Strecknitz – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 31 Oct 2016 12:46:31 +0000 de-DE hourly 1 Geschichten, die die Uni schreibt https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:17:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212608 Berufsverbote und Ordnungsverfahren gegen Medizinstudenten, Morddrohungen wegen des Einsatzes für einen Gedenkstein, unglaubliche Solidarität zwischen Studierenden, die leidigen Baustellen, die wilden Partys und riesige Demos. Wenn die Universität dieser Tage auf 50 Jahre zurückblickt, gibt es viele Geschichten zu erzählen. So viele Geschichten, dass wir in der StudentenPACK-Ausgabe einige wenige Momentaufnahmen machen mussten, um das Thema überhaupt bewältigen zu können.

Weil auf diesem Blog die Artikel nicht wie im Heft gebunden daherkommen, möchten wir euch in diesem Text einen kurzen Überblick verschaffen. Alle unsere Texte zum 50. Jubiläum der Universität (darunter einige exklusiv auf der Website und nicht im Heft) sind in diesem Text verlinkt.

Demonstration in den Siebzigern

Demonstration in den Siebzigern.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="1011"]

Wie viele besondere Geschichten es in diesen 50 Jahren zu erleben gab, lässt vielleicht der Artikel „Dat erzähl ich meine Enkel!“ erahnen, in welchem wir einige der Anekdoten, die uns in den zahlreichen Interviews, die wir zu dieser Ausgabe geführt haben, zusammenfassen. In diesem wie in allen anderen Texten sind die Interviews in voller Länge verlinkt, wenn die Namen der Gesprächspartner wie Eckart de Bary, Johannes Hoffmann oder auch Dr. Reinhard Eggers, der sowohl in Lübeck studierte als auch bis heute hier lehrt, auftauchen.

1942

Die Jahre 1964 bis 2014, in denen die Uni Lübeck unter verschiedenen Namen existierte, schweben nicht in einem Vakuum, sondern haben sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Zukunft. Für eine vernünftige Würdigung ist es nötig, beide zu betrachten. Großes Glück hatte unser Autor Johannes Zanken, als er bei seiner Famulatur Jutta Nunn kennenlernte. Die 87-Jährige war 1942 Patientin in der Heilanstalt Strecksitz (heute der Campus der Uni Lübeck) und erlebte, wie Patienten von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Ihre Geschichte und die Geschichte der mühsamen Aufarbeitung der Campus-Geschichte durch Studenten wie Peter Delius in den 80er Jahren erzählt der Artikel Vergangen und Vergessen?

1964

Die Universität wird 1964 als „Medizinische Akademie“ gegründet und gehört erstmal zur Uni Kiel. Aus gesammelten Artikeln der Lübecker Nachrichten und der ersten Studierendenzeitung, dem „provisorium“ erfahren wir, was es hieß in den 60ern Die Anfänge der Uni Lübeck mit zu gestalten.

1977

Die Jahre, in denen die heutige Uni gegründet wurde und wuchs waren politische Jahre und so waren auch die Themen, mit denen sich die Studenten beschäftigten oft politisch. 1977 streikten Studenten gegen die Einführung des Praktischen Jahres und der damalige AStA-Vorsitzende Sebastian Stierl wurde von der Hochschulleitung mit einem Ordnungsverfahren belegt. Von Solidarität und sich wehrenden Studenten erzählen unser Artikel und das Interview mit Sebastian Stierl.

1981

Nicht nur an der Uni Lübeck ging man in den 70er- und 80er-Jahren nicht zimperlich mit Andersdenkenden um – Berufsverbote für Mitglieder linker politischer Gruppen waren ein heißes Thema in der ganzen BRD und auch in der Lübecker Studierendenzeitung „Der Springende Punkt“. Wer sich vor der Einstellung „Sind sie ein Verfassungsfeind?“ fragen lassen muss, fühlt sich vielleicht wenig willkommen. Dr. Reinhard Fröschlin, heute Oberarzt, berichtet von seinen damaligen Erlebnissen.

