Gegendemo des Bündnisses „Wir können sie stoppen“ am 31. März 2012 am Hostentor.

Was bisher ein vorhersehbares Ritual war – jedes Jahr gegen Ende März, um den Jahrestag des Bombardements von Lübeck durch alliierte Truppen, versucht die NPD eine Demo durchzuführen und das Bündnis „Wir können sie stoppen“ organisiert eine Gegendemonstration und Blockade – fiel dieses Jahr einfach aus. Dieses Jahr wurde der Aufmarsch der Rechten unerwartet abgesagt und „Wir können sie stoppen“ konnte, anstelle den Tag in Sitzblockade zu verweilen, auf den Straßen Lübecks die Siegesfeier veranstalten.

Ist damit also das Problem mit Nazis in Lübeck erledigt? Gallus Bischof lacht. „Schön wäre das, aber dem ist natürlich nicht so.“ Schon seit der Gründung ist Bischof beim Bündnis „Wir können sie stoppen“ aktiv. „Ich würde auch die Prognose wagen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Nazis unter irgendeinem anderen Etikett wieder marschieren.“

Gallus Bischof, der seit 15 Jahren in Lübeck und schon länger antifaschistisch aktiv ist, ist Psychologe, das hört man vielleicht ein bisschen wenn er die Möglichkeiten jedes Einzelnen, sich gegen Rechts einzusetzen, so beschreibt: „Ich glaube, das Basale ist, immer dann, wenn man mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit konfrontiert wird, sich das nicht einfach still anzuhören, sondern dann die Stimme zu erheben.“ Natürlich sei es auch wichtig, Propagandamaterial zu entfernen und, wenn man denn möchte, sich kontinuierlich zu engagieren. Zum Beispiel bei „Wir können sie stoppen“. Besonders wichtig sei ihm aber, dass man das Problem nicht nur auf den organisierten Neonazismus begrenzt. Bei dem Stichwort „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ fallen ihm ja auch andere Gruppen ein, die sowas vertreten.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mag ein sperriger Begriff sein, aber ein wichtiger. Er gibt einen Sammelbegriff für Feindseligkeit gegen jegliche Gruppe, sei sie aufgrund von Geschlecht, Religion, Herkunft oder sogar Lebensumständen.

Über die Situation in Lübeck, nachdem die als „Trauermarsch“ angemeldete Demo der NPD und rechter Kameradschaften nicht stattfand, meint er: „Natürlich haben die Nazis dadurch, dass sie nun nicht marschieren, eine politische Niederlage kassiert und sicher werden sie dadurch auch etwas weniger in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Aber zum einen haben wir natürlich auch hier vor Ort und insbesondere auch im Umland Nazi-Strukturen und zum anderen werden die Nazis sicherlich in Zukunft bei Wahlen wieder antreten, auch wenn Sie es jetzt bei der Kommunalwahl nicht tun. Es gibt auch in Lübeck Stadtviertel, in denen regelmäßig Propaganda-Aufkleber und Propagandamaterial der Nazis zu sehen ist, es gibt neben der NPD auch Kameradschaftsstrukturen. Es gibt auch in Lübeck immer wieder Übergriffe – laut einer von uns erstellten Dokumentation ungefähr alle zwei Monate.“ Es sei also nicht die Zeit, sich zurückzulehnen.

„Wir können sie stoppen“, die Gruppe, die sich 2006 gegründet hat, mag den Aufmarsch gestoppt haben, doch es gibt noch genug zu tun. „Es wäre schade, diese etablierte Zusammenarbeit in diesem Bündnis aus Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, unabhängigen antifaschistischen Initiativen, Einzelpersonen und begrüßenswerterweise seit längerem auch dem AStA aufzugeben, bloß weil die Nazis nicht marschieren“, meint Gallus Bischof. Es gebe bereits Pläne, mit Vorträgen und mit Aufklärungsarbeit an Schulen das Aufgabenspektrum des Bündnisses zu erweitern. Grundsätzlich lasse sich mit dem breiten Bündnis viel mehr erreichen als es für klassische antifaschistische Gruppen möglich sei. Langfristig vielleicht sogar eine Arbeit über das gesamte demokratische Parteienspektrum, auch wenn dies immer schwierig ist. „Es gibt da jedes Mal die Debatte, insbesondere bei Parteien aus dem bürgerlichen Spektrum, wie weit die mit politisch links stehenden Initiativen überhaupt zusammenarbeiten wollen. Da gibt es sicherlich von beiden Spektren her gewisse Animositäten. Dazu kommt das Thema ‚ziviler Ungehorsam‘.“

Natürlich werden auch die Nazis nicht jegliche Aktivität einstellen. Kleinere, oft unangekündigte Aktionen wird es weiterhin geben. „Unangekündigte Kleinaktionen sind sicherlich etwas, das die Nazis machen können, ohne dass man dagegen mobilisieren kann. Dazu stellt sich die Frage, ob man nicht die Nazis aufwertet, wenn man gegen solche kleinen Aktionen Widerstand organisiert“, überlegt Gallus Bischof. Nicht immer sei lauter Widerstand die richtige Strategie, aber wegignorieren lasse sich das Problem sicher nicht: „Denjenigen Leuten, die immer sagen, man solle sie einfach ignorieren, dann würde das Thema von der Bildfläche verschwinden, kann man nur raten, sich bestimmte Regionen insbesondere im östlichen Teil Deutschlands anzuschauen, in denen die Nazis als normaler Teil des Willensbildungsprozesses wahrgenommen werden. Das gibt es aber natürlich auch im Westen. Fakt ist: Wenn man sie gewähren lässt, werden sie irgendwann dreister, daher kann das nicht die Lösung sein.“

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