Kiel – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Sun, 21 Feb 2016 00:01:04 +0000 de-DE hourly 1 Mit viel KIF: KoMatös – in Kiel! https://www.studentenpack.de/index.php/2013/07/mit-viel-kif-komatos-in-kiel/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/07/mit-viel-kif-komatos-in-kiel/#respond Mon, 01 Jul 2013 08:00:04 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=158670
Gruppenfoto der KoMa. Zu Besuch in Kiel waren 174 KIFfels und 105 KoMatiker.

[media-credit id=51 align="aligncenter" width="645"] Gruppenfoto der KoMa. Zu Besuch in Kiel waren 174 KIFfels und 105 KoMatiker.

„Nach Kiel fährt man nur zum Demonstrieren“, das war im Jahre 2010 zu Zeiten der drohenden Unischließung eine weit verbreitete Ansicht. Trotz dieser düsteren Aussicht haben sich vom 22. bis zum 26. Mai vier Vertreter aus der FS MINT auf den Weg in die Landeshauptstadt zur Fachschaftskonferenz gemacht.

Eine Besonderheit war dieses Mal, dass gleich zwei Konferenzen gleichzeitig und bis zu einem gewissen Grad gemeinsam stattfanden: Die 41,0 KIF (Konferenz der Informatikfachschaften) und die 72. KoMa (Konferenz der Mathematikfachschaften), beide unter einem Dach. Diese Konstellation ist nicht neu. So gab es bereits im Wintersemester 2011/2012 in Bremen eine gemeinsame KIF/KoMa.

Der grundsätzliche Ablauf der Konferenzen ist sehr ähnlich. Sie beginnen beide am Mittwoch mit einem Anfangsplenum, in dem sich die Fachschaftsvertretungen vorstellen, die Arbeitskreise (AKs genannt) vorgestellt und auf die Zeitfenster verteilt werden; außerdem enden sie am Samstagabend mit dem Abschlussplenum. Dort werden die Ergebnisse der AKs vorgestellt und gegebenenfalls Resolutionen verabschiedet.

Auch dieses Mal gab es eine Vielzahl interessanter AKs. Es wurde sich unter anderem über Master- und Bachelorstudienberatung, Altklausurensysteme der Fachschaften, den Umgang mit Erstsemestern und Möglichkeiten, Schüler für ein Mathematikstudium zu begeistern ausgetauscht. Für den Adventskalender der Deutschen Mathematiker-Vereinigung wurde gemeinsam eine weihnachtliche Matheaufgabe entwickelt und eingeschickt. Neben den Austausch-AKs gab es zudem Arbeitskreise, die Resolutionen entwickelt haben.

So hat die KoMa eine Resolution verabschiedet, in der sie sich gegen Studienhöchstdauerregelungen ausspricht. In vielen Universitäten gibt es seit einigen Jahren Studiendauerbegrenzungen, durch die Langzeitstudenten automatisiert exmatrikuliert werden können. Konsens der KoMa war, dass eine solche Begrenzung „nicht nur ungeeignet [ist], die grundlegenden Ziele von Hochschule zu erreichen, sondern wirkt diesen sogar entgegen“ (Ausschnitt aus der Resolution). An unserer Universität gibt es zwar seit letztem Sommersemester die Regelung, dass der Prüfungsausschuss nach Überschreiten der Mindeststudiendauer um fünfzig Prozent den Studierenden zu einer verpflichtenden Studienberatung laden kann, aber sie wird in vielen Studiengängen selten bis gar nicht angewendet und hat auch keine konkreten Konsequenzen.

