Fast ein Jahr ist es her, dass die Haushaltsstrukturkommission die Sparpläne für Schleswig-Holstein vorgelegt hat. In dem Jahr ist viel passiert: Erst die Demos und der Kampf, dann wurde Lübeck zur Stadt der Wissenschaft 2012 erkoren. Mitte April fand der Jahresempfang der Uni statt, ein üblicherweise festlicher Anlass, mit trockenen Reden und trockenem Wein.

Dieses Mal war jedoch ein gewisses Spannungspotential in der Luft. Der ursprünglich angekündigte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der die Grußworte der Landesregierung überbringen sollte, musste zwar kurzfristig absagen, wurde jedoch von Jost de Jager, dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, vertreten. Und so verwunderte es wohl niemanden, dass nur die Hälfte des Auditoriums Anzug trug, die andere Hälfte war studentisch-traditionell gekleidet: in Gelb.

Den Auftakt machten die Salt Peanuts, die Bigband der Lübecker Hochschulen, mit „Big Spender“, was Präsident Prof. Peter Dominiak als Überleitung nutzte und damit seine Begrüßungsrede begann. Und so wurde recht bald klar, dass das Präsidium und das Ministerium sich wieder angenähert hatten. Im Folgenden das übliche Prozedere. Der Begrüßung der Ehrengäste und Anwesenden folgte ein Rückblick über das vergangene Jahr, über Höhen und Tiefen. Gelobt wurde das Geomar-Institut in Kiel, das die Einsparung des Geldes für die Rettung der Lübecker Uni erst ermöglichte. Gelobt wurden auch die Landesregierung und die Stadt für die gute Zusammenarbeit, insbesondere auch, was die Verleihung des Titels „Stadt der Wissenschaft“ angeht. Er betonte noch einmal das Engagement der Studenten, hob auch hervor, dass damit viele Erstsemester an die Uni geholt werden konnten, bedauerte jedoch gleichzeitig Einbußen auf Seiten der Wissenschaftler.

Der zweite Redner war der, auf den alle warteten. Der Weg de Jagers zum Rednerpult wurde von eisiger Stille begleitet. Die einzige Bewegung im Saal war die der Studenten, die einen stillen Protest vorbereitet hatten. Kurz zuckten die mitgereisten Zivilpolizisten, bereit, jeden Aufstand zu unterbinden. Doch dann ließen sie die Studenten gewähren. Wie Mahnmale standen vier Studenten mit zwei Bannern neben dem Politiker. Zu seiner Rechten: „Schlüsselqualifikation Beratungsresistenz, Ihre Landesregierung“. Zu seiner Linken war ein Diagramm, das Niveau aufgetragen gegen die Zeit und Griechenland zum Vergleich: Während Griechenland – das im vergangenen Jahr allzu oft als Referenz für die finanzielle Lage des Landes herhalten musste – auf einem konstanten Niveau blieb, fiel Schleswig-Holstein ab. Gleichzeitig begannen vier Studenten, Flyer in die Reihen des Auditoriums zu reichen, mit dem Aufdruck des alten Logos und einem Überdruck, sodass „Ich kämpfe für mehr Bildung“ zu lesen war.

Die Proteste, sie waren nicht nur, um das letzte Jahr anzumahnen; viel mehr sollten sie der Landesregierung zeigen: „Wir haben so lange ein Auge auf euch, bis ihr kapiert, was Bildung wert ist.“ Denn während Lübeck nun endgültig gerettet scheint, geht das Einsparprogramm in Flensburg erst so richtig los. Dort soll an den Wirtschaftswissenschaften gespart, die Fakultät geschlossen und Studienplätze abgebaut werden, während doch eigentlich Plätze für 1200 zusätzliche Studenten geschaffen werden sollten. Doch dafür will die Landesregierung offensichtlich nach wie vor kein Geld in die Hand nehmen und sieht in der Bildung immernoch Einsparpotential.

Minister de Jager verhaspelte sich kurz zu Beginn seiner Rede, doch dann fing er sich, ganz Politiker: Eine Ehre hier zu sein, die besten Wünsche der Regierung, tolle Zusammenarbeit, engagierte Stadt mit Durchhaltevermögen. Auch auf das studentische Engagement ging er ein, denn „das hat dazu geführt, dass Frau Krause heute eine Ehrennadel bekommt. Und das gönne ich Ihnen, Frau Krause.“ Für wie bare Münze man das nehmen mag… es bleibt fraglich.

Abwechslungsreicher war die Rede von Bernd Saxe, dem Bürgermeister. Er, der es bereits vor Beginn der Veranstaltung vermied, auf einem Foto mit de Jager abgelichtet zu sein, stieß nicht in das gleiche Horn wie seine Vorredner. Zwar zeigte auch er sich erfreut darüber, dass seine Stadt im kommenden Jahr der Wissenschaft gewidmet ist. Doch schien er einer der letzten Verbliebenen neben den Studenten, die sich an die Ereignisse des vergangenen Jahres erinnern konnten: „Es ist bereits das achte oder neunte Mal, dass ich hier sprechen darf. Aber es ist das erste Mal, dass ich hier spreche, ohne dass akute Not besteht“, begann er seine Rede. Er lobte die Studenten dafür, dass sie auch jetzt noch Position beziehen, und hofft, dass nun auch alle gemeinsam nach vorne blicken können.

Ein neuer Einschub durch die Bigband – „I let a Songo out of my heart“ – und die Veranstaltung konnte von den Grußworten zu den Ehrungen übergehen. Zunächst wurde Dr. Winfried Stöcker für den Aufbau der Firma Euroimmun und die enge Zusammenarbeit mit der Universität ausgezeichnet. Stöcker darf künftig den Titel „Honorarprofessor“ für das Fach Labormedizin tragen.

 

Linda Krause erhält für die Studentenproteste im letzten Sommer die Goldene Nadel der Universität zu Lübeck von Professor Peter Dominiak. Foto Lukas Ruge

Die zweite Ehrung ging an Linda Krause, die als AStA-Vorsitzende während „Lübeck kämpft“ die Auszeichnung mit der Ehrennadel der Universität stellvertretend für die gesamte Studierendenschaft entgegen nahm. „Vor Stuttgart 21 war Lübeck kämpft“, begann Dominiak die Laudatio und erntet dafür großen Applaus. Der Kampf der Studenten sei lautstark, bunt, phantasievoll und kreativ gewesen und keiner Diskussion aus dem Weg gegangen, lobte er das Engagement. Dann bat er Linda auf die Bühne und steckte ihr die Nadel an. Sie wiederum ließ sich die Chance nicht nehmen, auch ans Mikrophon zu treten. In einer kurzen aber flammenden Rede lobte auch sie die Studenten, ließ Erinnerungen an das letzte Jahr wieder wach werden und verwies noch einmal auf die Problematik, die sich jetzt in Flensburg stellt. Ihr kleiner Rückblick zu ihrem selbst häufig getätigten Satz „Aus Schwarz-Gelb kann auch was Gutes werden“ brachte sogar Dominiak zum Lachen. Dabei beendete Linda ihre Rede mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft: „Deswegen fordere ich Sie alle auf: Habt Ideen! Habt Ideen für unser Land! Habt Ideen für eine gute Zukunft!“

Ein Schlusswort, wie man es nicht besser hätte treffen können. Noch einmal bevölkerte die Bigband die Bühne, dann gab es die lang ersehnten Häppchen und das eine oder andere Gespräch von gelb Gekleideten und Anzugträgern.

 

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