1989

Manches ist in 50 Jahren studentischer Pressearbeit in Lübeck einfach verloren gegangen. In den letzten Monaten haben wir versucht, ein möglichst vollständiges Archiv der Studentenzeitungen auf dieser Website zu erstellen. Längst nicht alle Zeitungen sind erhalten (Über Hinweise, wo wir weitere Ausgaben finden könnten wären wir sehr dankbar). Doch die über 100 Studierendenzeitungen, welche wir nun ins Archiv stellen konnten, haben nicht nur die Themenfindung für diese Ausgabe geprägt – sie haben uns auch die eine oder andere Detektivaufgabe aufgegeben. Da waren die Fotos von Ute Pastor, die sie 1998 an die damalige Studentenzeitung „Bauchpresse“ verliehen hatte, oder die zwei Teile einer dreiteiligen Geschichte.

1993

Die Uni Lübeck ändert sich mit der Gründung des Informatikstudiums im Jahre 1993 grundlegend. Zum ersten Mal in fast 30 Jahren studieren nicht nur Mediziner auf dem Campus. Die Anzahl der MINT-Studiengänge (obwohl dies ein viel neuerer Begriff ist) stieg Von Null auf Eins. Dabei waren damals der Professor Volker Linnemann und der Student Helge Illig. Sie haben uns erzählt, wie der neue Studiengang sein thematisches und räumliches Zuhause gefunden hat.

Nachdem die Informatik gegründet war ging alles relativ schnell: Es folgte die Computational Life Science, die MLS und dann bald MIW und bis heute werden links und rechts Studiengänge gegründet. Wo soll das noch hinführen? Die Mathematik hat eine Antwort, ob es die richtige Antwort ist, wird die Zukunft zeigen.

2010

Der nächste Einschnitt in die Geschichte der Uni Lübeck ist das Jahr 2010. Der schwarz-gelbe Protestsommer ist ein inzwischen fast mystisch verklärtes Ereignis, dass einem Neuankömmling seltsam und rätselhaft erscheinen mag. Annika Steinmeier ist gerade als Studentin in Lübeck angekommen und hat sich die Frage gestellt: Warum kämpfte Lübeck für seine Uni?

2015

Diese Ausgabe beendet ihren Rundgang durch die 50 Jahre Uni Lübeck mit einem Blick in die Zukunft. Ab Januar 2015 ist die Uni Lübeck eine Stiftungsuni. Und dann? Was können wir erwarten und was sollten wir nicht erwarten?

Wir hoffen, diese Ausgabe ist für euch ein unterhaltsamer Rundgang durch die Geschichte der Universität zu Lübeck. Wenn ihr möchtet, steht euch das Online-Archiv aller Ausgaben der Studierendenzeitungen auf dieser Website zur Verfügung um einen tieferen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wenn ihr über eure Fundstücke in diesem Archiv berichten möchtet, freuen wir uns natürlich auch in zukünftigen Ausgaben über die Vergangenheit unserer Universität zu berichten. Schreibt uns doch einfach eine Mail.

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Vergangen und Vergessen? https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/vergangen-und-vergessen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/vergangen-und-vergessen/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:35:36 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212484 Während meiner Famulatur in einem Paderborner Krankenhaus lerne ich die Patientin Jutta Nunn kennen. Sie ist eine sympathische, offene Dame, die das Gespräch sucht und gerne erzählt. Als ein solches Gespräch während einer Blutentnahme auf meinen Studienort fällt, nennt sie Lübeck ihre zweite Heimat. Ein paar Sätze später weiß ich, dass die 87-jährige im Frühjahr 1942 Patientin in Strecknitz, also in den Gebäuden, die im Osten des Campus liegen und heute unter anderem von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie genutzt werden, war.

Die Gebäude der Heilanstalt Strecknitz werden heute u.a. von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie genutzt.Lukas Ruge

Die Gebäude der Heilanstalt Strecknitz werden heute u.a. von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie genutzt.