Eine weitere Resolution kritisiert das Vorgehen des CHE-Rankings. Bereits vor einem Jahr auf der 70. KoMa in Augsburg wurde über eine solche Resolution diskutiert. Damals konnte jedoch kein Konsens unter den Teilnehmern gefunden werden. Es gab einerseits Teilnehmer, die nichts weniger als einen Boykott akzeptiert hätten, andererseits Teilnehmer, die nicht mehr als eine kritische Positionierung gegenüber des CHE-Rankings unterstützen wollten. Daher wurde das Thema vertagt und auf dieser KoMa erneut besprochen. Heraus kam eine konsensfähige Resolution, in der sich die KoMa gemeinsam mit der KIF gegen das CHE-Ranking ausspricht. Die Resolution spricht sich explizit nicht gegen eine Erhebung solcher Daten aus, fordert aber, dass Bewertung und Vergleich nicht nach von den Autoren festgesetzten Beurteilungsmaßstäben erfolgen. Stattdessen sollte dem Studieninteressierten anhand einer direkten Form dieser Daten eine Bewertung nach eigenen Maßstäben ermöglicht werden.

Die KIF hat zusätzlich noch zwei weitere Resolutionen verabschiedet. Sie erklärte ihre Solidarität mit dem Protest gegen die Kürzungen in Sachsen-Anhalt. Eine weitere Resolution der KIF befasste sich mit dem Open Access Prinzip, nach welchem Abschlussarbeiten frei verfügbar veröffentlicht werden sollen. Die KIF fordert dazu die Studierendenvertretungen auf, an ihren Fakultäten darüber Aufklärung zu betreiben und auf die Anwendung des Prinzips hinzuwirken.

Neben diesen inhaltlichen Impulsen kam auch der Spaß in Kiel nicht zu kurz. Zusätzlich zu traditioneller Stadtführung und Kneipentour gab es viele Spaß-AKs, bei denen man neben der inhaltlichen Arbeit gut abschalten konnte. Angeboten wurden eine Singstar-Bühne, ein Arbeitskreis Massage (der aus Gründen, die keiner verraten wollte, auf der KIF verboten ist) sowie eine große Auswahl an Gesellschaftsspielen und viele andere Beschäftigungen. Wurde der Hunger zu groß, konnte man ihn zu jeder Uhrzeit im Ewigen Frühstück stillen. Das wurde auch tatsächlich zu jeder Zeit rege angenommen, denn es heißt nicht umsonst, dass derjenige, der auf einer KoMa mehr als drei Stunden Schlaf die Nacht kriegt, nicht wirklich dabei war.

Und so blickt man auf fünf Tage mit wenig Schlaf, Orgas mit noch viel weniger Plan und einer Menge Input zurück. Die nächsten KoMata finden in Chemnitz (30. Oktober bis 3. November 2013) und in der HU Berlin (28. Mai bis 1. Juni 2014) statt; die 41,5 KIF findet in Erlangen statt. Im Wintersemester 2014/15 planen wir als Fachschaft MINT, die KoMa nach Lübeck zu holen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Wie immer gilt: Wer Lust hat, an der KIF oder KoMa teilzunehmen oder sich vorstellen kann, die 75. KoMa (hoffentlich) in Lübeck mitzuorganisieren, kann sich jederzeit an die Fachschaft MINT wenden.

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„Einmal die Tasche öffnen, bitte!“ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/einmal-die-tasche-offnen-bitte/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/einmal-die-tasche-offnen-bitte/#respond Mon, 13 May 2013 09:00:22 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=137419
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Fast wie am Flughafen – Kontrollen an der Uni Kiel.

Identitätskontrollen, Tascheninspektionen, Abnahme von persönlichen Gegenständen und umfassende Leibesvisitationen – was sich nach alltäglichen Vorgängen am Flughafen anhört, beschreibt nun auch die Prozedur vor Beginn einer Prüfung an der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU). Empört wandte sich der AStA nun an die Presse.

Vorausgegangen waren der wütenden Pressemitteilung der Studierendenvertretung über „Kontrollirrsinn an der Uni“ zwei Prüfungen in Klassischer Altertumskunde im Februar und Anfang April, vor deren Beginn ein Professor, um Täuschungsversuchen vorzubeugen, die Studenten systematisch abtasten ließ und ihnen Handys, Portemonnaies, aber auch Trinkflaschen und Brötchen abnahm. Bei uneindeutigen Fotos auf den Ausweisen mussten zusätzliche Nachweise zur Identitätsprüfung vorgelegt werden. Die Taschenkontrollen und Leibesvisitationen wurden dabei laut AStA nach Geschlechtern getrennt von einer wissenschaftlichen Hilfskraft und einer Institutsmitarbeiterin durchgeführt.

