Antje Jansen – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 01 Jul 2013 09:48:10 +0000 de-DE hourly 1 Das tägliche Klein-Klein https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/das-tagliche-klein-klein/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/das-tagliche-klein-klein/#comments Mon, 13 May 2013 11:00:16 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=137409
Die Parteien buhlen wieder um Bürgerschaftssitze.

[media-credit id=14 align="aligncenter" width="645"] Die Parteien buhlen wieder um Bürgerschaftssitze.

„Wir leben in einer Demokratie! Da dürfen wir nicht in eine Zuschauermentalität verfallen. Man ist aufgefordert zum Mitmachen. Das Mitmachen beinhaltet für die Bürger, sich zu informieren über die Wahlprogramme der Parteien“, drängt Anette Röttger, bildungspolitische Sprecherin und Kreisvorsitzende der CDU in Lübeck, auf mehr Beteiligung am politischen Leben. Vor allem in Zeiten von Wahlen werden wir Bürger oft daran erinnert, wie wichtig es ist, dass wir unser Wahlrecht ausnutzen und demokratische Parteien wählen. So also auch jetzt. Am 26. Mai ist wieder Kommunalwahl. In Lübeck sind 175.000 Bürger dazu aufgerufen, ihre Vertreter in die Bürgerschaft zu wählen.

Die Bürgerschaft, das unbekannte Wesen

Die Bürgerschaft ist die Vertretung der Lübeckerinnen und Lübecker im Rathaus. Sie entscheidet über alle kommunalpolitischen Themen, wie zum Beispiel den Lübecker Haushalt, städtische Bauvorhaben und Kindergärten. „Man besucht um die acht Sitzungen im Jahr, diese müssen natürlich vor- und nachbereitet werden“, berichtet Oliver Dedow von den Piraten. Die Bürgerschaft besteht normalerweise aus 49 Mitgliedern. Aufgrund von Überhangmandaten und durch den Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde waren es in der vergangenen Legislaturperiode 60 Mitglieder. Insgesamt zehn verschiedene Parteien, Wählerbündnisse und zusätzlich parteilose Mitglieder sind gewählt. „Hier kann man die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hautnah vertreten. Man ist mit den Bürgerinnen und Bürgern hautnah in Kontakt“, freut sich Antje Jansen von der Partei LINKE. Die Bürgerschaft macht die Politik für das tägliche Geschehen in Lübeck.

Kommunalpolitische Ämter sind Ehrenämter. Insgesamt 15 bis 20 Stunden verbringe ein Kommunalpolitiker mit seinem Ehrenamt, meint Antje Jansen. Auch CDU-Frau Anette Röttger berichtet: „Die Kommunalpolitik fordert mich täglich ein.“ Die Mitglieder der Bürgerschaft bekommen zwar Aufwandsentschädigungen für ihre Tätigkeit, aber es gibt auf der kommunalpolitischen Ebene keine Berufspolitiker. „Da gehört ja auch einiges dazu, nicht nur die Teilnahme an Sitzungen. Da ist auch viel drum herum. Man geht mal zu Bürgerverbänden, setzt sich in andere Ausschüsse oder recherchiert“, berichtet Oliver Dedow. Insgesamt trifft sich die Bürgerschaft etwa einmal im Monat zu ihrer Sitzung, dort wird dann über Beschlüsse, die vorher in den diversen Ausschüssen gefasst wurden, beraten und abgestimmt.

In diesen 18 Ausschüssen beraten „Fachleute“ über den jeweiligen Fachbereich. Einige Themenbereiche sind Finanzen, Schule und der Kurbetrieb in Travemünde. Für die Vorbereitung der Bürgerschaftssitzungen gibt es zusätzlich den Hauptausschuss, der koordiniert, welche Themen in der nächsten Sitzung besprochen werden. Fasst einer der Ausschüsse einen Beschluss, wird dieser in der Bürgerschaft vorgestellt und dort wird endgültig darüber abgestimmt. Allerdings kann es vorkommen, dass die Mehrheit in der Bürgerschaft den Ausschüssen nicht zustimmt. „Die Ausschüsse müssten viel mehr Entscheidungskompetenz haben, in der Bürgerschaft sollten diese Beschlüsse nur noch durchgewunken werden. Es kann nicht sein, dass Fraktionen anders abstimmen als ihre Vertreter es vorher im Ausschuss getan haben“, beschwert sich Pirat Oliver Dedow über die aktuelle Situation in der Bürgerschaft. „Die Ausschusssitzungen sind wirklich uninteressant. Das muss man einfach so sagen“, beklagt sich Timon Kolterjahn von der FDP, der sich sicherlich auch mehr Kompetenzen in den Ausschüssen wünschen würde. Kommunalpolitik kann somit auch frustrierend sein.

Einstieg in die Politik

Warum sind trotzdem einige Lübeckerinnen und Lübecker motiviert, sich in die Bürgerschaft wählen zu lassen? SPD-Mann Jan Lindenau kann da eine sehr konkrete Motivation angeben: „Mein damaliger Grund war der Anschlag auf die Lübecker Synagoge. Ich hatte das Gefühl, dass man sich mehr einbringen muss, um die Demokratie, die Freiheit und auch das Gemeinwohl weiter zu stärken, damit es keinen Nährboden gibt für rechtsradikale Tendenzen.“ Er engagierte sich zuerst überparteilich und später parteigebunden. Heute, 16 Jahre später, ist Lindenau Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und auch Vorsitzender des Finanzausschusses. Im Jahre 2011 ist Lindenau als Nachrücker in die Bürgerschaft eingezogen.

Der ’86 geborene Politikwissenschaftsstudent Timon Kolterjahn von der FDP fühlt sich zu Höherem berufen. „Kommunalpolitik ist der Einstieg in die Politik“, erklärt Kolterjahn. Außerdem glaubt er, auf der kommunalen Ebene eher etwas verändern zu können. Ähnlich sieht das auch die 63 Jahre alte Erzieherin Antje Jansen, die bis 2012 für die LINKE im Schleswig-Holsteinischen Landtag und gleichzeitig Bürgerschaftsabgeordnete in Lübeck war. „Ich finde Kommunalpolitik bringt mehr Spaß, weil man da näher am Bürger ist“, resümiert sie ihre Zeit in der Landespolitik. „Da kann man über Themen entscheiden, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Es bringt Spaß, da man Erfolge hat“, freut sie sich.

Etwas politisch umzusetzen war auch der Gedanke, als Anette Röttger sich 2008 entschied, zum ersten Mal für die Bürgerschaft zu kandidieren. Die Mutter von drei Kindern engagierte sich bereits über Jahre hinweg im vorpolitischen Umfeld. Als aktives Mitglied im „Landfrauen“-Verein stieß sie immer wieder auf Themen, die sie ändern wollte. „Vor wenigen Jahren wurde ich dann aufgefordert, genau dies zu tun, unsere Wünsche politisch umzusetzen und mich für die Bürgerschaft aufstellen zu lassen.“ Seitdem sitzt sie in der Bürgerschaft und freut sich, dass sie sich im Bereich Bildungs- und Schulpolitik verwirklichen kann. „Mit drei schulpflichtigen Kindern bin ich gerade in diesem Thema sehr fit“, begründet die bildungspolitische Sprecherin der CDU Lübeck ihre Schwerpunktwahl. Gerade im Bildungsbereich sind Landes- und Kommunalpolitik sehr verzahnt. Die Stadt ist Schulträger und daher zuständig für die Schulgebäude sowie Hausmeister und Schulsekretärinnen, während die inhaltlichen Fragen im Landtag besprochen und geklärt werden. An dieser Stelle, aber auch bei anderen Themen, wird Kommunalpolitik häufig mit Landespolitik verwechselt. „Da ist es unsere Aufgabe, den Unterschied darzustellen, aber die Anliegen der Bürger auch in die Landes- und Bundesebene zu tragen“, verspricht Silke Mählenhoff.