Strecknitz war ein Jahr zuvor als Nervenheilanstalt von den Nationalsozialisten aufgelöst worden, die Patienten wurden im Zuge der Euthanasie-Programme in „Durchgangsanstalten“ ermordet. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde dies nicht zuletzt durch das Engagement von Peter Delius, MHL-Student in den Achtzigern und heute Psychiater in Lübeck, der auch seine Dissertation über die Heilanstalt verfasste. Er wertete die Patientenakten der Deportierten aus und brachte die Schicksale der Insassen ans Tageslicht. Wie er daran kam, erzählt Delius im Interview: „Professor Dilling, der Leiter der psychiatrischen Klinik, hat uns damals Akten über die Patienten in Strecknitz zur Verfügung gestellt. Besser gesagt: Er hat uns den Schlüssel zu einem Raum gegeben und gesagt, dort könnte was zu finden sein, oben im Turm. Da haben wir dann gesucht, die Akten gefunden und schließlich publiziert.“ Dies wurde jedoch nicht von allen wohlwollend aufgenommen. „Da ging’s dann richtig hoch her! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig das war, damals über die Geschichte der Universität oder damals der Medizinischen Hochschule zu sprechen, weil das als Nestbeschmutzung galt. Die Akteure – das waren außer mir noch zwei, drei andere – wurden nicht nur zeitweise aus den Gremien ausgeschlossen, sondern richtig bedroht – sogar mit Mord. Das war ein Hochschullehrer, der uns damals bedroht hat, kein kleines Licht. Über die Heilanstalt Strecknitz zu sprechen wurde damals nicht als historische Aufarbeitung empfunden, sondern als Makel auf dieser jungen Hochschule angesehen. Es wurde vielmehr die Gefahr gesehen, dass diese naturwissenschaftliche Hochschule kontaminiert werden könnte mit der Ermordung beziehungsweise Deportation von psychisch Kranken.“

An einem freien Nachmittag treffe ich mich mit Frau Nunn zu einem längeren Gespräch. Sie erzählt: „1942 bekam ich Scharlach, das war von April bis Mai. Da kam ich erst für drei Tage ins Krankenhaus Süd bis ich dann nach Strecknitz verlegt wurde. Damals war ich noch sehr jung, vierzehn genauer gesagt, und bin furchtbar traurig gewesen. […] Allmählich habe ich mich dann beruhigt. Wir hatten ein wunderschönes, helles Zimmer. Eine Arbeitsmaid, in der Hitlerzeit war das ja noch der Arbeitsdienst, war da auch noch mit mir im Zimmer und zusätzlich war da noch eine Kinderpflegerin. Ganz plötzlich dann mussten wir aus diesem herrlichen, lichtdurchfluteten Zimmer raus und mussten den Gang runter in so ein kleines Dreibettzimmer, in dem es immer ganz dunkel war. Wir waren darüber sehr wütend, das war nämlich, weil unter den Finanzschülern in Mölln Scharlach ausgebrochen war und die dann haufenweise ankamen. Als wir die zum ersten Mal gesehen haben, dachten wir nur: ‘Ihr seid doch Idioten! Wie seht ihr denn aus?’ Achtzehn- und neunzehnjährige große Jungs mit ganz kurzen Cordhosen und dann noch diese braune Uniform mit dem Hakenkreuz am Arm. Also für uns sahen die aus wie Clowns. Aber einige von denen waren ziemlich krank und als wir dann schon wieder etwas aufstehen durften, haben wir den Krankenschwestern mitgeholfen, dass wir denen mal Wasser brachten und so weiter. Gegenüber befand sich die Tuberkulose-Station. Ab und zu haben wir gesehen, wie sie die Leichen in Wannen hinausgeschleppt haben. Das war für uns junge Menschen schon ziemlich beängstigend.

