Thorsten Biet

 

 

 

„Ich habe Rückgrat bewiesen, auch zu schweren Entscheidungen zu stehen.“ Im Sommer 2010 stand Jost de Jager zu einer der schwersten Entscheidungen.

StudentenPACK: Am Anfang möchte ich den Lesern Jost de Jager als Mensch näher bringen, insofern die Frage: Was hat Sie zur Politik gebracht?

Jost de Jager: Ich komme aus einer sehr politischen Familie, bei uns wurde immer viel diskutiert. Ich bin dann auf dem Gymnasium schnell Schülersprecher geworden. Es hat mich gereizt, Verantwortung für andere zu übernehmen und sich für eine Sache zu engagieren.

PACK: 1981, da müssten Sie, wenn ich mich nicht verrechnet habe, in der 9. Klasse gewesen sein, sind Sie der Jungen Union beigetreten. Hatten Sie damals schon vor, Politiker zu werden?

de Jager: Nein, ich habe da keinen strikten Plan verfolgt. Ich wollte mich engagieren, Politik war schon früh mein Hobby.

PACK: Der Anfang der 80er war ja eine Zeit, in der viele Jugendliche sich politisch ganz anders orientiert haben. Protest gegen Pershing-Stationierung, die Anti-Atom-Bewegung. War die Junge Union für Sie ein Protest gegen den Protest?

de Jager: Es war in der Tat eine sehr politische Zeit, das hat mich schon bewegt. Der Union habe ich mich zugehörig gefühlt, weil ich mich den christlichen Grundsätzen verbunden fühle.

PACK: Im Laufe ihrer Karriere sind Sie Schleswig-Holstein immer treu geblieben, erst im Kreisverband, dann im Landtag und zuletzt als Staatssekretär und als Minister. Hat es Sie nie nach Berlin gezogen?

de Jager: Nein. Ich gehöre nach Schleswig-Holstein. Ich fühle mich sehr wohl in der Landespolitik, da man viel dichter an den Themen dran ist. Man ist auch unmittelbarer mit den Auswirkungen seiner Politik konfrontiert. Ich liebe Schleswig-Holstein, hier ist meine Heimat. Ich möchte das Land gestalten und voranbringen.

PACK: Jetzt soll es also das Ministerpräsidentenamt werden und das ja eher aus Zufall. Warum sind Sie der Richtige für das Amt?

de Jager: Ich habe bereits bewiesen, dass ich Verantwortung übernehmen kann. Ich war Staatssekretär, jetzt Minister. Ich habe Rückgrat bewiesen, auch zu schweren Entscheidungen zu stehen. Ich bin ehrlich bei meinen Aussagen – ich beschönige nichts. In Zeiten wie diesen brauchen wir keine blumigen Wahlversprechen, jeder weiß, wie es um unser Land steht.

PACK: Sie haben in der Welt gesagt: “Wir brauchen einen Koalitionspartner, der zweistellig ist.” Das heißt also, die große Koalition ist das klare Ziel der CDU?

de Jager: Wir wollen stärkste Kraft bei der nächsten Landtagswahl werden. Das ist mein Ziel. Ohne die CDU soll eine Regierungsbildung nicht möglich sein. Nach der Wahl wird man sehen, welche Konstellationen möglich sind. Dann muss man Gespräche mit den möglichen Koalitionspartnern suchen und ausloten, mit welcher Partei es die größten Schnittmengen gibt.

PACK: Oder ist das bereits ein Angebot an die Grünen?

de Jager: Viele Themen sind in Bezug auf die Grünen einfacher geworden. So zum Beispiel die Energiepolitik. Hier erkennen die Grünen an, dass wir als Landesregierung in diesem Bereich viel geleistet haben. Und auch in der Finanzpolitik gibt es gewisse Übereinstimmungen. Es gibt jedoch auch zentrale Themen, bei denen wir noch weit auseinanderliegen. So lehnen die Grünen von uns geplante Verkehrsprojekte ab wie zum Beispiel den Ausbaus der A 20 und den Bau der Fehmarnbelt-Querung.

PACK: Ihr aktueller Koalitionspartner wird über solche Aussagen sicher nicht erfreut gewesen sein, oder?

de Jager: Wunschkoalitionspartner von uns bleibt immer noch die FDP. Derzeit befinden wir uns in unserer Wunschkoalition. Unsere Regierung hat gute Arbeit geleistet. Diese Arbeit würden wir gerne noch fortsetzen. Wir gehen jedoch nicht mit einer Koalitionsaussage in diesen Wahlkampf hinein, sondern werben für die eigene Stärke. Unser Wahlziel ist es, die mit Abstand stärkste Kraft zu werden.