Mählenhoff kandidiert in diesem Jahr zum ersten Mal für die Bürgerschaft in Lübeck. Obwohl sie seit dreizehn Jahren in Lübeck wohnt, war sie bisher im Grünen-Kreisverband Ostholstein engagiert, da sie auch dort in einem Jobcenter arbeitet. Ein kommunalpolitisches Amt konnte sie dort allerdings nicht bekleiden, da man das nur an seinem Wohnort kann. So kam die Hobby-Politikerin zu den Lübecker Grünen. „Da sich die Lübecker Grünen momentan personell umstrukturieren, passte es insofern ganz gut, dass ich mich jetzt hier engagiere“, freut sich die Umweltfreundin. Mählenhoff ist schon seit gut 25 Jahren für die Umwelt und den Umweltschutz aktiv. Ihr Engagement möchte sie auch in der Lübecker Bürgerschaft weiterführen. „Zu meinen Themen wird der Ausbau des Radwegnetzes in Lübeck gehören, dazu kommen Themen wie die Kläranlage und die Deponie in Ihlendorf. Da müssen wir für den Umweltschutz eintreten.“ Doch nicht nur auf kommunale Themen werden Kommunalpolitiker des Öfteren angesprochen, häufig ist der Unterschied zur Landespolitik den Bürgerinnen und Bürgern nicht direkt geläufig. „Das passiert häufig wenn man in der Breiten Straße steht“, empfindet Anette Röttger (CDU). Neben dem Thema Bildung ist die Steuergesetzgebung einer der Schwerpunkte, bei denen Kommunalpolitiker wenig Macht haben. Der Haushalt sei, so Oliver Dedow (Piraten), zu 90 Prozent vorgegeben, mit den restlichen zehn Prozent könne man arbeiten.

Die Themen, die eigentlich nicht in die Kommunalpolitik gehören, werden trotzdem auch in der Bürgerschaft diskutiert. „Da wird über viele Sachen gesprochen, die in Lübeck gar nicht umsetzbar sind. Vieles ist für eine Bürgerschaft auch eigentlich gar nicht relevant. Da müsste man viel mehr differenzieren“, behauptet Timon Kolterjahn und erinnert sich an eine Resolution der Lübecker Bürgerschaft gegen die Todesstrafe vor zwei Jahren. Wie Resolutionen funktionieren erklärt Antje Jansen (LINKE): „Mit einer Resolution beauftragen wir dann den Bürgermeister, sich im Landtag oder im Bundestag für die und die Fragen einzusetzen. Der Bürgermeister schickt das an den Bundestag, dann wird gesagt, dass sie es bekommen haben, aber nichts daran ändern. Die entscheidenden Fragen werden auf der Bundes- und Landesebene behandelt.“ Timon Kolterjahn resigniert: „Das kann in Lübeck ausgesprochen werden, landet dann aber im Ministerium in Kiel in irgendeiner Schublade.“

Streiten und Entscheiden

Über die verbleibenden kommunalen Themen kann man sich trotzdem vorzüglich streiten. „Am meisten gestritten wurde über die Finanzen. Ob man jetzt dem Konsolidierungskurs zustimmt, wo man kürzt, wo man spart, wo es Mehreinnahmen geben kann“, berichtet Antje Jansen aus den letzten fünf Jahren in der Bürgerschaft. „Die weitere Rekordverschuldung der Stadt ist eine ganz fatale und traurige Entwicklung“, findet Anette Röttger (CDU). Darin sind sich die Bürgerschaftler parteiübergreifend einig. „Juristisch ist es nämlich so, dass Gesellschaften und Privatpersonen eine Insolvenz eingehen können, Lübeck kann das nicht. Das ist eine rechtliche Vorgabe, vielleicht kann man da auf Bundesebene etwas ändern“, erklärt Oliver Dedow von der Piratenpartei die Rechtslage. Dedow arbeitet eigentlich in einer Kanzlei als Rechtsanwalt und hat sich auf Straf- und Verkehrsrecht spezialisiert. „Wir wollen den Bürgerhaushalt, damit sich die Bürger einbringen können. Es ärgert mich ungemein, dass die Bevölkerung so viele Ideen hat, die zu Hause oder am Stammtisch formuliert werden, die aber nicht ins Rathaus gelangen, weil es dafür keine Plattform gibt.“ Vielleicht braucht es einen neuen Ansatz. Die Stadt hat aktuell 1,3 Milliarden Euro Schulden mit einer jährlichen Neuverschuldung von rund 80 Millionen Euro. Das Konzept eines Bürgerhaushalts beinhaltet, dass sich die Bürger aktiv an Finanzentscheidungen beteiligen können. Dieses Projekt wird in Schleswig-Holstein bereits in einigen Kommunen ausgetestet. Für Lübeck wurde allerdings noch kein funktionierendes Konzept entwickelt. Mit dieser Idee können sich auch die Parteien SPD, LINKE und Grüne anfreunden. „Finanzpolitische Entscheidungen […] werden wir im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern treffen“, verspricht Jan Lindenau (SPD). Er arbeitet hauptberuflich in einer Bank und verbringt so sehr viel Zeit mit Zahlen. „Der Haushalt wird immer ein Thema bleiben.“

Zersplitterung und Fluktuation

Entscheidungsfindung ist in der aktuellen Bürgerschaft schwierig. Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Klausel für Kommunalwahlen abgeschafft. Deshalb kam es zu einer Splitterung der Lübecker Bürgerschaft. In der letzten Legislaturperiode waren zehn verschiedene Parteien vertreten. Jetzt kandidieren elf Listen. Eine Partei braucht bei 49 vorgesehenen Sitzen für einen Sitz in etwa zwei Prozentpunkte. CDU-Frau Röttger mahnt an: „Wir brauchen keine Splitterungen oder kurzfristigen Aktionismus. Wir brauchen den weiten Blick und im Grunde genommen die längerfristigen Perspektiven.“ Die Zersplitterung frustriert auch Jan Lindenau: „Es können keine verlässlichen Mehrheiten gebildet werden, die für verantwortungsvolle Politik zwingend erforderlich sind. Ständig gibt es wechselnde Positionen bei den kleineren Wählergemeinschaften. Setzt sich ein Mitglied einer Wählervereinigung mit seiner Ansicht nicht durch, gründen sich neue Fraktionen und Wählervereinigungen.“ Ganz anders sieht dies naturgemäß Pirat Dedow. „Als kleine Fraktion, oder auch als Parteiloser habe ich die Möglichkeit, auf […] Missstände aufmerksam zu machen, und kann Ideen einbringen.“ Dedow entschloss sich vor einigen Jahren, einen neuen Bürgerverband mit einigen Mitstreitern zu gründen, die „Bürger für Lübeck“ (BfL). Für diese Fraktion ist er 2009, nachdem eins der gewählten Fraktionsmitglieder aus Lübeck wegzog, in die Bürgerschaft eingezogen. Mittlerweile hat Dedow die BfL verlassen und ist bisher als Parteiloser in der Bürgerschaft. „Ich bin da momentan noch als Einzelkämpfer unterwegs, hoffe aber, dass wir nach der Wahl eine richtige Fraktion werden.“ Die Mitglieder einer Partei, die in die Bürgerschaft gewählt wurden, werden zur Fraktion, sobald sie mit mehr als drei Personen gewählt wurden.

Hier finden die Bürgerschaftssitzungen statt.

[media-credit id=16 align="aligncenter" width="645"] Hier finden die Bürgerschaftssitzungen statt.