Die Grenze des Zumutbaren sei damit bei Weitem überschritten worden und der Regulierungsirrsinn bei Prüfungen habe einen traurigen Höhepunkt erreicht, betont AStA-Vorstand Steffen Regis. Der Lehrstuhl habe dabei ein inakzeptables Verhalten an den Tag gelegt, das an Kompetenzüberschreitung nicht zu überbieten und einer Universität nicht würdig sei. Des Weiteren forderte er eine öffentliche Entschuldigung des Dozenten für eine derartige Schikane. Zuspruch erhielt er dabei unter anderem von CAU-Pressesprecher Boris Pawlowski, der im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte, dass allgemeine Identitätskontrollen sowie die Prävention von Betrugsversuchen zwar nötig seien, in diesem Ausmaß aber genauso wie die Abnahme persönlicher Gegenstände und Leibesvisitationen von der Hochschulleitung strikt abgelehnt würden.

Bis jetzt gibt es allerdings keine genauen Vorgaben, was für Kontrollen in welchem Ausmaß vor welchen Prüfungen durchzuführen sind. Dies liegt demnach im Ermessen der jeweiligen Dozenten, die dadurch ebenfalls verunsichert sind. In direkter Folge auf die Ereignisse werden nun gemeinsam von AStA und Hochschulleitung Richtlinien für Lehr- und Aufsichtspersonal entwickelt, die glasklar regeln sollen, wie Kontrollen durchzuführen sind, die im nötigen Maß Täuschungsversuchen zuvorkommen, ohne dabei die Rechte und Würde der Studenten zu verletzen. So habe laut Regis wohl kaum jemand etwas gegen normale Regulierungen, wie zum Beispiel ausreichenden Abstand der Sitzplätze oder obligatorisches Abschalten der Handys, einzuwenden. Darüber hinaus solle es allerdings nicht gehen. Der AStA veröffentlichte mittlerweile unter anderem auf seiner Facebook-Präsenz, dass die Philosophische Fakultät es allen Teilnehmern der entsprechenden Prüfungen ermögliche, die entstandenen Fehlversuche ohne weitere Bedingungen aus dem Prüfungssystem löschen zu lassen. Auch sehe er die weitere Zusammenarbeit hinsichtlich der Prüfungsdurchführung als vielversprechend an.

Von Seiten der CAU hieß es, der für die Kontrollen verantwortliche Dozent habe im Gespräch mit der Unileitung eingesehen, dass er mit seiner Art der Durchführung den Bogen weit überspannt habe. Er entschuldigte sich daraufhin beim AStA-Vorstand. Der AStA selbst musste sich gegenüber der Uni gegen Vorwürfe verteidigen, mit der Presseerklärung zu schnell an die Öffentlichkeit gegangen zu sein, anstatt dies intern mit dem verantwortlichen Professor und der Hochschulleitung zu klären.

Natürlich stellt sich die Frage, ob etwas Derartiges auch in Lübeck geschieht. Noch liegen dem Lübecker AStA keine Beschwerden über solche oder ähnliche Praktiken vor. Falls diese dennoch aufgetreten sind oder auch in Zukunft auftreten sollten, bittet der Vorstand darum, dies mitzuteilen. Laut AStA-Vorsitzendem Georg Engelbart sei man sich auf der Landes-ASten-Konferenz Mitte April in Kiel einig in der Verurteilung der Ereignisse gewesen. Sollte so etwas in Lübeck ebenfalls vorkommen, könne man sich des scharfen Protestes durch die Studierendenvertreter sicher sein. Neue Technik, wie etwa Smartphones, dürfte keinesfalls zu derartigen Überwachungsexzessen führen, da sie Gift für das Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden seien. Für ihn stellen die Kieler Ereignisse eine „an Frechheit nicht zu überbietende Aktion“ dar.

