LINKE SH

„Ich komme aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung.“

PACK: Die ersten Fragen dienen dazu, Sie als Person unserer Leserschaft vorzustellen. Sie sind gelernte Erzieherin und haben Ihren Beruf auch bis 2009 ausgeführt. Was hat Sie damals Anfang der Neunziger dazu bewegt, sich bei den Grünen politisch zu engagieren?

 

Jansen: Die Grünen waren für mich Anfang der neunziger Jahre die Partei, in der es ganz stark Basisdemokratie gegeben hat, sodass man sich auch mit seinen Themen, die man damals hatte, bei den Grünen gut einbringen konnte. Ich komme ja aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung, sie haben uns alle gesammelt und versucht, alternative Politik zu machen.

PACK: Von 1993 bis 2000 waren Sie in der Lübecker Bürgerschaft, zeitweise auch als Fraktionsvorsitzende für die Grünen im Amt, sind aber 2000 aus der Partei ausgetreten. Was führte Sie dazu?

Jansen: Ich bin ausgetreten aus der Partei, weil damals der Beschluss von der Bundespartei kam, sich am Afghanistankrieg zu beteiligen. Davor war bereits Kosovokrieg und damals hatte ich es mir noch mal überlegt. Ausgetreten bin ich, weil ich den Afghanistanbeschluss nicht akzeptieren konnte.

PACK: Anschließend waren Sie vorerst parteilos, standen aber der PDS politisch nahe. Warum haben Sie bis 2005 gewartet, um den Linken beizutreten?

Jansen: Ich bin der Überzeugung, dass man nicht aus einer Partei in die andere wechseln kann, dies sollte man sich reichlich überlegen. Die PDS war so nah, weil sie auch hinter meinen sozialen Fragen standen, ich betrieb ja auch bei den Grünen immer Sozialpolitik. Es gab ja dann auch die Vereinigung mit WSAG und für mich war dann auch sehr ausschlaggebend, dass Oskar Lafontaine bei den Linken mitgemacht hat.

PACK: Zur Bundestagswahl 2002 wurden Sie von der PDS als parteilose Direktkandidatin aufgestellt, planen Sie noch einmal einen Schritt in die Bundespolitik?

Jansen: Nein, ich will jetzt erst mal wieder in den Landtag kommen und ich denke auch, dass wir dies schaffen und dann wird man sich überlegen, wie es dann weiter geht. Ich plane aber nicht, in die Bundespolitik zu wechseln. Wir haben da auch gute Kandidaten, zwei Mitabgeordnete hier in Schleswig-Holstein, die auch auf Bundesebene ganz gute Politik machen.

PACK: Sie geben als persönliche Ziele die Jugendförderung und Gleichstellung aller an. Welcher Programmpunkt der Linken liegt Ihnen persönlich am meisten am Herzen?

Jansen: Natürlich die ganzen Programmpunkte der sozialen Gerechtigkeit und mein wesentlicher Programmpunkt ist, dass alle Kinder und Jugendlichen eine gute Ausbildung und Bildung haben. Des Weiteren, dass die Kinderarmut, die ja gerade in den kreisfreien Städten sehr hoch ist, dass diese abgeschafft wird.

PACK: Die FDP hat für die bevor stehende Wahl 9 Prozent als ihr Ziel erklärt. Hat Ihre Partei ebenfalls so ein festgestecktes Ziel?

Jansen: Wir wollen 6 Prozent plus. Wir hatten bei der letzten Landtagswahl 6 Prozent bekommen und wollen dies wieder erreichen. Aber natürlich wollen wir auch ein paar Prozentpunkte mehr haben.

PACK: Wie sehen Ihre Pläne aus, sollten Sie Ihre Ziele nicht erreichen oder schlimmstenfalls nicht in den Landtag einziehen?

Jansen: Also ich hoffe erst mal, dass wir in den Landtag einziehen, und bin auch zuversichtlich, dass wir dies erreichen, da wir jetzt auch in den vergangen zwei Monaten zugelegt haben. Und sollten wir nicht mehr in den Landtag einziehen, würde ich wieder in meinen Beruf zurückkehren und weiterhin hier Kommunalpolitik machen.

Anm. d. Red: Aufgrund eines technischen Problems ging ein Teil der Tonaufnahme des Interviews verloren. Die folgenden fünf Antworten wurden schriftlich nachgereicht.

PACK: In Ihrem Parteiprogramm sprechen Sie sich strikt gegen die bestehende Schuldenbremse aus und sagen, es sollte nicht gespart sondern mehr eingenommen werden. Da Steuerpolitik aber hauptsächlich auf Bundesebene gemachte wird, ist Ihr Handlungsspielraum begrenzt. Was sind also konkrete Vorschläge von Ihrer Seite?

Jansen: Das Problem ist, dass seit 2000 eine Steuersenkungspolitik stattgefunden hat, deshalb haben auch das Land und die Kommunen immer weniger Geld und haben auch diese Schulden. Diese haben sie gar nicht selbst verschuldet, sondern durch veränderte Steuersenkungspolitik auf Bundesebene ab 2000. Da man nur Politik für große Unternehmen und für Reiche gemacht hat, haben wir heute das strukturelle Defizit.