Zusätzlich zur Splitterung der Parteienlandschaft ist auch die große Fluktuation an Abgeordneten ein Problem, in den letzten fünf Jahren wurden mehr als ein Drittel der Mitglieder ausgetauscht. Scheidet eine Person aus der Bürgerschaft aus, rückt der nächste auf der Liste nach, so auch Jan Lindenau und Oliver Dedow. Die Fraktionen bekommen dann von der Stadt einen gewissen Etat und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Insgesamt bekommen die Fraktionen zusammengerechnet 770.000 Euro von der Stadt. Dieses Geld wird zwischen den Fraktionen anhand der Mehrheitsverteilungen in der Bürgerschaft aufgeteilt. Die Fraktionen bezahlen von diesem Geld beispielsweise ihre Fraktionsgeschäftsführer. Dedow ist der Meinung, dass das zu viel Geld sei und möchte auf Missstände hinweisen: „Die Fraktion der Piratenpartei im Landtag hat das Geld, das übrigblieb von dem erhaltenen Fraktionsgeld, an das Land zurückgegeben. Das kommt bei anderen Parteien nicht so häufig vor. Da wird lieber noch eine Ausfahrt geplant.“

Doch was geht das ganze Diskutieren, Streiten und Beschließen nun Studenten an? Die meisten Studenten wohnen in Lübeck und sind hier wahlberechtigt. Aber ist Kommunalpolitik wirklich so wichtig für uns? Was wird da entschieden, das uns tatsächlich angeht? „Wo finde ich eine günstige Wohnung? Ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die Sie sich stellen müssen, oder?“, beantwortet Silke Mählenhoff von den Grünen diese Frage. In den letzten Jahren hat die Stadt größtenteils Eigentumswohnungen bauen lassen. In den nächsten fünf Jahren werden sich die Fraktionen dafür einsetzen, dass auch der soziale Wohnungsbau weitergeführt wird. Auch die Linken-Politikerin Jansen sieht dies genauso. Sie wirbt dafür, dass sich auch Studenten in der Kommunalpolitik einsetzen sollten. „In den einzelnen Parteien der Bürgerschaft gibt es zu wenig junge Leute, die vielleicht auch das ganze Geschehen in der Bürgerschaft umkrempeln könnten. Im Durchschnitt sitzen dort ja immer noch die Älteren.“ Jansen hält es auch für wichtig für Lübeck, dass es viele Studenten gibt. Sie ist noch immer beeindruckt von der „Lübeck kämpft“-Aktion im Sommer 2010. Auch die Frage nach Arbeitsplätzen ist für Studenten interessant. Einmal während des Studiums, aber auch danach. „Wir als CDU sind in dieser Hinsicht auch sehr bestrebt, dass wir hier in Lübeck auch bezahlte Arbeitsplätze schaffen“, erklärt Anette Röttger die Pläne ihrer Partei für die nächsten fünf Jahre. Die Bürgerschaft möchte Lübeck als Wissenschaftsstandort weiterhin stärken. Auch „Lübeck kämpft“ ist immer noch ein Thema für die Kommunalpolitiker. Die Kreativität und der Ideenreichtum der Studenten haben die Bürgerschaft beeindruckt. „Ich hätte gerne mehr von der Uni hier in der Stadt und vielleicht auch mehr von der Stadt in der Uni“, wirbt Grünenpolitikerin Mählenhoff für die Vernetzung von Uni und Stadt. Auch die Lübecker Schulen sollen mehr mit der Universität vernetzt sein.

Weitere Themen, die für Studenten relevant sind, sind wohl der Busverkehr, der ausgeweitet werden soll. Vielleicht wird es weitere Bahnstationen zusätzlich zu dem Bahnhof in St. Jürgen geben. Für Studenten mit Kind ist es wichtig, dass die Bürgerschaft sich für eine bessere und flexiblere Kinderbetreuung einsetzen will.

Mehr Transparenz für Lübeck

Weiterhin wird es in Lübeck um Transparenz in der Politik gehen. Die Piraten fordern bekanntermaßen schon lange eine öffentlichere Politik. Das Konzept wird auch „gläsernes Rathaus“ genannt. „Es wäre vielleicht einfacher für den Bürger, die Kommunalpolitik zu verstehen, wenn er den Politikern auch mal über die Schulter schauen könnte”, motiviert Pirat Dedow. Ein Schritt in diese Richtung ist das neue Bürger- und Ratsinformationssystem „Allris“. Das ist ein Internetportal, auf dem Informationen wie Verwaltungsvorlagen und politische Beschlüsse zur Verfügung gestellt werden. „Das sollte noch viel mehr ausgeweitet werden“, findet FDP-Kandidat Timon Kolterjahn. Einige der Parteien möchten sich dafür einsetzen, dass die Bürgerschaftssitzungen per Livestream im Internet übertragen werden. Durch Bookmarks können dann die Diskussionen über bestimmte Themengebiete findbar gemacht werden. „Von Bürgerbeteiligung halte ich sehr viel“, bestätigt auch Silke Mählenhoff (Grüne), „das finde ich sehr kostbar.“ Im Zeitalter des Internets werde man da eine Lösung finden können.

Dies ist auch nötig, denn der Mehrheit der Kommunalpolitiker fällt es gerade zu Wahlkampfzeiten auf, dass die Bürger nicht ausreichend informiert sind über das, was im Rathaus vorgeht. „Es kommt ja immer viel Protest, wenn es um Kürzungsgeschichten geht, wie Privatisierung oder sowas, dann gibt es immer einen großen Protest vor dem Rathaus“ sagt Antje Jansen (LINKE). „Ich höre leider in der Bevölkerung eine Verbitterung gegenüber der Politik. Ich mag mich manchmal schon gar nicht outen als Politiker, es käme häufig besser an, wenn ich Sportler wäre. Ich bitte aber alle anderen, dort mitzumachen und ihre Ideen einzubringen“, ruft Oliver Dedow von der Piratenpartei auf.

Die Frage ist nun, wer zieht eigentlich die Fäden in der Kommunalpolitik und wie viel Macht haben die gewählten Vertreter? „Der Souverän ist das Volk. Wir Politiker geben den Auftrag an die Verwaltung, etwas auszuarbeiten oder umzusetzen“, glaubt Silke Mählenhoff. Doch die Kandidaten, die bereits Mitglieder in der Bürgerschaft waren, sehen dies etwas anders. „Bürgerschaftsbeschlüsse werden durch die Verwaltung, möglicherweise aufgrund von Bearbeitungsvorgängen, anders mit Priorität versehen, als die Bürgerschaft sich dies wünscht.“, berichtet Jan Lindenau aus seinen Erfahrungen. Anette Röttger von der CDU sieht dies nicht ganz so eng: „Die Hauptverwaltung ist die hauptamtlich arbeitende Ebene, während die kommunalpolitische Ebene immer ehrenamtlich bleiben wird. Es ist nicht vorgesehen, dass die Kommunalpolitiker die Verwaltungsvorlagen erstellen sollen. Das würde auch nicht funktionieren.“ Auch Timon Kolterjahn von der FDP sieht die Situation kritisch: „Eigentlich müssen die gewählten Vertreter das alles beeinflussen. Mittlerweile ist der Spielraum sehr stark eingeschränkt.“ Er beschwert sich weiterhin, dass es nicht sein könne, dass die Verwaltung selbstständig entscheide und daraufhin die Politik gezwungen sei, einen Nachtragshaushalt einzureichen. „Das sind Sachen, die müssen schleunigst unterbunden werden.“ „Es gibt schon mal ein Kräftemessen zwischen Verwaltung und Politik“, sagt Jan Lindenau (SPD). „Wenn wir beispielsweise in die Finanzen mal hineinschauen wollen, wird das immer gleich boykottiert“, so Antje Jansen, die parteiübergreifend dazu aufruft, die Initiative zu ergreifen: „Der Bürgermeister steht der Verwaltung vor und der muss geknackt werden!“

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Interview mit Antje Jansen (DIE LINKE) https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/interview-mit-antje-jansen-die-linke/ https://www.studentenpack.de/index.php/2013/05/interview-mit-antje-jansen-die-linke/#respond Sat, 11 May 2013 22:00:02 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=139617 „Ich komme aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung.“

LINKE SH

StudentenPACK: Frau Jansen, Sie haben für die Landtagswahl kandidiert, sind aber nicht in den Landtag gekommen. Ist das richtig?