Gerade nachdem aber solche Kontrollen nicht nur an der CAU, sondern auch in überregionalen Zeitungen eine Welle der Empörung lostraten, besteht ausreichend Grund zur Hoffnung, dass so etwas an der Uni Lübeck nicht so schnell vorkommen wird.

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Studiengebühren: Totgesagte leben länger https://www.studentenpack.de/index.php/2011/06/studiengeburen-totgesagte-leben-langer/ https://www.studentenpack.de/index.php/2011/06/studiengeburen-totgesagte-leben-langer/#respond Sat, 25 Jun 2011 16:42:01 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=1625 Eigentlich schien mit einem Satz im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP alles klar zu sein: “CDU und FDP sind sich einig, dass reguläre Studiengänge […] frei von Studienbeiträgen sein sollen.” Doch das solche Vereinbarungen nicht viel zu sagen haben hatte die Landesregierung im letzten Sommer selbst bewiesen und die Hochschulleitungen in Schleswig-Holstein, unter ihnen das Präsidium der Uni Lübeck, haben dies verstanden.

Präsident Dominiak (bei einer Pressekonferenz am 6. July 2010): "Je mehr Spielräume eine Hochschule habe, desto besser kann sie ihr eigenes Profil entwikeln und sich im bundesweiten und internationalen Wettbewerb behaupten."Lukas Ruge

Präsident Dominiak (bei einer Pressekonferenz am 6. July 2010): "Je mehr Spielräume eine Hochschule habe, desto besser kann sie ihr eigenes Profil entwikeln und sich im bundesweiten und internationalen Wettbewerb behaupten."

Jetzt fordern sie gemeinsam die Einführung von “sozialverträglichen Studiengebühren”, die shz berichtete am 24. Juni:

Die Debatte um die Einführung von Studiengebühren an den Universitäten und Fachhochschulen in Schleswig-Holstein ist neu entbrannt. Die Landesrektorenkonferenz (LRK) hat den Landtag aufgefordert, den Hochschulen die Einführung “sozialverträglicher, nachgelagerter Studienbeiträge” zu erlauben. Auch dies gehöre zur Hochschulautonomie, heißt es in einem Beschlusspapier der Rektorenkonferenz.

Die Asten der Universität Lübeck und Kiel haben schnell und ungehalten reagiert, in einer Presseerklärung des AStA der Uni Lübeck heißt es.

Wie wir mit erschrecken feststellen mussten, hat die Landesrektorenkonferenz SH die Landesregierung aufgefordert den Weg für Studiengebühren frei zu machen […]. Der AStA der Universität zu Lübeck spricht sich zum wiederholten Male gegen jede Form von Studiengebühren aus, denn es gibt keine sozialverträglichen Studiengebühren!

Ein Hochschulstudium hängt in Deutschland nach wie vor maßgeblich vom sozialem Status undEinkommen der Eltern ab. Hier gilt es die Situation nicht weiter zu verschärfen, sondern dem entgegen zu wirken.

[…]

Eine Einführung von Studiengebühren wird von der Studierendenschaft nicht akzeptiertwerden.  Sollte die Forderung bestehen bleiben, werden wir entschlossen dagegen vorgehen. Dabei haben die Studierenden Schleswig-Holsteins schon im Sommer 2010 gezeigt, dass sie ihre Forderungen deutlichst zu artikulieren wissen.

Gerade vor der Einigkeit im letzten Sommer empfiden die AStA Mitglieder den Zug der Uni-Leitung als unerklärlich:

Wir empfinden es als Affront, nach den gemeinsamen Protesten im  letzten Sommer, als die Studierenden entscheidend zur Rettung der Uni beitrugen, dass das Präsidium uns nun in den Rücken fällt.

Das die Einigkeit unter den Studierenden weiterhin besteht beweist die Presseerklärung des AStA der CAU Kiel, welcher sich ähnlich ließt

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Christian-Albrechts-Universität(CAU) zu Kiel lehnt diese Forderung entschieden ab und wird alles in seiner Machtstehende gegen die Einführung von Studiengebühren, welcher Art auch immer, unternehmen.

