"Knapp bestanden:"Leitsymptome" im Kitteltest" Foto: Lukas RugeLukas Ruge | StudentenPACK.

“Knapp bestanden:”Leitsymptome” im Kitteltest” Foto: Lukas Ruge

Wer auch nur eine Folge von “Dr. House” gesehen hat, kennt die Szenen: Nachdem ein unbekannter Patient mit dramatischer Symptomatik (starke Schmerzen, noch stärkere Blutung…) eingeliefert wurde, brüllt Dr. House seinem Team das Wort “Differentialdiagnose” entgegen. Zwei bis vier hochbezahlte Ärzte antworten mit verschiedenen mehr oder minder zum Leitsymptom passenden Diagnosen. Trotz dieser Dramatik muss aber die Frage erlaubt sein, ob das Princeton-Plainsboro Teaching Hospital zur Einsparung von Personalkosten nicht einfach in eine Ausgabe von “Leitsymptome” von Annemarie Hehlmann hätte investieren können?

Denn genau das will dieses Buch bieten: Vom Symptom zur richtigen Diagnose führen. Dabei nennt es sich selbst den “optimalen Leitfaden für die effiziente Prüfungsvorbereitung und das unverzichtbare Nachschlagewerk in Famulatur und PJ”. Es richtet sich also klar an Studenten, möchte aber auch Ärzte ansprechen.

Passend dazu passt es gerade so in eine Kitteltasche. Auf 443 Seiten finden sich die häufigsten Leitsymptome in alphabetischer Ordnung von Adynämie bis Zyanose, wobei auch auf den ersten Blick alltäglich erscheinende Krankheitszeichen wie Durst und Mundgeruch ihren Platz finden. Jedes dieser Kapitel beginnt mit einer Definition des Leitsymptoms gefolgt von einer Auflistung möglicher Ursachen. Das ist erstmal ein sehr praktischer Ansatz, schließlich kommen nicht alle Patienten vordiagnostiziert zum Arzt. Nach der Auflistung der Ursachen folgen häufige Begleitsymptome, Vorschläge für Anamnesefragen und mögliche Untersuchungen sowie Anhaltspunkte, auf die in der klinischen Untersuchung zu achten ist.

Hilfreich bei der Diagnosefindung finde ich den Abschnitt “Diagnoseweisende Symptome” und die ab und zu anzutreffenden Tabellen, in denen verschiedenen Befunden die wahrscheinlichste Krankheitsursache zugeordnet wird. Beides findet sich jedoch längst nicht in jedem Kapitel. Außerdem nur manchmal finden sich “Hintergrund”-Abschnitte, die auf die Pathophysiologie einzelner Erkrankungen eingehen. Darüber hinaus werden einige geläufige Blutwerte erläutert und Ursachen für deren Veränderungen genannt. Am Ende des Buches findet sich eine Übersicht der häufigsten Labor-Normwerte.

Die „Diagnoseweisenden Symptome“ weisen zwar meist nicht direkt auf eine Diagnose hin, helfen aber, das Problem einzugrenzen beziehungsweise den Fokus besser setzen zu können. „Leitsymptome“ liefert nicht etwa wie beschrieben die Diagnose zur vorgetragenen Symptomatik, sondern vielmehr die Struktur und den Inhalt eines umfassenden, symptombezogenen Anamnesegesprächs sowie der nachfolgenden Untersuchungen. Meiner Meinung nach kann es im klinischen Alltag daher durchaus angewandt werden, eignet sich aber nicht zur Vorbereitung auf Prüfungen – es sei denn, es wird gezielt nach einer Auflistung von Differentialdiagnosen zu einem bestimmten Symptom gesucht. Meiner Einschätzung nach setzt dieses Buch so viel Wissen voraus, dass es erst nach bestandener Prüfung lohnend aufgeschlagen werden kann.

Dies liegt zum Beispiel daran, dass die Mehrzahl der Tipps nicht auf die Diagnosefindung, sondern eher auf die genaue Beschreibung des Symptoms und der Begleitsymptome hinausläuft. So werden zwar einige Anamnesefragen wie „Sind die Brustschmerzen atemabhängig? Werden sie im Liegen schlimmer?“ vorgeschlagen, mit der Interpretation der Antworten bleibt der Leser jedoch allein. Auch die Liste der Ursachen dient eher der Kontrolle, ob man an alles gedacht hat, als der wirklichen Diagnostik, da sie keine Hinweise auf die Häufigkeit der einzelnen Pathologien liefert.

Zugunsten der Kompaktheit geht außerdem die Übersichtlichkeit verloren. Kapitel beginnen mitten auf einer Seite und durch die zweifarbige Gestaltung ist schon etwas Konzentration gefragt um zu behalten, was wohin gehört. Die Nomenklatur ist nicht einheitlich gegliedert: Manche Symptome finden sich nur unter der deutschen „Laienbezeichnung“, während andere ausschließlich unter ihrer Fachbezeichnung zu finden sind. Querverweise fehlen teilweise, genauso ein Glossar.

Gerade bei Leitsymptomen, die häufig mit Notfallsituationen einhergehen wie zum Beispiel „Thoraxschmerz“, zeigt das Buch deutliche Schwächen. Zwar wird auch hier erwähnt, dass schnellstmöglich lebensbedrohliche Krankheitsursachen wie Herzinfarkt, Lungenembolie und Aortendissektion ausgeschlossen werden müssen, diese Information findet sich jedoch erst ganz am Ende des Kapitels. Ähnliches gilt beispielsweise für die Kapitel „Bewusstlosigkeit“, „Akutes Abdomen“ und „Apnoe“.

Abschließend kann ich sagen, dass „Leitsymptome“ von Annemarie Hehlmann zwar einen sinnvollen Ansatz wählt, um zu einer Diagnose zu finden, jedoch eher in seltenen Fällen tatsächlich wie versprochen vom Symptom zur Diagnose führt. Meiner Meinung nach ist es nicht so sehr zur Prüfungsvorbereitung und schon gar nicht in Akutsituationen zu gebrauchen, sondern eher zur Vorbereitung auf geplante Aufnahmegespräche und zur Kontrolle, ob man auch an alles gedacht hat. Das Augenmerk wird hierbei nicht auf die Diagnose selbst, sondern eher auf die Strukturierung der Diagnostik gelegt, wobei vom Leser eine Menge Vorwissen erwartet wird.

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