Lukas Ruge | StudentenPACK.

Ministerin Schavan spricht in der Marienkirche zur Eröffnung des Wissenschaftsjahres.

Es wird dunkel in der Marienkirche. Mit Musik und Tanz wird in der völlig überfüllten Kirche am 13. Januar das Jahr der Wissenschaft eröffnet. Polit-Prominenz – die Bildungsministerin Anette Schavan (CDU) ist aus Berlin angereist – Leitung von Uni, Musik- und Fachhochschule, der Bürgermeister und hunderte Lübecker sind zur Marienkirche gekommen, bis niemand mehr hinein gelassen werden konnte. Insgesamt, so die Veranstalter, 1700 Besucher. Nun stehen sie in den Gängen und lauschen der Musik während Mitglieder des Schüler-Tanzensembles der Musik- und Kunstschule auf der Bühne ein Ballett der Geometrie aufführen.

Mit diesem Ansturm hatten die Veranstalter offensichtlich nicht gerechnet, doch es ist ein gutes Zeichen. Lübecks Begeisterung für Wissenschaft, deren Demonstration im Sommer 2010 unter dem Banner „Lübeck kämpft für seine Uni“ bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte und die zu erheblichen Teilen der Grund dafür war, dass sich Lübeck nun Stadt der Wissenschaft nennen kann, ist geblieben. Jeder Redner – der Hausherr Pastor Schwarze, die Ministerin, der Bürgermeister – sie alle sprechen an diesem Abend vom beeindruckenden Kampf einer Stadt für ihre Universität. „Bürgerinnen und Bürger, die für die Wissenschaft auf die Straße gehen – das war das Signal, das von Lübeck ausgegangen ist.“, sagt Annette Schavan.

Ein weiteres Element des Abends ist ein Widerspruch: Das Jahr der Wissenschaft wird in einer Kirche zu eröffnet? „Lübeck feiert die Wissenschaft. In einer Kirche.“, stellt Pastor Schwarze fest, der sich des scheinbaren Bruches zwischen dem Religiösen und dem Faktischen wohl bewusst ist. Doch er sieht Vereinbarkeit, denn die Marienkirche war nie nur eine Kirche. Sie ist Symbol der lübschen Bürger, ihres Reichtums. Lübecks Reichtum des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist Wissenschaft und Lübecks Bürger sind in ihren Prunkbau gekommen, um ihren Reichtum zu feiern. Auch Schavan versucht die Brücke zwischen Religion und Wissenschaft zu schlagen, doch der konservativen Politikerin, die versucht, aus der christlichen Tradition selbst die modernen wissenschaftlichen Leitlinien herzuleiten, scheitert an diesem unmöglichen Kunststück. Achselzucken im Publikum.

BioMedTech-Campus wird eröffnet

Der Abend schließt mit der Gründung des Wissenschaftscampus. Universität, Fachhochschule, Fraunhofer-Zentren, EUROIMMUN und andere Institute der Region gründen den BioMedTec-Wissenschaftscampus. Ein sperriges Wort, aber ein wichtiger Schritt für den langfristigen Plan der Universität, bekannt unter dem Begriff Univision2020. Der Wissenschaftscampus soll zu einer verbesserten Kooperation zwischen den Gruppen und Institutionen führen, die Kompetenzen am Standort bündeln und einen Ansprechpartner im Bereich Medizintechnik schaffen, der weltweit Ansehen genießt.

Auf dem neuen BioMedTec-Campus zu studieren, fühlt sich allerdings überhaupt nicht anders an, als noch die Woche zuvor auf dem Campus der Uni Lübeck. Vorlesungen im Wissenschaftsjahr sind auch nicht anders als zuvor, die Sitze genauso hart und der Computerpool genauso voll. Der Wissenschaftscampus ist ein abstraktes Gebilde, eine Idee. Es wird wohl dauern, bis die konkreten Vorteile zu spüren sind.