René Geßner, Vorsitzender des AStA der CAU ergänzt: “Bildung in Schleswig-Holstein muss weiterhin für alle kostenlos bleiben!”

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Herrschaftsfrei und durchgegendert https://www.studentenpack.de/index.php/2010/04/herrschaftsfrei-und-durchgegendert/ https://www.studentenpack.de/index.php/2010/04/herrschaftsfrei-und-durchgegendert/#respond Mon, 12 Apr 2010 08:00:07 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=109165
Juri Klusak

Die Alte Mensa, einen Monat in Besetzerhand.

Mittwoch, 18. November 2009. 23:55 Uhr, Alte Mensa, Uni Kiel.

Vorn auf dem Hörsaalpult sitzt eine zierliche junge Frau und leitet die Diskussion. Sie spricht ohne Mikrophon zu einigen hundert Leuten. So laut, wie ich vielleicht daheim am Esstisch reden würde. Das Plenum ist so mucksmäuschenstill, dass auch in den hinteren Reihen jedes Wort deutlich zu verstehen ist. „Als nächstes auf der Rednerliste habe ich: Dich hier vorne im weißen Pulli, dann kommt Flori [Amn. d. Redaktion: Alle Namen geändert.] und danach irgend jemand am Fenster – ach ja, genau, Du da.“

Zwei Stunden tagt das erste Besetzerplenum jetzt schon, die Luft im Hörsaal der Alten Mensa wird langsam miefig, aber die Kommunikation funktioniert: Wer reden will, meldet sich und landet auf der Rednerliste, wer redet, steht auf und stellt sich vor. Fast jede dieser Regeln hat das Plenum ausgiebig diskutiert und abgesegnet. Allein die Diskussion über den Abstimmungsmodus hat mehr als eine halbe Stunde gedauert. „Herrschaftsfreier Diskurs“ heißt das Zauberwort. Niemand soll sich mit Macho-Gehabe durchsetzen können. Jeder Mensch darf am Plenum teilnehmen, mitreden und abstimmen. Die linken Einflüsse auf das Besetzer-Milieu sind nicht zu verkennen – und gerade darum geht es bei dieser Diskussion. Ich verfolge sie gespannt, denn ich sehe die Besetzung als Spielwiese des Miteinanders, als gelebte Basisdemokratie. An den bildungspolitischen Inhalten bin ich als Student im Endstadium nur halbherzig interessiert. Später wird sich herausstellen, dass ich damit nicht allein bin.

Die Frau im weißen Pulli in einer der vorderen Sitzreihen beginnt zu reden, nur ein paar Satzfetzen kommen an. „Aufstehen“, schallt es aus dem Plenum. Sie steht auf und dreht sich nach hinten, lächelt nervös, wird sofort wieder ernst. „Als ich hier eben hergekommen bin…“ – „Entschuldige, wie heißt Du?“ unterbricht das Mädchen vorn auf dem Pult. „Ich bin Nina. Also, nochmal. Als ich eben hier hergekommen bin und draußen die Banner gesehen habe,“ beginnt sie unsicher, „da war ich gleich abgeschreckt. Die Rote Fahne, ‚Kapitalismus abschaffen‘, ich mein’, das sagt eben was darüber, wer diesen Protest macht und damit fühlen sich andere Leute sofort ausgeschlossen. Und deshalb finde ich, die Banner draußen sollten abgehängt werden.“ Während sie sich setzt, gehen im Plenum einige Dutzend Hände in die Luft und winken – ein Zeichen, das Applaus bedeuten soll, denn echter Applaus ist zu laut und zeitaufwändig und wäre bei einigen hundert Diskutanten und ebenso vielen Meinungen ein echter Störfaktor.

