Es ist doch schön! Hier in Deutschland hat man in puncto Energieversorgung die freie Wahl. Also natürlich nur, wenn man Funktionär einer der vier großen Energiekonzerne ist. Man kann sich förmlich aussuchen, auf welche Weise man die Regierung, die Opposition und die Bevölkerung hinters Licht führen möchte. Gefördert wird in erster Linie das, was den größten Profit abwirft.

So ist es nicht verwunderlich, dass man hier in Deutschland die Atomkraftwerke so lange am Netz lassen will, bis der letzte Atomkern gespalten worden ist.

Aber nicht mit mir. Denn ich habe ja INTERNET und so werde ich es den miesen Energiekonzernen heimzahlen.

Gesagt, getan! Ich will mir im Internet meinen persönlichen Blumenstrauß an Ökostrom zusammenstellen und endlich mit gutem Gewissen ins Bett gehen, ruhig schlafen und von sauberer Energie träumen.

Ich muss euch sagen, es ist sogar noch einfacher als ich dachte. Binnen zwei Minuten bin ich auf der richtigen Website, kann mir den frischen Duft des Ökostroms um die Nase wehen lassen und obendrein noch 65,52 Euro im Jahr sparen! Ich will gerade die Formalitäten erledigen, als es an der Tür klopft.

Na, wer wird das wohl sein. Ich öffne die Tür und Benedikt kommt mir entgegen! Aber ich bin gut drauf, ein neuer Lebensabschnitt liegt vor mir. Ich gegen die Großkonzerne, das muss gefeiert werden.

Ich erzähle Benedikt meinen meisterlichen Plan, doch seine Miene bleibt versteinert. Ich bin etwas ratlos, denn Umweltschutz ist immerhin Heimatliebe!

Benedikt kann dieser Einstellung überhaupt nichts abgewinnen. Er unterbreitet mir seine etwas verwirrende Theorie, die er im Internet
gelesen und die sein Leben verändert hat. Den Anbieter zu wechseln würde nichts bringen, da die sich nur gegenseitig die Kunden zuschieben. Wenn ich Ökostrom will, dann bekäme jemand anderes eben ohne es zu wissen mehr Atomstrom!

Es müsse doch bedacht werden, dass die Atomkraftwerke noch gute 32 Jahre am Netz bleiben.

Dagegen könne man seiner Meinung nach ohnehin nichts mehr ändern. Der Strom sei somit schon da. Der müsse weg! Das einzige was uns bliebe, wäre diesen Strom so schnell wie möglich aufzubrauchen. Deshalb habe er zu einem Anbieter gewechselt, der ausschließlich Atomstrom anbietet. Obendrein habe er sich den alten Kühlschrank seiner Eltern in die Küche gestellt, und sich einen 32-jahres-Vorrat an 100 Watt Glühbirnen zugelegt, die Tag und Nacht laufen. Er würde die Atomlobby mit ihren eigenen Waffen schlagen. Erst wenn wir die fossilen Rohstoffe aufgebraucht haben, wird der Weg frei sein für die alternativen Energieformen. Das sei Heimatliebe! Und das lasse er sich eine ganze Stange Geld kosten.

Er will mir noch vorrechnen, wie viele Menschen es braucht um die Atomindustrie auf diese Weise in den nächsten zehn Jahren in die Knie zu zwingen, doch das ist mir zu viel.

Ich bin deprimiert, schicke ihn nach Hause und sitze vor meinem Laptop. Unfassbar wie weit es schon gekommen ist. Selbst Benedikt ist den Lobbyisten auf den Leim gegangen. Ich fühle mich plötzlich so leer und mein Kampf erscheint mir sinnlos.

Ich schalte den Laptop aus, ziehe Fernseher und DVD-Player aus der Steckdose, gehe raus auf die Straße, kremple mir den Kragen hoch und kaufe mir einen „ATOMKRAFT-NEIN DANKE!“-Sticker!

Irgendwo muss man ja anfangen!

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