Wikipedia-Nutzer Λοῦκας

„Es gibt an den Piraten nichts, auf das ich neidisch wäre.“

StudentenPACK: Mit den ersten paar Fragen möchte ich, dass die Leser Sie ein wenig kennenlernen und daher fange ich einfach mal am Anfang an: Sind Sie in einen politischen Haushalt geboren worden oder woher kam das Interesse an Politik?

 

Wolfgang Kubicki: Bei uns zu Hause wurde wenig über Politik gesprochen, da meine Eltern keine Lust auf Auseinandersetzungen über ihr Leben im Dritten Reich hatten. Außerdem war es für sie wichtiger, den Alltag in der Nachkriegszeit mit ihren drei kleinen Kindern zu bewältigen. Das Interesse an der Politik entstand während meiner Schulzeit am Gymnasium. Es intensivierte sich, als ich den Vorsitz des Arbeitskreises Politik übernahm. Im Übrigen leistete die Studentenbewegung seit Mitte der sechziger Jahre einen wesentlichen Beitrag zu meiner „Politisierung“.

PACK: Sie sind ein Jahr nach dem Abitur in die FDP eingetreten. Was hat Sie an der Partei gereizt?

Kubicki: Mich hat der Ansatz gereizt, den Menschen die Wahlmöglichkeit zu geben. Jeder Mensch soll sich entscheiden dürfen, wie er sein Leben gestalten, welchen Beruf er ergreifen will, ob und wenn ja, mit wem und wie er ein Zusammenleben organisieren will, was er essen und trinken will und wie er seine Freizeit verbringen will. Deswegen bin ich seit über 41 Jahren Mitglied der FDP, um dies für möglichst viele Menschen Wirklichkeit werden zu lassen.

PACK: Im liberalen Hochschulverband haben Sie es schnell weit nach oben geschafft (nach zwei Jahren in der FDP stellvertretender Vorsitzender), genauso bei den Jungdemokraten. Sechs Jahre nach Parteieintritt gehören Sie 1976 zum Landesvorstand. Haben Sie ihr Leben damals gezielt auf schnelle Karriere ausgelegt?

Kubicki: Nein, mir ging es um die Inhalte und darum, etwas zu bewegen. Ich bin nicht in die FDP eingetreten, um irgendwann Fraktionsvorsitzender zu sein oder irgendein anderes Amt zu bekleiden.

PACK: Danach kamen Sie in den Bundesvorstand der Partei und 1990 zum ersten Mal in den Bundestag. Warum ist Wolfgang Kubicki nicht Bundesminister oder zumindest Fraktionsvorsitzender der Bundes-FDP?

Kubicki: Ich schätze meine berufliche Unabhängigkeit sehr. Reine Berufspolitiker haben wir schon genug. Hier in Schleswig-Holstein kann ich politisch arbeiten und meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nachgehen. Der Aufwand, den ich dafür in Berlin betreiben müsste, wäre ungleich größer. Als Bundesminister müsste ich außerdem meinen Beruf und damit ein Stück Freiheit aufgeben.

PACK: Nun haben Sie recht geregelte Bahnen eingeschlagen. Seit 1996 (also 16 Jahre), so Wikipedia, sind sie Fraktionsvorsitzender in Schleswig Holstein. Was liegt ihnen mehr, die schnelle Karriere oder die Stabilität?

Kubicki: Ich bin seit mehr als 16 Jahren mit Leib und Seele Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. In dieser ganzen Zeit habe ich großen Wert auf Stabilität vor allem innerhalb der FDP gelegt. Genau dadurch zeichnen sich die Nord-Liberalen auch aus: Wir haben immer sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet. Bei uns gibt es keine Personalquerelen sondern eine große Kontinuität.