Die Fahnenfrage ist ein Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Beflaggung und linksradikale Symbolik, geduldet oder ausgeschlossen – diese Diskussion erhitzt die Gemüter schon am ersten Abend und entnervt einige Besucher so sehr, dass sie gleich wieder heim fahren. Gegen ein Uhr nachts steht schließlich Lars auf, ein schwarz gekleideter, bulliger Typ mit stattlichen Koteletten: „Ich kann euch gut verstehen“, wendet er sich an die Flaggenbefürworter, „ich finde Symbole auch total wichtig. Aber ich finde, wir sollten uns an dieser Frage nicht spalten lassen.“ Er predigt Verständnis für beide Seiten, dann stellt er noch einmal den Antrag auf Entfernung der Fahnen. Die überwältigende Mehrheit des Plenums ist dafür. Lars ändert seinen Tonfall: „So, und hat jetzt irgend jemand noch ein Veto dagegen?“ Es klingt fast wie eine Drohung.

Mit herrschaftsfreiem Diskurs hat diese Diskussion spätestens jetzt nicht mehr viel zu tun und im Rückspiegel erkenne ich: Schon hier scheitert das soziale Experiment der Besetzung an der Uni Kiel. Alle sollen gleiche Rechte haben, jeder frei entscheiden können, keiner soll sich benachteiligt fühlen – die Realität sieht anders aus. Natürlich gibt es auch hier Sprecher für bestimmte Gruppen und bestimmte Meinungsbilder, natürlich gibt es auch hier Leitwölfe, wie in jeder anderen Versammlung von Menschen. Natürlich gehen auch hier Einzelne enttäuscht nach Hause, weil ihre Meinung kein Gehör gefunden hat und einzelne Wichtigtuer sich in den Vordergrund drängeln. Der wesentliche Unterschied scheint mir im Nachhinein zu sein, dass gerade über die unwichtigsten Fragen am längsten diskutiert wird. Das Motto scheint zu lautet:

Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Für jetzt schwimme ich auf einer Welle der Euphorie, denn im Hörsaal bricht Jubel aus. Die Einigung ist erreicht. Einer der Besetzer holt seine rote Flagge vom Vorplatz in den Hörsaal herein.

Juri Klusak

Das Foyer.

Donnerstag, 19. November 2009. 13:10 Uhr.

Die Stimmung in der Alten Mensa ist ausgelassen. Das Vorlesungsgebäude ist wieder zur Futterstelle geworden. Im Foyer ist ein regelrechtes Buffet aufgebaut und der Duft von frischem Brot liegt in der Luft. Außerdem gibt es Gemüsesuppe aus geschnorrten Resten vom Markt, Salat, Käse und kistenweise Obst. Wer etwas essen möchte, wirft einen Kostenbeitrag in ein Spendenglas und bedient sich. Das System funktioniert, der Spendentopf ist übervoll. Nebenan im kleinen Hörsaal feilt der Arbeitskreis Presse fieberhaft an der Außendarstellung der Besetzer. Die Lokalpresse regt sich langsam und soll empfangen und herumgeführt werden. Auch eine Reporterin der taz hat sich schon angemeldet. Ein Blog, ein Twitteraccount und diverse Kommentarseiten im Internet wollen gefüllt und gepflegt werden.

Ein wenig rätselhaft ist für mich, woher die ganze Infrastruktur so plötzlich kommt. Nach der Bildungsstreik-Demo am Mittwoch hatten sich einige hundert Studenten in der Alten Mensa versammelt und die Besetzung beschlossen. Den Aufruf zu dieser Versammlung hat Lua herausgegeben. Ich kenne sie flüchtig, ein unscheinbares Mädchen mit Dreadlocks und einer Affinität zum leicht Verrückten. „Ich hatte gehofft, dass irgendwas passiert,“ erzählt sie mir zwischen Hörsaaltür und Angel, „aber dass so ein Riesending draus wird… So viele Leute!“ Sie strahlt von einem Ohr zum anderen und verdreht die Augen, dann muss sie wieder weg, um irgend etwas zu organisieren. Besetzung, das bedeutet: vorläufige Aneignung des Gebäudes, Zeit und Raum für Diskussion und Information. Dass in diesem Gebäude bis auf weiteres keine Vorlesungen stattfinden können, erkennt sogar die Universitätsleitung an, die den Besetzern eine Duldung bis zum Montag ausgesprochen hat. Einige dutzend Studenten haben oben im Schlaf-Hörsaal übernachtet, hunderte Unterstützer treiben sich jetzt irgendwo an der Uni herum, besuchen ihre Vorlesungen und Seminare. Im Abendplenum sollen heute noch mehr Studenten für die Besetzung gewonnen werden. Wer vor dem Audimax ein Ohr aufsperrt hat, weiß aber, dass die meisten Kommilitonen ihr Vorurteil schon längst gefasst haben: Einige linke Spinner, so die gängige Meinung, wollen auf den Putz hauen und in der Alten Mensa ein bisschen Revolution spielen.

