Wiebke H. – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Mon, 12 Dec 2011 11:15:47 +0000 de-DE hourly 1 Einschreiben und Ausbrennen? https://www.studentenpack.de/index.php/2011/11/einschreiben-und-ausbrennen/ https://www.studentenpack.de/index.php/2011/11/einschreiben-und-ausbrennen/#comments Mon, 14 Nov 2011 11:00:44 +0000 http://www.studentenpack.uni-luebeck.de/?p=2067 Sarah B. (21) kann gerade noch ihre Wohnungstür aufschließen, Mantel und Schuhe abstreifen, dann laufen auch schon die ersten Tränen. Der Uni-Tag war lang und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Vorlesungen nacharbeiten, Hausarbeit fertig schreiben, für das Referat nächste Woche recherchieren. Sarah schwirrt der Kopf. Sie hat immer gern gelernt, ihre Noten sind immer gut gewesen, aber in letzter Zeit wird ihr irgendwie alles zu viel. Sie kann sich auf nichts mehr richtig konzentrieren. Deswegen hat sie den Test letzte Woche auch schon vermasselt. Das darf ihr nicht noch mal passieren! Über den gut gemeinten Ratschlag ihres Hausarztes, es mal langsamer angehen zu lassen (mit einer Magenschleimhautentzündung sei schließlich nicht zu spaßen), kann sie nur müde lächeln. Was weiß der denn schon? Sie kann es sich nicht leisten, krank zu sein! Wie soll sie denn dann noch den ganzen Stoff schaffen? Außerdem kommt sie ja eigentlich klar. Normalerweise würde sie jetzt eine Magentablette schlucken, sich einen Kaffee machen und anfangen zu lernen.

Doch heute nicht. Heute schnürt ihr die Angst zu versagen die Kehle zu. Heute kann sie nicht aufhören zu weinen und zu zittern. Sarah kann nicht mehr.

Wie Sarah geht es immer mehr Studenten. Sie fühlen sich überfordert, gestresst und ausgebrannt, bevor sie überhaupt ins Berufsleben starten. Studien zufolge ist mehr als jeder dritte Student emotional erschöpft, einer von 20 nimmt verschreibungspflichtige Psychopharmaka. Was lange als Manager-Krankheit galt, als Begleiterscheinung der sogenannten Helfer-Berufe, ist also auch bei den Studenten angekommen: Das Burnout-Syndrom.

 

 

 

 

Viktoria Heise/ Johannes Sartisohn

Burnout: Was ist das überhaupt?

Das Burnout-Syndrom beschreibt den Zustand totaler emotionaler und körperlicher Erschöpfung. Als Ergebnis dauerhafter Überlastung, sind die Energiereserven der Betroffenen restlos aufgebraucht. Sie schlafen schlecht, sind müde, kraftlos und unkonzentriert. Professorin und Buchautorin Miriam Meckel beschreibt das so: „Mein Kopf brummt. [..] Er ist einfach übervoll und es gelingt mir nicht, einen Teil der Impulse und Gedanken so abzuleiten, dass ich mich auf den verbleibenden Teil wirklich konzentrieren kann.“ Der damit einhergehende Leistungsabfall wird häufig durch noch höheren Arbeitseinsatz kompensiert. Ein Abschalten ist nicht mehr möglich, Pausen sind nicht mehr erholsam. Der Akku ist leer und kann auch nicht ohne Weiteres wieder aufgeladen werden. Damit verbunden sind häufig enorme körperliche Beschwerden. Die Betroffenen leiden unter starken Rücken- oder Magenschmerzen, Muskelverspannungen, Kreislaufproblemen oder Herzrhythmusstörungen. Meckel schreibt: „Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, nichts essen, war geschwitzt und zittrig. […] Nieren, Leber und Milz funktionierten nicht mehr so, wie sie sollten. Meine Magenschleimhaut und meine Bauchspeicheldrüse waren entzündet, und mein Immunsystem hatte sich aus meinem Körper verabschiedet.“

Vor allem die psychischen Symptome sind denen einer Depression sehr ähnlich. Daher wird das Burnout als eigenes Krankheitsbild auch in Fachkreisen immer noch angezweifelt und als „Depression der Erfolgreichen“ oder gar als „Statussymbol einer Leistungsgesellschaft“ bezeichnet. Tatsächlich taucht das „Ausgebrannt sein“ im gängigen Diagnoseschlüssel (ICD-10) bisher nur als Zusatzziffer auf und stellt so offiziell nur in Kombination mit einer anderen psychischen Erkrankung eine Behandlungsindikation dar. Doch einige Unterschiede gibt es schon. Laut Dr. med Toni Brühlmann (Leiter und ärztlicher Direktor der Privatklinik Hohenegg in der Schweiz) ist vor allem der Entstehungsmechanismus des Burnouts ein anderer als bei der Depression. Beide Erkrankungen werden bedingt durch einer Kombination von äußeren Einflüssen (den Stressoren) – und der inneren Einstellung des Patienten (dem Stressverstärker). Wenn also zum Beispiel eine schwierige Klausur ansteht, wäre die Klausur selbst der Stressor – hat man den Anspruch an sich selbst, mindestens mit einer 2 zu bestehen, wäre das ein Stressverstärker.

