Sebastian Stierl – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Sat, 10 Oct 2015 22:04:28 +0000 de-DE hourly 1 Geschichten, die die Uni schreibt https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/geschichten-die-die-uni-schreibt/#respond Mon, 03 Nov 2014 09:17:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212608 Berufsverbote und Ordnungsverfahren gegen Medizinstudenten, Morddrohungen wegen des Einsatzes für einen Gedenkstein, unglaubliche Solidarität zwischen Studierenden, die leidigen Baustellen, die wilden Partys und riesige Demos. Wenn die Universität dieser Tage auf 50 Jahre zurückblickt, gibt es viele Geschichten zu erzählen. So viele Geschichten, dass wir in der StudentenPACK-Ausgabe einige wenige Momentaufnahmen machen mussten, um das Thema überhaupt bewältigen zu können.

Weil auf diesem Blog die Artikel nicht wie im Heft gebunden daherkommen, möchten wir euch in diesem Text einen kurzen Überblick verschaffen. Alle unsere Texte zum 50. Jubiläum der Universität (darunter einige exklusiv auf der Website und nicht im Heft) sind in diesem Text verlinkt.

Demonstration in den Siebzigern

Demonstration in den Siebzigern.[media-credit name="Eckart de Bary" align="aligncenter" width="1011"]

Wie viele besondere Geschichten es in diesen 50 Jahren zu erleben gab, lässt vielleicht der Artikel „Dat erzähl ich meine Enkel!“ erahnen, in welchem wir einige der Anekdoten, die uns in den zahlreichen Interviews, die wir zu dieser Ausgabe geführt haben, zusammenfassen. In diesem wie in allen anderen Texten sind die Interviews in voller Länge verlinkt, wenn die Namen der Gesprächspartner wie Eckart de Bary, Johannes Hoffmann oder auch Dr. Reinhard Eggers, der sowohl in Lübeck studierte als auch bis heute hier lehrt, auftauchen.

1942

Die Jahre 1964 bis 2014, in denen die Uni Lübeck unter verschiedenen Namen existierte, schweben nicht in einem Vakuum, sondern haben sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Zukunft. Für eine vernünftige Würdigung ist es nötig, beide zu betrachten. Großes Glück hatte unser Autor Johannes Zanken, als er bei seiner Famulatur Jutta Nunn kennenlernte. Die 87-Jährige war 1942 Patientin in der Heilanstalt Strecksitz (heute der Campus der Uni Lübeck) und erlebte, wie Patienten von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Ihre Geschichte und die Geschichte der mühsamen Aufarbeitung der Campus-Geschichte durch Studenten wie Peter Delius in den 80er Jahren erzählt der Artikel Vergangen und Vergessen?

1964

Die Universität wird 1964 als „Medizinische Akademie“ gegründet und gehört erstmal zur Uni Kiel. Aus gesammelten Artikeln der Lübecker Nachrichten und der ersten Studierendenzeitung, dem „provisorium“ erfahren wir, was es hieß in den 60ern Die Anfänge der Uni Lübeck mit zu gestalten.

1977

Die Jahre, in denen die heutige Uni gegründet wurde und wuchs waren politische Jahre und so waren auch die Themen, mit denen sich die Studenten beschäftigten oft politisch. 1977 streikten Studenten gegen die Einführung des Praktischen Jahres und der damalige AStA-Vorsitzende Sebastian Stierl wurde von der Hochschulleitung mit einem Ordnungsverfahren belegt. Von Solidarität und sich wehrenden Studenten erzählen unser Artikel und das Interview mit Sebastian Stierl.

1981

Nicht nur an der Uni Lübeck ging man in den 70er- und 80er-Jahren nicht zimperlich mit Andersdenkenden um – Berufsverbote für Mitglieder linker politischer Gruppen waren ein heißes Thema in der ganzen BRD und auch in der Lübecker Studierendenzeitung „Der Springende Punkt“. Wer sich vor der Einstellung „Sind sie ein Verfassungsfeind?“ fragen lassen muss, fühlt sich vielleicht wenig willkommen. Dr. Reinhard Fröschlin, heute Oberarzt, berichtet von seinen damaligen Erlebnissen.

1989

Manches ist in 50 Jahren studentischer Pressearbeit in Lübeck einfach verloren gegangen. In den letzten Monaten haben wir versucht, ein möglichst vollständiges Archiv der Studentenzeitungen auf dieser Website zu erstellen. Längst nicht alle Zeitungen sind erhalten (Über Hinweise, wo wir weitere Ausgaben finden könnten wären wir sehr dankbar). Doch die über 100 Studierendenzeitungen, welche wir nun ins Archiv stellen konnten, haben nicht nur die Themenfindung für diese Ausgabe geprägt – sie haben uns auch die eine oder andere Detektivaufgabe aufgegeben. Da waren die Fotos von Ute Pastor, die sie 1998 an die damalige Studentenzeitung „Bauchpresse“ verliehen hatte, oder die zwei Teile einer dreiteiligen Geschichte.

