Zwei Kommilitonen haben mich gebeten, der ersten Nummer der Lübecker Studentenzeitung “provisorium” ein Geleitwort mitzugeben. Ich tue das für ein so symbolträchtig benanntes Publikationsorgan aus verschiedenen Gründen gern.

Es sollen nämlich nicht nur Hörsaal-, Mensa- und Wohnungsprobleme, sondern auch die literarischen und sonstigen Neigungen unserer Studenten hier den ihnen gebührenden Platz erhalten. Diese Neigungen haben selbst heute noch, wie ich glaube, neben den alles übertönenden politischen und Studienreformdiskussionen ein Lebensrecht, wenn sie auch, gerade so wie wissenschaftliche Arbeit und metaphysische Besinnung, der Stille bedürfen, um wachsen und reifen zu können. Lärm als Dauerzustand läuft sich bald tot und wird bloß langweilig; “Diskussion” ohne Ende, zum Lebensprinzip erhoben, führt leicht zu schablonisierter Phrase und purem Geschwätz, während sachkundige und gerechte Kritik der hier von uns betriebenen Sache sehr förderlich sein kann – sogar Vorlesungskritik.

Die Studenten- und Assistenvertreter , die an unseren Fakultätsberatungen teilnehmen, werden ein Bild davon erhalten haben, daß dem Lübecker Lehrkörper ein starr-autoritäres Regieren meilenfern liegt, schon deshalb, weil es bisweilen außerordentlich schwierig sein kann die Wünsche der Lehre, Forschung und Krankenversorgung sowohl untereinander wie mit den Möglichkeiten, Ansprüchen und Restriktionen der Administration zur Deckung zu bringen.

Darum begrüße ich es besonders, daß im “provisorium” auch Mitgliedern des Lehrkörpers Raum gegeben werden soll, über den gegenwärtigen Kenntnisstand in ihren Fächern, über Arbeitsvorhaben, Probleme und Sorgen in ihrem Fachgebiet sich zu äußern.

Möge wenigstens dieses “provisorium” ein gelungenes Definitivum im Provisorium sein.

Prof. Dr. H Remé, Dekan

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