Berlin: T. Lenz und C. Hellmers (Landsmannschaft Preußen zu Berlin), W. Wawrzyniak und A. Kliesch (Landsmannschaft Brandenburg zu Berlin) nach erfolgreichem Abschluss einer MensurLandsmannschaft Preußen zu Berlin

Berlin: T. Lenz und C. Hellmers (Landsmannschaft Preußen zu Berlin), W. Wawrzyniak und A. Kliesch (Landsmannschaft Brandenburg zu Berlin) nach erfolgreichem Abschluss einer Mensur

Denkt man an Burschenschaften, denkt man meistens an Schlagzeilen über nationalistisches Gedankengut oder Ausländerfeindlichkeit. Doch was hat es mit diesen Studentenverbindungen tatsächlich auf sich? Was tun sie? Wofür stehen sie? Wie wird man aufgenommen? Was hat man davon? Diese Fragen stellte sich auch Patrick Schacht, als er auf seiner Erstsemester-Messe an der Fachhochschule den Stand der Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck entdeckte. Er wurde eingeladen, die Burschenschaft mal zu besuchen und sich selbst ein Bild von ihr zu machen.

Doch was ist nun der Unterschied zwischen einer Studentenverbindung und einer Burschenschaft, was bedeutet es, wenn eine Verbindung schlagend oder fakultativ schlagend ist? „Studentenverbindung ist eigentlich ein Oberbegriff für alle Burschenschaften, Turnerschaften, Landsmannschaften, eben jede Studentenverbindung, die es gibt“, erklärt Marco Kinder. Der Elektrotechnikstudent entschied sich bereits bevor er sein Studium begann, dass er in der Burschenschaft Mitglied werden wollte. Bereits sein Vater war zu seinem Studium Mitglied in einer solchen Verbindung und pflegt noch immer die Kontakte dahin.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck ist in erster Linie ein Männerverein, der unabhängig vom Studienfach Studenten aufnimmt. Zur Aufnahme braucht es kein gruseliges Ritual oder irgendwelche abstrusen Tests, es beginnt mit einer beiderseitigen Probezeit. In dieser Zeit kann der Neue sich die Burschenschaft angucken und zuschauen, was so gemacht wird, und daraus entscheiden, ob es ihm gefällt. Auch die Mitglieder der Burschenschaft können in dieser Zeit dem Neuen auf den Zahn fühlen und entscheiden, ob sie ihn in ihrer Mitte aufnehmen wollen, oder ob sie der Meinung sind, dass seine Gesinnungen nicht zu denen der Burschenschaft passen. Die Nachwuchssuche ist allerdings seit der Bologna-Reform ein Problem – durch die neuen Studiengänge und die Regelstudienzeit bleibt den meisten Studenten nicht ausreichend Zeit, sich neben der Uni, den Hobbys und dem Sport in einer Studentenverbindung zu engagieren. Diejenigen, die es doch tun, arbeiten eng mit der Fachschaft der Fachhochschule zusammen und sind auf Grillfesten und der Erstsemestermesse der Fachhochschule präsent und stellen sich vor.

Ist ein Student neu aufgenommen in die Burschenschaft, wird er als „Fuchs“ bezeichnet. Der Fuchs bekommt dann ein sogenanntes Fuchsenband, das er auf den offiziellen Veranstaltungen über seinem Hemd trägt. Das Fuchsenband hat bei der Berolina-Mittweida die Farben schwarz-silber-schwarz. Nach den ersten zwei Semestern ist die Fuchsenzeit vorbei und der Fuchs wird zum Burschen und bekommt das Burschenband. Dieses ist schwarz-silber-rot. Einer der Burschen hat das Amt des Fuchsmajor inne, er begleitet die Füchse in ihren ersten beiden Semestern in der Burschenschaft und hilft ihnen bei Fragen weiter. Er trägt beide Bänder, über der Brust gekreuzt.

„Hoch bitte!“ – der Ablauf einer Mensur

Früher waren viele Studentenverbindungen auch „Schlagende Verbindungen“. Dies liegt daran, dass in einigen Verbindungen die Mitglieder einen Fechtkampf mit einem Mitglied aus einer anderen Verbindung austragen. Dieser Kampf wird als Mensur bezeichnet. Der Ablauf einer Mensur ist in jeder Verbindung etwas anders. Wir haben bei der Landsmannschaft Preußen Berlin nachgefragt und ein paar Details zum Ablauf einer Mensur erfahren. Es fechten immer zwei so genannte Paukanten gegeneinander. Diese kommen aus verschiedenen Verbindungen und dürfen jeweils ihr eigenes Team mitbringen. Ein Team besteht aus einem Sekundanten, einem Mensurarzt, einem Testant, einem Schlepper und einem Schreiber. Zusätzlich sind noch drei weitere Bundesbrüder jeder Partei anwesend. Für den geregelten Ablauf der Mensur sorgt ein Unparteiischer, er beantwortet Fragen und trifft die Entscheidungen.

Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist es vorgeschrieben, dass die Paukanten eine Schutzausrüstung tragen. Diese besteht aus einer Schutzbrille mit Nasenblech, einer Halsbandage, einem Plaston, einem stichfesten Kettenhemd, einem Armstulp, einem Handschuh mit Ketteneinlage und einem Tiefschutz. Beim Anlegen dieser Ausrüstung wird der Paukant von seinem Team unterstützt.

Während der Mensur ist der Paukant ausschließlich fürs Fechten zuständig. Der Sekundant stellt unsaubere Hiebe bei der Gegenseite fest und fragt diese beim Unparteiischen an. Hierzu gibt es ein Straf-System, das dem der roten und gelben Karten im Fußball ähnelt. Wird einer der Paukanten von einem Hieb getroffen und blutet, wird der Mensurarzt gerufen. Falls die Verletzung zu schlimm ist, wird abgeführt, das bedeutet, die Partie ist an dieser Stelle zu Ende.

Der eigentliche Fechtkampf folgt einem geregelten Muster. Die Paukanten stehen sich im festen Abstand, das ist die eigentliche „Mensur“, gegenüber und dürfen sich von ihrer Position nicht wegbewegen. Der Schlepper hält den Fechtarm des Paukanten etwa im rechten Winkel vom Körper weg, so muss der Paukant nicht die gesamte Zeit die Klinge halten, was einerseits anstrengend für ihn wäre, andererseits ist die Sicht der Paukanten durch die Schutzbrille eingeschränkt, was eine gewisse Verletzungsgefahr birgt. Das Fechten beginnt, mit dem Komando „Hoch bitte“, das einer der Sekundanten gibt. Daraufhin wirft der Schlepper den Arm nach oben. Dann kommt vom selben Sekundanten das Komando „Auf Mensur“, der zweite Sekundant antwortet mit „Fertig“, dann gibt der erste Sekundant das Kommando „Los“ und die Paukanten beginnen zu fechten. Hat eine Seite fünf Hiebe ausgeteilt, kommt von einem der Testanten oder einem der Sekundanten ein „Halt“. Dann springen die Sekundanten zwischen die Paukanten und beenden den Gang damit. Die Schlepper nehmen wieder den Fechtarm und der Testant reinigt mit einer Desinfektionslösung die Klinge, um eventuelle Metallspäne zu beseitigen, er richtet auch die Klinge, falls sie sich beim Fechten verbogen hat. Dieser Gang wird insgesamt 30 mal wiederholt, wobei der erste und letzte Gang sogenannte „Ehrengänge“ sind. Insgesamt dauern solche Mensuren etwa eine Viertelstunde. Das Ziel einer Mensur ist nicht, den anderen zu verletzen oder zu gewinnen, sondern unverletzt zu bleiben.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida ist eine fakultativ schlagende Verbindung. Das bedeutet, jedes der Mitglieder darf die Fechtkunst erlernen, aber muss keine Mensuren schlagen. Die Lübecker Burschen werden von einem Fechtmeister, der aus einer anderen Verbindung kommt, unterrichtet. In Lübeck wurde die letzte Mensur im Jahre 1963 geschlagen. Aktuell erlernen die Hälfte der Aktiven Lübecker Burschen die Kunst des Fechtens, aber keiner von Ihnen wird in der nächsten Zeit eine Mensur schlagen. „Wir lernen das, um die Tradition zu pflegen“, erklärt Tamás Molnár.

Alltag einer Studentenverbindung

In einer Studentenverbindung treffen Menschen aus den unterschiedlichen Generationen aufeinander. Die jungen Aktiven werden von den „Alten Herren“ bei ihren Veranstaltungen finanziell unterstützt. Die Organisation der Veranstaltungen obliegt allerdings den Aktiven. So sollen die meistens noch sehr jungen Studenten auf das Berufsleben vorbereitet werden, indem sie wissen, wie eine Veranstaltung zu organisieren und zu finanzieren ist. Die Alten Herren unterstützen sie zwar bei schwierigen Angelegenheiten und beantworten Fragen, aber die eigentliche Verantwortung liegt auf den Schultern der Aktiven.