Natürlich muss sich die Landespolitik – und dies ist nicht nur unser Standpunkt – auf Bundesratsebene dafür einsetzten und werben, dass es eine andere Steuerpolitik gibt. Die Landesregierung kann sich dafür einsetzten, dass es die Vermögenssteuer auf Bundesebene gibt, denn Einnahmen der Vermögenssteuer kommen nur dem Lande zugute. Wir können die Schuld hier nicht nur abbauen und alle sozialen Projekte einstellen und an Bildung sparen, wir müssen uns schon vehement dafür einsetzten, dass es eine Erhöhung der Steuern gibt. Zum Beispiel das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, also gerade zur Entlastung der Hoteliers, dabei war Schleswig-Holstein das Zünglein an der Waage. Schleswig-Holstein hat für dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz gestimmt.

PACK: Des Weiteren tritt die Linke für einen Mindestlohn von 10 Euro ein, immerhin 1,50 Euro höher als der Vorschlag von SPD und Grünen. Glauben sie nicht, dass dies den Wirtschaftstandort Schleswig-Holstein nur unattraktiv und unrentabel macht?

Jansen: Wir sind der Meinung, dass sich Arbeit wieder lohnen muss. Es kann nicht sein, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, zum Amt gehen müssen um ihr Gehalt aufzustocken. Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern in Deutschland mit den meisten Menschen, die im Niedriglohn arbeiten müssen. Circa 24 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Schleswig-Holstein arbeiten im Niedriglohnbereich. Zu der größten Gruppe im Niedriglohnsektor in Schleswig-Holstein gehören mit 46 Prozent die Frauen. Diese große Verbreitung von Hungerlöhnen führt natürlich zu einer großen Familien- und Kinderarmut in Schleswig-Holstein. DIE LINKE fordert einen Mindestlohn von 10 Euro, da der vorgeschlagene Mindestlohn von 8,50 Euro in der heutigen Zeit nicht ausreicht. Ein Mindestlohn sollte nicht nur die reine Existenz sichern, sondern auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bewirken. Auch zum Aufbau einer Rente sind 8,50 Euro nicht akzeptabel.

PACK: Der größte Programmpunkt Ihrer Partei ist das Überwinden von Familien- und Kinderarmut, dazu wollen Sie gestrichene Gelder wieder freisetzen, wie zum Beispiel die Halbierung des Blindengeldes und weitere Förderprogramme im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich auf den Weg bringen. Auch hier stellt sich die Frage, wie das Finanzierungskonzept aussieht.

Jansen: Zunächst einmal muss erwähnt werden, wie die Faktenlage aussieht: Nach internationalen Kriterien leben 15,2 Prozent der schleswig-holsteinischen Bevölkerung in Armut, besonders betroffen sind Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Zudem ist jedes sechste Kind in unserem Land von Armut betroffen! Unser soziales Netz wird immer brüchiger, eine Vielzahl von Hilfen ist durch CDU und FDP gestrichen worden, aber auch von SPD und Grünen.

DIE LINKE ist der Meinung, dass Schleswig-Holstein eine Politik braucht, die es sich zum Ziel setzt, soziale Sicherheit für alle zu realisieren. Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keinen inneren Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die massenhafte soziale, kulturelle und politische Ausgrenzung von Menschen muss endlich beendet werden. DIE LINKE fordert also die Rücknahme der Kürzungen im sozialen Bereich. Sozialleistungen müssen sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.

DIE LINKE steht für eine Finanzpolitik, welche sozial gerecht gestaltet ist und in der die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir wollen mehr Geld für Bildung ausgeben, für die ökologische Erneuerung unserer Wirtschaft und Landwirtschaft, für den sanften Tourismus und für die Energiewende. Kostenlose Erziehung und Gesundheitsversorgung, eine auskömmliche Altersversorgung, der soziale Schutz von Hilflosen, eine vernünftig ausgebaute Infrastruktur für Alle sind unsere Ziele.

Zum einen werden bereits jetzt höhere Einnahmen für den Landeshaushalt 2012 erwartet, zum anderen brauchen wir eine Erhöhung der Einnahmen durch eine gerechte Steuerpolitik. Schleswig-Holstein braucht eine „Steuersenkungsbremse“ für die Reichen, für die großen Unternehmen, für die Hoteliers. Zum Umsteuern braucht das Land eine Millionärssteuer, einen höheren Spitzensteuersatz, eine sozial gerechte Erbschaftssteuer und die Rücknahme der Steuergeschenke für die großen Unternehmen. Unsere Schuldenbremse ist die Vermögenssteuer. Wir brauchen einen höheren Spitzensteuersatz, eine gerechtere Erbschaftssteuer und eine Unternehmensbesteuerung frei von Steuergeschenken.

PACK: Ihre Partei stellt sich als einzige konkret gegen ein Stiftungsmodell der Universität zu Lübeck, was schlagen Sie als Alternative vor, solange das Kooperationsverbot besteht?

