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„Was ich planen kann, ist Schleswig-Holstein und ich stelle mich zur Wahl, um in Schleswig-Holstein Verantwortung zu übernehmen.“

StudentenPACK Die ersten Fragen sollen dazu dienen, unseren Lesern Ihre Person näher zu bringen: Sie haben sich schon als Schüler in der Schülervertretung eingesetzt und waren später im U-AStA an der Freiburger Uni, woher kommt dieses politische Interesse und Engagement?

Robert Habeck Es war schon immer so, dass ich mich um die Umstände, die mein Leben betreffen, gekümmert habe und mich in dem Sinn politisch engagiert habe. Und es war irgendwie schon immer so, dass mir Leute immer wieder Vertrauen schenkten oder mich zu ihrem Sprecher machten. Dies zieht sich durch Schule, Hochschule, Zivildienst. Und als ich dann nach Schleswig-Holstein gekommen bin und klar war, jetzt hat mein Leben einen Ort gefunden, habe ich angefangen, mich hier politisch zu engagieren.

PACK Sie versuchten 2006, in den Bundesvorstand Ihrer Partei zu kommen, 2008 lehnten Sie den Bundesvorsitz als Nachfolger von Reinhard Bütikofer ab. Warum diese Entscheidung?

Habeck Als ich 2006 als Beisitzer für den Bundesvorstand kandidierte, habe ich gelernt und gesehen, wie viel man investieren muss, um auf der Bundesebene mitzuspielen. Ich habe damals gedacht, ich mach es wie immer: Ich stell mich hin, stell mich vor, rocke den Saal und danach wählen mich die Leute. Ich habe mich vorgestellt und eine gute Rede gehalten, aber man hat einen anderen gewählt, weil der davor ganz viele Klinken geputzt hat, in jedem Kreisverband war, Rückhalt organisiert hat. So, wie man es macht. Als dann die Möglichkeit im Raum stand, Bundesvorsitzender zu werden, war mir klar, dass das nicht noch mal etwas Handstreichartiges werden darf und mich nicht alle lieben würden, nur weil ich ich bin. Das habe ich gelernt. Und ich war nicht bereit, so viel Zeit und Nerven zu investieren, um dieses Spiel mitzuspielen, und meine Familie, als die Kinder noch sehr klein waren, allein zu lassen. Es ging eben nicht mit minimalem Zeitaufwand und den maximalen Zeitaufwand wollte ich nicht leisten, weil mir meine Familie mehr bedeutet als der scheinbar ach so große Bundesvorsitz.

PACK Planen Sie in absehbarer Zukunft, doch noch einmal in die Bundespolitik zu wechseln oder ist das für Sie Geschichte?

Habeck Nein, ich plane das überhaupt nicht. Nun ist Politik nicht immer grenzenlos durchplanbar bis zum letzten Ende und ich weiß auch nicht, wie lange ich Politiker sein werde und was sich in den kommenden Jahren an Fragen, Herausforderungen und Möglichkeiten ergibt. Was ich planen kann, ist Schleswig-Holstein und ich stelle mich zur Wahl, um in Schleswig-Holstein Verantwortung zu übernehmen.

PACK Ihr Parteiprogramm für die Wahl ist durchweg gegendert, was ja viele als unästhetisch empfinden. Wie stehen Sie als Schriftsteller stilistisch dazu?

Habeck Ich schreibe meine Romane nicht gegendert und stilistisch ist es eine Zumutung. Ich weiß aber auch, dass Sprache Wirklichkeit verändert und dass eine Veränderung der Sprache die Wirklichkeit neu prägt. Deswegen finde ich es richtig, dass über das Binnen-I der weiblichen Form oder in unserem Fall das Gender Gap Politik gemacht wird.

PACK Nun zur Wahl: 2009 erreichte ihre Partei 12,4 Prozent, was sind Ihre Ziele für diese Wahlperiode?

Habeck Besser als das letzte Mal. Eine genaue Zahl zu sagen, ist albern. Schlechter als das letzte Mal wäre doof und besser muss das Ziel sein.

PACK Jost de Jager sagte in der Welt, „Wir brauchen einen Koalitionspartner, der zweistellig ist.“, was man bei Ihren aktuellen Umfragewerten durchaus als Angebot an Ihre Partei verstehen kann. Käme für Sie Schwarz-Grün in Frage?

Habeck Wir wollen es mit der SPD probieren und die SPD ist unser erster Ansprechpartner.

PACK Sie sagen auf Ihrer Website, dass im aktuellen politischen Umfeld neue Parteien entstehen und die, die da sind, auch wieder verschwinden werden. Zielen Sie damit direkt auf die Piraten ab?

