Christian Hoffmann – StudentenPACK. https://www.studentenpack.de Das Magazin der Studenten in Lübeck Sun, 02 Apr 2017 09:29:12 +0000 de-DE hourly 1 Das eigene Studium aktiv mitgestalten https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/das-eigene-studium-aktiv-mitgestalten/ https://www.studentenpack.de/index.php/2017/04/das-eigene-studium-aktiv-mitgestalten/#respond Mon, 03 Apr 2017 04:00:17 +0000 http://www.studentenpack.de/?p=273477
Den Dinosauriern die Welt erklären - Eine Illustration aus dem Archiv der Blue Engineer AG der TUHH.Christian Hoffmann

Den Dinosauriern die Welt erklären – Eine Illustration aus dem Archiv der Blue Engineer AG der TUHH.

Freitagnachmittag, 13:20. Ich stehe in einem Hörsaal des Lessing-Gymnasiums Norderstedt vor circa 35 Schülerinnen und Schülern und referiere über die Möglichkeiten eines technischen Studiums in Norddeutschland. Im Zuge meiner Aufgabe als Studiengangskoordinator des neuen Studienganges „Robotik und Autonome Systeme“ habe ich mir vor allem ein Ziel gesetzt: Ich möchte die potenziellen Studierenden dafür sensibilisieren, dass sie als Ingenieurinnen und Ingenieure maßgeblichen gestalterischen Einfluss nicht nur auf die zukünftige Technik selbst, sondern auch auf ihre ökologisch-soziale Auswirkung haben. Dies möchte ich anhand von beispielhaften Kernherausforderungen der heutigen Zeit motivieren und klicke als erstes eine Folie auf, die abtauendes arktisches Eis zeigt und damit den Klimawandel thematisiert. Danach frage ich in die Runde, an welche Herausforderungen die Schüler noch so denken.

„Die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung und Technisierung müssen ökologisch und sozial verträglich ausgestaltet werden“, meldet sich ein Schüler aus der mittleren Reihe sinngemäß, aber mindestens ebenso eloquent. Wow! – damit ist eigentlich alles gesagt. Angesichts solch reflektierter Äußerungen kann man, denke ich, mit großem Enthusiasmus und Zuversicht einer heranwachsenden Gesellschaft entgegensehen, die schon im frühen Alter, die Ihnen entgegengebotenen Herausforderungen annimmt.

Ein ähnlich motivierendes Bild bot sich mir, als ich das erste Mal das neue Seminar „Ethik innovativer Technologien“ im neuen Robotik-Studiengang bewarb. Vierzig von 44 Erstsemestern zeigten Interesse, 26 meldeten sich an und immerhin 16 absolvierten dann bereits im ersten Semester dieses Seminar – und das obwohl ein Wahlpflichtfach laut Studienplan erst im dritten Semester angedacht ist. Während der Durchführung bot sich mir ein Bild, dass jeden Dozierenden vor Freude springen lässt: Motivierte, informierte und engagierte Studierende drehen Informationsvideos über Nanoroboter, bringen Ihre Kommilitonen zum Diskutieren über die ethischen Aspekte des autonomen Fahrens und veranstalten eine interdisziplinär besetzte, angeregte Podiumsdiskussion über den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik in der Pflege. Was jetzt hier vielleicht wie eine Lobhudelei auf die junge Generation anmutet, ist genau dies, aber darüber hinaus eben auch die Freude eines Wissenschaftlers und Ingenieurs darüber, dass sich viele junge Studierende und solche, die es vielleicht mal werden, nicht als angetriebenes kleines Zahnrad ansehen, sondern auf der Suche nach Selbstbestimmung und Wegen zur Mitgestaltung sind.

Dass die Möglichkeiten zur Mitgestaltung zahlreich und auch die Wege dahin gar nicht so steinig sind, kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Zu Zeiten meiner Promotion an der Technischen Universität Hamburg-Harburg gründeten befreundete Kommilitonen und ich eine Arbeitsgruppe nach Berliner Vorbild: Wir nennen uns die Blue Engineers und verstehen uns als Ingenieure mit sozialer und ökologischer Verantwortung. Unser Ziel war es schon damals gewissermaßen als Grassrootsbewegung, die Hochschulöffentlichkeit für diese Themen zu sensibilisieren und dies auch gleichermaßen im Rahmen eines mit Kreditpunkten anerkannten Seminars von Studierenden für Studierende in der universitären Lehre zu tun. Ganz im Sinne der Illustration fühlten wir uns dazu aufgerufen, den scheinbaren Dinosauriern der Universität – also den Entscheiderinnen und Entscheidern – durch unseren aktiven Gestaltungswillen, Elan und mit modernen didaktischen Methoden zu zeigen, dass wir mit den alten Denkweisen der Nachhaltigkeit nicht zufrieden waren und uns mehr dynamische Integration solcher Inhalte im Hochschulalltag und nicht zu Letzt auch in den Lehrveranstaltungen wünschten. Wenn es das bislang nicht gibt, dann machen wir es halt selbst, wurde letztlich sinngemäß unser Credo.

Ich erinnere mich noch gut an unser aller Motivationsvater, Prof. Dr. Martin B. Kalinowski, zu jener Zeit einer der Direktoren des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung und mittlerweile Mitglied der Atomaufsichtsbehörde IAEA. Herr Kalinowski riet uns damals an unserem Ziel festzuhalten und – wenngleich mit kleinen Schritten – stets voranzugehen und unsere Ideen in die Tat umzusetzen. Das Seminar wird an der Technischen Universität Hamburg-Harburg mittlerweile zum bestimmt siebten Mal abgehalten. Bis es so weit kam, gingen unzählige Diskussionsabende über den gemeinsamen Nenner unserer Gruppe ins Land. Der zuvor nur wenig wirklich erlebte, am Ende aber gar nicht so starke Gegenwind verwandelte sich alsbald in gehörigen Rückenwind. Zuspruch und tatkräftige Unterstützung erhielt unsere Gruppe dann auch ganz konkret in Form der Verleihung des Nachhaltigkeitspreises der Universität.

Selbst wenn wir nicht eine unserer mittlerweile unzähligen Abendveranstaltungen und Seminarrunden jemals bewerkstelligt hätten: Diese Abende haben uns alle sowie jede und jeden für sich ein Stück näher daran gebracht, unseren späteren Berufen selbstbestimmt und mit Idealen entgegenzugehen. Ganz nebenbei – und vielleicht ist das sogar das Allerwichtigste – haben wir Teile unseres Studiums und unseres universitären Lebens aktiv mitgestaltet und daraus nicht nur einen Ort des Lernens, sondern auch des Lebens gemacht. Niemand hat sich beschwert, dass wir diese Gestaltungsspielräume eingefordert haben. Ganz im Gegenteil – und dafür gebührt den Verantwortlichen auch nachwievor ein großer Dank.

Wofür also auch immer die eigene Leidenschaft brennen mag: Es lohnt sich, einfach mutig voranzugehen, Ansprechpartner zu finden und nach Unterstützung zu fragen. Glauben Sie mir, wenn ich behaupte, dass die Dozierenden und der Entscheidungsträger an Universitäten eben keine Dinosaurier sind und sich der absolut überwiegende Großteil an studentischem Engagement erfreut und dieses nach Möglichkeiten unterstützt.

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