Antje Jansen: Ja, aber wir sind nicht reingekommen.

PACK: Was haben Sie seitdem gemacht? Wir haben ja zur Landtagswahl mit Ihnen gesprochen. Was ist denn seitdem passiert?

Jansen: Ich war ja immer schon, trotz meines Landtagsmandates, hier Bürgerschaftsabgeordnete. Gott sei Dank sag ich da jetzt mal, dass ich das nicht niedergelegt hatte. Wenn ich in den Landtag gekommen wäre, hätte ich mein Mandat hier niedergelegt und hätte auch nicht wieder kandidiert.

Was habe ich gemacht? Ich habe die Kommunalpolitik weitergemacht. War ja auch klar, ich bin ja hier Fraktionsvorsitzende. Die Politik hier in der Stadt geht weiter. Beruflich habe ich Übergangsgeld bekommen. Man kriegt noch 7 Monate oder 18 Monate glaube ich Übergangsgeld. Das bekomme ich noch.

PACK: Also waren Sie hauptberuflich Politikerin?

Jansen: Im Landtag ist man hauptberuflich Politiker. Hier ist es ehrenamtlich, aber im Landtag ist man hauptberuflich.

PACK: Macht Ihnen die Kommunalpolitik Spaß? Ist das schön für Sie?

Jansen: Ich habe jetzt auch die Erfahrung im Landtag gemacht. Ich finde Kommunalpolitik bringt mehr Spaß, weil man da näher am Bürger ist. Hier kann man die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hautnah vertreten. Man ist mit den Bürgerinnen und Bürgern hautnah in Kontakt. Das ist man im Landtag nicht. Da geht es mehr um größere Projekte im Landtag, dann trifft man mal einen Verein oder einen Verband, aber im Grunde genommen ist Landtagspolitik viel anonymer.

PACK: Wie soll man sich das vorstellen, wenn man in der Bürgerschaft Mitglied ist, wenn man dort gewählt ist. Was bedeutet das? Was muss man da alles tun?

Jansen: Erstmal ist einmal im Monat Bürgerschaftssitzung. Die müssen wir wahrnehmen. Darin gibt es Ausschüsse. Je nach dem, in welchem Ausschuss wir sind, müssen wir das wahrnehmen. Und dann geht es ja auch darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger vertreten. Wir werden häufig zu Vereinen, Verbänden und Initiativen eingeladen. Dann gibt es Gespräche. Es gibt Gespräche mit Personalräten. Dann gibt es Gespräche mit Vereinen, Verbänden, und dann repräsentative Sachen. Es ist schon, wenn man es ganz ernst nimmt, und alles wahrnimmt, ehrenamtlich neben der Arbeit, sind es in der Woche bestimmt 15-20 Stunden. In meiner Freizeit.

PACK: Was machen Sie beruflich?

Jansen: Ich bin Erzieherin. Ich werde ja auch wieder arbeiten. Ich bin Erzieherin und arbeite in einem Naturkindergarten.

PACK: Auch hier in Lübeck?

Jansen: Hier in Lübeck, in Kücknitz.

PACK: Was waren in den letzten fünf Jahren die großen Themen in der Bürgerschaft und worüber wurde sich am meisten gestritten?

Jansen: Am meisten gestritten wurde sich über die Finanzen. Ob man jetzt dem Konsolidierungskurs zustimmt, wo man kürzt, wo man spart, wo es Mehreinnahmen geben kann. Das war eines der größten Streitthemen. Das nächste Streitthema war Bau. Also der Bau auf den Wallanlagen. War ein großes Streitthema. Ein großes Streitthema war, dass wir 60.000 Euro bekommen haben für kostenlose Verhütungsmittel. Das war auch hier ein großes Streitthema, jedenfalls für die Opposition. Der Bau und Straßenverkehr, das sind immer die großen Streitthemen. Und dass wir die Bettensteuer eingeführt haben für die Hoteliers, das war ein großes Streitthema.

PACK: Was wird jetzt in den nächsten fünf Jahren wichtig sein, also für die nächste Legislaturperiode?

Jansen: Mit Sicherheit den Konsolidierungskurs zu bestimmen. Also sie müssen jetzt wieder weiter kürzen. Ich denke mir, dass Finanzen noch eine der wichtigsten Fragen bis 2015 sein werden, weil da die nächsten Kürzungsprojekte anstehen in den nächsten Haushalten. Das wird ein großes Thema werden. Ein großes Thema wird auch sein, dass wir Lübeck als soziale Stadt erhalten.

PACK: Wären Sie dafür, dass die Bürger den Haushalt mitbestimmen dürfen?

Jansen: Also wir haben vor fünf Jahren einen Bürgerhaushalt gefordert. Wir fordern ihn immer noch. Wir haben auch einen Antrag hier in die Bürgerschaft reingetragen. Diesen Antrag in der Bürgerschaft, ein Konzept für einen Bürgerhaushalt zu erstellen, haben wir auch bekommen, aber aufgrund der ganzen Kosten hat die Mehrheit der Bürgerschaft dies abgelehnt. Wir sind immer noch für einen Bürgerhaushalt. Ich finde das immer noch sinnvoll. Man hat ja auch gesehen, dass Bürgerinnen und Bürger hier Vorschläge gemacht haben für den Haushalt, die dann hinterher im Finanzausschuss debattiert wurden, die aber gar nicht ernstgenommen wurden. Es gibt schon andere Kommunen, die bereits Bürgerhaushalte haben. Und dann müsste man hier Stadtteilkonferenzen machen, man müsste das ganz anders aufziehen, als zu sagen liebe Bürgerinnen und Bürger, über Internet dürft ihr jetzt ein paar Vorschläge machen und die Vorschläge werden dann hinterher von uns mal angeschaut oder abgestimmt. Das ist keine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Ich hoffe, dass wir es in der nächsten Legislaturperiode schaffen, wenn auch die Piraten mit hineinkommen, dass wir dann eine größere, stärkere Macht sind und den Bürgerhaushalt durchsetzen können.

PACK: Haben Sie das Gefühl, dass die Bevölkerung weiß, was im Rathaus passiert?

Jansen: Diejenigen, die Zeitung lesen, diejenigen, die das über Internet oder den offenen Kanal verfolgen. Aber ich glaube, der Rest der Bürgerinnen und Bürger bekommt es gar nicht mit, was im Rathaus los ist. Die Ausschüsse sind ja öffentlich, aber so viel Publikum kommt da gar nicht. Die Bürgerschaftssitzungen sind auch öffentlich, aber dann kann man da oben sitzen und zuhören und sich nicht beteiligen. Ich denke mir auch, es kommt ja immer sehr viel Protest, wenn es um Kürzungsgeschichten geht, wie Privatisierung oder sowas, dann gibt es immer einen großen Protest vor dem Rathaus. Oder als die Feuerwehrleute einen höheren Etat wollten. Dann kriegt man das ein bisschen mit. Wenn jetzt irgendwo was gebaut wird oder ein Baum gefällt wird, dann kriegen die Bürgerinnen und Bürger das mit, aber ansonsten nicht. Und deshalb fordern wir auch Ortsbeiräte. Wir fordern die schon von Anfang an, da hatten wir auch einen Antrag in der Bürgerschaft. Ich bin zum Beispiel Kielerin, ich weiß, wie das ist. Ich komm aus Kiel und da gibt es ja schon immer Ortsbeiräte und ich weiß, dass durch die Ortsbeiräte in den einzelnen Stadtteilen die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden. Ich denke mir, dann erst werden die Bürgerinnen und Bürger auch mitkriegen, was in der Bürgerschaft los ist.

PACK: Wie viel Entscheidungskompetenz würde so ein Ortsbeirat haben?