Das Wissenschaftsjahr in Lübeck nimmt aber ganz konkret Form an. Täglich gibt es Veranstaltungen in der Stadt, die sich im weitesten Sinne mit Wissenschaft und Forschung beschäftigen. Wahr ist: Die meisten dieser Veranstaltungen hätten auch ohne den Titel „Jahr der Wissenschaft“ stattgefunden, wahr ist aber auch, dass die Veranstaltungen nun eine Öffentlichkeit erfahren, die ohne die Auszeichnung unmöglich gewesen wäre. Dies erleben auch die Veranstalter des FameLab.

Lukas Ruge | StudentenPACK.

Mit Regelungstechnik schafft es Christian Mallas vom Itzehoer Fraunhofer-Institut auf Platz 1.

2005 in England erfunden, ist FameLab ein Wettbewerb um die beste Verständlichkeit. Wissenschaftler haben drei Minuten auf der Bühne, um ihre Forschung ohne Präsentationsfolien zu präsentieren. Als Hilfsmittel dürfen sie dabei nutzen, was sie mit auf die Bühne nehmen können. 2011 gab es das FameLab zum ersten Mal in Deutschland, mit dem Vorentscheid für Schleswig-Holstein in Lübeck.

Für des zweite Jahr wollen nun vier junge Wissenschaftler ihre Arbeit präsentieren. Das Publikum lernt, wie das Noro-Virus funktioniert – anhand von Wäscheklammern – wie die Beamer der Zukunft funktionieren, wie Roboter eine Nadel direkt auf ihr Ziel richten, auf der Bühne fantasievoll durch einen Apfel in einer Tüte mit Wasser dargestellt, und wie Mathematik hilft, eine Operation sicherer zu machen. Wie bei der Eröffnung ist auch das FameLab mit mehr Zuschauern gesegnet, als die Veranstalter erwartet haben. Von überall werden Stühle geholt, damit der Saal im Multifunktionscenter im Hochschulstadtteil dem Ansturm gerecht wird. Schlussendlich gewinnt Christian Mallas mit dem Vortrag über die Beamer der Zukunft vom Itzehoer Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie ISIT.

Ein Pfad der kleinen Experimente

Auch Lübeck selbst verändert sich, um sich als Wissenschaftsstadt zu präsentieren. Die erste Veränderung ist der Pfad der Wissenschaft, der sich seit Mitte Januar durch die historische Altstadt zieht. Im Norden, am Burgtor, beginnt er mit der ersten Station. Neun weitere führen auf einer drei Kilometer langen Strecke bis zum Dom.

Die Stationen sind allerdings wenig beeindruckend und mit Wissenschaft hat der Pfad wenig zu tun. Ein Kaleidoskop, ein Fernglas, ein Abakus und ein Möbiusband. Der Pfad begeistert allerdings Kinder, die an den meisten Stationen hängen bleiben während die Eltern ungeduldig warten. Immerhin führt der Pfad den interessierten Touristen ohnehin an all die Orte, die dieser besucht hätte. So ist er eine Ergänzung zum Programm, das Lübeck seinen Gästen bietet, insbesondere Gästen mit Kindern. Ob der Pfad der Wissenschaft etwas Bleibendes ist, darf bezweifelt werden – oder kennt jemand den botanischen Pfad in Lübeck?

Der Januar in der Stadt der Wissenschaft hat Gäste mehr zu bieten: Insgesamt 80 Veranstaltungen in einem Monat zählt das Programm. Wanderungen, Besichtigungen, Vorträge. Hunderte werden in den nächsten Monaten folgen, viele sind schon jetzt auf der Website http://www.hanse-trifft-humboldt.de zu finden. Darunter der Wissenschaftssommer vom 2. bis 6. Juni, der Besuch des Segelschulschiffes „Alexander von Humboldt II“, die Mitte September in Travemünde anlegt, und der Tag der Wissenschaft im Oktober. Wenn die Begeisterung der Lübecker anhält, lohnt es sich, früh zu kommen, es konnte voll werden.

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