An:
Das Präsidium der Medizinischen Hochschule Lübeck
Ratzeburger Alle 160
2400 Lübeck 1

Betr.: Satzung der Studentenschaft
Bezug: Ihr schreiben vom 21.12.77

Sehr geehrter Herr Präsident Klinke!

Das Studentenpralament der MHL hat mit Beschluß vom 12.01.1978 einstimmig Widerspruch gegen den Erlaß einer Zwangssatzung vom 21.12.77 erhoben.

Die Auseinandersetzung zwischen der zuständigen Aufsichtsbehörde und der Studentenschaft gehen, wie Sie wissen, bis ins Jahr 1974 zurück. Seitdem wurde die von der Studentenschaft zur Genehmigung vorliegende Satzung wiederholt als nicht genehmigungsfähig abgelehnt.

Die entscheidenden Punkte waren und bleiben:

  • das allgemeinpolitische Mandat der Studentenschaft
  • Urabstimmung und Vollversammlung als oberste demokratische Organe der Studentenschaft
  • Finanzkontrolle durch Haushaltsausschuß des Studentenparlaments

Das Studentenparlament stellt dazu unmißverständlich klar, daß es trotz Oktroy einer Zwangssatzung an diesen Kernpunkten der studentischen Satzung weiterhin festhält.

Seit dem Beginn der Auseinandersetzung wird von Seiten der Aufsichtsbehörde immer wieder behauptet (so auch im Schreiben des Präsidiums vom 22.05.76), die Aufgabe der oben genannten Positionen sei “im Interesse der Studentenschaft”. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, daß sich de eindeutige Haltung des Studentenparlaments der MHL über 4 Wahlperioden hinweg in dieser Angelegenheit nicht geändert hat. Dies dürfte Sie nicht erstaunen, nachdem die Studentenschaft der MHL im Januar 1976 in einer Urabstimmung bei 70% Beteiligung mit 90% für diese Satzung gestimmt hat.

Erlauben Sie uns deshalb die Frage, wo Sie den Erlaß einer Zwangssatzung “im Interesse der Studentenschaft” sehen? Die Studentenschaft der MHL weist diese Anmaßung mit Entschiedenheit zurück! Eine umfassende materielle und politische Interessenvertretung der Studenten bleibt für uns

  • angesichts der sozialen Lage der Studenten
  • angesichts der sich ständig verschlechternden Ausbildungssituation
  • und angesichts der fortschreitenden Einschränkung ihrer politischen und demokratischen Rechte

unversichtbar! Das Studentenparlament wird deshalb auch keinerlei Abstriche an dem im Programm des demokratisch gewählten AStA festgelegten Aufgaben hinnehmen.

Die Urabstimmung als Einrichtung zur Stellungnahme einer möglichst großen Zahl von Studenten zu wesentlichen Fragen ihrer Interessenvertretung (z.B. Streik) wird im Kommentar des Kultusministers vom 25.11.1974 als “undemokratisch” bezeichnet. Die Studentenschaft der MHL teilt dieses eigenartige Demokratieverständnis nicht. Vielmehr beweist die Tatsache, daß sich im November 1977 trotz eines Verbots 77% der Studenten an einer Urabstimmung zum Streik beteiligten den Stellenwert und die demokratische Funktionsfähigkeit des höchsten Beschlußorgans der Studentenschaft. Die Reduzierung der demokratischen Willensbildung auf das Studentenparlament wird von der Studentenschaft als drastische Einschränkung ihrer demokratischen Grundrechte entschieden abgelehnt.

Eine zusätzliche Finanzkontrolle durch einen Rechnungsprüfungsausschuß läßt sich nur als ein Versuch weiterer Reglementierung verstehen. Bei unklarer Definition von Begriffen wie “Hochschulpolitik” oder “Politisches Mandat” wird die Finanzkontrolle erfahrungsgemäß als Hebel zur Einflußnahme auf die Inhalte der studentischen Interessenvertretung benutzt. Die Prüfung des Haushalts durch einen Ausschuß des Studentenparlaments hat sich im Laufe mehrerer Jahre als völlig ausreichende Sicherung erwiesen.

Die Studentenschaft der MHL wird aus den angeführten Gründen an den eingangs dargestellten grundsätzlichen Standpunkten weiterhin festhalten.

Eine Satzung im Interesse der Studentenschaft liegt Ihnen seit dem Januar 1976 vor.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Stierl
AStA-Vorsitzender

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