Habeck Nicht nur auf die Piraten. Das Verschwinden der Piraten kann im Moment keiner vorhersagen und keiner weiß, wie das Ganze endet. Aber zum Beispiel die Linkspartei ist vor Kurzem noch sehr hoch geschrieben worden, aber nun ist sie am Abgrund. Die FDP ist möglicherweise auch kurz vor dem Verschwinden. Wir haben zwischendurch einen Ministerpräsidenten gestellt, jetzt haben wir 15 Prozent. Die Parteienlandschaft ist sehr viel wechselhafter geworden. Große werden klein und Kleine werden groß. Der Erfolg der Piraten liegt auch darin, dass sie eine Art Welpenschutz haben. Niemanden stört es, dass sie inhaltlich so vage sind. So sind sie Projektion für enttäuschte FDPler und radikale Linke. Dies wird auf Dauer nicht funktionieren, also mal sehen, wie das für sie endet.

PACK Einer Ihrer größten Programmpunkte ist die Umstrukturierung des Energiesektors auf regenerative Energien. Dabei setzten Sie auf dezentrale Netze und Bürger-Windparks. Wie gedenken Sie, ein solches Projekt mit dem Haushalt unter einen Hut zu bringen?

Habeck Die Energiewende ist neben der Bildung das wichtigste Projekt für Schleswig-Holstein. Und die Energiewende ist erst mal gar nicht haushaltsrelevant. Bürger-Windparks oder Bürger-Energieanlagen sind eine Art genossenschaftliches System. Menschen beteiligen sich in kleinen Tranchen an der Energie-Infrastruktur. Dieses Modell könnte man auch auf die Netze ausweiten, wenn nicht ein großer Netzbetreiber wie E.ON oder TenneT die Netze baut, sondern die Möglichkeit besteht, für private Investoren und Bürger da einzusteigen. Das geschieht alles ohne Landesmittel. Im Gegenteil: Es bringt Geld, Gewerbesteuern, Arbeitsplätze. Die Gelder fließen so nicht nach München oder sonst wohin in die Konzernzentralen ab.

PACK Man hört ja aber immer wieder, dass sich Kommunen und Gemeinden gegen solche Projekte stellen. Wie sieht es aus: Gibt es eine gute Resonanz dafür?

Habeck Ja, in der Tat ist es so, dass die Beteiligung der Bürger eines der stärksten Argumente ist, sich an der Energiewende zu beteiligen. Der Widerstand ist häufig dann besonders hoch, wenn Leute nicht beteiligt sind, also wenn fremde Investoren einem irgendwas vor die Nase setzen. Immer wenn die Menschen von Betroffenen zu Beteiligten werden, wird der Widerstand geringer. Insofern ist die Energiewende auch ein Beispiel für eine Demokratisierung der Infrastruktur und der politischen Entscheidungen. In Schleswig-Holstein haben vor allem im Süd-Osten die Leute etwas gegen Windräder, hier und da gibt es Initiativen. Während im Norden und Nord-Westen eine viel größere Nachfrage nach Windeignungsgebieten besteht, als das Land momentan zur Verfügung stellen kann. Das Bild ist also differenziert zu beurteilen und unterm Strich ist erneuerbare Energie in Schleswig-Holstein gewollt und erwünscht. Die Energiewende ist, meiner Erfahrung nach, nicht umstritten in Schleswig-Holstein.

PACK Ihre Partei ist für eine Verminderung des CO2-Ausstoßes, stellt sich aber stark gegen das CCS-Verfahren. Sollte Ihnen aber die Erforschung des Verfahren nicht eigentlich recht sein?

Habeck Nein das ist uns nicht recht, weil das Verfahren bedeutet, dass man weiter auf Kohle setzt und das Verfahren selbst nicht erprobt ist und nicht funktioniert und nur ein Reinwaschargument für die alte Kohleinfrastruktur ist. Auch Sicherungsfragen, Versicherungsfragen, Haftungsrisiken und Verdrängung von Grundwasser wurden alle nicht sauber analysiert und deswegen ist uns das gar nicht recht und der Weg ist nicht, neue Kohlekraftwerke mit CO2-Abschaltung zu bauen, sondern auf erneuerbare Energien umzustellen.

PACK Sie wollen gleichzeitig den Untergrunds als Wärme und Energiespeicher nutzen. Gibt es dazu schon Konzepte, wie dies vonstattengehen soll?