1993

Die Uni Lübeck ändert sich mit der Gründung des Informatikstudiums im Jahre 1993 grundlegend. Zum ersten Mal in fast 30 Jahren studieren nicht nur Mediziner auf dem Campus. Die Anzahl der MINT-Studiengänge (obwohl dies ein viel neuerer Begriff ist) stieg Von Null auf Eins. Dabei waren damals der Professor Volker Linnemann und der Student Helge Illig. Sie haben uns erzählt, wie der neue Studiengang sein thematisches und räumliches Zuhause gefunden hat.

Nachdem die Informatik gegründet war ging alles relativ schnell: Es folgte die Computational Life Science, die MLS und dann bald MIW und bis heute werden links und rechts Studiengänge gegründet. Wo soll das noch hinführen? Die Mathematik hat eine Antwort, ob es die richtige Antwort ist, wird die Zukunft zeigen.

2010

Der nächste Einschnitt in die Geschichte der Uni Lübeck ist das Jahr 2010. Der schwarz-gelbe Protestsommer ist ein inzwischen fast mystisch verklärtes Ereignis, dass einem Neuankömmling seltsam und rätselhaft erscheinen mag. Annika Steinmeier ist gerade als Studentin in Lübeck angekommen und hat sich die Frage gestellt: Warum kämpfte Lübeck für seine Uni?

2015

Diese Ausgabe beendet ihren Rundgang durch die 50 Jahre Uni Lübeck mit einem Blick in die Zukunft. Ab Januar 2015 ist die Uni Lübeck eine Stiftungsuni. Und dann? Was können wir erwarten und was sollten wir nicht erwarten?

Wir hoffen, diese Ausgabe ist für euch ein unterhaltsamer Rundgang durch die Geschichte der Universität zu Lübeck. Wenn ihr möchtet, steht euch das Online-Archiv aller Ausgaben der Studierendenzeitungen auf dieser Website zur Verfügung um einen tieferen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wenn ihr über eure Fundstücke in diesem Archiv berichten möchtet, freuen wir uns natürlich auch in zukünftigen Ausgaben über die Vergangenheit unserer Universität zu berichten. Schreibt uns doch einfach eine Mail.

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Interview mit Dr. Sebastian Stierl https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/interview-mit-dr-sebastian-stierl/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/interview-mit-dr-sebastian-stierl/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:08:41 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212454 StudentenPACK: Von wann bis wann waren Sie an der Uni Lübeck und warum haben Sie sich Lübeck als Studienort ausgesucht?

Sebastian Stierl: Vom Sommersemester 1976 bis zum Staatsexamen im Herbst 1980 als Student, Abschluss der Promotion zum Dr. med. im Mai 1982. Nach dem Physikum bin ich von Marburg nach Lübeck gewechselt. Ich suchte einen persönlicheren Kontakt mit den Lehrenden und mehr Zusammenhalt unter uns Studenten. Die Medizinische Hochschule Lübeck war gefühlt eher eine Dorfschule gegenüber der Lernfabrik in Marburg. Schließlich fand ich die alte Stadt und das nahe Meer reizvoll.

StudentenPACK: Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis während Ihrer Zeit in Lübeck?

Stierl: Für mich war es der bundesweite PJ-Streik, also die Studienverweigerung als Protest gegen das sogenannte „Praktische Jahr“. Dies wurde als verstärkte Praxisorientierung des Medizinstudiums verkauft, erwies sich im richtigen Leben aber häufig als billige Hilfsarbeit auf Station ohne systematische Anleitung und das dafür erforderliche Personal. In der auf Harmonie getrimmten Atmosphäre der MHL war der erstaunlich geschlossene Protest der Studenten eine Ungeheuerlichkeit. Dabei wurde ich vom Ordinarius der Orthopädie und Reserveoffizier Professor Henßge als Rädelsführer ausgemacht. Er veranlasste die Einleitung eines Ordnungsverfahrens, das immerhin die Relegation als stärkste Sanktion vorsah. Die Disziplinierungsaktion nach außen wurde parallel mit einem Stellenangebot nach dem Studium in seiner Orthopädischen Klinik verbunden(!). Letztlich ging es um Spaltung. Erreicht hat er damit das Gegenteil: als AStA-Vorsitzender haben sich die Kommilitoninnen und Kommilitonen demonstrativ hinter mich gestellt. Letztlich musste ich das Ordnungsverfahren aber durch zwei Instanzen gegen die MHL juristisch „niederringen“. Insgesamt eine aufregende Zeit, die mich besonders die Bedeutung von Solidarität gelehrt hat. Dabei war die Hochschulleitung keinesfalls ein geschlossener Block. Das Angebot einer Doktorarbeit durch Professor Horst Dilling war zum Beispiel eine demonstrative Sympathiebekundung.

