Warum eigentlich Bologna? Bologna ist eine italienische Stadt im Herzen des Landes, größer als Lübeck, geprägt durch römische Architektur und Kultur. Diese Stadt, als Hauptverkehrspunkt des Landes bezeichnet, wurde 1999 von 30 europäischen Bildungsministern herausgesucht, um über die Bildungszukunft von Europa zu diskutieren und gemeinsame Ziele zu finden. Am Ende der Konferenz wurde eine nicht bindende Erklärung unterschrieben, welche für das Erreichen eines einheitlichen Europäischen Hochschulraumes sorgen sollte. Vorwiegend sollte durch das gemeinsame Ziehen an einem Strang erreicht werden, dass das europäische Hochschulsystem konkurrenzfähiger würde. Durch Vereinheitlichung sollte die Anerkennung europäischer Abschlüsse zunehmen. Die Schlagwörter, dieses umzusetzen, kennen alle zu genüge: vergleichbare und leserliche Abschlüsse, Einführung einer Punktebewertung für Studenten, erreichte Lernziele und Steigerung der Mobilität, sei es für Studenten, als auch für Lehrende. Ein Studium sollte in zwei Abschlüsse aufgeteilt werden, in das Grundstudium und in das vertiefende Studium. Dabei sollte es möglich sein, nach dem Grundstudium in das Arbeitsleben einzusteigen. Die Punktebewertung sollte es vereinfachen, europaweit Fächer zu vergleichen und eine erfolgreiche Teilnahme überall anerkennen zu lassen. In der Erklärung steht kein festes Datum, nur, dass diese Umstrukturierung im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums umgesetzt werden sollte.

Was ist los in Deutschland?

Diese europaweite Vorgabe wurde in Deutschland dazu genutzt, das ganze Hochschulsystem zu erneuern und neu zu strukturieren. Die Ergebnisse finden wir überall um uns herum, der erste Abschluss wurde Bachelor, der zweite Master genannt, wobei je nachdem nach welcher Fachrichtung studiert wird „of Arts“, „of Science“ usw. angehängt wird. Auch in Deutschland gilt: Im Bachelor sollen Grundlagen gelegt und auf die jeweiligen Berufsfelder vorbereitet werden, im Master soll das Ganze anwendungsorientierter und tiefgreifender in den Stoff eingetaucht werden. Bevor Studiengänge in der Praxis umgesetzt werden dürfen, müssen sie akkreditiert oder reakkreditiert werden. Dann gibt es die 30 Leistungspunkte (ECTS), die pro Semester erworben werden sollen. Das entspricht 40 Stunden pro Woche, wobei Noten aus jedem Semester in die Abschlussnote mit einbezogen werden. Neben dem Medizin-, Jura- und Theologiestudium gibt es in Deutschland kaum noch einen anderen Studiengang, der nicht nach diesem System funktioniert.

Was wurde bis heute erreicht?

Alle zwei Jahre treffen sich die europäischen Minister und ziehen Bilanz über Fortschritte der letzten Jahre. Klar ist, die Umstrukturierung des europäischen Hochschulraumes ist noch nicht wie 1999 besprochen 2010 erfolgreich beendet worden, sondern von den Zielen noch entfernt. Zwar sind bereits 82 Prozent aller Studiengänge in Deutschland auf das Bachelor- und Mastersystem umgestellt, doch die Mobilität über die Grenzen einer Hochschule hinaus ist immer noch sehr schwierig. Genauso fehlt das Vertrauen in die nun erreichbaren Abschlüsse, so sind diese im internationalen Vergleich weniger anerkannt als die alten Diplomabschlüsse. Die Meinungen an den Hochschulen ist meistens gleich, viel muss noch getan werden. So kann man von der Ludwig-Maximilian-Universität München lesen: „Diese formale Umstellung bedarf vielfach aber noch der weiteren Implementation. Die Inhalte der einzelnen Studiengänge müssen weiter auf das neue System angepasst werden.“ Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg schreibt zur Reform: „Es täte dem Bologna-Prozess gut, seine Ziele klarer und deutlicher zu formulieren und zu konkretisieren, bis hin zu Kennzahlen, an denen er sich messen lassen will. Sind die Absolventen wirklich jünger?“ Damit spricht die Hochschule ein weiteres Thema an, denn die Bologna-Reform sollte das Studium verkürzen, Studenten schneller auf den Arbeitsmarkt bringen und Langzeitstudenten von den Hochschulen vertreiben. Weiter schreibt sie „Durch die Straffung der Diplom-Studiengänge auf Bachelor von 8 auf 6 Semester war eine weitere Verschulung die Folge.“ Auch dieses Thema sollte längst durch den Prozess vom Tisch sein, Studienordnungen und Pläne sprechen jedoch andere Zahlen, da muss man sich Wahlfreiheit der naturwissenschaftlichen und technischen Studiengänge der Universität zu Lübeck anschauen. Weitere Pro- und Kontra-Argumente wurden einem bereits im Zuge des Bildungsstreiks näher gebracht.

Was gibt es also wirklich Neues zu berichten?

