Große Menschenversammlungen vermeide ich eigentlich gerne, zu viel läuft durcheinander, zu schnell gehen Freunde verloren, alles bunt, laut und hektisch. Aber Demonstrieren geht man ja nicht um unbedingt Spaß zu haben oder sich gegenseitig zu feiern, sondern um ein Statement zu setzen. Zeigen, dass man ein Problem mit derzeitigen Politikern oder mit den Menschen hat, die meinen das Sagen zu haben. Wenn man es satt hat ein artiger Bürger zu sein und seine Stimme gebrauchen möchte.

Gespannt trafen wir, die am 06.11 Präsenz in Sachen Atomkraft und vor allem Atommüll zeigen wollten, uns vor den drei Bussen, die von den Lübeckern Grünen organisiert wurden. Die Tickets konnte man sich in der Woche zuvor zum Beispiel im Eine Welt Laden in der Hüxstraße kaufen. Ermäßigt für Studenten gerade mal 10 Euro, inklusive Rückfaht. Es waren Alte und Junge. Eltern die bereits in den 80ern und 90ern gegen die gleiche Sache kämpften, fuhren nun alleine, mit ihren Kindern oder sogar Enkelkindern. Manche sahen sogar so aus, als wären sie in der Zeit stehen geblieben, Filzpullover, lange Haare und Hornbrille. Schnell fiel auf, es ging nicht nur um den Castor der in den nächsten Tagen im Wendland eintreffen sollte, sondern auch um die Grundeintellung gegenüber der Natur. Witzig fand ich in dem Zusammenhang jedoch die große Anzahl an Bäckerei Junge Bechern, die später bei der Ankunft achtlos in den Müll geworfen wurden. Hausaufgaben kann man ja nicht überall machen.

Die Fahrt ging los, zwar wurden wie bei jeder Busfahrt gleich Esssen und Süßigkeiten ausgepackt, aber richtig viel wurde nicht gerredet. Zu dem Thema Atomkraft und Lagermöglichkeiten ist ja auch schon vieles gesagt worden und diskutieren macht eigentlich ja auch mehr Spaß, wenn nicht alle der gleichen Meinung sind.

Mein Sitznachbar vor mir erzählte von seinen Erfahrungen aus der Schulzeit “Uns wurde immer mit Unterrichtausschluss und Verweiß gedroht, falls wir demonstrieren gingen…” Das hatte sich geändert, klar die Alten Lehrer wurden längst durch junge, oft selber Atomgegener- Aktivisten ausgetauscht. Ich musste an meinen Vater denken und seinen Abiturjahrgang, die den offizielen Abiturabschluss boykottierten, weil der Direktor sie, die Atomkraftgegner, mit den RAF- Terroristen in einen Topf warf und sie als hinterwäldlerisch beschimpfte. Ihr kennt sicherlich auch so welche Geschichten.

Es begann zu regnen, wie aus Eimer, wie man so schön sagt. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, denn Felder und nicht asphaltierte Wege warteten auf uns.

Dreisig Kilomter vor Dannenberg begann der Verkehr immer wieder zu stocken. Und dann vor Ort sahen wir sie, die Busschlange die seinesgleichen sucht. “Wenn Außerirdische das jetzt sehen würden”, ging es mir durch den Kopf, “die würden uns total für verrückt erklären.” Eine logistische Meisterleistung, die tatsälich auch gut organisiert war.

Leider befand sich jedoch unser Parkplatz ziemlich weit weg von dem Kundgebungsplatz, wir liefen über eine Stunde dort hin, durch Dannenberg durch und wieder hinaus. Die meisten Häuser waren gezeichnet vom Widerstand, kein Wunder wenn man sich ernstahft damit auseinandersätzt, was da unter einem lagert. Von anderen wurden wir aus den Häusern kritisch beäugt und teilweise sogar gefilmt, trauen tut man einer solch großen Menschenmasse wohl auch hier nicht. Andere, wie zum Beispiel der Klamottenladen in der Fußgängerstraße, machten wohl Ihren Jahresumsatz mit Glühwein und Kaffe, auch im Dönnerladen herrschte Hochkonjunktur. Viele wollten jedoch schnell ankommen. Allen wurde klar, wenn der Bus um halb sechs wieder abfahren wollte, dass man spätestens um vier beginnen musste zurück zu laufen und es war bereits halb zwei.