Entgegen aller Unkenrufe füllt sich abends um sieben der Hörsaal mit Studenten aller Couleur. Da sitzt der Neo-Hippie neben der Jurastudentin, die libertäre Feministin neben dem hochgeklappten Polohemdkragen von der Jungen Union. So unterschiedlich wie die Diskutanten sind auch die Diskussionsthemen, die nun durcheinander gemischt werden. Die freiwilligen Moderatoren verzweifeln an der Aufgabe, die Tagesordnung beieinander zu halten. Eine resolute Rothaarige betont, man sollte doch endlich zu den Inhalten kommen, zur Bildungspolitik nämlich. Ein Teilnehmer macht seinen Unmut darüber Luft, dass im Hörsaal fotografiert wird, weil er strafrechtliche Verfolgung fürchtet. Ein selbstgefälliger Rhetorikkünstler hält einen fünfminütigen Monolog über die Wichtigkeit studentischer Freiräume, bis viele im Plenum nur noch angestrengt stöhnen. Ein Journalist erklärt, es sei sehr wichtig für ihn, fotografieren zu dürfen. Ein bärtiger Politikstudent haut auf den Hörsaaltisch und mahnt, jetzt „verdammt nochmal“ endlich zu den Inhalten zu kommen. Die Inhalte lassen sich Zeit. Gegen Mitternacht gibt es eine Pause, drei Viertel des Plenums verschwinden nach Hause. Der klägliche Rest diskutiert noch stundenlang Formalitäten, bis auch der Letzte nur noch ins Bett, respektive den Schlafsack will. Die Letzte ebenfalls – es wird jetzt nämlich verstärkt „gegendert“.

Juri Klusak

Manche kümmerten sich vor allem um die Inhalte.

Freitag, 20. November 2009. 16:40 Uhr.

Am Esstisch im Foyer beredet ein kleiner, zusammengewürfelter Haufen die Lage der Dinge. Über Nacht hat einer der Besetzer eine Wand im oberen Flur mit Anarchiezeichen und platten Parolen beschmiert. Nicht jeder findet das schlecht: Das Organisationsplenum am Morgen hat sich nicht auf eine eindeutige Stellungnahme dazu einigen können. Einige sehen die besetzte Alte Mensa als Freiraum, in dem Gesetze und Universitätsordnung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das Vetorecht verhindert, dass sie im Plenum von den Gemäßigten überstimmt werden.
Markus, der bärtige Politikwissenschaftler von gestern Abend, macht ein langes Gesicht. Für das Plenum hat er nur noch harte Worte übrig. „Ich will nur endlich mal zum Punkt kommen. Das ist der dritte Tag der Besetzung und wir haben nichts in der Hand. Nichts!“ Wirklich aufregen kann er sich aber kaum mehr. Er hat sich schon seit Monaten intensiv mit der Bachelor/Master-Thematik auseinandergesetzt, hat mit Politikern verhandelt und Konzepte erarbeitet, eine Vollversammlung der Kieler Studenten organisiert. Dass sich die Besetzer im Plenum seine Erkenntnisse und Vorschläge nicht einmal anhören wollen, ist für ihn offenbar frustrierend. Mit einem guten Dutzend anderer Interessierter diskutiert er jetzt regelmäßig im kleinen Hörsaal über Bildungspolitik, unabhängig vom Plenum.