Im Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. März 2011 findet man nichts Neues, denn es wurde zwar viel getan und noch weiter umstrukturiert, die Ziele sind jedoch immer noch die gleichen, nur in neue Worte verpackt. So liefert der Schluss des Berichtes: „Die Kultusministerkonferenz erwartet, dass die Hochschulen und ihre Mitglieder den Bologna-Prozess weiterhin engagiert vorantreiben, die Bedeutung der Lehre stärken, ihre Qualität und die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen entsprechend der Lissabon-Konvention nachhaltig verbessern. Sie wird auch weiterhin die Entwicklung des Bologna-Prozesses in den Hochschulen aktiv begleiten, unterstützen und auch die soziale Dimension dabei nicht aus den Augen verlieren.“

Und auf der zweiten nationalen Bologna-Konferenz?

Am 6. Mai 2011 fand in Berlin zum zweiten Mal eine Bologna-Konferenz statt. Im Vorfeld erklärte Kai Gehring, Sprecher für Hochschulpolitik: „Für Studierende und Lehrende ist eine weitere Schavan-Konferenz des Gesundbetens und Schönredens der Bologna-Reform unzumutbar. Wenn eine Nationale Konferenz mehr als eine Schavan-Show sein soll, hätte sie feste Verabredungen, klare Zwischenziele und Fahrpläne zur Bologna-Korrektur erbringen müssen…“

Der Blog der Jusos titelt am 11. Mai „Bildungsverantwortliche stellen sich taub – Bologna-Konferenz gescheitert.”Und erklärt weiter: „Am vergangenen Freitag lud Bildungsministerin Schavan“ (und Präsident der KMK, Bernd Althusmann) „zur zweiten nationalen Bologna-Konferenz nach Berlin, um mit Politik, Hochschulen und Studierenden über Probleme in der Umsetzung der Bologna-Reform zu diskutieren. Es ist keine Willkür, wenn bei der Aufzählung die Studierenden an letzter Stelle stehen, denn die Konferenz vermittelte den beteiligten Studierenden nicht den Eindruck, dass ihnen überhaupt zugehört wurde.“

In Berlin waren dennoch viele Studierendenverbände vertreten, wie eben die Juso-Hochschulgruppen, aber auch CampusGrün, fzs, DGB Jugend, Linke.SDS und LHG (siehe Infobox). Genau diese Studierendenverbände hatten zuvor in einem Schreiben für einen freien Zugang zum Masterstudium plädiert und wie zum Bildungsstreik zu bundesweiten Aktionen aufgerufen. Klar war dieses Thema auch Gegenstand der Konferenz. Der Jusos Blogeintrag dazu jedoch: „Trotzdem wurde nicht über Probleme diskutiert und Lösungsansätze blieben aus.“

Bereits im Vorfeld zur Konferenz wurde Kritik aus Studentenkreisen laut, denn die Studierendenverbände hatten kein Mitspracherecht bei der Organisation und konnten dadurch keinen Einfluss auf die Themenfindung, noch Diskussionsbereitschaft nehmen. „Wieder nur heiße Luft. Wieder keine Ergebnisse.“, ist auf dem Juso-Blog zu lesen. CampusGrün titelt seinen Artikel am 10. Mai 2011 zur Konferenz: „Nationale Bologna-Konferenz schönt den Zwang zu Mobilität und vergisst die wichtigen Studienplätze“ und schreibt bereits im ersten Abschnitt, wie enttäuschend sie die Nationale Bologna-Konferenz fanden. „Nach einjähriger Debatte wurden die wesentlichen, unter dem Druck der starken Bildungsproteste gemachten Versprechen von Ministerin Schavan und dem BMBF nicht umgesetzt.“ Eher wurde der Bericht über die Chancen von Bachelor-AbsolventInnen in der Arbeitswelt bejubelt.

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist nachzulesen, was Bundesbildungsministerin Annette Schavan zum Thema sagte: „Wie die aktuellen Studien zeigen: Die Abschlüsse Bachelor und Master kommen immer mehr im Alltag an. Bachelor-Absolventen haben auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen.“ Der Jusos Blogeintrag kontert, denn in den Studien würde nicht festgehalten, in welchem Arbeitsverhältnis sich die Absolventen befänden. „Prekäre Verhältnisse, befristete Stellen oder Praktika sind wirklich keine erstrebenswerten Ziele für Studierende. Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer noch 63% aller Bachelor-Studierenden einen Master anstreben.“ als Quelle gibt der Blog den 19. Sozialerhebungs-Sonderbericht „Studierende im Bachelor-Studium 2009“ des Deutsches Studentenwerks an. Weiter steht dagegen in der Pressemitteilung „Hochschulreform auf gutem Weg“ herausgegeben am 06. Mai 2011 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Die Sorge, dass es nicht genügend Masterstudienplätze gibt, sei unbegründet: ‚Die Zahlen, die die Länder auf der Konferenz vorgelegt haben, deuten vielmehr darauf hin, dass bundesweit kein Mangel an Masterplätzen besteht, wenn die Studierenden flexibel sind. Und was die Zukunft betrifft: Bund und Länder tragen mit dem Hochschulpakt schon jetzt dazu bei, dass die Zahl der Studienplätze insgesamt zunimmt‘, so Schavan.“ Hier entsteht eine Pattsituation, denn die Hochschulgruppen sind hier anderer Meinung. Sie geben an, dass vielen Interessierten an einem Masterstudium der Zugang verwehrt bliebe.