Jansen: Die Bürgerschaft müsste das entscheiden. Ein Ortsbeirat kostet ja auch Geld, ca. 220.000 Euro im Jahr. Für alle Ortsbeiräte, nicht nur für Travemünde, aber für Demokratie muss man auch Geld ausgeben. Man merkt auch, der Schulgarten soll verkauft werden, privatisiert werden und schwupps kommen Bürgerinnen und Bürger und sammeln Unterschriften. Oder mit der Brücke Reecke: Es gibt Proteste. Wenn es Proteste gibt, dann reagiert die Politik erst und ich denke mir, wenn man die Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligt, dass man dann auch mehr Transparenz und Bürgernähe hat.

PACK: In der letzten Legislaturperiode waren glaube ich zehn verschiedene Fraktionen in der Bürgerschaft. Haben Sie das Gefühl, dass dies kontraproduktiv für die Entscheidungsfindung war oder dass dadurch mehr Meinungen auftreten konnten?

Jansen: In der Öffentlichkeit wird dies ja immer als sehr negativ beurteilt. Wir haben aber keine Fünfprozenthürde mehr. Weil wir keine Fünfprozenthürde mehr haben, und das finde ich auch gut so, kommen natürlich auch mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch engagieren wollen. Man kann ja nur eine Partei oder Wählergemeinschaft gründen, um überhaupt hier hereinzukommen. Ich finde das eigentlich ganz gut, dass nicht die großen Volksparteien, die immer schon hier drin gewesen sind, dass die immer die Platzhirsche sind und wieder reingewählt werden und kein anderer hat eine Chance hereingewählt zu werden. Das hat auch ein Stück Demokratieverständnis, wenn eine Wählergemeinschaft sagt, mir gefällt die Politik der CDU nicht, das ist uns zu mittelständisch, zu rechtslastig oder zu bürgerlich. Wir würden den Mittelweg finden, sind aber bei den Linken oder Grünen oder der SPD auch nicht so richtig aufgehoben. Das finde ich eigentlich ganz gut. Eigentlich, muss ich jetzt mal sagen, hat das auch gar nicht gestört. Ich finde, dadurch ist das Parlament auch ein bisschen lebendiger geworden. Ich war ja auch schon einmal für die Grünen in der Bürgerschaft. Da saßen nur CDU, SPD und die Grünen in der Bürgerschaft, drei Parteien. Da war das natürlich alles wesentlich schneller abgehandelt. Da gab es nicht so einen großen Meinungsaustausch. Die Alteingesessenen meinen immer, dann müsste es immer die Mehrheiten geben und dann müsste man immer eine feste Kooperation machen, die haben wir hier auch zweieinhalb Jahre gemacht. Aber wir sind vor fünf Jahren auch einmal angetreten mit wechselnden Mehrheiten, wie wir es jetzt bei der Sporthalle in Travemünde gemacht haben. Da gab es Mehrheiten von CDU, FDP, Wählergemeinschaften, Linken und Grünen für den Bau einer Turnhalle in Travemünde. Das hat natürlich die SPD gestört. Die haben herumgewettert, weil sie nicht diejenigen waren, die entschieden haben, aber ich finde, wir müssen uns auch in unserem Politikverständnis ein bisschen verändern, dass auch andere, auch kleinere Wählergemeinschaften oder Einzelpersonen nachher in der Bürgerschaftssitzung ihre Meinung sagen können. Das finde ich ganz gut.

PACK: Was motiviert Sie, Politik zu machen?

Jansen: Ich bin ja schon ein bisschen älter. Ich bin 63 Jahre alt. Ich habe schon seit meiner frühen Jugend Politik gemacht. Ich habe in der Friedensbewegung angefangen. Ich war in der Frauenbewegung, in der Anti-AKW-Bewegung. Da bin ich auch erst so richtig motiviert gegen Atomkraftwerke aufgetreten. Vor 30 Jahren habe ich das erste Mal richtig auf der Straße gestanden. Diese ehrenamtliche Initiativarbeit in Vereinen und Verbänden oder kleinen Vereinigungen hat mich dann auch motiviert zu sagen, man muss auch einen Schritt weitergehen. Man muss dann auch sagen, ich gehe jetzt mal in die Bürgerschaft oder in einen Ausschuss, um was mitentscheiden zu können, meine Meinung zu sagen, um auch die Gesellschaft ein bisschen zu verändern. Es bringt auch Spaß, weil man gerade in der Kommunalpolitik auch Erfolge erzielen kann. Nicht so wie im Landtag, wo ganz klar ist, die und die stimmen dafür, dann gibt es eine Regierung, das ist schon total klar, die kann man gar nicht mehr umstimmen. Höchstens in einigen Nuancen kann man da was verändern. Hier in der Kommunalpolitik kann man sich mit seinen Anträgen durchsetzen. Man kann die Richtung einer Stadt mitentscheiden. Politik beginnt vor der Haustür, da kann man entscheiden, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt. Es bringt Spaß, da man Erfolge hat.

PACK: Also ist Politik Ihr Hobby oder haben Sie noch andere Freizeitbeschäftigungen?

Jansen: Ich mache noch andere Sachen. Ich gehe gerne ins Kino. Ich habe einen großen Freundeskreis. Ich stricke und nähe gerne. Ich mache gerne Gartenarbeit. Aber die Politik, die ich ehrenamtlich in meiner Freizeit mache, frisst natürlich auch viel an eigener Freizeit. Das ist schon eine Überlegung. Man muss sich dann auch ein bisschen freischaufeln, um zu sagen, ich lass den Termin jetzt mal ausfallen und gehe ins Kino oder treffe mich mit Freunden oder ich fahre jetzt mal Fahrrad am Wochenende. Das muss man irgendwie auch hinkriegen.

PACK: Was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre? Was würden Sie gerne erreichen?

Jansen: Wir wollen erreichen, dass die Bereiche Soziales, Kultur und Bildung so erhalten bleiben wie jetzt. Dass dort keine Kürzungen stattfinden, dass es weiter entwickelt wird. Ganz wichtig ist, dass wir bezahlbaren Wohnraum bekommen. Grade auch Studentenwohnungen, also das auch für die Studierenden hier gebaut wird. Aber auch für die Menschen, die wenig Geld haben oder ein mittleres Einkommen haben, dass die sich hier auch die Mieten leisten können. Wir haben in den letzten fünf Jahren fast ausschließlich Eigentumsbau, also Luxuswohnungsbau auf den Weg gebracht und es muss unbedingt auch Wohnraum geben, der bezahlt werden kann von Menschen. Das wollen wir in den nächsten fünf Jahren erreichen. Dass Lübeck noch fahrradfreundlicher wird und weniger Autos durch die Altstadt fahren. Das alles wollen wir so grob machen.

PACK: Wenn man in die Kommunalpolitik reinschaut, dann stellt man sich immer die Frage, wer dieses Ganze leitet. Liegt das bei den Politikern oder ziehen am Ende doch die Menschen aus der Verwaltung die Fäden? Wie schätzen Sie das ein?

Jansen: Ich kann jetzt auch nach den fünf Jahren sagen, dass es für uns ehrenamtliche Politiker schwer ist, die Verwaltung zu kontrollieren. Ich bin auch der Meinung, dass wir immer an unsere Grenzen stoßen, dann kommt die Verwaltung und die schlägt uns was vor und geht nicht offen mit uns um, sondern hat ihre vorgefertigten Geschichten und wir kriegen schwierig Informationen. Also grob gesagt, die Verwaltung hat hier ziemlich große Macht. Für uns ist das total schwer, das zu kontrollieren oder auch umzudrehen. Wenn wir beispielsweise in die Finanzen mal hineinschauen wollen, wird das immer gleich boykottiert. Ich finde, da muss parteiübergreifend für die nächsten fünf Jahre eine Initiative ergriffen werden, dass es einfacher wird. Gut, der Bürgermeister steht der Verwaltung vor und der muss geknackt werden. Das müsste man parteiübergreifend schaffen, dass alle Fraktionen, die in der nächsten Bürgerschaft sitzen, da an einem Strang ziehen und sagen, das wollen wir verändern. Anders geht das gar nicht. Der Bürgermeister ist jetzt von der SPD, da schützt ihn die SPD natürlich. Das ist ein großes Feld, das wir als Ehrenamtler noch beackern müssen.