Ich hatte zwei Ärztinnen – Ärzte gab es ja nicht – es war schließlich Krieg, man kann sich ja vorstellen, wo die waren. Der einen Ärztin konnte man kein Lächeln abringen, die hat einem immer nur auf den Bauch geguckt und die Mandeln abgetastet, von der waren wir nicht so begeistert. Die andere war eine recht hübsche dunkelhaarige, die sich auch schon mehr mit uns abgegeben und sich immer, wenn wir traurig waren zu uns ans Bett gesetzt hat. Besonders bei einer Patientin – die war siebzehn Jahre alt und von oben bis unten in Watte gepackt, weil sie durch den Scharlach ganz schlimmes Rheuma bekommen hatte. Der konnte man den Puls nur am Ohr fühlen. Mit der hat sie sich viel Zeit gelassen, sie hatte ja auch sehr starke Schmerzen. Also von der Ärztin waren wir alle begeistert, die andere war nicht so beeindruckend, eben weil sie so ernst und stur war. Vielleicht war die schon an der Front gewesen, man weiß das ja nicht. Die Oberschwester war aber auch in Ordnung und die anderen Krankenschwestern haben sich sehr viel Zeit für uns genommen.“

Jutta Nunn beobachtet einen Abtransport

Nach der Auflösung der Heilanstalt brechen viele Chroniken ab. Infolge eines verheerenden Bombenangriffs auf Lübeck im März 1942 nahm die Stadt die Gebäude zur Unterbringung der Verletzten in Anspruch. Aber auch weiterhin wurden in Strecknitz psychiatrische und behinderte Patienten, die vom Nazi-Regime als „Ballast“ verurteilt worden waren, eingesperrt. Ihnen erging es wie den 605 Patienten, die ein Jahr zuvor deportiert worden waren. Jutta Nunn beobachtete damals einen solchen Abtransport: „Als wir dann öfter und länger aufstehen durften, sind wir bei schönem Wetter manchmal auf einen kleinen Balkon am Ende von Haus 1 gegangen. In Haus 2 waren damals auch die geistig Behinderten. Wir konnten die – meistens waren es Frauen – da hinter Gittertüren sehen, wie sie uns durch diese Türen anguckten. Das war beeindruckend für uns, denn dass diese Leute hinter Gittern waren, das fanden wir nicht gut. Schließlich wussten wir, dass nicht alle geistig Behinderten gleich sind. […] Jedenfalls kamen eines Tages ganz viele Krankenwagen vorgefahren und brachten diese Leute raus. Einige wurden von den Krankenschwestern – die müssen das ja gewusst haben, wo die hingebracht wurden – an der Hand geführt, andere waren an einer Trage festgebunden. Die kamen alle weg. Wir haben dann eine Krankenschwester gefragt, wo die denn hinkämen und die meinte nur: ‘Wir brauchen hier den Block. Die kommen alle nach Eckernförde.’ Wir wussten ja nicht, was da vor sich geht. Wir wussten zwar, dass es Konzentrationslager gab, aber uns wurde immer erzählt, dass da Leute hinkämen, die arbeitsscheu waren, deshalb wurde das ja auch nur Arbeitslager genannt. In Wirklichkeit war das ja alles ganz anders.“

Die Inschrift des 1983 aufgestellten Gedenksteines erinnert an die deportierten Patienten.Lukas Ruge

Die Inschrift des 1983 aufgestellten Gedenksteines erinnert an die deportierten Patienten.

Wenig später wurde Jutta Nunn entlassen. Ein paar Jahre später kehrt sie aber wieder nach Strecknitz zurück. „Über die Jahre habe ich dann auch nicht mehr erfahren, bis ich dann in meiner Ausbildung zur Kinderkrankenpflegerin auf die gynäkologische Station, das war ganz unten so ein querstehender Block, damals war da noch ein Professor Kirchhoff drin, kam. Das war Ende 1946 und 1947. Uns wurde da beigebracht, wie man für die Frühchen so eine Extra-Kost zubereitete. Dafür waren wir in einer Teeküche und da war auch eine ältere Krankenschwester, mit der ich mich über die Klinik unterhalten habe. Und als ich ihr dann erzählte, dass ich 1942 sechs Wochen lang mit Scharlach hier gelegen hatte und hatte ihr auch das mit dem Abtransport der Behinderten erzählt. Da sagte dann diese Schwester mit einem ganz komischen Lächeln auf dem Gesicht: ‘Eckernförde? Die haben wir alle in die Gaskammern gebracht!’ Das war für mich so schrecklich! […] Ich habe mir dann immer wieder diese Gestalten vorgestellt, die hinter diesen Gittern zu uns rüber guckten, und dann ist mir das erst bewusst geworden: Die haben diese Leute vergast. Das war so entsetzlich für mich, dass mich heute noch, wenn ich an diese Menschen denke, so ein Schaudern überkommt. Wir haben ja auch nie empfunden, dass die verrückt sind. Für uns waren das nur arme, kranke Menschen. Und seitdem ich das erfahren hatte, denke ich immer daran, dass diese Menschen ja auch Eltern hatten. Was hat man denen erzählt, als man ihre Kinder weggebracht hat? Und das waren ja Unmengen, die da waren. Als das später in den ganzen Verhandlungen gegen die Nazis rauskam, da hat man dann ja erfahren, dass, wenn jemand im Konzentrationslager in Anführungszeichen ‘verstarb’, man den Angehörigen gesagt hat, er wäre an Herzversagen gestorben. Aber das war dann ja ganz anders gewesen.“