Der Jusos Blogeintrag zu der Konferenz: „Über Probleme beim Übergang vom Bachelor in den Master wurde nicht einmal diskutiert.“ CampusGrün liefert noch weitere Argumente, warum dieses Thema höchsten Stellenwert haben sollte, und legt damit das Schönreden des Ministeriums offen. „…der Kampf um Studienplätze wird vor dem Hintergrund doppelter Abiturjahrgänge und der ausgesetzten Wehrpflicht härter. Alle Prognosen zeigen, es wird in den nächsten Jahren an tausenden von Studienplätzen fehlen.“ Daher haben sie mit anderen Hochschulverbänden eine Aktion für den freien Masterzugang ins Leben gerufen (www.freier-masterzugang.org). Ein weiteres Mal der Satz von Bildungsministerin Schavan. Es hat den Anschein, dass „bundesweit kein Mangel an Masterplätzen besteht, wenn die Studierenden flexibel sind“. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, heißt es doch nichts anderes als, „Studierende müssen sehr oft ihren Studienplatz wechseln, nicht weil sie wollen, sondern weil es ihnen politisch so vorgegeben wird.“, formuliert es CampusGrün aus. Weiter: „Dass Studierende gegeneinander im Wettbewerb um einen Studienplatz ausgespielt werden, hat mit dem Gedanken von Bologna nichts zu tun!“
Das Fazit der Juso-Hochschulgruppe ist vernichtend: „Die Ergebnisse, oder eben die nicht existenten Ergebnisse der Bologna-Konferenz sind enttäuschend. Die Gelegenheit, unter großer medialer Aufmerksamkeit und in großer Runde ausführlich Probleme zu diskutieren und Lösungsansätze zu entwickeln, wurde nicht genutzt. Es ist an der Zeit, endlich sinnvolle Strategien und Aktionen zu entwickeln und auch umzusetzen. Die Bologna-Konferenz scheint dafür kein Ort zu sein. Sollten sich die Rahmenbedingungen nicht grundlegend ändern, werden die Juso-Hochschulgruppen nicht mehr daran teilnehmen. Denn die studentische Beteiligung an dieser Konferenz ist wirkungs- und sinnlos.“ CampusGrün schreibt ähnlich „Auf der Konferenz […] schob man sich lieber gegenseitig die Schuld zu, statt an den Problemen zu arbeiten und zusammen mit den jungen Menschen ein gerechteres Bildungssystem zu entwerfen.“

Aber entscheidet selber bei den Worten von Bundesministerin Schavan: „Die Entwicklung im Masterbereich werden wir allerdings in den kommenden Semestern weiter verfolgen. Wir müssen darauf achten, dass die neuen Studienplätze, die wir mit dem Hochschulpakt finanzieren, auch in ausreichendem Maße im Masterbereich entstehen.“ oder “Der Wechsel ins Ausland ist durch die Bologna-Reform einfacher geworden. Da muss es erst recht möglich sein, von einem Bundesland in ein anderes umzuziehen.” Auch KMK-Präsident Bernd Althusmann bekräftigte: “Es ist erfreulich, dass wir mit der diesjährigen Bologna-Konferenz den konstruktiv-kritischen, intensiven Dialog mit allen Beteiligten über Stärken und Schwächen bei der nationalen Umsetzung fortsetzen. Die Kultusministerkonferenz hat mit der Änderung der ländergemeinsamen Strukturvorgaben im Februar 2010 umfassend auf die Kritik an der Bologna-Umsetzung reagiert…“ Des Weiteren: „Von Engpässen im Masterbereich kann nicht gesprochen werden. Die Kultusministerkonferenz nimmt die Befürchtungen auch im Hinblick auf die doppelten Abiturjahrgänge und die steigende Zahl der Bachelorabsolventen ernst und wird die Entwicklung weiter verfolgen. Bei Bedarf müsste zu gegebener Zeit überlegt werden, den Ausbau der Masterstudienplätze in die Verhandlungen zum Hochschulpakt einzubeziehen“. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Margret Wintermantel ist ein bisschen konkreter: “Alle Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen sollen die Chance auf einen Studienplatz in einem Master-Programm bekommen. Hier ist die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Hochschulen ermöglichen, ausreichend Studienplätze anzubieten. Wir brauchen ein Angebot, welches sich an den Eignungen und Neigungen der Studierenden und den Entwicklungen am Arbeitsmarkt orientiert.“

Die Frage bleibt: „Ja, wann denn?“ Daher hofft CampusGrün „…,dass sich die Studierenden in den kommenden Semestern gegen diese hochschulpolitische Irrfahrt stellen werden. Es geht schließlich um Ihre Zukunft – berufliche Chancengerechtigkeit fängt mit der Bildung an!“

 

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