Gerade Eltern mit Kinder waren bei dieser Strecke etwas überfordert, auf dem Arm kann man ganz schön schwer werden. Bei einem kurzen Zwischenstopp bei dem Dennenberg Camp, wo man noch T-Shirts, Fahnen und Aufkleber kaufen oder sich mit anderen Aktivisten kurzschließen konnte, überwältigte einen der Anblick der vielen Demonstranten auf dem Demofeld. Es war bunt, laut und hektisch. Ich beruhigte mich, als mich meine Mutter bei dem Atomklo, Treffpunkt für alle Suchende und Gestrandeten, in die Arme schließte. Denn auch für mich war der Tag, wie für viele andere, eine Familienzusammenführung, denn kurze Zeit später stehe ich auch noch vor meinem Bruder, der sich hier mit anderen Schutten getroffen hatte.
Dann erschallte es “Merkel du Bist”, Bela B und Rocko Schamoni hatten es sich auf der Bühne zurecht gemacht. “Wir sind gegen Strom” gab Bela zum Besten. Der Auftritt dann selber wurde ziemlich schwach, aber ich glaube das Wort “Biest” ist mein neues Lieblingswort. Es folgten Redner und andere Musikakts, aber so richtig spannend war es nicht. Wir zogen uns zu den Ständen zurück, wo Kürbissuppe und Kaffee auf uns warteten. Irgendwie kippte auf einmal die Stimmung, zwar kaum merklich, aber doch so, dass man sich ersteinmal umschaute, auffallend viele schwarzgekleidete Menschen fanden sich zusammen. Polizei war sofort zur Stelle und stellte sich auf Position. Es wurde sich gegenseitig angestarrt und gefilmt. Die Polizei wurde langsam eingekeselt. Es erschallte auf einemal rhytmische Musik, die Samba Gruppe stellte sich zwischen den “schwarzen Block” und der Einsatzgruppe und rettete die Situation. Nicht schlecht, wie sich fremde und so unterschiedliche Menschen, in Ihrer Musik bzw. Trommelkünsten zu einem Herztakt zusammen finden.

Leider war für uns dann auch die Zeit gekommen wieder zum Bus zu marschieren, Abschied von der Familie und los ging es. Als Stimmungsaufeheller auf dem Weg dienten uns die sauren Trops von nimm zwei. Es war ja wirklich auch ein langer Weg. Ich bin mir sicher am Morgen werden es alle gepürt haben. Eine Sache fiel mir dabei noch auf, es waren auffallend viele dünne und sportliche Menschen unter der Menge. Ob das auch etwas mit der Grundeinstellung der Menschen, die hier waren, zu tun hat. Bewusstsein nicht nur gegenüber der Umwelt, sondern auch dem eigenen Körper?
Ein Sonnenuntergang belohnte uns, das Wetter hatte gehalten. Im Dunkeln suchten schließlich alle nach ihren Bussen, bei der Masse nicht so einfach. Zum Glück hatten wir uns unseren Ausstiegsplatz gemerkt. Müde ließen wir uns in die Sitze fallen. Uns war dann auch egal, wann der Bus losfuhr oder wie lange er aus dem Kreis um Dannenberg hinaus brauchte. Hauptsache Sitzen. Irgendwie ereilte alle ersteinmal ein Komma und vielen fielen die Augen zu. Doch so richtige Ruhe fand ich nicht, der Sitz zu eng. Ich will Ruhe und Freiheit um mich herum, wie geasgt ich mag große Menschenversammlungen nicht. So fühle ich mich ziemlich bescheiden. Wie nach dem Film “Age of stupid” der im Audimax im vergangen Semester gezigt wurde, diese Ohnmacht gegenüber der Zukunft.

Zu Hause angekommen bedankten wir uns bei den Organisatoren. Als ich endlich im Bett lag, wurde ich die im Bus über mich einbgebrochene Angst einfach nicht los und deswegen entschied ich mich zur Petrivision zu gehen, um dort Ruhe zu finden und die Schatten abzuwerfen. Das Thema war “Fest” und ich rate jedem am ersten Samstag im Monat mal zur Petrikirche auf elf Uhr nachts zu gehen, es lohnt sich.

Generation Endlager. Soweit man meint ein Endlager definieren zu können, sind wir das wohl und Millionen von Generationen nach uns auch, wenn sich nichts ändert. Merkel du Biest!

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