StudentenPACK: Damals studierte man in Lübeck ja noch direkt an der innerdeutschen Grenze. Wie viel hat man davon während des Studiums mitbekommen?

Stierl: Die DDR spielte im alltäglichen Leben keine besondere Rolle. Beim Segeln auf dem Ratzeburger See waren einige Uferabschnitte tunlichst zu meiden! Der große Informationsmangel über die konkreten Lebensbedingungen hat uns als Medizinstudenten besonders neugierig gemacht. Mit einigen Kommilitonen aus Lübeck und Kiel habe ich an einer mehrtägigen Exkursion des MSB-Spartakus nach Neubrandenburg teilgenommen, bei der wir medizinische Einrichtungen besichtigten. Die größte Angst hatten wir damals bei der Rückkehr vor einem möglichen Berufsverbot in der BRD!

StudentenPACK: In unserer Vorgängerzeitung, dem „Springenden Punkt“, wird die Zeit, in der Sie Vorsitzender des AStA waren, als hochschulpolitisch sehr brisant beschrieben. Immer wieder ist von Studentenstreiks und dem 1. Ordnungsverfahren der MHL gegen Sie die Rede. Was war da eigentlich los?

Stierl: Tatsächlich war die Zeit damals für Lübecker Verhältnisse recht lebhaft. Im Vergleich zu den wochenlangen Besetzungen des AStA-Büros an der Uni Marburg mit Polizeieinsätzen und großen Demonstrationen wirkte die MHL allerdings geradezu idyllisch. Aber immerhin: ein neues Hochschulrahmengesetz wurde verabschiedet, das wir als massiven Angriff auf die Verfasste Studentenschaft mit ihren Organen Vollversammlung und Urabstimmung verstanden haben. Und immer wieder ging es um das „Politische Mandat“, also die Möglichkeit, aus der Studentenschaft heraus auch allgemeinpolitische Stellungnahmen abzugeben (zum Beispiel zur Kernenergie oder zum Einfluss der Industrie auf die Wissenschaft durch die anwachsende Drittmittelforschung). Auf die Änderungen der Approbationsordnung, die sich konkret auf Studieninhalte und -abläufe für uns Medizinstudenten auswirkte, bin ich oben schon eingegangen. Tatsächlich haben wir uns intensiv mit solchen hochschulpolitischen Fragen beschäftigt, endlose Debatten in den verschiedenen Gremien geführt und Wandzeitungen und Flugblätter verfasst. Das Ganze hat aber auch deshalb erstaunliche Kräfte freigesetzt, weil es in der Verbindung von Politik und Studium auch noch eine Kultur des Zusammenhalts gab, die sich zum Beispiel in tollen AStA-Feten ausdrückte.

StudentenPACK: …und was folgte daraus?

Stierl: Rückblickend habe ich schon den Eindruck, dass in der damaligen Ärztegeneration ein kritischeres Bewusstsein von der eigenen gesellschaftlichen Rolle entstanden ist. Bei dem einen oder anderen mag es dazu beigetragen haben, dass er sich später beruflich stärker politisch engagiert hat und die Verbindung von gesellschaftlichen Verhältnissen und Gesundheit etwas tiefgehender durchdrungen hat.

StudentenPACK: Was hat Sie damals bewogen sich so sehr in der Hochschulpolitik zu engagieren?

Stierl: Für mich war es die Fortsetzung einer schon als Schüler politisch engagierten Haltung. Ein prägendes Erlebnis waren die Aktionen gegen BILD und den Springer-Verlag nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke Ostern 1968, an denen ich als 16-jähriger Schüler in Essen teilgenommen habe. Bis heute bin ich davon überzeugt, dass dieses Land die Katastrophe des Nationalsozialismus nicht verstanden hat. Die notwendigen Konsequenzen wurden unter dem Wiedererstarken des Kapitals erstickt, statt Bildung und Gerechtigkeit haben sich das Recht des Stärkeren und ein Raubbau an den Ressourcen ausgebreitet.

StudentenPACK: Welches Verhältnis haben Sie heute zur Universität Lübeck?

Stierl: Hin und wieder besuche ich Veranstaltungen der Psychiatrischen Klinik der MUL. Hier hat sich die Bedeutung des Sozialen spürbar verringert. Wissenschaftliche Fragestellungen, wie zum Beispiel nach der Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen für schwerstkranke Patienten, der Gewaltvermeidung, der Reduzierung von Psychopharmaka oder der Stärkung der Psychotherapie bei der Behandlung von Schwerstkranken spielen aus meiner Sicht keine Rolle. Zu einigen Kommilitonen habe ich heute noch einen guten Kontakt, eine Mitstreiterin aus AStA und StuPa sitzt jeden Morgen in der Frühkonferenz neben mir, wenn wir gemeinsam versuchen, die Psychiatrische Klinik in Lüneburg zu einem besseren Krankenhaus zu machen.

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