Ich schiebe mir ein paar tropfnasse Salatblätter auf einen der flachen Teller, mache mir ein Käsebrot dazu. Es ist schon der dritte Teller, aber heute bleibe ich merkwürdig unzufrieden. Das teils vegetarische, teils vegane Essen macht mich einfach nicht mehr satt. Eine Bekannte grinst mich wissend an, während ich missmutig meine Stulle vertilge. Es hilft alles nichts.

Ich muss nach Hause und mir zwei Eier in die Pfanne hauen. Gaumen und Bauch feiern ein Fest. Zurück komme ich vor dem Abendplenum mit Schlafsack und Isomatte. Heute möchte ich übernachten – um die Atmosphäre aufzusaugen und weil ich den Arbeitskreis Sicherheit unterstützen möchte, der nachts das Gebäude bewacht. Das Plenum wird eine große Enttäuschung. Wieder gerät die Diskussion vollkommen aus dem Ruder. Die Meinungen gehen weit auseinander, und zwar über die immer gleichen Fragen: Wer darf Fotos machen und wer nicht? Ist es okay, an jede freie Fläche einen antifaschistischen Aufkleber zu pappen? Der Verdacht, dass es einigen Besetzern mehr um den irren, alternativen Lifestyle geht als um bildungspolitische Inhalte, erhärtet sich immer mehr.

Neu dazugekommene Studenten verlassen den Saal in großen Trauben und lassen die Verzweiflung nur noch deutlicher hervortreten: „Ich kann es nicht glauben, was hier abgeht!“ schreit eine Studentin schon mehr, als dass sie es sagt. „Wir beharken uns gegenseitig und währenddessen laufen uns die Leute weg“. Die Aufregung steigert sich weiter und weiter, die Fronten sind alles andere als klar, die Gruppen ziemlich heterogen und unübersichtlich. Nach drei, vier Stunden ist vielleicht noch ein Zehntel der Teilnehmer übrig. Wer geblieben ist, ist erschöpft und wütend. Die offene Diskussion ist gescheitert.

„Wir sollten das hier auflösen und schlafen gehen, morgen ist alles wieder anders,“ appelliert einer mit sorgenvollem Gesicht. Nachdem drei andere den Vorschlag wiederholt haben, ist endlich Schluss für heute. Noch stundenlang erörtern Schlaflose im Großen Hörsaal, wie solche Situationen zukünftig vermieden werden können. „Seid lieb zueinander“, schreibt jemand auf ein großes Transparent.

Vor der Tür gönnen sich einige ihr Feierabendbier, es ist lau für eine Novembernacht in Kiel. Meine Gedanken kreisen um die Geschehnisse der letzten Tage. Von funktionierender Kommunikation kann keine Rede mehr sein. Morgen früh werde ich die Alte Mensa verlassen. Das soziale Experiment ist für mich beendet, alles Weitere werde ich irgendwann mit einem Lächeln betrachten können. Dem „AK Security“ sitzt der Schreck über den Verlauf des Plenums genauso in den Knochen wie mir. Wir haben jetzt aber eine Aufgabe zu erledigen. In den vergangenen Nächten hat es unerwünschte Gäste gegeben. Irgendwer erzählt, es seien Streifenwagen überall um die alte Mensa herum postiert, die Polizei warte nur auf einen Anlass, das Gebäude räumen zu können. Mir scheint, man nimmt sich wichtiger, als man wirklich ist.

Die Nacht bleibt ruhig. Wer noch nicht schläft, diskutiert in kleinen Grüppchen mit Fremden und Freunden. Nicht immer genderkorrekt aber ganz zivilisiert und respektvoll. Beinahe herrschaftsfrei.

Was danach geschah

Das Universitätspräsidium bot den Besetzern im Dezember an, statt der Alten Mensa einen ehemaligen Fahrradladen als Arbeits- und Präsentationsraum zu nutzen. Das Plenum lehnte ab, einige Studenten nutzten das Angebot. Hieraus ist die „Hochschulgruppe Bildungsinfo“ entstanden, die zusammen mit Markus den AStA bei den Planungen für eine Vollversammlung der Studierenden im April unterstützt.

Die verbliebenen Besetzer räumten kurz vor Weihnachten auf Verlangen das Präsidiums die Alte Mensa.

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