Stell dir mal vor, jemand gibt dir einfach so und ohne Gegenleistung fünfzig Euro in die Hand. Die gehören jetzt dir. Jetzt kommen aber nacheinander fünfzig Personen unterschiedlichen Alters und verschiedener Herkunft und bitten dich um einen Anteil. Jedem kannst du nun maximal einen Euro deines neugewonnenen Vermögens schenken. Was am Ende übrig bleibt, wandert in deine Tasche. „Wer macht denn sowas?“, fragst du jetzt. Psychologen machen sowas.

Genau mit diesem Experiment haben Forscher aus Bonn und Oklahoma gemeinsam mit der Lübecker Psychologin Dr. Sabrina Strang versucht, Altruismus messbar zu machen und darüber hinaus aktiv zu beeinflussen. Insgesamt 183 Studierende deutscher Herkunft wurden in die Studie eingeschlossen und wurden mit Geschichten von fünfzig Menschen konfrontiert, die sich beispielsweise frisches Obst oder Theaterkarten nicht leisten können und nun um eine Spende bitten. Der Clou dabei: Die Hälfte dieser Personen trägt Namen wie Herbert oder Melanie, die andere Hälfte besteht aus Geschichten geflüchteter Menschen. Die Studierenden wurden zuvor mittels Fragebogen in zwei Gruppen geteilt – solche, die Zuwanderung und Geflüchteten aufgeschlossen gegenüberstehen, und solche mit einer ablehnenden Haltung demgegenüber. Das Ergebnis: Probanden mit einem niedrigen Xenophobie-Index spendeten mehr als die mit fremdenfeindlicher Gesinnung, wobei die Geflüchteten mit durchschnittlich acht Euro etwa zwanzig Prozent mehr erhielten als die Bedürftigen deutscher Herkunft.

So weit, so vorhersehbar. Was passiert nun aber, wenn man einigen der Probanden vor dem Experiment ein Nasenspray in die Hand drückt? Genauer: Ein Nasenspray mit Oxytocin, das in der Populärwissenschaft oft nur „das Kuschelhormon“ genannt wird, weil es bei sozialer Interaktion ausgeschüttet wird und zum Beispiel wichtig für die Mutter-Kind-Bindung ist. Die Gruppe, die vorher schon großzügig war, wurde doppelt so freigiebig, die andere Gruppe blieb geizig, sodass der Versuch um einen weiteren Kniff erweitert wurde. Einem Teil der Probanden wurde vor dem nächsten Durchgang mitgeteilt, wieviel die anderen Teilnehmer jeweils durchschnittlich abgaben. Die Kombination aus Oxytocin und schlechtem Gewissen zeigte dann Wirkung. Die Gruppe mit dem hohen Xenophobie-Index, die vorher kaum etwas gab, spendete im dritten Durchgang 74 Prozent mehr – und das vor allem an Geflüchtete.

Ist das jetzt eine Sensation? Gibt es bald Nasenspray gegen Geiz? Oder doch Chemtrails? Studien zufolge wirkt das zumindest auch gegen Übergewicht und Krebserkrankungen. Die Autoren der im August erschienenen Studie „Oxytocin-enforced norm compliance reduces xenophobic outgroup rejection“ sehen die Lösung eher im Alltag: Familienmitglieder, Freunde und Arbeitskollegen sollten in der Gemeinschaft mit gutem Beispiel vorangehen und davon berichten. Dies würde einerseits den Druck durch die zugeführten sozialen Normen schaffen und andererseits durch den Sozialkontakt den Oxytocin-Pegel erhöhen. Die Neurobiologie der Fremdenfeindlichkeit und des Altruismus bedürfe aber weiterer Untersuchungen. Eure Chancen, auch mal Geld geschenkt zu kriegen, stehen also gar nicht mal so schlecht.

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