PACK: Was sind die Themen, die für uns Studenten relevant sind? Weshalb wir uns vielleicht auch in der Kommunalpolitik engagieren könnten.?

Jansen: Also junge Leute braucht die Kommunalpolitik. Es gibt auf jeden Fall zu wenig. In den einzelnen Parteien und auch in der Bürgerschaft gibt es zu wenig junge Leute, die vielleicht auch das ganze Geschehen in der Bürgerschaft umkrempeln könnten. Im Durchschnitt sitzen dort ja immer noch die Älteren. Speziell für die Studenten erst einmal bezahlbarer Wohnraum, aber auf der anderen Seite auch, um Lübeck nach außen zu repräsentieren, ist es wichtig, dass wir viele Studenten haben. Diese Unigeschichte, die Uni muss gerettet werden, das war ja schon etwas, was die Studenten hier auf den Weg gebracht haben und bravourös auf den Weg gebracht haben. Sie haben da ja schon gezeigt, Lübeck kämpft für seine Uni, dass die Studenten unglaublich gut selbst auch Politik machen können auf ihre Art und damit die ganze Stadt begeistern können und somit der Beschluss zurückgenommen wurde. Ich kann nur dafür plädieren, dass sich mehr Studenten in der Bürgerschaft engagieren und auch mehr in die Bürgerschaft einziehen und ein bisschen mehr die Stadt gestalten. Das können sie garantiert. Aus „Lübeck, rettet die Uni“ können wir nur lernen, wie das damals gemacht wurde. Tolle Ideen, tolle Sachen auf den Weg gebracht, kreativ gewesen und dem Minister und Ministerpräsidenten richtig die Kante gezeigt haben. Das war total klasse. Ich glaube, das brauchen wir mehr.

PACK: Wie würden Sie zu einem gläsernen Rathaus stehen? Wenn es wirklich in die Öffentlichkeit übertragen werden würde, was in den Sitzungen passiert?

Jansen: Ich würde es gut finden. Das fordern ja auch die Piraten. Wir haben ja jetzt den Offenen Kanal. Die Ausschüsse müssen übertragen werden. Ich finde, es ist einen Versuch wert, dies zu machen. Man muss dann mal schauen, wie viele Menschen sich das anhören, wie viele Menschen hätten Interesse, das auf dem Computer alles nachzuvollziehen. Das wäre einen Versuch wert und wir würden es auf jeden Fall unterstützen. Ich glaube, wir müssen auch heute so werden, also transparent und offen nach außen. Wir sind zu abhängig auch von den Medien. Wenn die Lübecker Nachrichten schlecht über unsere Bürgerschaftssitzung schreibt, heißt das ja noch lange nicht, dass es schlecht gewesen ist, was wir da gemacht haben. Vielleicht können Bürgerinnen und Bürger das auch mehr mitverfolgen und sich auch mehr einmischen. Das würde ich gut finden. Es kommen ja auch Menschen zu uns die sagen, ich fühle mich durch die Verwaltung nicht richtig behandelt, könnt ihr uns unterstützen. Das machen wir ja auch. Aber es kommen so einzelne, noch wenige. Wir kriegen das dann immer nur nebenher mit. Ich würde es gut finden, wenn wir es auf den Weg bringen können, dass das gläsern wird. Die Frage ist nur, wie das machbar ist. Das kostet ja auch Geld. Aber das wäre machbar.

PACK: Werden Sie häufig auf der Straße oder bei Veranstaltungen auf Themen angesprochen, die eigentlich gar nicht in den Kommunalpolitiksektor reingehören, sondern in Richtung Landespolitik oder sogar Bundespolitik gehen?

Jansen: Ja natürlich. Gerade in der Bildungspolitik ist es ganz extrem. Wir sind ja die Schulträger hier. Wir können entscheiden über das Bauwerk Schule. Wir können entscheiden, ob wir eine Gemeinschaftsschule haben wollen oder Realschulen, Regionalschulen oder Gymnasien, also die Schulart, oder wie viele Grundschulen wir haben wollen. Aber wir können nicht entscheiden, wie viele Lehrer es gibt, wie der Unterricht gestaltet wird, ob es G8 oder G9 gibt an den Gymnasien. Diese inhaltlichen Bildungsfragen können wir alle nicht entscheiden. Wir können nur über die äußere Hülle entscheiden. Da werden wir natürlich viel angesprochen. Wir können das dann in der Bürgerschaft anhand einer Resolution verabschieden, dass wir dann den Bürgermeister beauftragen, sich im Landtag oder im Bundestag für die und die Fragen einzusetzen. Aber dann schickt der Bürgermeister das an den Bundestag und dann kommt es dahin. Dann wird gesagt, sie haben es bekommen, aber sie können es nicht ändern. Das wird viel gefragt, aber die entscheidenden Fragen werden auf der Bundes- und Landesebene behandelt.

PACK: Können Sie aus Ihrer Erfahrung im Landtag sagen, ob solche Resolutionen dann wirklich beachtet werden?

Jansen: Sie werden ein bisschen in den Ausschüssen diskutiert, aber im Landtag selbst eher nicht. Vielleicht macht das die jetzige Regierung. CDU und FDP haben das damals gar nicht so richtig wahrgenommen. Die haben dann gesagt, dass es den Städtetag gibt, wo die Städte und Kreistage alle organisiert sind. Und unsere Sachen besprechen wir im Städtetag, da sind die Kommunen vertreten und deshalb müssen wir nicht unbedingt, wenn Lübeck zum Beispiel sagt, wir wollen jetzt aber da und da mitreden, das finden wir nicht gut hier in Lübeck, müssen sie es nicht haben, da sie es ja vorher schon mit dem Bürgermeister besprochen haben, im Rahmen des Städtetages.

PACK: Also kann man sagen, dass die Resolutionen manchmal ins Leere gehen.

Jansen: Ja. Die Kommune müsste eigentlich in ganz bestimmten Fragen auch viel bezahlen, z. B. Kindergartenaufbau, Krippenaufbau. Hier muss die Kommune die entscheidenden Sachen bezahlen, aber die Kommune kann überhaupt nicht entscheiden, was so passiert. Ich finde, die Kommune müsste in Fragen, auch von Naturschutz und Umweltschutz oder Finanzen mehr Mitspracherecht oder Macht haben. Bei Finanzen ist es ja auch so. Wenn wir den Haushalt verabschieden, dann muss die Kommunalaufsicht im Land das genehmigen. Der Haushalt wird immer nicht genehmigt, weil wir immer nicht genug gekürzt haben. Dann sagt das Land, ihr müsstet elf Millionen Euro an Investitionskosten einsparen. Das müssen wir auch machen. Da redet das Land rein, wie wir unsere Finanzen verteilen. Elf Millionen Investitionskosten heißt, dass Straßen hier nicht ausgebessert werden können, Schulen können nicht saniert werden, Schultoiletten können nicht saniert werden. Da finde ich muss die Kommune mehr Macht haben, ihre Finanzen selbst zu gestalten, selbstverantwortlich.

PACK: Würden Sie auch im Bundestag kandidieren wollen?

Jansen: Ich habe kandidiert. Ich bin auf Platz fünf auf der Bundesliste. Die Linken kriegen ja höchstens ein, zwei Plätze. Wir haben jetzt zwei Bundestagskandidaten gehabt und die eine ist jetzt wiedergewählt worden. Ich bin jetzt auch schon 63 Jahre alt. Jetzt muss man auch mal ein bisschen gucken, dass Jüngere nachkommen und die Sache machen. Man kann bis 70 Politik machen, aber Lust hätte ich schon, wenn ich ein bisschen jünger wäre. Ich habe auf Platz fünf kandidiert, aber wir kriegen ja keine fünf Sitze. Wir kriegen höchstens einen, oder wenn es hochkommt, zwei rein.

