Hochschulpolitik – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Fri, 15 Dec 2017 14:44:10 +0000 de-DE hourly 1 Ein Wolf im Schafspelz? https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/ein-wolf-im-schafspelz/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/12/ein-wolf-im-schafspelz/#respond Mon, 04 Dec 2017 08:00:04 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=306419

In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist Homosexulität strafbar.

Es war ein gemütlicher Sommertag, endlich hatten die Semesterferien begonnen. Draußen schien die Sonne, mein frisch aufgebrühter Kaffee duftete köstlich und ich scrollte entspannt durch Facebook.

„Die Universität zu Lübeck kooperiert mit der Universität Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate)“. Fast verschluckte ich mich an meinem Kaffee, als ich diesen Post bei Facebook gelesen hatte. Ich klickte schnell den Bericht an und las mir die Pressemitteilung der Universität durch: Es war die Rede von „Kooperation und kontinuierlichem Austausch von Studierenden“. Ich hatte bis jetzt noch nichts davon mitbekommen, dass die Universität auch mit solchen Ländern Kooperationen eingeht. Vor allem sprach der Präsident von einem wichtigen Schritt zur Internationalisierung der Universität zu Lübeck – bisher war dabei immer nur die Rede von Dänemark. Dass die Universität kaum englische Kurse anbietet ist für ihre Internationalisierungsoffensive ziemlich sicher nicht förderlich, aber das nur am Rande. Ich vergrößerte das Bild, das zur Pressemitteilung geschossen wurde, und sieben mehr oder wenig ernste Gesichter schauten mich an. Sofort fiel mir auf, dass mal wieder nur Männer abgebildet wurden. Die Frauen der Universität Sharjah mussten wohl zuhause bleiben oder haben sich hinter der Kamera versteckt? Darüber kann man natürlich nur mutmaßen.

Der Gedanke von solch einer Kooperation ließ mich nicht los und mir schossen mehrere Gedanken gleichzeitig in den Kopf. Ist Homosexualität dort nicht illegal und wie sah das nochmal mit Frauenrechten aus?

Kurz in eine Suchmaschine die Wörter Homosexualität und Vereinigte Arabische Emirate eingetippt und sie spuckte mir etwa 400.000 Ergebnisse aus. Ein paar Stichworte: Illegal, Scharia, Todesstrafe, Verurteilung, und und und… Die Liste wurde immer länger.

Die ILGA, der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, ein weltweiter Dachverband von LGBTIQ* Organisationen, veröffentlicht jedes Jahr eine Weltkarte, auch „rainbow map“ genannt, die auf einen Blick die aktuelle Lage von LGBTIQ* Rechten auf der Welt abbildet. Die Vereinigten Arabischen Emirate blitzen dort noch immer hellrot auf. Im Index bedeutet das bis zu 14 Jahre Haftstrafe – beim Nachbarn Saudi-Arabien wird Homosexualität noch immer mit dem Tode bestraft. Na, da haben wir ja nochmal Glück gehabt.

Die Kooperationsvereinbarung mit der Universität Sharjah.Elena Vogt

Die Kooperationsvereinbarung mit der Universität Sharjah.

Auch bei den Frauenrechten gibt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten immer noch massive Diskriminierung in der Bevölkerung. Amnesty International, Human Rights Watch und das US State Dept. rügen sie deswegen. Es ist davon die Rede, dass die Vereinigten Arabischen Emiraten teilweise stark in die Privatsphäre der Bürger*innen eingreifen und „Frauen unter rechtlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung leiden“. Vor allem bei den Themen Ehe oder Scheidung, Erbschaften und Sorgerecht bestehen Ungerechtigkeiten, die rechtlich verankert sind.

Das Ganze mag so gar nicht dazu passen, dass die Universität erst letztes Jahr das „Diversity Audit“ gestartet hat und sich gerade mitten in diesem Prozess befindet. Dabei soll das Thema „Vielfalt gestalten“ im Vordergrund stehen und Strategien entwickelt werden, wie eine Universität das Thema Diversität bewältigen kann. Eine Kooperation mit solch einer Universität fällt meiner Meinung nach nicht darunter, aber ein Studierender an der Universität hat hier recht wenig Einflussnahme. In diesem Sinne „the money makes the world go round“!

