Einige Kaffeetrinker unter euch werden diese drei Wörter in den letzten Wochen vermutlich recht häufig gelesen haben. Die Pappbecher in der Cafeteria haben ein neues Design und machen mit diesem auf eine Initiative des Landes Schleswig-Holstein aufmerksam, denn unser Land ist auf der Suche nach neuen Landärzten. Doch warum? In Deutschland gibt es zurzeit etwa 150.000 niedergelassene Ärzte. Soweit kein Problem, möchte man meinen. Für 82 Millionen wird das schon ausreichen.

Der Weg zum Landarzt (Symbolbild. Foto: Inga Stolz, Bearbeitung Albert Piek)

Der Weg zum Landarzt (Symbolbild. Foto: Inga Stolz, Bearbeitung Albert Piek)

Was die nächsten Jahre betrifft, stimmt das vermutlich sogar. Auf lange Sicht haben wir in Deutschland jedoch ein gewaltiges Problem, denn ungefähr 50% der niedergelassenen Ärzte sind bereits über 55 Jahre alt und werden somit in absehbarer Zeit in Rente gehen. Und der Nachwuchs? Nun, fragt euch selbst: Stadt oder Land?

Förderung von Medizinstudenten

Seit etwa zwei Jahren ist auch der Regierung klar, dass sie gegen den zunehmenden Mangel an Landärzten etwas unternehmen muss. Mehr oder weniger ausgefeilte Projekte, die nicht nur von der Regierung, sondern teilweise auch von den betroffenen Gemeinden selbst stammen, zielen darauf ab, die Mediziner für die „Landarbeit“ zu begeistern. Doch wer dachte, dass man als Medizinstudent diesem Thema frühestens nach dem 2. Stattsexamen begegnet, der hat weit gefehlt. Zunehmend sind es die Studienanfänger, an die appelliert wird. Vor etwas mehr als einem Jahr hat unser Gesundheitsminister Philipp Rösler die Einführung der so genannten „Landarztquote“ ins Gespräch gebracht. Zusätzlich soll auch der NC für das Medizinstudium ganz abgeschafft oder wenigstens individuelle Auswahlgespräche mit den Bewerbern deutlich stärker bewertet werden. Seitdem diskutiert unsere Regierung fleißig, doch die Koalition unterstützt den Vorschlag einer „Landarztquote“ und somit könnte es schon bald dazu kommen, dass etwa 20-30% der Medizinstudienplätze für zukünftige Landärzte reserviert werden. Der Vertrag, den man zu Beginn seines Studiums allerdings unterzeichnen muss, erinnert doch sehr an eine Verpflichtung bei der Bundeswehr. Konkrete Angaben für die Zeitspanne der Verpflichtung findet man zurzeit nicht, doch die Formulierung „für mehrere Jahre“ lässt Zweifel aufkommen, ob man nach zwei, drei Jahren seinen Teil des Vertrages bereits erfüllt hat. Natürlich will man den Medizinstudenten auch die Möglichkeit bieten, sich von ihren Verträgen im Fall aller Fälle freizukaufen, doch die Betroffenen müssen unter diesen Bedingungen damit rechnen, eine beträchtliche Summe der Studienkosten zurückzuzahlen. Diese beläuft sich angeblich auf bis zu 250.000 Euro.

Doch während unsere Bundesregierung noch diskutiert, finden in einigen Bundesländern ganz ähnliche Konzepte bereits heute schon ihre Anwendung. In Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es spezielle Stipendienprogrammen, die auf genau so eine vertragliche Bindung zu Beginn des Medinzinstudiums abzielen. Aus ganz Deutschland wollen diese Bundesländer Medizinstudenten aus allen Fachrichtungen als potentielle Landärzte für ihre „unterversorgten Regionen“ rekrutieren. Doch verlassen sich diese Länder nicht alleine darauf, dass ein Studienplatz für Medizin selbst attraktiv genug ist, um sich für mindestens zwei Jahre als Landarzt zu verpflichten. Stattdessen locken sie mit einer Förderung während des Studiums. Diese beläuft sich auf 300 bis zu 700 Euro. Pro Monat! Dennoch lässt der Erfolg dieser Projekte zurzeit noch auf sich warten. In Sachsen-Anhalt konnten trotz der hohen monatlichen Förderungen während des Studiums gerade einmal sechs Verträge in den vier Monaten abgeschlossen werden, seit denen das Projekt gestartet wurde.

Ein attraktives Leben als Landarzt?

Aber sind solche Projekte, die Ärzte für einen begrenzten Zeitraum zwanghaft an die „Landarbeit“ binden wollen, die mit attraktiven Förderungsprojekten Medizinstudenten ködern wollen, auf lange Sicht wirklich ein sinnvoller Schritt gegen den drohenden Landarztmangel?

