskutiert?

Röttger: Da gibt es definitiv einige. Wenn wir uns den Bildungsbereich nehmen, ist uns immer wieder die überraschende Schulschließung der sanierten Schule in Moisling. Das hätten wir uns so nicht gewünscht. Wir als CDU haben das auch verhindern wollen. Doch dazu ist es nicht gekommen, das haben die Mehrheitsentscheidungen anders befunden. Eine andere Geschichte ist der Flughafen. Das war ein ständiger Dauerbrenner, eine ständige In-Frage-Stellung. Heute bin ich heilfroh, dass sich ein Investor gefunden hat, der einfach an diese Region glaubt. Er ist genauso wie ich überzeugt davon, dass Lübeck eine tolle Stadt ist, dass hier Entwicklungspotential ist. Er hat eine Vision, hier etwas weiterzuentwickeln. Da können wir wirklich froh sein, dass wir das zusammen mit den Bürgern in einer Vernunftentscheidung gemeinsam mit der SPD entschieden haben. Das sind ganz markante Punkte, die auch immer wieder deutlich gemacht wurden. Eine weitere ganz fatale und traurige Entwicklung ist die immer weiter wachsende Rekordverschuldung der Stadt. Da können wir froh sein, dass es den Konsolidierungsfonds des Landes gibt, der unter Peter-Harry Carstensen eingeführt wurde, wo wir auch mit Stimmen der CDU dazu beitragen konnten, dass Lübeck an diesem Pakt teilnimmt. Weitere Punkte sind natürlich in der gesamten Schul- und Bildungsentwicklung die Schulreform auf den Weg gebracht worden. Gemeinschaftsschulen und Gymnasien entstanden sind, da es jetzt auf ein Zwei-Säulen-Programm hinauslaufen wird. Dazu muss man noch sagen, dass wir Mensen bauen konnten und Gebäude sanieren konnten aufgrund des Konjunkturpakets der Bundesregierung. Das ist wichtig, zu wissen, wo das Geld herkommt. Da ist eine ganze Menge passiert.

PACK: Welche Themen sind kommunal, welche nicht? Wo liegt der entscheidende Unterschied?

Röttger: Da muss man sich sicherlich ein bisschen hineindenken. Nehmen wir als Beispiel den Bildungsbereich, auf kommunaler Ebene haben wir eine reine Schulträgerpolitik zu verantworten. Wir sind zuständig für Schulgebäude, Schulsekretärinnen, bewegliche Ferientage und solche Dinge. Die Entwicklung des Bildungsganges als solches, oder Lehrer-Stellenzuweisung. Hier findet allerdings eine Durchmischung statt, weil vor Ort die Bedürfnisse formuliert werden. Da gibt es dann Ausschüsse, die die Entwicklungen begleiten. Die dritte Ebene ist die Bundesebene, die in den letzten Jahren durch Gelder die Möglichkeit gab, energetische Sanierungen durchzuführen.

PACK: Werden Sie häufig von Bürgern auf gerade diese nicht-kommunalen Themen angesprochen?

Röttger: Das passiert häufig, wenn man in der Breiten Straße steht. Hier vor Ort im eigenen Wahlkreis passiert das nicht so oft. Hier kommt es eher dazu, dass die Leute auf mich zukommen und mir ihre lokalen Probleme schildern. Natürlich kommt es auch häufig vor, dass ich zu dem einen oder anderen Thema nur sagen kann, dass ich das weiterleite. Damit kann ich dann aber auch helfen. Als Kreisvorsitzende der CDU bin ich auch landesweit vernetzt und im Landesvorstand. Dadurch kann ich Verbindungen herstellen.

PACK: Glauben Sie, dass die Bevölkerung genau Bescheid weiß, was im Rathaus passiert?