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Von Solidarität und sich wehrenden Studenten https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-solidaritat-und-sich-wehrenden-studenten/ https://www.studentenpack.de/index.php/2014/11/von-solidaritat-und-sich-wehrenden-studenten/#respond Mon, 03 Nov 2014 08:45:50 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=212511 Bundesweite Proteste, Studenten-Streiks, Ordnungsverfahren – all das sieht man heutzutage auf dem Lübecker Campus nicht mehr. Aber das war mal anders: Die siebziger Jahre waren auch auf dem noch jungen Lübecker Campus eine allgemein- wie hochschulpolitisch lebhafte Zeit. Es ist die Zeit, in der Sebastian Stierl an der Medizinischen Hochschule Lübeck sein Studium absolviert. Zum Sommersemester 1976 wechselt er von Marburg hierher, weil er sich einen persönlicheren Kontakt mit den Lehrenden und mehr Zusammenhalt unter den Studenten wünscht. „Die Medizinische Hochschule Lübeck war gefühlt eher eine Dorfschule gegenüber der Lernfabrik in Marburg. Schließlich fand ich die alte Stadt und das nahe Meer reizvoll“, erläutert er seine Wahl. Der MHL bleibt er bis zum Abschluss seiner Promotion 1982 erhalten.

Sebastian Stierl (sitzend, 3. von rechts) war 1978 Vorsitzender des AStA.Sebastian Stier

Sebastian Stierl (sitzend, 3. von rechts) war 1978 Vorsitzender des AStA.

Die Frage, sich hochschulpolitisch zu engagieren, stellte sich für Sebastian Stierl gar nicht erst: „Für mich war es die Fortsetzung einer schon als Schüler politisch engagierten Haltung. Ein prägendes Erlebnis waren die Aktionen gegen BILD und den Springer-Verlag nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke Ostern 1968, an denen ich als 16-jähriger Schüler in Essen teilgenommen habe. Bis heute bin ich davon überzeugt, dass dieses Land die Katastrophe des Nationalsozialismus nicht verstanden hat. Die notwendigen Konsequenzen wurden unter dem Wiedererstarken des Kapitals erstickt, statt Bildung und Gerechtigkeit haben sich das Recht des Stärkeren und ein Raubbau an den Ressourcen ausgebreitet.“

Im Sommer 1977 führt er als AStA-Vorsitzender einen etwa 50 Studenten umfassenden Streik im Rahmen der bundesweiten Proteste gegen die Einführung des Praktischen Jahres als „Beschaffungsmaßnahme billiger Arbeitskräfte“ an, was für ihn nicht ohne Konsequenzen bleibt: Er wird als Rädelsführer ausgemacht und gegen ihn wird, um ein Exempel zu statuieren, das erste Ordnungsverfahren der Hochschule eingeleitet. Er berichtet: „In der auf Harmonie getrimmten Atmosphäre der MHL war der erstaunlich geschlossene Protest der Studenten eine Ungeheuerlichkeit. Dabei wurde ich vom Ordinarius der Orthopädie und Reserveoffizier Professor Henßge als Rädelsführer ausgemacht. Er veranlasste die Einleitung eines Ordnungsverfahrens, das immerhin die Relegation (Anm. d. Red.: Ausschluss vom Hochschulstudium) als stärkste Sanktion vorsah. Die Disziplinierungsaktion nach außen wurde parallel mit einem Stellenangebot nach dem Studium in seiner Orthopädischen Klinik verbunden(!). Letztlich ging es um Spaltung. Erreicht hat er damit das Gegenteil: als ihrem AStA-Vorsitzenden haben sich die Kommilitoninnen und Kommilitonen demonstrativ hinter mich gestellt. Letztlich musste ich das Ordnungsverfahren aber durch zwei Instanzen gegen die MHL juristisch ‚niederringen‘. Insgesamt eine aufregende Zeit, die mich besonders die Bedeutung von Solidarität gelehrt hat. Dabei war die Hochschulleitung keinesfalls ein geschlossener Block. Das Angebot einer Doktorarbeit durch Professor Horst Dilling war zum Beispiel eine demonstrative Sympathiebekundung.“

