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„Wir sagen Ja zum Klimawandel.“

Extra-3 vom 13. Dezember 2009: Moderator Tobias Schlegel macht es sich mit den Slogans „Freunde des Klimawandels“ und „Wir sagen Ja zum Klimawandel“ auf dem Marktplatz von Lübeck bequem und interviewt Weihnachtsmarktbummler über ihre Meinungen zum Klimawandel.

Die Antworten: „Gegen 5 °C mehr habe ich nichts, ist doch nicht schlecht, dann kann man abends noch spazieren gehen, es ist gut für die Gesundheit und das Wasser würde wärmer.“ Auch wird für Schlegels Aufrufe „Schwimmflügel für Kinder auf den Malediven“ und „Strandkörbe für Afrikaner in Gebieten der Wüstenbildung“ fleißig gespendet.

Ich fand diese Antworten erst einmal lustig, doch beim Recherchieren wurde mir immer bewusster, dass es Einige gibt, die tatsächlich und ernsthaft so denken, die sich für dieses Thema nicht interessieren. Und dass es Öl- und Kohlekonzerne gibt, die offensichtlich aus ihrer eigenen Interessenlage heraus den Klimawandel herunterspielen oder sogar ganz in Frage stellen.

Dass im System des Weltwetters etwas faul ist, können aber selbst die hartnäckigsten „Klimaleugner“ nicht mehr schönreden, zu offensichtlich sind die Häufungen und Ausmaße von Wetterkatastrophen in den letzten Jahren geworden.

Aber die Interpretationen des „Warum?“ ebenso wie das Spektrum des „Was können wir dagegen tun?“ sind weit gefasst. Es gibt viele Meinungen darüber, wie direkt wir eigentlich betroffen sind und wie akut die momentane Entwicklung des Weltklimas überhaupt ist.

Wir an unserer naturwissenschaftlich geprägten Universität haben zwar Informationsvorteile, wissen um dem Treibhauseffekt durch Freisetzung von Methan und Kohlendioxid, lernen, wie zum Beispiel der Temperaturhaushalt von Tieren durch das Wetter beeinflusst wird und haben dazu noch eine Naturgewalt, die Ostsee, direkt vor der Haustür. Doch wissen wir tatsächlich auch besser Bescheid, interessiert es uns mehr als andere? Es geht um unsere Zukunft und wir haben eigentlich das Wissen um die Zusammenhänge, doch im Prinzip tun wir nichts, überlassen das Feld anderen. Die Atomlobby feiert ihre Kohlenstoffdioxid-freien Kernkraftwerke, wohl verschweigend, welchen jahrhundertelang strahlenden Müll sie produziert, für den es keine geeigneten Lagerplätze gibt. Auch der Abbau des Urans ist alles andere als umweltfreundlich und die Ressourcen sind begrenzt. Andere setzen auf die Verwirrtaktik und behaupten, die Natur selbst und nicht der Mensch bewirke die Klimaveränderung. Wieder andere sagen, die Temperatur auf der Welt falle seit 2002, die Eiskappen an den Polen schmelzen, nein, sie schmelzen nicht, in naher Zukunft werden wir alle in Naturkatastrophen untergehen, bald ist eine neue Eiszeit zu erwarten.

Bei diesem Informationschaos und mehr oder weniger gezielten Fehlinformationen war es meiner Meinung nach irrsinnig, zu erwarten, dass eine internationale Klimakonferenz, wie die in Kopenhagen, Erfolg haben könnte. Jeder findet die Argumente, Forschungsergebnisse und Experten für die Meinung und Zielsetzung, die für das eigene Land gewinnbringend erscheint.

Die größten Klimaskeptiker sind wohl im Heartland Institute in Chicago zu finden. Sie leugnen den Treibhauseffekt und kritisieren stattdessen die „Panikmache“ und beschworene Klimakrise. Sie sagen, die Hysterie führe zu einer schlechten Wissenschaft, die Modelle entwickle, die nicht der Realität entsprächen; das Wetter sei stabil und die Klimaschwankungen im Vergleich mit der Weltklimageschichte natürlich und nicht auffällig. Dem Institut gegenüber steht das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Hier arbeiten Wissenschaftler an so genannten Sachstandsberichten über den neuesten Wissensstand zum Thema Klimaänderung und dem Umgang damit. Diese Berichte werden wiederum von Experten aus der ganzen Welt bewertet und kontrolliert. In dem letzten Bericht dieses Instituts wird festgestellt: „Der größte Teil des Anstiegs der mittleren globalen Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts geht sehr wahrscheinlich (das bedeutet, die Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Aussage liegt oberhalb von 90 Prozent) auf die Zunahme der vom Menschen verursachten Treibhausgase in der Atmosphäre zurück.“ (IPCC 2007, S.10).

Und dann gibt es noch die, die den Klimawandel anerkennen und begrüßen.

Ein Beispiel dafür ist Russland. Hier werden die Stimmen, vor allem auch in der Regierung, lauter, die die Erwärmung dazu nutzen wollen, in Zukunft große Teile Russlands in ein landwirtschaftlich nutzbares Land zu verwandeln. Russland müsse nicht in Panik verfallen, weil die globale Erwärmung für sie keine solche Katastrophe sei wie für andere Länder. Gegenstimmen aus Regionen wie etwa in Sibirien, wo der Permafrostboden taut, oder dem Kaukasus, wo mit langen Hitzeperioden gerechnet werden muss, werden bei dieser Argumentation aber ausgeblendet. Russland hofft in diesem Zusammenhang auf ein Milliardengeschäft im Emissionshandel, um mit dem hier einzunehmenden Geld die Infrastruktur ausbauen zu können.

Ihr seht, es wird sehr viel geredet, verfasst, nieder geschrieben. Ich könnte euch mit seitenlangen Aufzählungen weiterer unterschiedlicher Meinungen und Ansichten langweilen. Aber gerade das wäre das schlechteste, denn wird ein Thema breitgetreten, hat kaum noch jemand Interesse, sich damit zu beschäftigen, selbst wenn es dabei um etwas so wichtiges, wie unsere Erde geht.

Man sollte, man muss aufschreien, wenn im Mittelpunkt unserer Gedanken nur die Wirtschaft steht und nicht auf die Ökologie geachtet wird. Wenn nur der eigene Horizont wahrgenommen wird, ganz nach dem Motto: Was interessiert es mich, wenn künftig in Afrika Kriege um Wasser und Nahrung geführt werden. Wenn irgendwelche Inseln mit Namen, die man sowieso nicht aussprechen kann, untergehen. Und die Tiere sollen sich nicht so anstellen, das ist ja natürliche Auslese; die Eisbären sind ja auch dumm, wenn sie es sich auf Eisschollen bequem machen, die abtreiben, da haben sie es auch nicht besser verdient als zu ertrinken.

In Wirklichkeit spielen wir mit dem Feuer, das Klima-System ist sehr komplex, sehr sensibel. Schnellkorrekturen gibt es nicht. Es ist kein Spiel, was einfach neu begonnen werden kann, wenn wir, auch die Weihnachtsmarktbummler und wir kleine Studierendenschaft aus Lübeck, versagen.

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