Jansen: Mit den Plänen zur Stiftungsuni verabschieden wir uns von einem gebührenfreien Studium und von unabhängiger, wissenschaftlicher Forschung. Bisher ist diese frei von wirtschaftlichen Interessen – nun begibt sich die Uni auf den Weg in die Privatisierung von Bildung. Deshalb lehnen wir die Umwandlung der Universität Lübeck in eine Stiftungsuni grundsätzlich ab, denn wir treten für freie Bildung und Wissenschaft und für eine demokratische Hochschule ein. Wer sich von privaten Förderern abhängig macht, die zukünftig dazu beitragen sollen, dass das notwendige Geld für eine qualifizierte Forschung und Lehre zur Verfügung steht, begibt sich auf einen Irrweg. Und wenn der Spitzenkandidat der CDU, Herr de Jager, nun auch noch betont, dass die Landeszuschüsse an die Uni Lübeck gleichbleiben, dann heißt das nur, dass die schwarz-gelbe Regierung noch immer nicht begriffen hat, dass die Unterfinanzierung der Hochschulen den gesamten Wissenschaftsbetrieb gefährdet. Gute Bildung für alle statt Exzellenz für die Elite ist und bleibt unsere Forderung.

Falsche Eitelkeiten der Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker auf Landesebene dürfen nicht einer bundesweiten Angleichung im Bildungssystem im Wege stehen. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.  DIE LINKE setzt sich für eine bundesweite Angleichung durch einheitliche bildungspolitische Leitlinien ein. Diese sollten von einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Land und Kommunen ausgearbeitet werden.

Außerdem setzen wir uns für eine nachhaltige Bildungsfinanzierung ein, denn das Kooperationsverbot schränkt auch andere Bereiche schwer ein. Wir LINKE fordern eine Bildungsfinanzierung in der Breite, die niemanden ausgrenzt und jedem die bestmögliche Förderung ermöglicht, immer unter der Prämisse des lebenslangen Lernens. Ich möchte zum Abschluss auf eine Forderung der Hochschulrektorenkonferenz aufmerksam machen. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert, dass Aufgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung künftig als investive Aufgabe zu behandeln sind, nämlich als Zukunftsinvestition.

Und da ist auch das Land gefordert. Die beschlossenen Kürzungen im Bildungssystem, die alle anderen Parteien durchsetzen wollen, sind auch mit Kooperationsverbot nicht akzeptabel. Das Kooperationsverbot darf nicht zur Ausrede für diese katastrophalen Kürzungen herhalten. Wenn nicht bald mehr Geld ins Bildungssystem fließt, wird Schleswig-Holstein in der Zukunft verarmen. DIE LINKE will das nicht und kämpft gegen Kooperationsverbot und Schuldenbremse. Für ein ausfinanziertes sozial gerechtes Bildungssystem in Schleswig-Holstein!

PACK: Ihre Partei ist auch gegen das ÖPP-Model zur Sanierung des UKSH, aus eben den selben Gründen?

Jansen: Mit ÖPP Projekten fallen wir regelmäßig auf die Nase. Stichwort Betonstraße an der Grenze zur Dänemark, Stichwort Keitum-Therme, Stichwort Nrock. Und jetzt geht es weiter mit dem UKSH.

Wir teilen die Kritik des Landesrechnungshofes, denn niemand kann sagen, warum eine konventionelle Finanzierung angesichts der jetzigen Zinssituation schlechter sein sollte. Die Privaten werden Profite erwirtschaften wollen, sie können das Geld nicht so günstig am Kreditmarkt aufnehmen wie das Land. Im Ergebnis bleiben wir mit einer Jahresmiete von circa 30 bis 35 Millionen Euro hängen. Nach unsere Berechnungen ist das Universitätsklinikum nicht in der Lage, das komplett zurück zu bezahlen, und wir sehen die Gefahr, dass letztendlich die Klinik komplett privatisiert wird. Und ich denke mir, die Sanierung muss aus staatlichen Geldern erfolgen. Dies ist auch durchaus möglich.

Anm. d. Red: Ab hier wieder der Originalwortlaut des Telefoninterviews.

PACK: Im Rahmen der Umstrukturierung der Bundeswehr erklärt Ihre Partei, dass sie auf lange Sicht die Bundeswehr komplett abschaffen will. Wie gedenken sie, dass Deutschland weiterhin seinen Bündnispflichten nachkommen kann?

Jansen: Also darüber muss bei den Linken noch intern diskutiert werden. Ich denke mir, man wird eine Art Friedensarmee errichten müssen. Irgendwie müssen wir etwas haben, um unserer Friedenspflicht nachzukommen. Darüber sind wir uns selbst auch noch gar nicht so einig.

Meine persönliche Position ist, dass die Interessenkonflikte auf friedlichem Weg gelöst werden und es keine Einmischung in fremde Länder gibt. Die Länder müssen ihre Konflikte selber lösen und wir als diejenigen, welche letztendlich Friedenspolitik in anderen Ländern machen, müssen dann auch die Opposition, die demokratische Strukturen haben möchte, dabei unterstützen. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir eine Einheit brauchen, welche die Opposition in den Ländern vor Ort in Richtung Frieden und Demokratie unterstützt.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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