Es passt in eine Zeit, in der es auf dem Lübecker Campus sehr viel politischer als heute zuging. „Tatsächlich war die Zeit damals für Lübecker Verhältnisse recht lebhaft. Im Vergleich zu den wochenlangen Besetzungen des AStA-Büros an der Uni Marburg mit Polizeieinsätzen und großen Demonstrationen wirkte die MHL allerdings geradezu idyllisch. Aber immerhin: Ein neues Hochschulrahmengesetz wurde verabschiedet, das wir als massiven Angriff auf die Verfasste Studentenschaft mit ihren Organen Vollversammlung und Urabstimmung verstanden haben. Und immer wieder ging es um das ‚Politische Mandat‘ also die Möglichkeit, aus der Studentenschaft heraus auch allgemeinpolitische Stellungnahmen abzugeben, zum Beispiel zur Kernenergie oder zum Einfluss der Industrie auf die Wissenschaft durch die anwachsende Drittmittelforschung. […] Tatsächlich haben wir uns intensiv mit solchen hochschulpolitischen Fragen beschäftigt, endlose Debatten in den verschiedenen Gremien geführt und Wandzeitungen und Flugblätter verfasst. Das Ganze hat aber auch deshalb erstaunliche Kräfte freigesetzt, weil es in der Verbindung von Politik und Studium auch noch eine Kultur des Zusammenhalts gab, die sich zum Beispiel in tollen AStA-Feten ausdrückte.“

Sebastian Stierl sieht darin auch einen nachhaltigen Effekt: „Rückblickend habe ich schon den Eindruck, dass in der damaligen Ärztegeneration ein kritischeres Bewusstsein von der eigenen gesellschaftlichen Rolle entstanden ist. Bei dem einen oder anderen mag es dazu beigetragen haben, dass er sich später beruflich stärker politisch engagiert hat und die Verbindung von gesellschaftlichen Verhältnissen und Gesundheit etwas tiefgehender durchdrungen hat.“

Heute ist er ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik Lüneburg.Sebastian Stierl | StudentenPACK.

Heute ist er ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik Lüneburg.

Zu dieser nicht nur hochschulpolitisch brisanten Zeit bedeutete ein Studium in Lübeck gleichzeitig auch ein Studium an der innerdeutschen Grenze. Die DDR habe im alltäglichen Leben keine besondere Rolle gespielt, berichtet Stierl. Dennoch: „Beim Segeln auf dem Ratzeburger See waren einige Uferabschnitte tunlichst zu meiden! Der große Informationsmangel über die konkreten Lebensbedingungen in der DDR hat uns als Medizinstudenten besonders neugierig gemacht. Mit einigen Kommilitonen aus Lübeck und Kiel habe ich an einer mehrtägigen Exkursion des MSB-Spartakus (Anm. d. Red.: Marxistischer Studentenbund Spartakus) nach Neubrandenburg teilgenommen, bei der wir medizinische Einrichtungen besichtigten. Die größte Angst hatten wir damals bei der Rückkehr vor einem möglichen Berufsverbot in der BRD!“

Heute ist Sebastian Stierl Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik Lüneburg. Ab und zu kann man ihn aber noch immer in Veranstaltungen der Klinik für Psychiatrie als Gasthörer antreffen. Sein Fazit fällt ernüchternd aus: „Hier hat sich die Bedeutung des Sozialen spürbar verringert. Wissenschaftliche Fragestellungen, wie z. B. nach der Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen für schwerstkranke Patienten, der Gewaltvermeidung, der Reduzierung von Psychopharmaka oder der Stärkung der Psychotherapie bei der Behandlung von Schwerstkranken spielen aus meiner Sicht keine Rolle.“

Neben vielen Erinnerungen erhält er aber auch alte Bande aufrecht: „Zu einigen Kommilitonen habe ich heute noch einen guten Kontakt, eine Mitstreiterin aus AStA und StuPa sitzt jeden Morgen in der Frühkonferenz neben mir, wenn wir gemeinsam versuchen, die Psychiatrische Klinik in Lüneburg zu einem besseren Krankenhaus zu machen.“

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