Habeck Es gibt verschieden Konzepte, die in der Erprobung sind. Als Wärmespender lässt sich Geothermie nutzen. Und es gibt an verschiedenen Stellen in Schleswig-Holstein große unterirdische Kavernen, die man möglicherweise nutzen kann, um dort Wasserstoff oder Methan zu speichern. Dazu laufen die Voruntersuchungen. Die Kavernen befinden sich in der Nähe von Brunsbüttel und Heide. Dies ist ein Baustein, der durchaus interessant werden kann für die Zukunft.

PACK Wäre ein solches Verfahren nicht aber ähnlich schädlich wie CCS?

Habeck Wenn das Gas entweicht oder Wasser verdrängt, hätten Sie recht. Aber der Unterschied besteht darin, dass das Gas nicht für ewig eingelagert werden soll, sondern, ähnlich einem Tank, wieder entnommen werden soll. Deswegen kann das Projekt auch jederzeit wieder beendet werden.

PACK Sie setzten des Weiteren in Ihren infrastrukturellen Projekten auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder, dabei sollen Projekte wie die Fehmarnbelt-Querung und der Autobahnneubau nicht realisiert werden. Gleichzeitig soll auf Autobahnen eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h gelten. Halten Sie es wirklich für so nötig, Schleswig-Holstein zu entschleunigen?

Habeck Es ist nicht so, dass wir gegen jeden Straßenneubau sind und gegen jede Autobahn. Wir sind aber gegen die Autobahnen, die Verkehr erst neu generieren sollen. Wir sind für den Ausbau der A 21 und für einen vernünftigen Anschluss der A 20. Wir sind für den Ausbau der Bundesstraße B 5 entlang der Westküste, in dem Fall dreispurig. Es nicht so, dass wir weltfremd argumentieren, aber wir sind aus ökologischen wie haushalterischen Gründen dafür, dass man nicht in gigantomanischen Projekten erst mal anfängt, drauf los zu bauen und die Folgekosten außer Acht lässt. Der Bundesverkehrswegeplan ist zehnfach überzeichnet, und wir wollen es nicht dem Bundesverkehrsminister überlassen, welche Projekte gefördert würden und welche nicht. Das Tempolimit ist eine uralte grüne Forderung und eine, die sich vor wenigen Jahren auch Peter Harry Carstensen zu Eigen gemacht hat. Er sagte damals, ihm sei freies Atmen lieber als freie Fahrt und einer Diskussion steht er offen gegenüber, gerade weil wir nur noch wenige Strecken in Schleswig-Holstein haben, auf denen man unreguliert fahren kann. Und weil das gesamte europäische Ausland ein Tempolimit hat, kann man ja kein scharfes Argument gegen das Tempolimit finden. Nur die Macht der Gewohnheit spricht dafür, aber die Fakten und alles was wir wissen, die Schwere der Verkehrsunfälle und die Einsparungen beim Benzinverbrauch sprechen dafür, ein Tempolimit einzuführen.

PACK Um Ausgaben zu sparen, sollen nicht lohnenswerte Flughäfen nicht weiter subventioniert werden. Der Hamburg-Airport soll damit Hauptflughafen für Schleswig-Holstein werden. Sehen Sie eventuell Konsequenzen für Touristen und deren Anreise?

Habeck Nein, die sehe ich nicht, da Schleswig-Holstein, wenn es denn angeflogen wird, nur über den Hamburger Flughafen angeflogen wird. Aber ich kann mir nicht vorstellen, in einer Situation, in der wir unser Geld zusammenhalten müssen, um Lehrstellen und Kita-Ausbau voran zu bringen, mit öffentlichen Geldern Ryanair zu subventionieren. Das halte ich ordnungspolitisch für völlig widersinnig und ich verstehe gar nicht, wie sich Parteien, die sich die Marktwirtschaft auf die Fahne geschrieben haben, das fordern können. Der Schleswig-Holstein-Flughafen heißt Hamburg und alle anderen Regional-Flughäfen sollten nicht mit öffentlichen Geldern unterstützt werden.

PACK Ihre Partei setzt bei der UKSH-Sanierung wie FDP und CDU auch auf ein Modell aus öffentlicher und privater Partnerschaft. Da aber ein Investor auf Profit aus wäre, würde dies nicht bedeuten, dass langfristig gesehen höhere Kosten auf das Land zukommen? Ist ein solches Konzept sinnvoll?

Habeck Ich habe eine äußerst kritische Haltung zu ÖPP-Modellen, weil sie wie eine verdeckte Schuld im Landeshaushalt stehen. Insofern steht das Asset-Modell, nach dem das UKSH saniert werden soll, gegen die Reinheit der Lehre, aber es ist das Modell, was wir uns leisten können, um damit den medizinischen Betrieb als öffentliches Krankenhaus zu gewährleisten.

PACK Vielen Dank für das Gespräch.

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