PACK: Sie haben Volkswirtschaftslehre studiert, sind parallel in die Politik, haben neben ihrem Beruf Jura studiert. Nun sitzen Sie im Landtag und betreiben eine Kanzlei. Mit welcher Beschäftigung identifizieren Sie sich, Jurist, Volkswirt, Abgeordneter, Fraktionsvorsitzender, Spitzenkandidat?

Kubicki: Mit allen, denn der Mensch Wolfgang Kubicki ist nicht teilbar.

PACK: Kommen wir zur anstehenden Wahl. Sie haben für Ihre Partei das 9%-Ziel ausgerufen und wurden dafür in den Medien belächelt. Gibt es einen rationalen Grund für diesen Optimismus oder ist das der Zweckoptimismus einer Wahlphase?

Kubicki: Wir haben Ende letzten Jahres untersuchen lassen, wo die fast zehn Prozent der Wählerinnen und Wähler geblieben sind, die uns in den Meinungsumfragen seit 2009 verlassen haben und ob wir sie noch erreichen können. Dabei hat sich herausgestellt, dass wir 75 Prozent mit einem ordentlichen personellen und inhaltlichen Angebot erneut für die FDP begeistern können. Daraus folgt, dass wir zwischen neun und elf Prozent bei der Landtagswahl erreichen könnten, wenn alle Voraussetzungen stimmen. Wir sind gerade dabei, möglichst viele dieser Voraussetzungen zu schaffen, um am 6. Mai – und nur auf diesen Tag kommt es an – ein möglichst gutes Ergebnis für die FDP in Schleswig-Holstein zu erzielen.

PACK: Wenn man schon nach den Sternen greift, warum dann so eine Zahl wie 9%. Ein halbiertes Projekt 18? Erschien 10% einfach als anmaßend?

Kubicki: Da wir kein Ziel formulieren, sondern nur ein Potential definiert haben, geht es nicht um Anmaßung, sondern um die realen Möglichkeiten.

PACK: In der ZEIT haben Sie mal gesagt: „Unsere politische Klasse befindet sich in einem elenden Zustand.“ Freut es Sie dann zu sehen, wie mit der Piratenpartei eine Gruppe gänzlich außerhalb der politischen Klasse Erfolge feiert?

Kubicki: Die Piratenpartei ist Ausdruck des Elends der politischen Klasse, da sie offensichtlich ohne wirkliche Problemlösungskompetenz und ohne entsprechendes Personal „Erfolge“ feiern kann. Aber auch das „Dschungelcamp“ oder „Dieter Bohlen“ feiern Erfolge.

PACK: Ist man auch ein wenig neidisch, wenn eine junge Partei plötzlich derartige Erfolge feiert?

Kubicki: Was ist Erfolg? Stimmen bei der Wahl oder Problemlösungskompetenz? Auch die Schill-Partei hat mit 19% in Hamburg „Erfolge“ gefeiert, ohne dass deshalb Neid aufgekommen wäre. Es gibt an den Piraten nichts, auf das ich neidisch wäre.

PACK: Jost de Jager hat gegenüber der Welt gesagt, Bündnisse mit einer Partei im einstelligen Bereich stehen nicht zur Debatte. Glauben Sie, die CDU hat sich schon für eine Große Koalition entschieden? Und wenn dem so ist, wie wollen Sie es dann schaffen Finanzminister zu werden?

Kubicki: Das müssen Sie doch die Union fragen und nicht uns. Wir haben alle Optionen. Ich bin gespannt, ob Jost de Jager am 6. Mai um 18:20 Uhr der deutschen Öffentlichkeit erklären wird, dass er wegen dieser Festlegung Oppositionsführer werden will.

PACK: Und wenn es nicht reicht für den Einzug in den Landtag, was dann?

Kubicki: Wir werden ein gutes Ergebnis erzielen, da bin ich mir sicher. Ansonsten wäre es schlecht für Schleswig-Holstein.