Röttger: Ja, darüber bin ich sehr traurig. Ich versuche immer, meinen Kindern zu vermitteln, dass wir in einer Demokratie leben, wir dürfen nicht in eine Zuschauermentalität, ein Geschimpfe über Politiker und Politikverdrossenheit verfallen. Man ist aufgefordert zum Mitmachen. Das Mitmachen beinhaltet für die Bürger, sich zu informieren über die Wahlprogramme der Parteien und dann auch zur Wahl zu gehen. In der letzten Wahlperiode hat die Bürgerschaft ein schlechtes Bild abgegeben, denn über ein Drittel der Bürgerschaftsmitglieder wurden ausgetauscht. Dazu haben sich die Fraktionen immer weiter zersplittert. Mittlerweile haben wir zehn verschiedene Fraktionen im Rathaus sitzen, was im Grunde zu einer Handlungsunfähigkeit geführt hat. Das war für mich ein Grund, mich definitiv einer der großen Parteien anzuschließen. Wir müssen als Fraktion eine gewisse Fraktionsstärke haben, damit Kommunalpolitik noch als Ehrenamt leistbar ist. Mit etwa zwanzig Personen kann man alle Fachbereiche abdecken, das funktioniert nicht in kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen. Wir wollen konstruktiv nach Lösungen suchen und gemeinsam hier und da einen Kompromiss schließen. Studenten haben eine sehr gute Schulausbildung und streben einen Hochschulabschluss an, damit sind Sie Teil der qualifizierten Bevölkerung. Sie können sich nicht dieser Verantwortung entziehen und nicht wählen gehen.

PACK: Welche Themen sind aus Ihrer Sicht relevant für Lübecker Studierende?

Röttger: Für Sie wird es immer spannend sein: Wo und wie bekomme ich einen Arbeitsplatz? Die zweite Frage wird dann sein, ob Sie eine Familie gründen möchten. Dann drängt sich die dritte und letzte Frage auf, wo möchte ich wohnen. Kann ich den Wohnraum bezahlen und von dort aus alles erreichen? Auch die Bildungsangebote für Kinder sind da wichtig. Während des Studiums geht es eher um die Frage, wie der öffentliche Personennahverkehr läuft, wie ist die Uni ausgestattet und wie ist mein Umfeld gestaltet. Habe ich bezahlbare kulturelle Angebote, ist die Stadt attraktiv? Da hat Lübeck mit „Stadt der Wissenschaft“ und im Zuge der Absicherung der Uni einen erheblichen Schritt nach vorne getan. Dazu gehören auch Studenten, die den Kontakt zu den Schulen aufrecht erhalten. Das wird zukünftig nicht anders gehen, die Schulen müssen sich vernetzen mit den Hochschulen. Das hängt immer mit Personen und Persönlichkeiten zusammen und je besser wir das aufstellen, umso besser funktioniert das. Wir als CDU sind in dieser Hinsicht auch sehr bestrebt, dass wir hier in Lübeck auch bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Der Standort bleibt ja immer davon abhängig, ob es Arbeitsplätze gibt. Das sind Themen, die man im Geldbeutel spürt. DA muss man Studenten auch drauf stoßen und sagen „Bringt euch ein.“

PACK: Wer macht Politik? Sie oder die Verwaltung?

Röttger:Die Hauptverwaltung ist die hauptamtlich arbeitende Ebene, während die kommunalpolitische Ebene immer die ehrenamtliche bleiben wird. Es ist nicht vorgesehen, dass die Kommunalpolitiker die Verwaltungsvorlagen erstellen sollen. Das würde auch nicht funktionieren. Die Verwaltung gibt die Dinge vor, aber die Politik ist durchaus durch Mehrheitsfindung in der Lage, diese Vorlagen zurückzuweisen und Änderungsanträge zu stellen, wir geben dem Ganzen die Handschrift. Deswegen sind Mehrheiten auch sehr wichtig, das verstehen die Bürger manchmal auch nicht so richtig, denn es ist ja ziemlich schwammig geworden zwischen den Parteien. Es kommt allerdings auf die Haltung an, in der CDU ist diese sehr von einem christlichen Menschenbild geprägt, da wird sparsam mit Geld umgegangen. Dies beeinflusst auch ein Verwaltungshandeln, die Verwaltung muss schon schauen, ob sie bei den von den Bürgern bestimmten Mehrheiten mit ihren Vorlagen durchkommt oder eben nicht.

PACK: Wir bedanken uns für das Gespräch!

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