Ein Mahnmal wird aufgestellt

Seit 1983 erinnert ein Gedenkstein vor Haus 6 an die Deportation im Jahre 1941. Die Errichtung war ein gemeinsames Projekt von Studenten und Professoren, das jedoch auf einigen Widerstand stieß. Peter Delius erzählt davon: „Das war wirklich nicht einfach. Da haben sich dann aber einige Hochschullehrer auch wirklich drum verdient gemacht. Die Studenten alleine hätten das damals nicht durchsetzen können. Lange Zeit ging es darum, ob es eigentlich ‘Mahnmal’ heißen darf, weil es einigen – auch dem damaligen Präsidenten der Medizinischen Hochschule – viel zu weit ging, dass da ‘gemahnt’ wurde. Es sollte eher eine neutrale Information sein.“ Die Vergangenheit der Universitätsgebäude ist heute ein fester Bestandteil der Medizingeschichte-Vorlesung, aber auch das war nicht immer so: „Bis 1980 war im Vorlesungsverzeichnis kein Wort über die Tatsache zu finden, dass die Medizinische Hochschule in den Gebäuden eines psychiatrischen Krankenhauses gegründet wurde, deren Insassen vorher deportiert wurden. […] Für viele von den Medizinhistorikern war das gar kein Thema, weil sie fanden, dass Geschichte nicht Zeitgeschichte sein darf, sondern zurückliegen muss. So ist es mit der Bewältigung der NS-Verbrechen – es müssen mehrere Generationen darüber hinweggehen; die letzten Täter müssen, na ja, nicht gestorben, aber zumindest so alt sein, dass sie nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen werden können. Dann kann darüber so pragmatisch gesprochen werden, wie Sie das heute tun. Doch damals waren noch zu viele Väter involviert in die Geschichte des Nationalsozialismus, die als drohende Instanz im Hintergrund immer spürbar waren.“

Trotz ihrer Erlebnisse behält Jutta Nunn auch die guten Erinnerungen an das Krankenhaus im Gedächtnis: „Was schön war: Es war so weit man sehen konnte, wie ein Park angelegt war mit Rasen und riesigen Bäumen an beiden Seiten. Das war so schön, aber wohl schon älter – von Hitler war das ganz bestimmt nicht angelegt. Der Mensch, der das geplant hat, wird sich sicherlich gedacht haben, dass man diesen Patienten ja auch was Nettes bieten muss.“ Sie ist auch weiterhin mit Lübeck verbunden. Zwar kann sie die Stadt nicht mehr so oft besuchen, zu Weihnachten gibt es bei ihr aber immer Lübecker Marzipan.

„Ich kann mich noch erinnern, wie ich damals oben am Kohlmarkt gestanden, die Mühlenstraße runter geschaut und dabei gedacht habe: ‘Wenn der Krieg vorbei ist, dann wirst du wieder hier stehen und guckst dir das an, wenn das alles heil ist.’ Als ich das dann das erste Mal wieder gesehen habe, war ich schon mit meinem Mann verheiratet und da habe ich dem das alles erzählt.“

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