Es gibt Theater und Theaterereignisse, ein Ereignis war es, die Wiener Theaterfamilie Wessely-Hörbiger in Eugene O’Neill’s “Fast ein Poet” au erleben; ein Abend subtiler Menschendarstellung, mehr als nur ein Hauch von Poesie, ein mitreißendes Stück. Ein heruntergekommener Major, Attila Hörbiger, der in der Phantasiewelt seines längst verblichenen Ruhmes lebt, Verse von Byron deklamiert, trinkt, sich trotz starker Verschuldung den Luxus eines Reitpferdes leistet, während seine sich aufopfernde Frau, Paula Wessely, deren einziger Stolz in ihrer grenzenlosen Liebe zu ihrem Mann besteht, und seine stolze, ehrgeizige Tochter, Elisabeth Orth, in seiner schmutzigen Schankstube seine stumpfen Trinkkumpanen bedienen müssen. Jedes Jahr feiert er den Jahrestag von Talavera, den Tag seines einstigen Triumphes, bis etwas Ünvorhergesehenes eintritt: eine Dame verirrt sich in seinen Gasthof, um ihren Kranken Sohn zu besuchen, der von der Tochter des Majors gepflegt und geliebt wird. Sie ist eine merkwürdige, etwas versponnene Erscheinung und repräsentiert die “andere Welt”, sie ist reich, schön und einflußreich. In einem atemberaubenden Monolog erschließt sie dem Zuschauer den verwilderten Garten ihrer unsteten Seele. Sie ist die Schlüsselfigur des Abends, aber die Darstellung durch Ursula Schult muß in argen Konflikt geraten mit der Absicht O’Neill’s, hier sind wesentliche Akzente falsch gesetzt, hier wird deklamiert, nicht einmal mit Bravour, sondern maniriert, das Publikum wird g’e langweilt. Ein bedauerlicher Regie-( Peter Loos) und Besetzungsfehler.- Am Schluß erschießt der Major seine geliebte Stute, das Symbol seiner glänzenden Tage, sein eigenes Trugbild. Portan steht er selbst hinter dem Schanktisch, um zu sein, was er ist. Ein Vergleich mit Pirandello drängt sich auf, nur erscheint das Stück O’Neills hautnaher, realistischer.- Das Publikum begrüßte Paula Wessely mit Auftrittsapplaus, sie ist die Frau des Majors, sie lebt sie in jedem Wort, gibt der Gestalt ihren Atem, Der Zuschauer erlebt die Identifikation ganz seltener Vollkommenheit des Interpreten mit der vom Dichter vorgezeichneten Gestalt, ohne je der Gefahr der Sentimentalität zu erliegen, lebendige Inkarnation, wie den Seiten des Buches entstiegen. Bin großer Abend, und dankbar erzwang das Publikum den eisernen Vorhang.

Tosca

Theater, handfestes Theater, erlebte, wer sich in Erinnerung an Puccini’s Melodienpracht erwartungsvoll in die hiesige Aufführung der “Floria Tosca” begab. Mit bewundernswerter Spielfreude stürzten sich die Sänger in eine reiht verstaubte Inszenierung (Werner Jacob), die im zweiten Akt ihren zweifelhaften Höhepunkt erreicht: tapfer verteidigt eine jugendliche Tosca ihre Tugend gegen den wütenden Tyrannen Scarpia. Nach einer wilden Verfolgung um das prachtvolle Bühnenmobiliar herum findet die Jagd auf dem obligaten Ledersofa ihre Portsetzung, während Cavaradossi die Oualen der blutigen Folterei erleidet. Aber das Versteck des flüchtigen Freundes bleibt sein Geheimnis, Vergeblich, denn, um die Oualen des Geliebten zu lindern, verrät Tosca es. Das wurde auch Zeit, denn geschunden schleppt sich blutüberströmt (ein Eonderlob für den. großzügigen Maskenbildner) Cavaradossi auf die Szene und bringt geiade noch die Kraft für sein markerschütterndes “Viktoria, Viktoria” auf. Um den nunmehr überführten Verräter zu retten, geht Tosca schweren Herzens zum Schein auf das Begehren Scarpias ein, und nach-
dem dieser ihr freies Geleit verbrieft hat, sticht sie den Euch losen nieder, nicht ohne zuvor mit tränenerstickter Stimme beteuert zu haben: “Nur der Schönheit weihte ich mein Leben…” Sie versäumt es auch nicht, dem Entseelten einen Lüster ans Haupt zu stellen und entflieht, den Geliebten zu befreien… Bei dieser reißerischen Inszenierung
kommt die musikalische Seite der Aufführung zu kurz. Die Stabführung von GMD Bernhard Klee ist nicht dynamisch genug, um den herrlichen Themen Puccini’s gerecht zu werden, das Orchester ist zu schwach, das Glockengeläut am Anfnfang des dritten Aktes zu dominierend. Die Sängerin der Tosca kämpft sich beherzt durch die schwierige Partie, ihr schöner Sopran ist nicht stark, nicht dramatisch genug. Vladislav Malczewski hingegen überzeugt durch disziplinierten Gesang und ausgewogenes Spiel.

Wer also etwas erleben will, kommt in der Aufführung der Tosca als Zuschchauer voll auf seine Kosten. Beglückt dankten die Sanger-Akteure für den langanhaltenden Beifall.

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