PACK: Sollte es tatsächlich zu einer Koalition mit FDP-Beteiligung kommen, dann ja wahrscheinlich mit der CDU. Einer der größten Streitpunkte beim Vergleich der Parteiprogramme ist die Vorratsdatenspeicherung. Kann es einen Kompromiss geben oder muss die CDU einlenken?

Kubicki: Bereits 2009 haben CDU und FDP in Schleswig-Holstein vereinbart, dass auf eigenständige Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in unserem Bundesland verzichtet wird (S. 40 des Koalitionsvertrages). Die FDP Schleswig-Holstein lehnt die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten auch weiterhin entschieden ab. Für uns ist diese zum einen Ausdruck eines Überwachungsstaates, in dem Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt werden. Zum anderen ist die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht belegt – dies hat eine renommierte Studie erst kürzlich bestätigt. Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat im Sommer 2011 mit dem sogenannten „Quick Freeze“-Verfahren einen grundrechtschonenden Vorschlag präsentiert, der auf die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten verzichtet, gleichzeitig aber den berechtigten Ermittlungsinteressen der Strafverfolgungsbehörden ausreichend Rechnung trägt. Dessen Umsetzung wird von der CDU unverständlicherweise blockiert. Dass sich die Bundesjustizministerin in der Zwischenzeit weigert, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, begrüßt die FDP Schleswig-Holstein ausdrücklich. Für uns ist nicht ersichtlich, warum eine Richtlinie, die selbst von der EU-Kommission in ihrer derzeitigen Form nicht aufrechterhalten wird, umgesetzt werden sollte. Die FDP nimmt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010, mit dem das damalige deutsche Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde, ernst – ganz im Gegensatz zu vielen, die angebliche Sicherheitsinteressen über die Freiheit und die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger stellen.
PACK: Im Wahlprogramm fordern Sie für die Hochschulen engere Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Forschung, zum Beispiel zum Zweck des Technologietransfers. Ist nicht aber die Freiheit von wirtschaftlichen Interessen und Einflüssen ein Grundpfeiler guter Forschung?

Kubicki: Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist zu Recht ein hohes Gut und verfassungsrechtlich gesichert. Gemeint ist mit der Aussage im FDP-Wahlprogramm nicht, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen verfassungsrechtliche oder andere rechtliche Grenzen überschritten werden sollen. Gemeint ist vielmehr, dass aus unserer Sicht neue Technologien so schnell wie möglich einem wirtschaftlichen Nutzen zugeführt werden sollten, um die heimischen Unternehmen zukunftssicher zu machen und sie im globalen Wettbewerb zu stärken.

Als ein Beispiel wäre die Entwicklung des mp3-Formates durch das Fraunhofer-Institut zu nennen, bei der die enge Verzahnung zwischen freier Forschung und der Nutzung durch die heimische Wirtschaft damals nicht optimal funktionierte. Die Wertschöpfungskette befindet sich mittlerweile größtenteils im Ausland.
PACK: Wie auch die CDU unterstützen Sie den Plan, das UKSH in einer Public Private Partnership zu sanieren. Ein privates Unternehmen, welches diese Sanierung durchführt, möchte damit natürlich einen Gewinn machen, also muss das Land langfristig mehr zahlen, als wenn es die Baumaßnahmen selbst durchführen würde. Warum ergibt das für Sie Sinn?

Kubicki: Für die FDP ist wichtig, dass der massive Investitionsstau beim UKSH endlich angegangen wird. Da vor Ablauf der Anwendungsvereinbarung zwischen dem Land, dem UKSH und Verdi am 1. April 2015 keine andere Entscheidung möglich war, war die Einigung auf das ÖPP-Modell die beste Möglichkeit, den Investitionsstau im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zügig anzugehen. Das Land ist aufgrund der schwierigen haushalterischen Situation nicht in der Lage, den Investitionsstau aus eigenen Mitteln zu tragen. Durch die neue Gebäudestruktur verspricht sich das UKSH hohe Effizienzgewinne.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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