Vorurteile über Frauen und ihre Schuhe gibt es deutlich mehr als Schuhpaare in unseren Schränken. Aber eigentlich haben wir doch gar keinen Tick, sondern nur eine ungünstige Ausgangsposition. Als Mann genügt ein einziges Schuhpaar, irgendetwas Sportliches. Im Winter trägt „mann“ einfach ein Paar Socken mehr, im Sommer geht es dagegen barfuß in die Schuhe. Und wenn einmal Sport auf dem Programm stehen sollte, halten eben diese Schuhe dafür auch noch her. Ende der männlichen Grundausstattung.

Doch so einfach ist das bei uns Frauen nicht. Da gibt es gefütterte Winterschuhe (gegen unsere chronisch kalten Füße), Stiefel, Stiefeletten, Übergangsschuhe, leichte Sommerschuhe, Sandalen, Ballerinas, Flip-Flops und dann natürlich noch die ganze Fraktion an Absatzschuhen, weiter unterteilt in Lauf- und Sitzschuhe. Und plötzlich kommen da zehn, fünfzehn Paar zusammen und wir haben noch nicht einmal die Möglichkeit zur Auswahl. Bis zu diesen Dimensionen handelt es sich also um eine einfache Notwendigkeit, so viele Schuhe zu besitzen.

Aber es geht natürlich auch anders. Viele Stars haben so ihre Macken, von denen ein begehbarer Schuhschrank in der Größe meiner Wohnung nur der Anfang ist. Aber schließlich sind das ja auch Stars. Daher habe ich bisher auch die Meinung vertreten, dass sich ein solches Verhalten auf Menschen außerhalb meines Bekanntenkreises beschränkt. Eines warmen Frühlingstages belehrte mich meine Freundin Lisa da jedoch eines Besseren. In einer entspannten Mittagspause auf der Wiese fing sie plötzlich an, mir von ihren Ballerinas zu erzählen. Von ihren Weißen, Türkisen und Blauen, die sie sich letztes Jahr gekauft hat. Von den Weißen, Schwarzen und Braunen, die sie sich dieses Jahr gekauft hat. Klar, Schuhe können sehr verschieden sein. Können sie, müssen sie aber nicht und in diesem Fall waren sie es auch nicht. Genau genommen waren es dieselben Schuhe, alle sechs Paar.

Da Lisa während ihrer Erzählung offenbar doch mein leicht verstörter Blick aufgefallen war, begann sie auch gleich damit, sich zu rechtfertigen. Das eine Paar weißer Schuhe könne man beispielsweise ja gar nicht richtig zählen, weil diese so dreckig geworden waren, dass Lisa sich ein neues, sauberes Paar kaufen musste. Und was nützen einem Schuhe schon in einer einzigen Farbe? Erst durch die ganzen Varianten bekommt man doch ganz unglaubliche Kombinationsmöglichkeiten.

An diesem Punkt entschloss ich mich dazu, nicht nachzufragen, wie es denn mit möglichen anderen Ballerina-Modellen aussah. Stattdessen kramte ich zu Hause mein einziges Paar eigener Ballarinas heraus. Bisher hatten sie ihr Dasein noch am Boden meines Kleiderschranks gefristet, doch das sollte sich morgen ändern. Jedenfalls hatte ich mir das vorgenommen.

Die ersten Meter auf dem Weg zur Uni verliefen noch voll und ganz nach meinen Vorstellungen, alle weiteren taten es nicht mehr. Zum Umkehren und Schuhewechseln war die Zeit zu knapp und außerdem wollte ich wenigstens ein einziges Mal meine Ballerinas ausführen. So kam es, dass ich die Uni schwer gezeichnet erreichte und meine Schuhe verfluchte. Wenigstens war die Vorlesung ein Genuss, denn dabei konnte ich sitzen und so meine Füße unbemerkt aus ihrem Schuhgefängnis befreien. Und genau so trat ich auch meinen Rückweg an. Barfuß. Durch den Hörsaal, über den Campus, an der Straße entlang nach Hause.

Ob man mich dabei schräg angeguckt hat? Ja. Ob mich das gestört hat? Nein, denn ich war glücklich. Glücklich, dass meine Ballerinas bunt waren und ich sie mir daher nur in dieser einen Farbe hatte kaufen können.

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