Daran zweifelt auch die KVSH, die Kassenärztliche-Vereinigung Schleswig-Holstein, die eine Bindung zu Beginn des Medizinstudiums für zu früh hält. Stattdessen unterstützen sie eine so genannte „Landeskinderquote“. Dabei geht es darum, dass gebürtige Schleswig-Holsteiner, die in Lübeck oder Kiel Medizin studieren, häufig aufgrund ihrer Verwurzelung hier im Norden, auch nach dem Studium, bleiben und nicht in Großstädte wie Hamburg ziehen. Diese „Landeskinderquote“ beabsichtigt deshalb etwa 15% der Medizinstudienplätze für die gebürtigen Nordlichter unter euch zu reservieren, in der Hoffnung, dass ihr unserem Bundesland später einmal als Landärzte erhalten bleibt.

Weiterhin hat die KVSH jedoch auch die Kampagne „Land in Sicht!“ ins Leben gerufen. Mit unterschiedlichen Aktionen soll diese euch für das Landarzt-Thema sensibilisieren. Über das ganze Jahr verteilt gibt es Workshops und Infomärkte in Lübeck und Kiel, die sich allerdings größtenteils an bereits ausgebildete Ärzte richten und über beispielsweise die Existenzgründung, Honorare und Abrechnungen informieren. Aber auch für angehende Ärzte hat die KVSH etwas zu bieten. Auf ihrer Homepage zeigen sich die Perspektiven als Landarzt zwischen Rapsfeldern und grünen Wiesen besonders idyllisch. Speziell die sozialen Aspekte werden hier hervorgehoben, denn neben viel Platz für die eigene Familie soll der Job als Landarzt auch eine besonders angesehene Stellung in der Gemeinde bieten. In den „Landarzt-Geschichten“ kann man die Erfolgsgeschichten einiger niedergelassener Ärzte nachlesen. Und wer zu diesem Zeitpunkt als Medizinstudent immer noch Zweifel haben sollte, was seine Zukunft betrifft, dem hilft bestimmt der „Typ-O-Med“. Dabei handelt es sich um einen Fragebogen, der einen letztendlich erneut davon überzeugen soll, dass es kaum etwas Schöneres gibt, als später einmal Landarzt zu werden. Vorausgesetzt, man schläft gerne bei offenem Fenster und würde auch gerne alle seine Nachbarn beim Namen kennen.

Allein mit schönen Bildern und Geschichten möchte jedoch auch die KVSH die Ärzte nicht in die ländlichen Regionen von Schleswig-Holstein locken. Für die Zeit der Famulatur lässt sich ein Taschengeld in Höhe von 400 Euro für zwei Monate beantragen. Weiterhin existiert ein Förderungsprojekt in Kooperation mit den Krankenkassen, das die Weiterbildung von Ärzten zu Allgemeinmedizinern in Arztpraxen fördert. Der Zuschuss beträgt pro Monat 3.500 Euro. Zusätzlich gibt es von der KVSH aber auch noch ein spezielles Projekt zur „strukturellen Weiterbildung“ von Praxen in ländlichen Gebieten. Doch neben dieser finanziellen Unterstützung bietet sich die KVSH auch konkret an, individuelle Beratungsgespräche mit interessierten Ärzten zu führen. Diese können auf Hilfe bei der Führung einer Arztpraxis hoffen, was die finanziellen Aspekte betrifft. Und für die Studenten wird es im Herbst 2011 bei uns an der Uni eine Woche lang eine „Uni-Sprechstunde“ geben, bei der jeder von euch seine Fragen und Bedenken zum Landarztleben loswerden kann.

Das Land ist noch kein Paradies

So hübsch und idyllisch man das Leben als Landarzt jedoch darstellt, so großzügig und verlockend die Förderungen während des Studiums auch erscheinen, es genügt nicht, um die eigentlichen, zweifelsohne existierenden Nachteile verschwinden zu lassen, die das Leben als Landarzt mit sich bringt. Besonders die Abrechnung stellt ein großes Problem dar. Es kommt nicht selten vor, dass das Quartalsbudget bereits nach der Hälfte der Zeit erschöpft ist. Bei der Überschreitung einer bestimmten Patientenzahl bekommen Ärzte alle weiteren Leistungen nur noch gestaffelt vergütet. Kurz gesagt also: Viel Arbeit, wenig Geld. Mit den vielen Patienten, die eine Landarztpraxis besuchen, gehen natürlich auch Überstunden einher. Die regulären Sprechzeiten können nur selten eingehalten werden. Kann die Arbeit als Arzt auf dem Land dann überhaupt noch so viel besser und entspannter sein als die in einem Krankenhaus? Denn auch der Bereitschaftsdienst ist auf dem Land weit verbreitet. Nicht selten ist eine Gemeinde auf einen einzigen Arzt angewiesen. Für den Notfall muss dieser dann zur Verfügung stehen. Und das auch mitten in der Nacht. Und wo bleibt dann die eigene Familie?