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„Gegen Politik für große Unternehmen und für Reiche“ https://www.studentenpack.de/index.php/2012/04/gegen-politik-fur-grose-unternehmen-und-fur-reiche/ https://www.studentenpack.de/index.php/2012/04/gegen-politik-fur-grose-unternehmen-und-fur-reiche/#respond Wed, 18 Apr 2012 18:00:18 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=9493
LINKE SH

„Ich komme aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung.“

PACK: Die ersten Fragen dienen dazu, Sie als Person unserer Leserschaft vorzustellen. Sie sind gelernte Erzieherin und haben Ihren Beruf auch bis 2009 ausgeführt. Was hat Sie damals Anfang der Neunziger dazu bewegt, sich bei den Grünen politisch zu engagieren?

 

Jansen: Die Grünen waren für mich Anfang der neunziger Jahre die Partei, in der es ganz stark Basisdemokratie gegeben hat, sodass man sich auch mit seinen Themen, die man damals hatte, bei den Grünen gut einbringen konnte. Ich komme ja aus der Frauenbewegung, aus der Anti-AKW-Bewegung und auch aus der Anti-Kriegsbewegung, sie haben uns alle gesammelt und versucht, alternative Politik zu machen.

PACK: Von 1993 bis 2000 waren Sie in der Lübecker Bürgerschaft, zeitweise auch als Fraktionsvorsitzende für die Grünen im Amt, sind aber 2000 aus der Partei ausgetreten. Was führte Sie dazu?

Jansen: Ich bin ausgetreten aus der Partei, weil damals der Beschluss von der Bundespartei kam, sich am Afghanistankrieg zu beteiligen. Davor war bereits Kosovokrieg und damals hatte ich es mir noch mal überlegt. Ausgetreten bin ich, weil ich den Afghanistanbeschluss nicht akzeptieren konnte.

PACK: Anschließend waren Sie vorerst parteilos, standen aber der PDS politisch nahe. Warum haben Sie bis 2005 gewartet, um den Linken beizutreten?

Jansen: Ich bin der Überzeugung, dass man nicht aus einer Partei in die andere wechseln kann, dies sollte man sich reichlich überlegen. Die PDS war so nah, weil sie auch hinter meinen sozialen Fragen standen, ich betrieb ja auch bei den Grünen immer Sozialpolitik. Es gab ja dann auch die Vereinigung mit WSAG und für mich war dann auch sehr ausschlaggebend, dass Oskar Lafontaine bei den Linken mitgemacht hat.

PACK: Zur Bundestagswahl 2002 wurden Sie von der PDS als parteilose Direktkandidatin aufgestellt, planen Sie noch einmal einen Schritt in die Bundespolitik?

Jansen: Nein, ich will jetzt erst mal wieder in den Landtag kommen und ich denke auch, dass wir dies schaffen und dann wird man sich überlegen, wie es dann weiter geht. Ich plane aber nicht, in die Bundespolitik zu wechseln. Wir haben da auch gute Kandidaten, zwei Mitabgeordnete hier in Schleswig-Holstein, die auch auf Bundesebene ganz gute Politik machen.

PACK: Sie geben als persönliche Ziele die Jugendförderung und Gleichstellung aller an. Welcher Programmpunkt der Linken liegt Ihnen persönlich am meisten am Herzen?

Jansen: Natürlich die ganzen Programmpunkte der sozialen Gerechtigkeit und mein wesentlicher Programmpunkt ist, dass alle Kinder und Jugendlichen eine gute Ausbildung und Bildung haben. Des Weiteren, dass die Kinderarmut, die ja gerade in den kreisfreien Städten sehr hoch ist, dass diese abgeschafft wird.

PACK: Die FDP hat für die bevor stehende Wahl 9 Prozent als ihr Ziel erklärt. Hat Ihre Partei ebenfalls so ein festgestecktes Ziel?

Jansen: Wir wollen 6 Prozent plus. Wir hatten bei der letzten Landtagswahl 6 Prozent bekommen und wollen dies wieder erreichen. Aber natürlich wollen wir auch ein paar Prozentpunkte mehr haben.

PACK: Wie sehen Ihre Pläne aus, sollten Sie Ihre Ziele nicht erreichen oder schlimmstenfalls nicht in den Landtag einziehen?

Jansen: Also ich hoffe erst mal, dass wir in den Landtag einziehen, und bin auch zuversichtlich, dass wir dies erreichen, da wir jetzt auch in den vergangen zwei Monaten zugelegt haben. Und sollten wir nicht mehr in den Landtag einziehen, würde ich wieder in meinen Beruf zurückkehren und weiterhin hier Kommunalpolitik machen.

Anm. d. Red: Aufgrund eines technischen Problems ging ein Teil der Tonaufnahme des Interviews verloren. Die folgenden fünf Antworten wurden schriftlich nachgereicht.

PACK: In Ihrem Parteiprogramm sprechen Sie sich strikt gegen die bestehende Schuldenbremse aus und sagen, es sollte nicht gespart sondern mehr eingenommen werden. Da Steuerpolitik aber hauptsächlich auf Bundesebene gemachte wird, ist Ihr Handlungsspielraum begrenzt. Was sind also konkrete Vorschläge von Ihrer Seite?

Jansen: Das Problem ist, dass seit 2000 eine Steuersenkungspolitik stattgefunden hat, deshalb haben auch das Land und die Kommunen immer weniger Geld und haben auch diese Schulden. Diese haben sie gar nicht selbst verschuldet, sondern durch veränderte Steuersenkungspolitik auf Bundesebene ab 2000. Da man nur Politik für große Unternehmen und für Reiche gemacht hat, haben wir heute das strukturelle Defizit.

Natürlich muss sich die Landespolitik – und dies ist nicht nur unser Standpunkt – auf Bundesratsebene dafür einsetzten und werben, dass es eine andere Steuerpolitik gibt. Die Landesregierung kann sich dafür einsetzten, dass es die Vermögenssteuer auf Bundesebene gibt, denn Einnahmen der Vermögenssteuer kommen nur dem Lande zugute. Wir können die Schuld hier nicht nur abbauen und alle sozialen Projekte einstellen und an Bildung sparen, wir müssen uns schon vehement dafür einsetzten, dass es eine Erhöhung der Steuern gibt. Zum Beispiel das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, also gerade zur Entlastung der Hoteliers, dabei war Schleswig-Holstein das Zünglein an der Waage. Schleswig-Holstein hat für dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz gestimmt.

PACK: Des Weiteren tritt die Linke für einen Mindestlohn von 10 Euro ein, immerhin 1,50 Euro höher als der Vorschlag von SPD und Grünen. Glauben sie nicht, dass dies den Wirtschaftstandort Schleswig-Holstein nur unattraktiv und unrentabel macht?

Jansen: Wir sind der Meinung, dass sich Arbeit wieder lohnen muss. Es kann nicht sein, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, zum Amt gehen müssen um ihr Gehalt aufzustocken. Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern in Deutschland mit den meisten Menschen, die im Niedriglohn arbeiten müssen. Circa 24 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Schleswig-Holstein arbeiten im Niedriglohnbereich. Zu der größten Gruppe im Niedriglohnsektor in Schleswig-Holstein gehören mit 46 Prozent die Frauen. Diese große Verbreitung von Hungerlöhnen führt natürlich zu einer großen Familien- und Kinderarmut in Schleswig-Holstein. DIE LINKE fordert einen Mindestlohn von 10 Euro, da der vorgeschlagene Mindestlohn von 8,50 Euro in der heutigen Zeit nicht ausreicht. Ein Mindestlohn sollte nicht nur die reine Existenz sichern, sondern auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bewirken. Auch zum Aufbau einer Rente sind 8,50 Euro nicht akzeptabel.