PACK: Beim Lesen der Wahlprogramme von CDU und FDP fällt ein Thema auf, bei dem die beiden Parteien besonders weit auseinander liegen: die Vorratsdatenspeicherung. Wie könnte eine Einigung in einer zukünftigen Koalition aussehen, wenn es eine solche denn geben sollte?

de Jager: Sicherheit der Bürger und demokratische Freiheitsrechte stehen grundsätzlich nicht im Widerspruch. Zur effektiven Gefahrenabwehr ist es erforderlich, dass Polizei und der Verfassungsschutz personell wirksam ausgestattet sind und auch die notwendigen rechtlichen Instrumente zur Verfügung stehen.

PACK: Reden wir über andere Punkte im Wahlprogram: Wie keine andere Partei betont die CDU die Notwendigkeit zu sparen, dennoch ist sie die einzige Partei die bei allen großen Infrastrukturprojekten für die Weiterführung ist: Die verschiedenen Flughafenprojekte (wie zum Beispiel in Lübeck) die Autobahnen, die Fehmarn-Belt-Querung, die Elbquerung, Kohlekraftwerke, der Nord-Ostsee-Kanal. Wie passt das zusammen?

de Jager: Solide Finanzen sind elementar wichtig für die Zukunftsfähigkeit eines Landes. Aber Haushaltskonsolidierung ist ja nicht gleichbedeutend mit einem Ausgabenstopp. Es geht darum, unser Land zukunftsfähig aufzustellen. Dazu gehört eine gute und gesunde Infrastruktur als Basis für starkes wirtschaftliches Wachstum.

PACK: Für den größten Arbeitgeber in Schleswig-Holstein, das UKSH, setzt ihre Partei auf ein Modell, bei dem die Gebäude von privaten Investoren übernommen werden, während die Gesundheitsversorgung in öffentlicher Hand bleibt. Damit sich das für die privaten Investoren lohnt, muss es möglich sein, damit einen Gewinn zu machen. Das heißt doch, das Land zahlt langfristig mehr als es würde, wenn es die Gebäude selbst renovieren würde. Ist das wirklich sinnvoll?

de Jager: Das Sanierungsprogramm der UKSH mit Hilfe einer öffentlichen–privaten Partnerschaft ist sinnvoll, da nur so ein Weg gefunden ist, das UKSH sanieren zu können und weiterhin eine gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Während die Sanierungs- und Baukosten für die Einrichtungen der Krankenversorgung vom privaten Investor getragen werden, übernimmt das Land unter finanzieller Beteiligung des UKSH die Finanzierung der 160 Millionen Euro für Lehr- und Forschungseinrichtungen. Dieser Betrag soll in einem Zeitraum von 2014 bis 2021 zur Hälfte aus dem Landeshaushalt und zu jeweils 40 Millionen Euro aus dem Zuschuss für Forschung und Lehre sowie dem UKSH erbracht werden. Nach Jahrzehnten des Sanierungsstaus ist dies eine der größten Zukunftsinvestitionen im Bereich Wissenschaft und medizinischer Versorgung. Ebenfalls erinnere ich daran, dass die Schuldenbremse, die notwendig ist, es verhindert, die Gesamtsumme von einer halben Milliarde Euro über die Landeskasse zu schultern. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das UKSH mit seinen rund 10.000 Beschäftigten diese Herausforderung bewältige und sich im Sinne exzellenter Krankenversorgung und der Lehre und Forschung wirtschaftlich nachhaltig saniere.

PACK: “Nur mit der CDU behält die innere Sicherheit in Schleswig-Holstein die notwendige Priorität”, lese ich im Wahlprogramm (Anm. d. Red.: S. 113). Wie kann ich einen solchen Satz verstehen?

de Jager: Wir werden insbesondere die von Extremisten verübte und die organisierte Kriminalität in Schleswig-Holstein im Blick behalten und alles dafür tun, diese konsequent zu bekämpfen. Dafür müssen Polizei und Verfassungsschutz personell ausreichend ausgestattet sein und ihnen müssen ausreichende rechtliche Instrumente zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung und die Anti-Terror-Gesetze. Die Menschen in Schleswig-Holstein sollen frei und sicher leben. Daher ist jede Form von religiösem oder politischem Extremismus aufs Schärfste zu verurteilen und entschlossen zu bekämpfen.

PACK: Breite Einigkeit bei den Parteien in Schleswig-Holstein herrscht bezüglich eines Verbots der rechtsextremistischen NPD. Glauben Sie an ein erfolgreiches Verbotsverfahren in den nächsten Jahren?

de Jager: Grundsätzlich muss möglichst schnell ein Total-Verbot der NPD erfolgen. Zuvor muss jedoch ausreichend geprüft werden, ob die Voraussetzungen für ein NPD-Verbot vorliegen. Dazu gehört auch der eventuelle Abzug der V-Leute. Ein erneutes Scheitern eines Verbotsantrages darf es nicht geben.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

Noch keine Kommentare, sei der Erste!