Wie also schafft man es, klare Anreize zu setzen, die den Beruf des Landarztes auch für junge Menschen langfristig attraktiv machen? Die Einführung der „Landarztquote“ beseitigt nicht das eigentliche Problem. In einem Interview für die Passauer Neue Presse macht SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach deutlich, dass seiner Meinung nach „auch neue Auswahlverfahren und Quoten nichts [nützen,] wenn der Facharzt in der Stadt mehr verdient als der Hausarzt auf dem Land“. Da neben der Opposition auch die KVen diese Meinung unterstützen, gibt es daher konkrete Pläne die Arbeitsbedingungen als Landarzt vom Grunde her zu verbessen.

Die Honorarregelung soll komplett umgestaltet werden. Normalerweise wird Ärzten ein von den Krankenkassen festgesetztes Budget zur Verfügung gestellt wird, entsprechend der Fachrichtung des Arztes, der Anzahl der Patienten und deren Alter. Wird dieses überschritten, muss der entsprechende Arzt im Rahmen einer Regress-Zahlung die überzogenen Kosten an die Krankenkassen zurückbezahlen. Von genau diesen Einbußen sollen Landärzte allerdings künftig ausgenommen werden. Doch während die Diskussionen in Berlin noch geführt werden, hat man in Schleswig-Holstein selber erste Schritte unternommen und bereits eine „Honorarvereinbarung“ unterzeichnet. Darin wurde das Gesamthonorar für dieses Jahr auf 1,1 Mrd. Euro angehoben, 44 Mio. mehr als im letzten Jahr. Weiterhin gibt es einen Strukturfond für die landärztliche Versorgung, der für die Jahre 2011 und 2012 bestehen soll. Krankenkassen und die Kassenärztliche-Vereinigung Schleswig-Holstein zahlen dort jährlich zu gleichen Teilen Geld ein. Pro Jahr enthält der Fond bis zu 2 Millionen Euro und wird von der KV an Landarztpraxen verteilt, um somit zur Qualitätssicherung beizutragen.

Beschlossen ist auch schon jetzt ein Gesetz, das im Januar 2012 in Kraft treten wird. Dieses zielt auf eine langfristige Umstrukturierung der Verteilung von Arztpraxen in Deutschland ab. Die Kassenärztlichen-Vereinigungen bekommen die Macht, Ärzte finanziell stark zu unterstützen, die ihre Praxen in medizinisch überversorgten Ballungsgebieten schließen. Weiterhin haben die KVen das Vorkaufsrecht auf Praxen in diesen Ballungsgebieten, die eigentlich zu einer Neubesetzung ausgeschrieben sind. Erfolgt der Verkauf an die verantwortliche KV, können diese die Praxis schließen. Junge Ärzte, die eine Praxis in der Stadt übernehmen wollten, sollen dadurch zu einer Niederlassung in einer ländlichen Region ermutigt werden, denn wie Marco Dethlefsen betont, „werden in den nächsten Jahren viele lukrative Praxen frei“. Es käme nur darauf an, die derzeitige Generation von Medizinstudenten von den Vorurteilen über das Leben als Landarzt zu befreien.
Letztlich versucht unsere Regierung die generelle medizinische Versorgung des Landes nicht nur durch eine Netto-Zunahme von Arztpraxen in den unterversorgten Gebieten zu verbessern, sondern auch die Vernetzung der ganzen Regionen zu fördern. Die Verteilung von Ärzten in den Landkreisen soll nicht länger starren Regelungen folgen, sondern flexibel gehandhabt werden. Dazu kommen noch so genannte „Ambulante Spezialisten“ zum Einsatz. Diese sollen, wie es der Name nahelegt, auf bestimmte seltene Erkrankungen spezialisiert sein und die Möglichkeit zur Verfügung stellen, ambulante Operationen durchzuführen. Letztlich wird dadurch angestrebt, dass die Krankenhäuser immer stärker mit den Facharztpraxen verschmelzen und es nicht länger eine klare Separierung gibt. Insgesamt sollen durch diese Maßnahmen auch die teilweise sehr langen Wegstrecken, die ein Landarzt bei Hausbesuchen zurücklegen muss, verringert werden. Um weiterhin die Landärzte auch von den ungeliebten Nachtschichten zu entlasten, hat die KVSH speziell für Schleswig-Holstein eine Umstellung des Bereitschaftsdienstes initiiert. Das Übernehmen von solchen Diensten soll auf freiwilliger Basis laufen. Insgesamt werden somit auf lange Sicht eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und mehr Familienfreundlichkeit im Beruf eines Landarztes angestrebt. Doch ob und welche Konzepte und Projekte in der Zukunft erfolgreich sein werden, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen.

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