Die Burschenschaft Berolina-Mittweida ist aufgebaut wie ein normaler eingetragener Verein. Es gibt also einen 1. Vorsitzenden, einen Kassenwart und verschiedene Ämter, die unter den Burschen verteilt werden. Jedes Semester wird neu gewählt. Der erste Vorsitzende wird 1X genannt, dieses Amt wird aktuell von Marco Kinder ausgeführt. Marco sagt zwar, dass es viel Arbeit ist, aber gerade weil er das Gefühl hat, dass es ihm für seine Zukunft helfen kann, macht er es sehr gerne. Patrick Schacht ist momentan der Kassenwart der Burschenschaft. Bevor er dieses Amt antrat, hatte er sich noch nicht viel mit der Finanzierung von Veranstaltungen oder mit Buchhaltung beschäftigt. Mittlerweile versteht er sehr genau, was dahinter steckt, ein Seminar oder eine Gruppenfahrt zu organisieren und zu finanzieren. Das letzte Seminar, das die Berolina-Mittweida für ihre Aktiven organisiert haben, befasste sich mit dem Thema Rhetorik. Unter dem Titel „Reden schreiben – Reden halten“ trafen sich die Aktiven mit dem Seminarleiter auf dem Museumsschiff „Passat“ in Travemünde. Bei diesen Seminaren geht es darum, dass die Aktiven immer neue „Soft Skills“ erlernen, um für ihr Berufsleben vorbereitet zu sein. Die „Alten Herren“ unterstützen sie mit ihrer Erfahrung aus ihrem alltäglichen Berufsleben und erwarten, dass die Aktiven im Gegenzug ihr Bestes geben, interessiert und engagiert sind.

Jedes Semester stellen die Burschen ein festes Programm zusammen, das aus verschiedenen Veranstaltungen besteht. Zwei bis drei Mal im Semester treffen sie sich auf einem Samstagabend in ihren Räumen im Korporationshaus Lübeck zur Kneipe. Jede Woche am Donnerstagabend treffen sich die Aktiven zum Stammtisch. Da wird dann gemeinsam Essen gekocht und die anstehenden Fahrten, Seminare und Veranstaltungen geplant. Zu den Veranstaltungen zählen auch die Partys, die jedes Semester von der Burschenschaft ausgerichtet werden. Zusätzlich machen die Aktiven im Jahr acht bis zehn Fahrten, auf denen sie andere befreundete Studentenverbindungen besuchen. Diese Fahrten gehen durch ganz Deutschland. Oder die Lübecker empfangen selbst Besucher in der Hansestadt. Auf den letzten Fahrten ging es nach Schweinfurt, Nürnberg, Duisburg und Landau. „Neben dem Kennenlernen von Studenten in anderen Städten und an anderen Hochschulen, machen diese Fahrten sehr viel Spaß“, erzählt Matthias Rothe. Der Medizinstudent ist momentan einer der wenigen Studenten der Universität zu Lübeck, der in der Burschenschaft aktiv ist. „Wir arbeiten sehr eng mit den Fachschaften der Fachhochschule zusammen, an der Uni sind wir nicht ganz so präsent“, erklärt er. Zusätzlich zu den Fahrten gibt es noch einige Convente. Ein Convent ist so etwas wie eine Vereinssitzung. Bei der Burschenschaft Berolina-Mittweida wird allerdings ein Unterschied gemacht zwischen dem Generalconvent, dem Burschenconvent und dem Aktivenconvent. Beim Generalconvent sind alle Mitglieder der Burschenschaft eingeladen, während zum Burschenconvent nur die Burschen eingeladen werden. Der Aktivenconvent besteht sowohl aus den Aktiven, als auch aus den Füchsen.

Patrick Schacht beim Rhetorik-Seminar auf der Passat in Travemünde.Burschenschaft Berolina-Mittweida zu Lübeck

Patrick Schacht beim Rhetorik-Seminar auf der Passat in Travemünde.

Feindseligkeiten wegen Vorurteilen

Probleme mit Feindseligkeiten hatten die Burschen bis jetzt noch nicht allzu stark. „Es gibt viele, die erst mal skeptisch nachfragen. Wenn man dann aber die Zeit hat, kurz zu erklären, worum es hier eigentlich geht, legt sich die Skepsis relativ schnell“ berichtet Marco Kinder. Über Burschenschaften kursieren gerade im Internet viele Gerüchte und Berichte, die behaupten, dass in den Studentenverbindungen nationalistisches Gedankengut verbreitet wird und die Aufnahme von ausländisch stämmigen Studenten verweigert wird. Gerade die „Deutsche Burschenschaft“, einer der größten Dachverbände der Burschenschaften in Deutschland, bestimmt in der letzten Zeit die Berichterstattungen über Studentenverbindungen. Die Burschenschaften organisieren sich in solchen Dachverbänden um andere Verbindungen kennenzulernen und Besuche zu planen. Die Deutsche Burschenschaft ist der größte dieser Dachverbände. In den letzten Jahren ist die Deutsche Burschenschaft immer mehr in Verruf geraten, da einigen Mitgliedsverbindungen die Verbreitung von nationalistischen Material nachgewiesen werden konnte. Mittlerweile sind einige Burschenschaften aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten und distanzieren sich von diesem Verhalten.

„Es gibt überall schwarze Schafe, bei uns darf definitiv jeder eintreten, der es gerne möchte, er muss nur männlich sein und momentan an einer Lübecker Hochschule studieren“, betont Marco Kinder. Die Burschenschaft Berolina-Mittweida war nie Mitglied in der Deutschen Burschenschaft und wird auch kein Mitglied werden. „Momentan sind wir auf der Suche nach einem neuen Dachverband“, berichten die Burschen. Doch diese Suche gestaltet sich schwierig.

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