Beim Burnout sind diese Stressoren meistens arbeitsbedingt und objektiv betrachtet hoch. Der betroffene Student hat in der Regel also tatsächlich einfach viel zu tun. Die Stressverstärker, die die Belastung noch vergrößern, sind typischerweise ausgeprägter Perfektionismus („ich muss alles möglichst gut machen“), übertriebene Harmoniebedürftigkeit („ich darf keinen enttäuschen, ich muss beliebt sein“) oder begeisterter Idealismus. Diese sogenannten positiven, das heißt antreibenden Stressverstärker, führen dazu, dass Betroffene im Sinne einer „ich-schaff-das-schon-Haltung“ auch dann noch weiter lernen, wenn die Energiereserven zusehends aufgebraucht sind. Als Konsequenz kommt es zum Leistungsabfall. Der Burnout-Student lernt und lernt also, aber nichts bleibt mehr hängen. Er schafft sein Lernpensum nicht mehr und der Arbeitsberg wächst immer weiter. Viele Betroffene begegnen dieser zunehmenden Belastung mit einer Art Trotzreaktion („ich schaff das trotzdem“). Sie lernen entsprechend noch mehr, machen noch weniger Pausen, sodass sich die Stress-Spirale immer weiter aufdreht, bis es eben zum Zusammenbruch kommt. Bei der Depression kann sich der Stressor auf alle Lebensbereiche erstrecken.

Stressverstärker sind nicht wie beim Burnout positiv beziehungsweise antreibend, sondern negativ, das heißt bremsend. Selbstzweifel und Unterschätzung der eigenen Kompetenzen („ich kann das sowieso nicht“) führen dazu, dass auch geringen Stressfaktoren nicht mehr adäquat begegnet werden kann. Diese Abwärtsspirale führt sich immer weiter fort. Auch hier ist der Endpunkt schließlich der Zusammenbruch.

Letztendlich ist die Abgrenzung zwischen beiden Krankheitsbildern tatsächlich fließend. So ist die Ursache bei idealtypischen Fällen zwar unterschiedlich, doch im Spätstadium sind die Symptome kaum noch voneinander abzugrenzen. Doch wie man das Burnout-Syndrom nun auch bezeichnen mag, Fakt ist: Immer mehr Menschen erkranken und wer erst einmal ausgebrannt ist, dem hilft kein zweiwöchiger Urlaub um sich zu erholen! Dafür braucht es in den meisten Fällen eine längere Auszeit, viel Zeit und Geduld und häufig eine ambulante oder sogar stationäre Therapie.

Warum eigentlich der ganze Stress?

Studenten sind gestresster als je zuvor. Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse stieg die Verordnung von Psychopharmaka seit 2006 um 54 Prozent. Erkrankungen des Nervensystems machen bei Hochschülern fast ein Fünftel aus, bei gleichaltrigen Erwerbstätigen lediglich 14 Prozent. Aber warum eigentlich? Der Bologna-Prozess ist daran sicherlich nicht ganz unschuldig. Seit der Umstellung auf das Bachelor/Master-System ist der Langzeitstudent zwar weitestgehend abgeschafft, aber zu welchem Preis? Die Studiengänge sind zum Teil immer noch unstrukturiert, die Stundenpläne zu voll und die Studenten mit dem Arbeitspensum einfach überfordert. Dass es für einen Master-Platz häufig einen guten Bachelor-Abschluss braucht, und dass jedes Prüfungs-Ergebnis in die Endnote einfließt, erhöht den Druck zusätzlich – Versagen kann man sich nicht mehr leisten.

 

 

Sylvia Kiencke

Gleichzeitig reicht es nicht mehr, einfach nur zu studieren. Auslandsaufenthalte, Praktika, Sprachkurse und soziales Engagement sehen im Lebenslauf gut aus; zusätzliche Nebenjobs verhelfen zu ersten Berufserfahrungen und halten über die Hälfte der Studenten finanziell über Wasser. Allerdings haben sich nicht nur die äußeren Bedingungen verändert. Auch der Student selbst gehört einer Generation an, die mit der „Fun-Generation“ der Neunziger so gar nichts mehr gemein hat. Die Studenten von heute wollen möglichst viel, möglichst schnell machen und das mit optimalem Ergebnis. Stress haben sie dabei als notwendiges Übel akzeptiert. Mehr noch: Stress ist zu einer Art Lifestyle geworden, er ist irgendwie „in“. Kaffeebecher in der einen Hand, Blackberry in der anderen. Das sieht schon lässig aus. Augenringe sind nicht länger Zeichen durchzechter, sondern durchlernter Nächte; ein Nerd zu sein, ist keine Beleidigung mehr, sondern ein Kompliment. Kurz: Wer busy ist, ist wichtig. Er wird anerkannt und ein bisschen bewundert. Fazit ist: Wir werden gestresst, aber wir stressen uns zusätzlich auch selbst. Ersteres müssen wir vielleicht tatsächlich so hinnehmen, letzteres können wir jedoch jedenfalls ein bisschen beeinflussen – indem wir Pause machen, indem wird unsere Ansprüche zurückschrauben und indem wir auch den anderen sagen: „Man, chillt mal!“