PACK: Der größte Programmpunkt Ihrer Partei ist das Überwinden von Familien- und Kinderarmut, dazu wollen Sie gestrichene Gelder wieder freisetzen, wie zum Beispiel die Halbierung des Blindengeldes und weitere Förderprogramme im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich auf den Weg bringen. Auch hier stellt sich die Frage, wie das Finanzierungskonzept aussieht.

Jansen: Zunächst einmal muss erwähnt werden, wie die Faktenlage aussieht: Nach internationalen Kriterien leben 15,2 Prozent der schleswig-holsteinischen Bevölkerung in Armut, besonders betroffen sind Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Zudem ist jedes sechste Kind in unserem Land von Armut betroffen! Unser soziales Netz wird immer brüchiger, eine Vielzahl von Hilfen ist durch CDU und FDP gestrichen worden, aber auch von SPD und Grünen.

DIE LINKE ist der Meinung, dass Schleswig-Holstein eine Politik braucht, die es sich zum Ziel setzt, soziale Sicherheit für alle zu realisieren. Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keinen inneren Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die massenhafte soziale, kulturelle und politische Ausgrenzung von Menschen muss endlich beendet werden. DIE LINKE fordert also die Rücknahme der Kürzungen im sozialen Bereich. Sozialleistungen müssen sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.

DIE LINKE steht für eine Finanzpolitik, welche sozial gerecht gestaltet ist und in der die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir wollen mehr Geld für Bildung ausgeben, für die ökologische Erneuerung unserer Wirtschaft und Landwirtschaft, für den sanften Tourismus und für die Energiewende. Kostenlose Erziehung und Gesundheitsversorgung, eine auskömmliche Altersversorgung, der soziale Schutz von Hilflosen, eine vernünftig ausgebaute Infrastruktur für Alle sind unsere Ziele.

Zum einen werden bereits jetzt höhere Einnahmen für den Landeshaushalt 2012 erwartet, zum anderen brauchen wir eine Erhöhung der Einnahmen durch eine gerechte Steuerpolitik. Schleswig-Holstein braucht eine „Steuersenkungsbremse“ für die Reichen, für die großen Unternehmen, für die Hoteliers. Zum Umsteuern braucht das Land eine Millionärssteuer, einen höheren Spitzensteuersatz, eine sozial gerechte Erbschaftssteuer und die Rücknahme der Steuergeschenke für die großen Unternehmen. Unsere Schuldenbremse ist die Vermögenssteuer. Wir brauchen einen höheren Spitzensteuersatz, eine gerechtere Erbschaftssteuer und eine Unternehmensbesteuerung frei von Steuergeschenken.

PACK: Ihre Partei stellt sich als einzige konkret gegen ein Stiftungsmodell der Universität zu Lübeck, was schlagen Sie als Alternative vor, solange das Kooperationsverbot besteht?

Jansen: Mit den Plänen zur Stiftungsuni verabschieden wir uns von einem gebührenfreien Studium und von unabhängiger, wissenschaftlicher Forschung. Bisher ist diese frei von wirtschaftlichen Interessen – nun begibt sich die Uni auf den Weg in die Privatisierung von Bildung. Deshalb lehnen wir die Umwandlung der Universität Lübeck in eine Stiftungsuni grundsätzlich ab, denn wir treten für freie Bildung und Wissenschaft und für eine demokratische Hochschule ein. Wer sich von privaten Förderern abhängig macht, die zukünftig dazu beitragen sollen, dass das notwendige Geld für eine qualifizierte Forschung und Lehre zur Verfügung steht, begibt sich auf einen Irrweg. Und wenn der Spitzenkandidat der CDU, Herr de Jager, nun auch noch betont, dass die Landeszuschüsse an die Uni Lübeck gleichbleiben, dann heißt das nur, dass die schwarz-gelbe Regierung noch immer nicht begriffen hat, dass die Unterfinanzierung der Hochschulen den gesamten Wissenschaftsbetrieb gefährdet. Gute Bildung für alle statt Exzellenz für die Elite ist und bleibt unsere Forderung.

Falsche Eitelkeiten der Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker auf Landesebene dürfen nicht einer bundesweiten Angleichung im Bildungssystem im Wege stehen. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.  DIE LINKE setzt sich für eine bundesweite Angleichung durch einheitliche bildungspolitische Leitlinien ein. Diese sollten von einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Land und Kommunen ausgearbeitet werden.

Außerdem setzen wir uns für eine nachhaltige Bildungsfinanzierung ein, denn das Kooperationsverbot schränkt auch andere Bereiche schwer ein. Wir LINKE fordern eine Bildungsfinanzierung in der Breite, die niemanden ausgrenzt und jedem die bestmögliche Förderung ermöglicht, immer unter der Prämisse des lebenslangen Lernens. Ich möchte zum Abschluss auf eine Forderung der Hochschulrektorenkonferenz aufmerksam machen. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert, dass Aufgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung künftig als investive Aufgabe zu behandeln sind, nämlich als Zukunftsinvestition.

Und da ist auch das Land gefordert. Die beschlossenen Kürzungen im Bildungssystem, die alle anderen Parteien durchsetzen wollen, sind auch mit Kooperationsverbot nicht akzeptabel. Das Kooperationsverbot darf nicht zur Ausrede für diese katastrophalen Kürzungen herhalten. Wenn nicht bald mehr Geld ins Bildungssystem fließt, wird Schleswig-Holstein in der Zukunft verarmen. DIE LINKE will das nicht und kämpft gegen Kooperationsverbot und Schuldenbremse. Für ein ausfinanziertes sozial gerechtes Bildungssystem in Schleswig-Holstein!

PACK: Ihre Partei ist auch gegen das ÖPP-Model zur Sanierung des UKSH, aus eben den selben Gründen?

Jansen: Mit ÖPP Projekten fallen wir regelmäßig auf die Nase. Stichwort Betonstraße an der Grenze zur Dänemark, Stichwort Keitum-Therme, Stichwort Nrock. Und jetzt geht es weiter mit dem UKSH.

Wir teilen die Kritik des Landesrechnungshofes, denn niemand kann sagen, warum eine konventionelle Finanzierung angesichts der jetzigen Zinssituation schlechter sein sollte. Die Privaten werden Profite erwirtschaften wollen, sie können das Geld nicht so günstig am Kreditmarkt aufnehmen wie das Land. Im Ergebnis bleiben wir mit einer Jahresmiete von circa 30 bis 35 Millionen Euro hängen. Nach unsere Berechnungen ist das Universitätsklinikum nicht in der Lage, das komplett zurück zu bezahlen, und wir sehen die Gefahr, dass letztendlich die Klinik komplett privatisiert wird. Und ich denke mir, die Sanierung muss aus staatlichen Geldern erfolgen. Dies ist auch durchaus möglich.

Anm. d. Red: Ab hier wieder der Originalwortlaut des Telefoninterviews.

PACK: Im Rahmen der Umstrukturierung der Bundeswehr erklärt Ihre Partei, dass sie auf lange Sicht die Bundeswehr komplett abschaffen will. Wie gedenken sie, dass Deutschland weiterhin seinen Bündnispflichten nachkommen kann?

Jansen: Also darüber muss bei den Linken noch intern diskutiert werden. Ich denke mir, man wird eine Art Friedensarmee errichten müssen. Irgendwie müssen wir etwas haben, um unserer Friedenspflicht nachzukommen. Darüber sind wir uns selbst auch noch gar nicht so einig.

Meine persönliche Position ist, dass die Interessenkonflikte auf friedlichem Weg gelöst werden und es keine Einmischung in fremde Länder gibt. Die Länder müssen ihre Konflikte selber lösen und wir als diejenigen, welche letztendlich Friedenspolitik in anderen Ländern machen, müssen dann auch die Opposition, die demokratische Strukturen haben möchte, dabei unterstützen. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir eine Einheit brauchen, welche die Opposition in den Ländern vor Ort in Richtung Frieden und Demokratie unterstützt.

PACK: Vielen Dank für das Gespräch.

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