Hab ich das auch?

Für Hypochonder ist das Burnout-Syndrom ein gefundenes Fressen. Stress, Müdigkeit, Kopfschmerzen, wer hat das nicht? Überhaupt, gestresst sind wir doch irgendwie alle. Und das ist auch gut so, denn Stress in gewissen Maßen – der sogenannte Eustress – motiviert uns und macht uns leistungsfähig. Ihm haben wir zu verdanken, dass wir kurz vor der Klausur effektiver lernen und mehr behalten. Durch ihn wissen wir manchmal in der Prüfung mehr, als wir es je für möglich gehalten haben. Kritisch wird es, wenn der Stress zu groß wird und zu lange anhält. Oder kurz: wenn aus Eustress Disstress wird.

Was ist also nur „normaler Stress“, was ist bereits ein Burnout-Vorbote? Schlafstörungen sind zum Beispiel ein wichtiges Warnsignal. Damit ist nicht ein nervöses Einschlaf-Problem in der Nacht vor der Klausur gemeint, sondern dauerhafte Ein- oder Durchschlafstörungen. Wenn ein ständiges Erschöpfungsgefühl dazu kommt und Dinge, die früher Spaß gemacht haben, zum Kraftakt werden, sollte man kurz innehalten und sich fragen, woran das liegen könnte. Wem außerdem ständig ohne Grund die Tränen kommen, wer sich überhaupt nicht mehr konzentrieren kann (die unspannende Vorlesung Montag morgens zählt da natürlich nicht) und wer immer häufiger auch mit körperlichen Beschwerden wie Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen zu kämpfen hat, sollte diese Warnzeichen nicht ignorieren oder auf die leichte Schulter nehmen.

Uni-Psychologin Marie-Therese Bockhorst sagt: „Wenn man auf die Frühwarnzeichen hört, kann man selbst schon viel tun und gegensteuern.” Wichtig sei zum Beispiel seine Arbeitstechniken und sein Zeitmanagement zu verbessern. Auch Entspannungstechniken, regelmäßiger Sport oder Freunde treffen, könne helfen. Sie betont allerdings auch, dass es kein Patentrezept gegen Stress gibt. So müsse jeder für sich selbst herausfinden, was ihm hilft, aufzutanken und neue Kräfte zu sammeln. Verpasst man diesen Zeitpunkt, an dem man sich noch selbst helfen kann, wird es schwierig. „Im Spätstadium ist oftmals eine längere Auszeit notwendig, um wieder auftanken zu können“, so die Psychologin.

Wo finde ich Hilfe?

Manchmal kann es hilfreich sein, mit einem Außenstehenden über seine Situation zu sprechen. Zu diesem Zweck bieten inzwischen 42 von 58 Studentenwerken eine psychologische Beratung für Studenten an. Und diese Beratung wird angenommen. Im Jahr 2010 waren es ungefähr 82000 Beratungskontakte, das entspricht einem Anstieg von 25 Prozent innerhalb der letzten drei Jahre!

Auch beim Studentenwerk Schleswig-Holstein gibt es ein entsprechendes Angebot. So werden in Lübeck rund 50 bis 70 Gespräche pro Jahr geführt, in Kiel sind es wesentlich mehr. Zuständig für die psychologische Beratung ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin Marie-Therese-Bockhorst. Zweimal die Woche spricht sie mit Studenten über ganz unterschiedliche Probleme. Ihr zu Folge kommen die meisten Ratsuchenden – rund ein Drittel – mit Arbeits-/Lern oder Prüfungsproblemen. Die nächst größere Gruppe kommt aufgrund von depressiven Verstimmungen, Ängsten oder dem Burnout-Syndrom. Aber auch wer ein Suchtproblem hat, unter einer Essstörung leidet oder Konflikte in der Partnerschaft oder mit den Eltern nicht bewältigen kann, findet hier Hilfe.

Die Gespräche finden mittwochs und donnerstags statt. Termine können per email (psychologin.luebeck@studentenwerk-s-h.de) oder telefonisch (Telefonnummer: 0451 500-5942) vereinbart werden.

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